1194 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten


über die Regierungsvorlage (894 der Beilagen): Protokoll auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union und von Artikel 41 Absatz 3 des Europol-Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten für Europol, die Mitglieder der Organe, die stellvertretenden Direktoren und die Bediensteten von Europol


Am 26. Juli 1995 wurde in Brüssel das Übereinkommen auf Grund von Artikel K.3 des Vertrages über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes (Europol-Übereinkommen) unterzeichnet. Neben der Ratifikation durch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist für die Aufnahme der Tätigkeit durch Europol gemäß Artikel 45 Absatz 4 Europol-Übereinkommen jedoch auch erforderlich, daß ein zwischen den Mitgliedstaaten abzuschließendes Protokoll über Vorrechte und Befreiungen der Organe von Europol in den Mitgliedstaaten in Kraft tritt. Diese Bestimmung trägt der Tatsache Rechnung, daß erst ein gewisses Maß an Unabhängigkeit ein effizientes Funktionieren von Europol ermöglicht.

Durch das Protokoll werden den Organen von Europol Immunitäten und Privilegien in dem Ausmaß eingeräumt, das eine ungehinderte Tätigkeit von Europol ermöglicht. Zudem wird erst durch Inkraftsetzung des Protokolls ermöglicht, daß Europol tätig werden kann.

Durch die Anwendung des Protokolls entstehen dem Bund keine qualifizierbaren Mehrkosten.

Das vorliegende Protokoll hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es enthält keine verfassungs­ändernden oder verfassungsergänzenden Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter. Angelegen­heiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder werden durch dieses Abkommen nicht berührt.

Das Abkommen ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodaß eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist.

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 3. Juni 1998 in Verhandlung genommen.

In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Franz Lafer, Dr. Volker Kier, Wolfgang Jung, Mag. Terezija Stoisits und der Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl das Wort.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des gegenständlichen Abkommens zu empfehlen und die nicht deutschsprachigen Fassungen des Abkommens durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten kundzumachen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

           1. Der Abschluß des Staatsvertrages: Protokoll auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union und von Artikel 41 Absatz 3 des Europol-Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten für Europol, die Mitglieder der Organe, die stellvertretenden Direktoren und die Bediensteten von Europol (894 der Beilagen) wird genehmigt.

           2. Gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG wird dieser Staatsvertrag in seinen englischen, dänischen, spani­schen, französischen, finnischen, gälischen, griechischen, italienischen, niederländischen, portu­giesischen und schwedischen Fassungen dadurch kundgemacht, daß er zur öffentlichen Einsicht­nahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Wien, 1998 06 03

                             Helmut Dietachmayr                                                              Anton Leikam

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann

Anlage

Abweichende persönliche Stellungnahme

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits

gemäß § 42 Abs. 5 GOG zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegen­heiten über die Regierungsvorlage betreffend das Protokoll auf Grund von Art. K.3 des Vertrages über die Europäische Union und von Art. 41 Abs. 3 des Europolübereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten für Europol, die Mitglieder der Organe, die stellvertretenden Direktoren und die Bediensteten von Europol


Grundsätzliches

Europol unterliegt weder einer nationalen Kontrolle und Verantwortlichkeit, noch ist es dem Amt der Kommission als Exekutive der EU untergeordnet. Gemäß Art. 30 darf das Personal “von keiner Regierung, Behörde, Organisation oder nicht der Europol angehörenden Personen Weisungen entgegennehmen”. Diese Institution ist somit gleichsam freischwebend und handelt ohne wirksame Kontrolle. Die einzige zulässige Einflußnahme auf Europol soll der von jedem Mitgliedstaat mit einem Regierungsvertreter beschickte Verwaltungsrat ausüben (Art. 28 Europolübereinkommen). Dieser hat jedoch keinen Einfluß auf die konkrete Aufgabenerfüllung. Die einzige Möglichkeit direkter Einfluß­nahme besteht darin, daß der EU-Rat mit einer Mehrheit von zwei Drittel den Direktor und die Stellvertreter entläßt. Eine indirekte Kontrolle von Europol kann nur durch die Innen- und Justizminister der zwölf Mitgliedstaaten ausgeübt werden, die sich der beiden Koordinatoren oder nachgeordneten hohen Beamten, vorzugsweise der Leiter der jeweiligen Ministerien bedienen. Eine direkte demokratische Kontrolle durch das Europäische Parlament ist nicht abzusehen. Grundsätzlich sollten aber europäische Institutionen mit hoheitlichen Befugnissen wie Europol durch die nationalen Parlamente und durch das Europäische Parlament demokratisch legitimiert sein müssen. Das Europolübereinkommen wird diesen Demokratieansprüchen nicht gerecht. Durch das Europolübereinkommen werden massive Eingriffe in das Datenschutzrecht im hochsensiblen Polizeibereich zugelassen. Dies ist umso bedenklicher, als der Mangel an demokratischer Kontrolle enorm ist. Das vorliegende Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten für Europol, die Mitglieder der Organe, die stellvertretenden Direktoren und die Bedien­steten von Europol verschärft die Situation in einem drastischen Ausmaß.

Europol herrscht absolut

Mitglieder der Organe und des Personals von Europol genießen laut dem gegenständlichen Überein­kommen Immunität von jeglicher Gerichtsbarkeit hinsichtlich der von ihnen in Ausübung ihres Amtes vorgenommenen mündlichen und schriftlichen Äußerungen sowie Handlungen – und zwar auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit. Dies bedeutet, daß Europol-Polizisten strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden können, aber auch, daß die Daten von Europol weder von Gerichten angefordert, noch beschlagnahmt werden dürfen. Beamte von Europol dürfen nicht einmal als Zeugen geladen werden. Während die Immunität von Abgeordneten und Diplomaten örtlich, sachlich und zeitlich beschränkt ist, wird Europol mit diesem Übereinkommen außerhalb des vielzitierten Verfassungsbogens gestellt. Dies widerspricht dem in Art. 18 B-VG normierten Legalitätsprinzip, wonach die Verwaltung an die Gesetze gebunden ist. Der Polizeirechtsexperte und frühere Polizeipräsident von Düsseldorf führte dazu in der deutschen Richterzeitung aus, “das Vorhaben, die Europol-Polizisten total exemt zu stellen, ist in der neueren Rechtsgeschichte ohne Beispiel”. (Siehe auch Süddeutsche Zeitung vom 25. März 1998.)

Mit diesem Übereinkommen wird das umgesetzt, was gewisse Polizeibeamte und Neo-Gewerkschafter in Österreich gern verwirklicht hätten. Während diese Beschwerdeführer mit Klagsdrohungen und Verleum­dungsanzeigen mundtot machen wollen, wird auf europäischer Ebene per Gesetz von vornherein jede Beschwerdemöglichkeit gegen Europol-Polizisten ausgeschlossen. Das Argument, daß Europol derzeit nur über beschränkte Kompetenzen verfügen, kann nicht wirklich beruhigen, da von Europol derart sensible Daten – wie über sexuelle Gewohnheiten, politische Auffassungen, rassische oder religiöse Zugehörigkeit – verarbeitet werden können und darüber hinaus im Europolübereinkommen eine Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbeamten der einzelnen Mitgliedsländer vorgesehen ist. Angeblich soll dieses Immunitätsübereinkommen abgeändert werden, wenn die exekutiven Befugnisse von Europol ausgebaut werden. Es stellt sich allerdings die Frage, warum dann diese demokratiepolitisch bedenkliche Sonderstellung der Europol-Beamten überhaupt beschlossen wurde.


Das Immunitätsprotokoll verhindert jede Kontrollmöglichkeit

Gerade im Datenverarbeitunsbereich hat sich gezeigt, daß eine umfangreiche Kontrolle unerläßlich ist. Angesichts der Tatsache, daß alle Aufzeichnungen, Schriftwechsel, Schriftstücke, Manuskripte, Computer- und Mediendaten usw., von Europol absolute Unverletzlichkeit genießen und somit nicht herausgegeben werden müssen und auch nicht beschlagnahmt werden dürfen, zeigt sich, daß es praktisch keinen Rechtsschutz für betroffene Personen gibt. Die Möglichkeit beim jeweiligen Mitgliedstaat den erlittenen Schaden einzuklagen, wird zur Leerformel, da der Nachweis des unrechtmäßigen Handelns mangels Einsichtnahme in die Datenbestände von Europol kaum zu erbringen sein wird. In diktatorischen Systemen ist es üblich, daß bestimmte Personen über das Gesetz gestellt werden. Daß aber in einem demokratischen System Abgeordnete derartigen Übereinkommen zustimmen können, ist vollkommen unverständlich.

Mag. Terezija Stoisits