1255 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Verfassungsausschusses


über den Antrag 791/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird


Die Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Dr. Andreas Khol haben am 26. Mai 1998 den gegenständ­lichen Antrag im Nationalrat eingebracht. Diesem Antrag waren folgende Erläuterungen beigegeben:

“Der Vertrag von Amsterdam bringt im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik – insbesondere durch Art. 17 des EU-Vertrages – eine Stärkung der sicherheitspolitischen Dimension der Europäischen Union. Die Union wird nunmehr auch in der Lage sein, die Westeuropäische Union (WEU) für die Durchführung von sogenannten Petersberg-Aufgaben (humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedens­schaffender Maßnahmen) in Anspruch zu nehmen. Dadurch erfährt die europäische Dimension der Sicherheitspolitik eine deutliche Aufwertung.

Der Art. 23f B-VG verweist auf den Vertrag über die Europäische Union, der durch den Vertrag von Amsterdam geändert wird. Da dieser Verweis im allgemeinen als statischer Verweis angesehen wird und außerdem Mißverständnisse von vornherein ausgeschlossen werden sollen, ist es erforderlich klar­zustellen, daß dieser Verweis auf den Vertrag über die Europäische Union ein Verweis auf diesen Vertrag in der Fassung des Vertrages von Amsterdam ist. Dabei werden mit der Nennung der sogenannten Petersberg-Aufgaben und der Verhängung von Wirtschaftssanktionen gegen Drittstaaten die beiden in der Praxis in diesem Zusammenhang wohl häufigsten Anwendungsfälle angeführt.

Mit dieser Änderung ist klargestellt, daß Österreich nicht nur an Maßnahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik auf der Grundlage des Maastrichter Vertrages – insbesondere was die Verhängung von Wirtschaftsembargos betrifft – teilnehmen kann, sondern vollumfänglich auch an den durch den Vertrag von Amsterdam in den EU-Vertrag (Art. 17 Abs. 2) neu eingeführten sogenannten Petersberg-Aufgaben. In Entsprechung des Vertrages von Amsterdam gilt dies auch für den Fall, daß eine solche Maßnahme nicht in Durchführung eines Beschlusses des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ergriffen wird (Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen).

Weiters wird mit dieser Änderung die Inanspruchnahme der sogenannten konstruktiven Enthaltung gemäß Art. 23 Abs. 1 zweiter Unterabsatz des EU-Vertrages, die allenfalls auch Unterlassungs- und Duldungs­verpflichtungen (wie zB im Zusammenhang mit Durchfuhren und Überflügen in Durchführung einer GASP-Maßnahme, zu der sich Österreich konstruktiv enthält) begründen kann, ermöglicht.

Eine allfällige österreichische Zustimmung zu den in Art. 17 Abs. 1 des EU-Vertrages in der Fassung des Vertrages von Amsterdam vorgesehenen Integrationsperspektiven einer gemeinsamen Verteidigung bzw. der Möglichkeit einer Integration der WEU in die EU wird durch die vorgeschlagene Änderung allerdings nicht vorweggenommen. Im Falle einer diesbezüglichen Entwicklung in der EU würden solche Beschlüsse des Europäischen Rates jedenfalls der qualifizierten Genehmigung durch den Nationalrat bedürfen.

Wegen der Bedeutung von Beschlüssen betreffend friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen (vgl. Art. 17 Abs. 2 des EU-Ver­trages in der Fassung des Vertrages von Amsterdam) sowie von Beschlüssen gemäß Art. 17 des EU-Ver­trages betreffend die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik und die engeren institutionellen Beziehungen zur WEU bedarf das Stimmverhalten (einschließlich der Stimmenthaltung) des Einvernehmens zwischen dem Bundeskanzler und dem Bundesminister für auswärtige Angelegen­heiten.


Für den nicht auszuschließenden Fall, daß bereits durch einen Beschluß im Rahmen der GASP eine Ver­pflichtung Österreichs zur Entsendung von Einheiten oder einzelnen Personen im Sinne des Bundes­verfassungsgesetzes über die Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG), BGBl. I Nr. 38/1997, bewirkt würde, stellt die vorliegende Regelung sicher, daß durch die Zustimmung zu so einem Beschluß das Ergebnis des im KSE-BVG vorgesehenen Verfahrens nicht präjudiziert wird.

Auf Grund der dargelegten Neuerungen des Vertrages von Amsterdam wird es auch erforderlich sein, entsprechende Anpassungen in einfachgesetzlichen Regelungen (§ 320 StGB, Bundesgesetz über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial) vorzunehmen.”

Der Verfassungsausschuß hat den erwähnten Antrag in seiner Sitzung am 10. Juni 1998 in Verhandlung genommen.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Mag. Johann Ewald Stadler, Peter Schieder, Mag. Dr. Heide Schmidt, DDr. Erwin Niederwieser, Dr. Andreas Khol, MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Dipl.-Kfm. Dr. Friedrich König, Wolfgang Jung sowie Staatssekretär Dr. Peter Wittmann.

Bei der Abstimmung wurde der im Initiativantrag enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oberwähnten Abänderungsantrags in der diesem Bericht beigedruckten Fassung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 1998 06 10

                              Winfried Seidinger                                                           Dr. Peter Kostelka

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann

Anlage

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundes-Verfassungsgesetz, zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. I Nr. 68/
1998, wird wie folgt geändert:

1. Artikel 23f lautet:

Artikel 23f. (1) Österreich wirkt an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Euro­päischen Union auf Grund des Titels V des Vertrages über die Europäische Union in der Fassung des Vertrages von Amsterdam mit. Dies schließt die Mitwirkung an Aufgaben gemäß Art. 17 Abs. 2 dieses Vertrages sowie an Maßnahmen ein, mit denen die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren dritten Ländern ausgesetzt, eingeschränkt oder vollständig eingestellt werden. Beschlüsse des Euro­päischen Rates zu einer gemeinsamen Verteidigung der Europäischen Union sowie zu einer Integration der Westeuropäischen Union in die Europäische Union bedürfen der Beschlußfassung des Nationalrates und des Bundesrates in sinngemäßer Anwendung des Art. 44 Abs. 1 und 2.

(2) Für Beschlüsse im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union auf Grund des Titels V sowie für Beschlüsse im Rahmen der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen auf Grund des Titels VI des Vertrages über die Europäische Union in der Fassung des Vertrages von Amsterdam gilt Art. 23e Abs. 2 bis 5.

(3) Bei Beschlüssen betreffend friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbe­wältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen sowie bei Beschlüssen gemäß Art. 17 des Vertrages über die Europäische Union in der Fassung des Vertrages von Amsterdam betreffend die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik und die engeren institutionellen Be­ziehungen zur Westeuropäischen Union ist das Stimmrecht im Einvernehmen zwischen dem Bundes­kanzler und dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten auszuüben.

(4) Eine Zustimmung zu Maßnahmen gemäß Abs. 3 darf, wenn der zu fassende Beschluß eine Ver­pflichtung Österreichs zur Entsendung von Einheiten oder einzelnen Personen bewirken würde, nur unter dem Vorbehalt gegeben werden, daß es diesbezüglich noch der Durchführung des für die Entsendung von Einheiten oder einzelnen Personen in das Ausland verfassungsrechtlich vorgesehenen Verfahrens bedarf.”

2. Artikel 151 wird folgender Abs. xx angefügt:

“(xx) Art. 23f tritt gleichzeitig mit dem Vertrag von Amsterdam in Kraft. Der Bundeskanzler hat diesen Zeitpunkt im Bundesgesetzblatt kundzumachen.”