1174 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses


über die Regierungsvorlage (1042 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine über Informationsaustausch und Zusammenarbeit auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anlagen

Das am 8. November 1996 unterzeichnete Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine über Informationsaustausch und Zusammenarbeit auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes ist gesetzändernd und gesetzesergänzend und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat nach Art. 50 Abs. 1 B-VG. Es ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich zugänglich, sodaß ein Beschluß nach Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Es hat nicht politischen Charakter und enthält keine verfassungsändernden oder verfassungs­ergänzenden Bestimmungen. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden.

Im Rahmen der österreichischen Kernenergiepolitik stellt die Weiterentwicklung und Verbesserung des Völkerrechts zur Wahrung der Interessen der österreichischen Bevölkerung und zum Schutz der Umwelt ein wesentliches strategisches Element dar. Konkret wird insbesondere im Verhältnis zu den Nachbar­staaten sowie im Verhältnis zu Staaten mit Kernreaktoren geringeren Sicherheitsniveaus die rechtlich verbindliche Vereinbarung von Informations- und Konsultationsmechanismen angestrebt, nicht zuletzt, da frühzeitige und umfassende Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die Optimierung öster­reichischer Vorsorge- und Schutzmaßnahmen sind.

Auf internationaler Ebene ermöglicht das Übereinkommen vom 26. September 1986 über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen, dem Österreich angehört, den Mitgliedstaaten, bei einem nuk­learen Unfall in einem anderen Staat möglichst frühzeitig Schutzmaßnahmen einzuleiten. Die Benach­richtigungspflicht im Rahmen dieses Übereinkommens ist allerdings – wie der Titel besagt – auf Unfälle beschränkt; zudem ist der Benachrichtigungsweg über die IAEO relativ umständlich und unter Um­ständen zu langwierig.

Österreich ist daher bemüht, in Ergänzung und Erweiterung dieses internationalen Übereinkommens, Informationsabkommen im Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes abzuschließen. Durch diese bilateralen Abkommen soll der durch das erwähnte Übereinkommen vorgesehene Informa­tionsweg abgekürzt und die Vorbereitung oder Durchführung von Schutzmaßnahmen durch ergänzende Informationen über Kernanlagen in diesen Staaten erleichtert und verbessert werden. Derartige bilaterale Übereinkommen bestehen bereits mit Deutschland, mit der Tschechischen Republik, mit der Slowa­kischen Republik, mit Ungarn und mit Polen.

Derzeit ist auf bilateraler Ebene im Verhältnis zur Ukraine das Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die frühzeitige Benachrichtigung bei einem nuklearen Unfall und den Informationsaustausch über Kernanlagen gültig. Das am 8. November 1996 unterzeichnete Abkommen ist gegenüber dem derzeit gültigen bilateralen Abkommen wesentlich umfassender angelegt. Das Abkommen regelt den Informa­tionsaustausch zwischen den beiden Staaten:

–   über den Eintritt der Benachrichtigungspflicht und die Modalitäten der Informationsübermittlung bei nuklearen Unfallsituationen und Ereignissen, die keine Unfälle gemäß Art. 1 Abs. 1 sind, die aber in der Bevölkerung eines Vertragsstaates Besorgnis hervorrufen könnten (in Art. 1 bis Art. 4 geregelt),

–   über die Ergebnisse der Programme zur Messung der ionisierenden Strahlung und der Radionuklide in der Luft, im Trinkwasser, im Oberflächenwasser und im Boden (Art. 5),

–   über stillgelegte, in Betrieb oder in Bau befindliche und geplante Kernanlagen sowie über Betriebsstillegungen (siehe Art. 6 Abs. 2) und

–   über die Nuklearprogramme der Vertragsstaaten, über Erfahrungen aus dem Betrieb von Kernanlagen und die Rechtsvorschriften der Vertragsparteien über nukleare Sicherheit und Strahlenschutz (Art. 6 Abs. 1).

Informationen über nukleare Unfälle werden unverzüglich übermittelt. Die Meßergebnisse über die ionisierende Strahlung und die Radionuklide in der Luft werden einmal jährlich, bei bedeutenden Abweichungen vom Naturzustand unverzüglich ausgetauscht. Informationen über die Nuklearprogramme der Vertragsstaaten, über Erfahrungen aus dem Betrieb von Kernanlagen und die Rechtsvorschriften der Vertragsparteien über nukleare Sicherheit und Strahlenschutz werden wenigstens einmal alle zwei Jahre übermittelt. Informationen über geplante Kernanlagen werden im voraus übergeben, und zwar nicht später als sechs Monate vor dem Beginn der Bauarbeiten.

Bei Bedarf werden gemeinsame Expertentagungen abgehalten (Art. 8), um das Funktionieren des im Abkommen vorgesehenen Informationsaustausches zu erörtern und zu bewerten. Weiters ist anläßlich von Expertentagungen vorgesehen, andere aktuelle Fragen der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes zu erörtern und einander über die Zusammenarbeit mit den internationalen Organisationen auf diesem Gebiet zu informieren.

Ferner verpflichten sich beide Vertragsparteien, zur Ausarbeitung eines Strahlenfrühwarnsystems beizutragen, dem auch andere Staaten beitreten können (Art. 5 Abs. 2).

Nach Art. 10 kann der Inhalt der erhaltenen Informationen zur Informierung der Öffentlichkeit verwendet werden, soweit die andere Vertragspartei sie nicht für vertraulich erklärt. Diese Bestimmung dient zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Sie entspricht dem Art. 5 Abs. 3 des Übereinkommens über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen.

An Kosten werden aus diesem Abkommen vorerst nur die für die Abhaltung der gemeinsamen Expertentagungen gemäß Art. 8 erforderlichen Aufwendungen anfallen, die bei Abhaltung in Österreich etwa 30 000 S, bei Abhaltung in der Ukraine etwa 100 000 S betragen dürften. Ferner werden im Falle der Errichtung des gemäß Art. 5 Abs. 2 auszuarbeitenden Strahlenfrühwarnsystems (kein Termin festgesetzt, frühestens in fünf Jahren) Kosten erwachsen. Die für eine internationale Mietleitung Wien–Kiew zu 64Kbit/s einschließlich der nötigen Hardware und Software erwachsenden Kosten können derzeit auf etwa 1,7 Millionen Schilling Errichtungskosten und 700 000 S jährliche Betriebskosten veranschlagt werden. Sie wären bei den Ansätzen des Bundeskanzleramtes zu budgetieren, die Errichtungskosten bei Ansatz 1/10818/6300/904 und die Betriebskosten bei Ansatz 1/10818/6300/903.

Die EU-Kommission wurde am 10. September 1996 gemäß Art. 103 des EURATOM-Vertrages vom Vertragstext verständigt und hat keinen Einwand erhoben.

Der Außenpolitische Ausschuß hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 8. Mai 1998 in Verhandlung genommen.

An der anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Martina Gredler, Wolfgang Jung, Mag. Doris Kammerlander, Mag. Dr. Josef Höchtl sowie der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Wolfgang Schüssel.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Im vorliegenden Fall hält der Außenpolitische Ausschuß die Erlassung eines besonderen Bundesgesetzes gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages für entbehrlich.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuß den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluß des Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine über Informationsaustausch und Zusammenarbeit auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anlagen (1042 der Beilagen) wird genehmigt.

Wien, 1998 05 08

                                 Dr. Kurt Heindl                                                                  Peter Schieder

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann