1180 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP
Bericht
des Außenpolitischen Ausschusses
über die Regierungsvorlage (1098 der Beilagen): 6. Protokoll zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Europarates
Am Wiener Europaratsgipfel am 9. Oktober 1993 einigten sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Europarates, als Bestandteil der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten einen einzigen europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu errichten, der an die Stelle der bisherigen Kontrollorgane treten wird. Die Reform des Kontrollmechanismus der Konvention war notwendig geworden, um den effizienten Rechtsschutz im Hinblick auf die wachsende Anzahl von Beschwerden im allgemeinen aufrechterhalten und stärken zu können und im besonderen die Verfahrensdauer vor den Straßburger Instanzen zu verkürzen.
Am 11. Mai 1994 wurde anläßlich der 94. Tagung des Ministerkomitees das Protokoll Nr. 11 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, durch das die darin vorgesehenen Kontrollmechanismen umgesetzt werden, zur Unterzeichnung aufgelegt.
Österreich hat das Protokoll Nr. 11 noch am gleichen Tag unterzeichnet und am 3. August 1995 die Ratifikationsurkunde hinterlegt.
Mit Inkrafttreten des Protokolls Nr. 11 wird ein auf permanenter Basis tagender Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte geschaffen, an dem im Gegensatz zum derzeit bestehenden Gerichtshof ständige Richter tätig sein werden. Aus diesem Grunde wurde es erforderlich, den Status dieser Richter festzulegen. Um den geänderten Verhältnissen Rechnung zu tragen, wurde vom Ministerkomitee das gegenständliche Sechste Zusatzprotokoll zum Allgemeinen Abkommen über Vorrechte und Immunitäten des Europarates am 9. Februar 1996 angenommen und am 5. März 1996 zur Unterzeichnung aufgelegt.
Im Sechsten
Zusatzprotokoll werden den Richtern und ihren Familienangehörigen im
wesentlichen die gleichen Privilegien und Immunitäten eingeräumt, wie
sie auch diplomatische Vertreter genießen. Unter Berücksichtigung
ihrer besonderen Stellung und des Erfordernisses der Gewährleistung ihrer
richterlichen Unabhängigkeit erhalten die Richter damit einen dem
Generalsekretär des Europarates und seinem Stellvertreter vergleichbaren
Status. Der Status der nach dem 11. Protokoll berufenen Richter entspricht im
wesentlichen dem Status, wie er für die nicht hauptberuflich tätigen
Richter des Gerichtshofes vor Inkrafttreten des 11. Protokolls gemäß
dem Vierten Zusatzprotokoll zum Allgemeinen Abkommen über die Privilegien
und Immunitäten des Europarates, BGBl. Nr. 88/1962, gegolten hat. Neu
eingeführt wurde durch das gegenständliche Zusatzprotokoll, daß
eine Aufhebung der Immunität von Bediensteten des Gerichtshofes, die nicht
als Richter oder Kanzler tätig sind, durch den Generalsekretär des
Europarates an die Zustimmung des Präsidenten des Gerichtshofes gebunden
ist (Art. 5 Abs. 4). Da das Zusatzprotokoll auch den
Familienangehörigen der Richter diplomatische Privilegien und Immunitäten
einräumt, hat es gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher
gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den
Nationalrat. Es hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren
Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodaß eine
Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2
B-VG nicht erforderlich ist. Der Vertrag enthält keine
verfassungsändernden Bestimmungen. Eine Zustimmung des Bundesrats
gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht
erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen
Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.
Der Außenpolitische Ausschuß hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 8. Mai 1998 in Verhandlung genommen.
An der anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Wolfgang Jung, Dr. Walter Schwimmer sowie der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Wolfgang Schüssel.
Bei der Abstimmung wurde mehrstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.
Im vorliegenden Fall hält der Außenpolitische Ausschuß die Erlassung eines besonderen Bundesgesetzes gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages für entbehrlich.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuß den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:
Der Abschluß des Staatsvertrages: 6. Protokoll zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Europarates (1098 der Beilagen) wird genehmigt.
Wien, 1998 05 08
Inge Jäger Peter Schieder
Berichterstatterin Obmann