1254 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Verfassungsausschusses


über die Regierungsvorlage (1210 der Beilagen): Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden  über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften


Zwischen dem Bund, den Ländern, dem Österreichischen Gemeindebund und dem Österreichischen Städtebund besteht Einvernehmen darüber, daß Regelungen über die Kostentragung für den Fall getroffen werden sollen, daß rechtsetzende Maßnahmen einer Gebietskörperschaft andere Gebietskörperschaften belasten. Es soll daher in einer Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften im wesentlichen folgendes festgelegt werden:

           1. Wechselseitige Information mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zu rechtsetzenden Maß­nahmen;

           2. Einrichtung von Konsultationsgremien, die der Beratung und der Abgabe einvernehmlicher Empfehlungen über die Kostentragung dienen;

           3. Regelung der Kostentragung:

               Kommt eine Einigung zustande, ist diese für die Kostentragung maßgebend; andernfalls ist, sofern die im Art. 4 Abs. 5 der Vereinbarung vorgesehene Bagatellgrenze überschritten wird, ein Ersatz der durch die Verwirklichung der Vorhaben zusätzlich verursachten finanziellen Ausgaben zu leisten; Gesetzesbeschlüsse sollen – nach den näheren Bestimmungen des Art. 5 – automatisch eine Kostentragungspflicht der Gebietskörperschaft, der das rechtsetzende Organ angehört, aus­lösen, sofern

               – keine Konsultation vorzunehmen war (dies betrifft insbesondere Initiativanträge) oder

               – die Vorlage gegenüber der konsultierten Fassung verändert wurde

               und zusätzliche finanzielle Ausgaben für die belastete Gebietskörperschaft entstanden sind und nicht im Nachhinein Einigung über die Tragung der finanziellen Mehrausgaben zwischen den Gebietskörperschaften erzielt wird.

           4. Verpflichtung der Vertragspartner, einen Österreichischen Stabilitätspakt nach dem Vorbild des Stabilitätspaktes auf der Ebene der Europäischen Union abzuschließen.

Dem Konsultationsmechanismus liegt die Absicht zugrunde, die Verantwortung der Gesetzgebung des Bundes und der Länder für die öffentlichen Aufgaben und Ausgaben mit der Verantwortung dieser Gesetzgebung für die Haushalte der Vertragspartner in Einklang zu bringen und Lastenverschiebungen unter den Gebietskörperschaften zu vermeiden.

Ausgangspunkt der Überlegungen war, daß die Autonomie der Gesetzgebung aufrecht bleiben muß und daß der Vollziehung in den vorgesehenen Konsultationsgremien nur Empfehlungsbefugnisse eingeräumt werden können. Durch den Konsultationsmechanismus soll daher keine Möglichkeit zur Verhinderung eines Gesetzesvorhabens geschaffen werden; es wird vielmehr die derzeitigen finanzverfassungsgesetz­lichen Kostentragungsregeln (§ 2 F‑VG 1948) anzupassen sein.

Die Vereinbarung soll auch einen Beitrag dazu leisten, die Bemühungen um Sparsamkeit, Wirtschaft­lichkeit und Zweckmäßigkeit in der öffentlichen Verwaltung fortzusetzen.

Über die im Entwurf vorliegende Vereinbarung wurde zwischen dem Bund, den Ländern, dem Öster­reichischen Gemeindebund und dem Österreichischen Städtebund Einvernehmen erzielt und am 10. März 1998 wurde der Text dieser Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern festgelegt.

Verfassungsrechtliche Erfordernisse


Für den Abschluß der Vereinbarung mußte eine bundesverfassungsgesetzliche Grundlage geschaffen werden, weil neben dem Bund und den Ländern auch die Gemeinden, vertreten durch den Öster­reichischen Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund, als Vertragspartner auftreten. Diese besteht in dem Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes, BGBl. I Nr. 61/1998.

Gemäß diesem Bundesverfassungsgesetz sind Bund, Länder und Gemeinden, diese vertreten durch den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund, ermächtigt, miteinander Ver­einbarungen über einen Konsultationsmechanismus und einen Stabilitätspakt abzuschließen. Auf die Vereinbarung über den Konsultationsmechanismus sind gemäß Art. 2 des genannten Bundesverfassungs­gesetzes die für Vereinbarungen gemäß Art. 15a Abs. 1 B‑VG geltenden bundes- und landesrechtlichen Vorschriften mit bestimmten Abweichungen anzuwenden.

Dem Inhalt nach bindet die Vereinbarung auch Organe der Bundesgesetzgebung und bedarf daher gemäß Art. 15 Abs. 1 B‑VG der Genehmigung des Nationalrates.

Art. 1 Abs. 3, Art. 4 Abs. 3 sowie Art. 6 der Vereinbarung sind verfassungsändernd, sodaß gemäß Art. 15a Abs. 1 letzter Satz B‑VG Art. 50 Abs. 3 B‑VG sinngemäß anzuwenden ist und daher insofern dieselben Bezeichnungs- und Beschlußerfordernisse wie für verfassungsändernde bzw. verfassungsergän­zende Staatsverträge gelten. Der Grund für den Verfassungsrang des Art. 1 Abs. 3 und des Art. 4 Abs. 3 liegt in der vorgesehenen Einvernehmensbindung, der für den Verfassungsrang des Art. 6 im voraussichtlichen verfassungsändernden Inhalt des “österreichischen Stabilitätspaktes”.

Art. 4 Abs. 2 ist nicht verfassungsändernd, da Art. 2 des Bundesverfassungsgesetzes über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes ausdrücklich zur Auf­nahme von § 2 F-VG abweichender Regelungen ermächtigt.

Der Verfassungsausschuß hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 10. Juni 1998 in Verhandlung genommen.

Bei der Abstimmung hat der Verfassungsausschuß mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses der gegenständlichen Vereinbarung zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle den Abschluß der Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden  über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften, dessen Art. 1 Abs. 3, Art. 4 Abs. 3 sowie Art. 6 verfassungsändernd sind (1210 der Beilagen), genehmigen.

Wien, 1998 06 10

                  Dipl.-Kfm. DDr. Friedrich König                                                Dr. Peter Kostelka

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann