1193 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten


über die Regierungsvorlage (1032 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem integrierten Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird


Die erfolgreichen Integrationsbemühungen des Bundes und der Länder im Rahmen der sogenannten “Bosnieraktion” haben dazu geführt, daß eine große Zahl dieser Fremden, die 1992 und danach in Österreich vorübergehend aufgenommen wurden, in der Zwischenzeit Beschäftigung und Existenz­sicherung gefunden haben. Es wäre nun aus sozialpolitischen und aus integrationspolitischen Gründen nicht sinnvoll, den Aufenthalt dieser Fremden zu beenden, die bisher ein vorübergehendes Aufenthalts­recht hatten und sich in der Zeit der Gültigkeit dieses vorübergehenden Aufenthaltsrechts in Österreich integrieren konnten.

Für diesen Personenkreis ist daher die Möglichkeit des weiteren Verbleibs in Österreich sicherzustellen. Ihnen und ihren Familien soll die Möglichkeit weiteren Aufenthaltes geschaffen werden, indem sie in das Regime der Aufenthaltstitel des Fremdengesetzes 1997 überführt werden. Damit kann für eine wesent­liche Kostenreduktion im Bereich der Unterstützungsaktion für Kriegsvertriebene aus Bosnien und Herzegowina Sorge getragen werden.

Da eine Einfügung in das System des Fremdengesetzes 1997 erfolgt, entspricht die Regelung den Vor­gaben des Unionsrechtes und des Schengener Vertragswerkes.

Für die Regelung der gesamten Materie werden die durchwegs im Gesetzgebungsbereich des Bundes liegenden Kompetenztatbestände “Ein- und Auswanderungswesen” (Art. 10 Abs. 1 Z 3 B-VG) und Fremdenpolizei (Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG) in Anspruch genommen.

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 3. Juni 1998 in Verhandlung genommen.

In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Dr. Karl Maitz, Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Terezija Stoisits, Emmerich Schwemlein, Dr. Volker Kier, Dr. Elisabeth Hlavac, Wolfgang Jung, Herbert Scheibner und der Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl das Wort.

Die Abgeordneten Anton Leikam und Paul Kiss brachten einen Abänderungsantrag ein, der wie folgt begründet war:

Zu Z 1 (§ 1 Abs. 1 Z 2):

Die Änderung in § 1 ergibt sich daraus, daß es sich bei den betroffene Vertrieben nicht nur um Familienangehörige von Bosnieren handeln kann, sondern auch um Angehörige anderer Fremder.

Zu Z 2 (§ 3):

Entgegen der ursprünglichen Annahme hat sich in einer von Bund und Ländern gemeinsam getragenen Analyse erwiesen, daß es einen gewissen Anteil an bosnischen Vertriebenen gibt, deren Heimkehr zwar grundsätzlich möglich ist, aber deren Aufenthalt in Österreich noch nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt beendet werden kann: Diese Fremden werden nachhaltig zur Rückkehr in ihre Heimat aufgefordert werden und Österreich auch verlassen. Diese Rückkehr wird mit Hilfe von Reintegrationsprojekten gefördert werden.

Davon zu unterscheiden sind jene Vertriebenen, deren Aufenthaltsrecht in Österreich ein dauerhaftes sein muß. Es handelt sich hiebei um Menschen, die dauerhaften Schutz benötigen und voraussichtlich nie mehr heimkehren können. Dies sind Schwerkranke und schwer Traumatisierte, Waisen und Zeugen vor dem internationalen Kriegsverbrechertribunal.

Das durch § 3 Abs. 1 gewährte Aufenthaltsrecht ist kein Aufenthaltstitel im Sinne des Fremdengesetzes, das diesen Fremden gewährte Aufenthaltsrecht ist ein vorübergehendes und von den genannten Voraussetzungen abhängig.


Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Anton Leikam und Paul Kiss mit Stimmenmehrheit ange­nommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 1998 06 03

                           Emmerich Schwemlein                                                            Anton Leikam

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann

Anlage 1

Bundesgesetz, mit dem integrierten Vertriebenen aus Bosien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

§ 1. (1) Fremde, denen auf Grund der Verordnung BGBl. Nr. 299/1996 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukam oder die auf Grund der Verordnung BGBl. II Nr. 215/1997 zum Aufenthalt berechtigt sind, ist – sofern sie vor dem 1. Oktober 1997 nach Österreich eingereist sind, sich hier ständig aufhalten und die Voraussetzungen der §§ 5 bis 16 des Fremdengesetzes 1997 (FrG) BGBl. I Nr. 75/1997, bei ihnen bis auf weiteres gesichert scheinen – für die Niederlassung auf Dauer auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung (§ 23 FrG) zu erteilen und zwar, wenn

           1. für sie eine Sicherungsbescheinigung oder Beschäftigungsbewilligung ausgestellt wurde oder sie über eine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein verfügen oder eine vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975) ausgenommene unselb­ständige Erwerbstätigkeit ausüben oder im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosen­versicherung stehen oder erlaubt selbständig erwerbstätig sind, eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck;

           2. sie Angehörige im Sinne des § 47 Abs. 3 FrG eines Fremden gemäß Z 1 oder eines Fremden sind, der über eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck verfügt, eine Nieder­lassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck, ausgenommen Erwerbstätigkeit;

           3. sie keine Erwerbsabsicht haben, eine Niederlassungsbewilligung für Private.

(2) Fremde gemäß Abs. 1, die für den weiteren Aufenthalt gemäß § 7 Abs. 4 FrG eine Aufent­haltserlaubnis benötigen, können diese im Inland beantragen.

§ 2. (1) Der Nachweis eines Rechtsanspruches auf eine für Inländer ortübliche Unterkunft gilt für Fremde gemäß § 1 als erbracht, solange sie die ihnen am 1. Jänner 1998 zur Verfügung stehende Unterkunft bewohnen. Fremde, denen eine weitere Niederlassungsbewilligung gemäß § 1 Abs. 1 erteilt wird, sind mit der Erteilung auf Dauer niedergelassen.

(2) Der Zeitraum des § 21 Abs. 4 und des § 24 Z 1 FrG beginnt bei Fremden gemäß § 1 Abs. 1 mit der Erteilung der weiteren Niederlassungsbewilligung zu laufen.

§ 3. (1) Fremden, die auf Grund des § 1 Abs. 2 Z 2, 3, 4, 6 oder 7 der Verordnung BGBl. II Nr. 215/1997 zum Aufenthalt berechtigt sind, die sich hier ständig aufhalten und denen eine endgültige Rückkehr in ihre Heimat aus humanitären Gründen noch nicht zuzumuten ist, kann die Behörde (§ 88 Abs. 1 FrG) auf Antrag ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht von jeweils sechs Monaten im Bundesgebiet gewähren und im Reisepaß ersichtlich machen. Ist bei solchen Fremden mangelnde Rückkehrbereitschaft gegeben, weil sie ein entsprechendes Reintegrationsangebot, das ihnen nachweislich gemacht worden ist, nicht angenommen haben, obwohl ihnen dies zumutbar gewesen wäre, so hat die Behörde das vorübergehende Aufenthaltsrecht auf den für die Vorbereitung der Ausreise notwendigen Zeitraum zu beschränken.

(2) Ist wahrscheinlich, daß Fremden, die auf Grund des § 1 Abs. 2 Z 2, 4 und 6 der Verordnung BGBl. II Nr. 215/1997 zum Aufenthalt berechtigt sind, eine Rückkehr in ihre Heimat aus humanitären Gründen auf Dauer nicht zuzumuten ist, so kann ihnen, sofern die Mittel für ihren Unterhalt gesichert erscheinen, eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 FrG mit der erforderlichen Gültigkeitsdauer erteilt werden.

§ 4. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. August 1998 in Kraft:

(2) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Inneres betraut.

Anlage 2

Abweichende persönliche Stellungnahme

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits

gemäß § 42 Abs. 5 GOG zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegen­heiten über die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Integrierten und Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird (1032 der Beilagen, XX. GP)


Vorweg sei festgehalten, daß die Regierungsvorlage bereits im Dezember dem Innenausschuß zugewiesen wurde und es daher sinnvoll gewesen wäre, dieses Gesetz bereits am Beginn dieses Jahres im Innenausschuß und in der Folge im Nationalrat zu behandeln und zu beschließen. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß zahlreiche Anträge von bosnischen Flüchtlingen auf Erteilung einer Nieder­lassungsbewilligung seit Monaten nicht behandelt werden, da die zuständigen Behörden das Inkrafttreten dieses Gesetzes abwarten wollen.

Grundsätzliches

Auch nach Einstellung der kriegerischen Handlungen in Bosnien-Herzegowina zeigt sich, daß eine vollständige Rückkehr aller Flüchtlinge und Vertriebenen nicht möglich ist. Einerseits ist für Personen in bestimmten Gebieten die persönliche Sicherheit und Würde noch nicht gewährleistet, andererseits ist es in vielen Fällen für Personen unzumutbar, in das Land zurückzukehren, in dem ihnen so enormes Leid zugefügt wurde. Eine Reintegration von bosnischen Flüchtlingen kann daher nur auf freiwilliger Basis funktionieren. Die Bestrebungen der österreichischen Politik, den weiteren Aufenthalt von kriegsver­triebenen Menschen aus Bosnien-Herzegowina in Österreich zu sichern, sind daher nur zu begrüßen. Gleichzeitig müssen die Reintegrationsprojekte, die von Österreich mitunterstützt werden, positiv hervorgehoben werden.

Gesetzesentwurf noch mangelhaft

Auch wenn die Regierungsvorlage durch den Abänderungsantrag in erheblichem Maße verbessert wurde, gibt es noch einige wesentliche Mängel, die beseitigt werden sollten:

a)  Es ist als positiv anzumerken, daß auf Grund des Abänderungsantrages auch Personen, die nicht auf dem Arbeitsmarkt integriert sind bzw. Angehörige von solchen Personen sind, gemäß § 3 ein weiteres Aufenthaltsrecht erhalten sollen, wenn ihnen aus humanitären Gründen eine Rückkehr in die Heimat nicht zugemutet werden kann. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, warum es im Ermessen der Behörden liegen soll, ob eine Person, die diese Voraussetzungen erfüllt, ein weiteres Aufenthaltsrecht erhält oder nicht. Das heißt, wenn die Behörde zur Auffassung gelangt, daß für die betreffende Person eine Rückkehr in ihre ehemalige Heimat nicht zuzumuten ist, dann hat sie meiner Ansicht nach dieser Person in Österreich ein weiteres Aufenthaltsrecht zu erteilen. In Fällen wie diesen gibt es keine Alternative zur Verlängerung des Aufenthaltsrechtes für die bosnischen Flüchtlinge. Es ist daher nicht verständlich, warum hier eine Kann-Bestimmung geschaffen wurden.

b) Gemäß § 3 Abs. 2 kann bosnischen Flüchtlinge, denen eine Rückkehr in ihre Heimat auf Dauer nicht zuzumuten ist, eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (gemäß § 10 Abs. 4 Fremden­gesetz) erteilt werden. Dies gilt allerdings nur für Waisen und unbegleitete Minderjährige, Schwer­kranke und in Folge der kriegerischen Handlungen traumatisierte Personen sowie Zeugen vor dem Internationalen Gerichtshof. Der ÖVP-Abgeordnete Dr. Karl Maitz hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, daß sich in der Steiermark insbesondere alte Personen in der Bund- und Länderaktion befinden, die auf Dauer nicht mehr selbsterhaltungsfähig sind. Für diese Personen, die in der Regel keine Angehörigen mehr in Bosnien-Herzegowina haben, besteht eine Rückkehrmöglichkeit in ihre ehemalige Heimat praktisch nicht. Ausgenommen vielleicht einige wenige, die in neuerrichtete Altersheime (Reintegrationsprojekte) untergebracht werden können. Für mich ist es daher nicht nachvollziehbar, warum Personen, die keine Familienunterstützung in Bosnien-Herzegowina haben und aus Alters- oder anderen schwerwiegenden Gründen nicht für den eigenen Lebensunterhalt aufkommen können, von der Möglichkeit eines humanitären Aufenthaltes im Sinne des § 3 Abs. 2 ausgeschlossen werden, zumal bei diesen Personen anzunehmen ist, daß für sie eine Rückkehr auf Dauer nicht möglich ist.


c)  Waisen und unbegleiteten Minderjährigen kann unter den oben erwähnten Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erteilt werden, die allerdings Erwerbstätigkeit ausschließen. Da insbesondere diese Personengruppe auch auf den Arbeitsmarkt integriert werden soll, wäre es zweckmäßiger, ihnen eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck zu erteilen, zumal – wie aus dem Gesetz hervorgeht – angenommen wird, daß diese Personen auf Dauer in Österreich bleiben werden. Diese Änderung sollte schon im Sinne des zuletzt ausgegebenen Mottos “Integration vor Neuzuwanderung” vorgenommen werden. Da bekannt ist, daß diese Personen auf Dauer in Österreich bleiben wollen oder müssen, gibt es keinen Grund ihnen nur eine “humanitäre Aufenthaltserlaubnis” zu erteilen.

d) Etliche Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina sind heute als Student/inn/en an österreichischen Universitäten und Hochschulen inskribiert. Sie haben in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis für Student/inn/en. Da auch vielen von diesen Personen eine Rückkehr in ihre Heimat nach Ende des Studiums nicht möglich und zumutbar ist, sollte gesetzlich verankert werden, daß diesen Personen nach Beendigung ihres Studiums eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck zu erteilen ist, wenn ihnen eine Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina nicht zugemutet werden kann. Auf Grund der geltenden gesetzlichen Bestimmungen ist der Erwerb einer Niederlassungsbewilligung für Schüler/innen und Student/inn/en nach Ende des Studiums bzw. der Schule nicht möglich. Da aber diese Personengruppe nicht schlechter gestellt werden soll als andere Flüchtlinge, denen die Rückkehr nicht zuzumuten ist, sollte eine entsprechende Ausnahmeregelung getroffen werden.

Mag. Terezija Stoisits