1204 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Ausgedruckt am 27. 8. 1998

Regierungsvorlage


Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung und Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungs­ersuchen samt Erklärungen der Republik Österreich


ABKOMMEN

ZWISCHEN DEN MITGLIEDSTAATEN DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN ÜBER DIE VEREINFACHUNG UND MODERNISIERUNG DER VERFAHREN ZUR ÜBERMITTLUNG VON AUSLIEFERUNGSERSUCHEN

DIE MITGLIEDSTAATEN DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN – im folgenden “Mitgliedstaaten” genannt  –

IN DEM BESTREBEN, in ihren derzeitigen Beziehungen auf dem Gebiet der Auslieferung die Zusammenarbeit der Justiz im Bereich des Strafrechts zu verbessern.

IN DER ERWÄGUNG, daß eine Beschleunigung der Verfahren zur Übermittlung der Ausliefe­rungsersuchen sowie der dazugehörigen Begleitdokumente wünschenswert ist und daß zu diesem Zweck die modernen Übermittlungstechniken angewendet werden sollten –

SIND wie folgt ÜBEREINGEKOMMEN:

Artikel 1

(1) Zur Anwendung der zwischen den Mitgliedstaaten geltenden Auslieferungsabkommen bezeichnet jeder Vertragsstaat die zentrale Behörde oder, wenn verfassungsmäßig vorgesehen, die zentralen Behörden, die mit der Übermittlung und der Entgegennahme der Auslieferungsersuchen und der Beweisdokumente sowie aller sonstigen offiziellen Korrespondenz im Zusammenhang mit Auslieferungsersuchen beauftragt sind.

(2) Die Bezeichnung der Behörden gemäß Absatz 1 durch jeden Mitgliedstaat erfolgt bei der Ratifizierung, Genehmigung oder Annahme des Abkommens und kann zu jedem späteren Zeitpunkt geändert werden. Der Verwahrer des Abkommens teilt jedem Vertragsstaat die bezeichneten Behörden sowie die späteren Änderungen mit.

Artikel 2

Das Auslieferungsersuchen und die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Dokumente können als Fernkopie übermittel werden. Jede zuständige Behörde gemäß Artikel 1 verfügt über ein entsprechendes Gerät, um die Übermittlung und den Empfang dieser Dokumente auf diesem Wege sicherzustellen, und trägt für dessen korrekten Betrieb Sorge.

Artikel 3

(1) Um sowohl den Ursprung als auch die Vertraulichkeit der Übertragung zu gewährleisten, wird an den Fernkopierer der zuständigen Behörde gemäß Artikel 1 ein Kodierungsgerät angeschlossen, wenn der Fernkopierer für die Zwecke dieses Abkommens benutzt wird.

(2) Die Vertragsstaaten stimmen sich untereinander über die praktischen Bestimmungen zur Durchführung dieses Abkommens ab.

Artikel 4


Um die Echtheit der Auslieferungsdokumente zu gewährleisten, erklärt die in Artikel 1 genannte zuständige Behörde des ersuchenden Staates in ihrem Auslieferungsersuchen, daß sie die Überein­stimmung der zu diesem Ersuchen übermittelten Beweisdokumente mit den Originalen bescheinigt, und gibt eine Beschreibung von deren Paginierung. Wird die Übereinstimmung der Dokumente mit den Originalen von der ersuchten Partei angefochten, so kann die in Artikel 1 genannte zuständige Behörde des ersuchten Staates von der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates verlangen, daß diese innerhalb einer angemessenen Frist Originaldokumente oder gleichlautende Abschriften auf diplomatischem Wege oder auf jedem sonstigen, einvernehmlich vereinbarten Wege vorlegt.

Artikel 5

(1) Dieses Abkommen liegt zur Unterzeichnung durch die Mitgliedstaaten auf. Es bedarf der Ratifizierung, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifizierungs-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Ministerium für auswärtige Angelegenheiten von Spanien hinterlegt.

(2) Das Abkommen tritt 90 Tage nach dem Zeitpunkt der Hinterlegung der Ratifizierungs-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden durch die Staaten in Kraft, die zum Zeitpunkt der Auflegung zur Unterzeichnung Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften sind.

(3) Bis zum Inkrafttreten dieses Abkommens kann jeder Staat bei der Hinterlegung seiner Ratifizierungs-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde oder zu jedem späteren Zeitpunkt erklären, daß er das Abkommen in seinen Beziehungen mit den Staaten anwendet, die nach dem Zeitpunkt der Hinterlegung dieselbe Erklärung abgegeben haben.

(4) Ein Staat, der diese Erklärung nicht abgegeben hat, kann das Abkommen mit anderen Vertragsstaaten auf der Grundlage bilateraler Abkommen anwenden.

(5) Das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten von Spanien notifiziert allen Mitgliedstaaten die Unterzeichnungen, Hinterlegung von Urkunden oder die Abgabe von Erklärungen.

Artikel 6

Diesem Abkommen kann jeder Staat beitreten, der Mitglied der Europäischen Gemeinschaften wird. Die Beitrittsurkunden werden beim Ministerium für auswärtige Angelegenheiten von Spanien hinterlegt.

Dieses Abkommen tritt für beitretende Staaten 90 Tage nach dem Zeitpunkt der Hinterlegung ihrer Beitrittsurkunden in Kraft.

Das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten von Spanien übermittelt den Unterzeichner­regierungen eine beglaubigte Abschrift.

GESCHEHEN zu Donostia – San Sebastian am sechsundzwanzigsten Mai neuzehnhundert­neunundachtzig, in allen Amtssprachen, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten von Spanien hinterlegt wird.

ERKLÄRUNGEN DER REPUBLIK ÖSTERREICH

1. Im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 bezeichnet Österreich das Bundesministerium für Justiz als zentrale Behörde.

2. Gemäß Artikel 5 Absatz 3 erklärt Österreich, daß dieses Abkommen bis zu seinem Inkrafttreten gegenüber den Mitgliedstaaten, die eine Erklärung gleichen Inhalts abgegeben haben, anwendbar ist.

Vorblatt

Problem:

Nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (BGBl. Nr. 320/ 1969) idF des Zweiten Zusatzprotokolls (BGBl. Nr. 297/1983) hat die Übermittlung des formellen Auslieferungsersuchens und der diesem anzuschließenden Unterlagen, wenn sich die gesuchte Person in Auslieferungshaft befindet, innerhalb von höchstens 40 Tagen nach dem Zeitpunkt der Verhaftung zu erfolgen. Diese Frist kann insbesondere in jenen Fällen, in welchen die Auslieferungsunterlagen mit einer beglaubigten Übersetzung in die Sprache des ersuchten Staates versehen werden müssen, häufig nur schwer eingehalten werden, da auch der Postlauf in die Frist eingerechnet wird. Zur Fristwahrung hat sich daher die Praxis entwickelt, Auslieferungsersuchen samt angeschlossenen Unterlagen in diesen Fällen regelmäßig vorweg per Telefax zu übermitteln, wobei allerdings die Nachreichung der Originalunterlagen auf dem Postweg erforderlich ist.

Lösung:

Ratifikation des Abkommens zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung und Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen vom 26. Mai 1989, welches im wesentlichen vorsieht, daß Auslieferungsersuchen und die diesen angeschlossenen Unterlagen per Telefax übermittelt werden können. Eine Nachreichung der Originalunterlagen auf dem Postweg ist danach grundsätzlich nicht mehr erforderlich.

Inhalt:

Bezeichnung von Zentralbehörden zur Übermittlung und Entgegennahme von Auslieferungsersuchen und angeschlossenen Unterlagen; Zulässigkeit der Übermittlung der erwähnten Dokumente per Telefax.

Alternativen:

Keine.

Kosten:

Zur Ermöglichung der Anwendung des Übereinkommens mußten zwei Fax-Schlüsselgeräte zur Teil­nahme am EU-weiten “secure network” (chiffrierte Übermittlung von Auslieferungsdokumenten) samt Zubehör und Codekarten erworben werden. Hiefür sind Kosten in der Höhe von insgesamt 185 270,98 S angefallen.

EU-Konformität:

Ist gegeben.

Erläuterungen


Allgemeiner Teil

Das Abkommen ist gesetzesergänzend und gesetzändernd. Es bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodaß die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Das Abkommen enthält keine verfassungsändernden oder
-ergänzenden Bestimmungen. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Das Abkommen und die Erklärungen der Republik Österreich werden in deutscher Sprache im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Hinsichtlich der ebenfalls authentischen Textfassungen des Abkommens in dänischer, englischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, niederländischer, portu­giesischer und spanischer Sprache wäre vom Nationalrat anläßlich der Genehmigung zu beschließen, daß diese gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundgemacht werden, daß sie im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt werden.

Art. 16 Abs. 4 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957, BGBl. Nr. 320/1969 (in der Folge: Auslieferungsübereinkommen) idF des Zweiten Zusatzprotokolls (BGBl. Nr. 297/1983) sieht vor, daß Auslieferungsersuchen und die diesem anzuschließenden Unterlagen in jenen Fällen, in denen sich die gesuchte Person in Auslieferungshaft befindet, innerhalb von höchstens 40 Tagen nach dem Zeitpunkt der Verhaftung zu übermitteln sind. Diese Frist kann insbesondere in jenen Fällen, in denen den Auslieferungsunterlagen beglaubigte Übersetzungen in die Sprache des ersuchten Staates anzuschließen sind, häufig nur schwer eingehalten werden, da auch der Postlauf in die Frist eingerechnet wird. Zur Fristwahrung hat sich daher die Praxis entwickelt, Auslieferungsersuchen samt angeschlossenen Unterlagen in diesen Fällen regelmäßig vorweg per Telefax zu übermitteln, wobei allerdings die Nachreichung der Originalunterlagen auf dem Postweg erforderlich ist.

In der Erwägung, daß eine Beschleunigung der Verfahren zur Übermittlung der Auslieferungsersuchen sowie der dazugehörigen Begleitdokumente wünschenswert ist und daß zu diesem Zweck moderne Übermittlungstechniken angewandt werden sollen, wurde am 26. Mai 1989 im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit das Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung und Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen abgeschlossen. Durch das erwähnte Abkommen wird die Möglichkeit geschaffen, Auslieferungsersuchen und die diesen anzuschließenden Unterlagen per Telefax zu übermitteln. Um die Vertraulichkeit der Übertragung zu gewährleisten, muß zu diesem Zweck an den Fernkopierer der zuständigen Behörde ein Kodierungsgerät (Verschlüsselungsgerät) angeschlossen werden. Eine Nachreichung der Originalunterlagen auf dem Postweg ist danach grundsätzlich nicht mehr erforderlich. Daneben sieht das Abkommen die Namhaftmachung von Zentralbehörden der Vertragsstaaten vor, die zur Übermittlung und Entgegennahme der Auslieferungsersuchen und angeschlossenen Unterlagen sowie aller sonstigen offiziellen Korrespondenz im Zusammenhang mit Auslieferungsersuchen zuständig sind.

Das Abkommen wurde bisher von Deutschland, Belgien, Spanien, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, dem Vereinigten Köngreich und Schweden ratifiziert; alle diese Staaten haben eine Erklärung über die vorzeitige Anwendung abgegeben.

Zur Ermöglichung der Ratifikation des Abkommens durch Österreich war die Anschaffung zweier Kodiergeräte durch das Bundesministerium für Justiz erforderlich, wofür Kosten in der Höhe von 185 270,98 S angefallen sind.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1:

Diese Bestimmung sieht die Namhaftmachung von Zentralbehörden, die für die Übermittlung und Entgegennahme der Auslieferungsersuchen und der diesen gemäß Art. 12 Abs. 2 des Ausliefe­rungsübereinkommens anzuschließenden Unterlagen sowie aller sonstigen offiziellen Korrespondenz im Zusammenhang mit Auslieferungsersuchen zuständig sind, durch die Vertragsstaaten anläßlich der Ratifikation des Abkommens vor. Österreich wird das Bundesministerium für Justiz als zentrale Behörde bezeichnen.

Zu Artikel 2:

Dieser Artikel enthält die wesentliche Bestimmung des Abkommens, nämlich die Möglichkeit der Übermittlung des Auslieferungsersuchens und der nach Art. 12 Abs. 2 des Auslieferungsübereinkommens erforderlichen Unterlagen per Telefax. Zu diesem Zweck müssen die Zentralbehörden der Vertragsstaaten über ein entsprechendes Gerät verfügen und für dessen korrekten Betrieb Sorge tragen. Eine Nachreichung der Originalunterlagen auf dem Postweg ist grundsätzlich nicht mehr erforderlich.


Zu Artikel 3:

Nach dieser Bestimmung ist an das Telefaxgerät der nach Art. 1 zuständigen Behörde ein Kodierungs-gerät anzuschließen, wenn dieses für die Zwecke des Abkommens benutzt wird. Auf diese Weise soll der Ursprung und insbesondere die Vertraulichkeit der Übertragung gewährleistet werden, da es dadurch zu einem verschlüsselten Austausch der Auslieferungsdokumente kommt.

Zu Artikel 4:

Dieser Artikel sieht vor, daß die Zentralbehörde des ersuchenden Staates im Auslieferungsersuchen die Übereinstimmung der diesem angeschlossenen Beweisdokumente mit den Originalen zu bescheinigen und eine Beschreibung von deren Paginierung abzugeben hat. Auf diese Weise soll die Echtheit der Auslieferungsunterlagen gewährleistet werden. Wird die Übereinstimmung der erwähnten Unterlagen mit den Originalen vom ersuchten Staat dessenungeachtet angefochten, so kann dessen Zentralbehörde die Übermittlung der Originalunterlagen oder beglaubigter Kopien derselben auf diplomatischem Weg oder auf sonstige, einvernehmlich vereinbarte Weise, verlangen. Hiefür ist eine angemessene Frist zu setzen.

Zu Artikel 5:

Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten des Abkommens. Nach Abs. 2 tritt dieses 90 Tage nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunde durch jene Staaten in Kraft, die zum Zeitpunkt seiner Auflegung zur Unterzeichnung Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften waren. Damit das Abkommen zwischen interessierten Staaten jedoch so rasch wie möglich angewandt werden kann, ist in Abs. 3 vorgesehen, daß jeder Staat bei der Ratifikation oder zu einem späteren Zeitpunkt erklären kann, daß er das Abkommen bis zu dessen Inkrafttreten gegenüber anderen Mitgliedstaaten anwenden wird, die eine Erklärung gleichen Inhalts abgegeben haben. Österreich wird eine entsprechende Erklärung abgeben.

Abs. 4 sieht darüber hinaus vor, daß auch ein Mitgliedstaat, der die erwähnte Erklärung nicht abgegeben hat, das Abkommen gegenüber anderen Mitgliedstaaten auf der Grundlage bilateraler Vereinbarungen anwenden kann.

Zu Artikel 6:

Nach diesem Artikel steht das Übereinkommen allen Staaten, die Mitglied der Europäischen Union werden, zum Beitritt offen. Ferner werden darin die Modalitäten für den Beitritt geregelt.

Die Bundesregierung hat beschlossen, dem Nationalrat vorzuschlagen, anläßlich der Genehmigung des Staatsvertrages gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, daß die Fassungen des Abkommens in dänischer, englischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer und spanischer Sprache dadurch kundzumachen sind, daß sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Daran anknüpfend wurde mit Rücksicht auf eine sparsame und zweckmäßige Verwaltung gemäß § 23 Abs. 2 GOG-NR von der Vervielfältigung und Verteilung dieser Sprachfassungen Abstand genommen.

Die gesamte Regierungsvorlage liegt in der Parlamentsdirektion zur Einsicht auf.