1359 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Justizausschusses


über die Regierungsvorlage (1230 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetz­buch, die Strafprozeßordnung, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichts­gesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1998)


Der vorliegende Gesetzentwurf hat zwei Schwerpunkte. Zum einen sollen insbesondere die EU-Übereinkommen und -Protokolle zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften und gegen Bestechung sowie das OECD-Bestechungsübereinkommen innerstaatlich umgesetzt und damit deren Ratifizierung ermöglicht werden. Zum anderen sollen – unvorgreiflich einer Gesamtänderung des Sexualstrafrechts – einige als besonders dringlich erkannte Änderungen im Bereich des sexuellen Kindesmißbrauchs vorgenommen werden. Es sind dies die Verlängerung der Verjährungsfrist bei an Kindern und Jugendlichen verübten Sexualdelikten, die Gleichstellung von anderen schweren Fällen sexuellen Kindesmißbrauchs mit dem Beischlaf mit Unmündigen sowie eine Ausweitung der Möglichkeiten zur schonenden Vernehmung von Zeugen.

Der Justizausschuß hat diese Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 16. Juli 1998 in Verhandlung genommen. An der sich an die Ausführungen des Berichterstatters Dr. Walter Schwimmer anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Peter Schieder, Wolfgang Jung, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Walter Schwimmer, Dr. Johannes Jarolim, Dr. Michael Krüger, Mag. Thomas Barmüller, Dr. Irmtraut Karlsson, Dr. Brigitte Povysil, Dr. Helmut Kukacka, Mag. Johann Maier, Dr. Martin Graf sowie die Ausschußobfrau Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und der Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek.

Von den Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Dr. Michael Krüger wurde je ein Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters stellten die Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Dr. Johannes Jarolim zwei Abänderungsanträge zur Regierungsvorlage.

Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage in der Fassung der erwähnten Abänderungsanträge der Abgeordneten Dr. Maria Theresia Fekter und Dr. Johannes Jarolim mit Mehrheit angenommen.

Die von den Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Dr. Michael Krüger vorgelegten Abänderungs­anträge fanden keine Mehrheit.

Zum Berichterstatter für das Haus wurde Abgeordneter Josef Schrefel gewählt.

Weiters hat der Justizausschuß mit Mehrheit die nachstehenden Ausschußfeststellungen beschlossen:

Zu Art. I Z 1a:

Bei der vorgeschlagenen Änderung handelt es sich um eine terminologische Anpassung an die geänderten Überschriften der §§ 206 und 207 StGB in der Fassung der Regierungsvorlage.

Zu Art. I Z 1b:

Durch den Wegfall der Bezugnahme auf “außereheliche” Lebensgemeinschaften von Personen “ver­schiedenen Geschlechts” sollen auch Personen des gleichen Geschlechts, die miteinander in einer auf längere Dauer ausgerichteten Beziehung leben, künftig im materiellen Strafrecht (§ 166 StGB – Begehung bestimmter Vermögensdelikte im Familienkreis) und im Strafprozeßrecht (§ 152 Abs. 1 Z 2 – Zeugnis­entschlagungsrecht) wie Angehörige behandelt werden.

Zu Art. I Z 3 (§ 153b Abs. 1):

In Ergänzung der Erläuterungen zur Regierungsvorlage weist der Justizausschuß darauf hin, daß nach den Ausführungen im Erläuternden Bericht zum EU-Finanzschutzübereinkommen unter der mißbräuchlichen Verwendung von Förderungen eine Zweckentfremdung von Mitteln zu verstehen ist, die, wenn auch zunächst legal gewährt, in der Folge verschwendet oder für andere Zwecke als für diejenigen eingesetzt werden, für die sie bereitgestellt worden waren. Verlangt ist also ein eindeutig außerhalb des Förderungszwecks gelegenes aktives Tun des Täters, weshalb bekräftigt wird, daß die bloße Nichtzuführung der Förderungsmittel zu dem geförderten Zweck nicht tatbildlich ist. Eine zurückhaltende Auslegung des Tatbestands in diesem Sinn ist auch im Hinblick auf die österreichische Verfassungs­rechtslage geboten, da sowohl nach Art. 1 des 4. Zusatzprotokolles zur Europäischen Menschenrechts­konvention, BGBl. Nr. 434/1969, als auch nach Art. 2 Abs. 2 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988, BGBl. Nr. 684, über den Schutz der persönlichen Freiheit niemand allein deshalb die Freiheit entzogen werden darf, weil er nicht in der Lage ist, eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen.

Im übrigen sind dem Erläuternden Bericht zum Finanzschutzübereinkommen keine näheren Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, was unter einer strafwürdigen (“mißbräuchlichen”) und deshalb zu kriminalisierenden Zweckentfremdung von Förderungen zu verstehen ist. Es heißt zwar einerseits, daß bei der mißbräuchlichen Verwendung der Mittel im Zusammenhang mit Ausgaben der Erfolg der unrechtmäßigen Erlangung oder Zurückbehaltung nicht gefordert wird; andererseits heißt es aber auch, daß (solche) mißbräuchliche Verwendungen als mit einer unrechtmäßigen Zurückbehaltung identisch angesehen werden können. Die Identität besteht nun darin, daß Tathandlungen im Sinne des dritten Anstrichs im Art. 1 Abs. 1 lit. a des Übereinkommens gleich oder zumindestens vergleichbar bzw. ähnlich strafwürdig sind wie Tathandlungen im Sinne der ersten beiden Anstriche. Das können sie aber nur sein, wenn auch der Unrechtsgehalt vergleichbar ist. Es darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß der dritte Anstrich im Übereinkommen nicht als selbständig vertypter Sondertatbestand vorgesehen ist, sondern – ebenso wie die ersten beiden Anstriche – als ein Fall des “Betrugs” definiert wird. Mögen daher auch Täuschungs-, Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz ebensowenig Talbestandsmerkmal sein wie die entsprechenden Erfolge, so bedarf es dennoch einer Beeinträchtigung der finanziellen Interessen der öffentlichen Haushalte im Sinne des Abs. 5. Bleiben diese gewahrt, kommt eine Strafbarkeit nicht in Betracht. Nicht gerichtlich strafbar sollen daher insbesondere bloße Formalverstöße gegen Förderungs­richtlinien usw. sein, ehensowenig aber auch Fälle, in denen eine Förderung zwar zweckentsprechend eingesetzt wird, das angestrebte Ziel (der Zweck der Förderung) aber dennoch nicht erreicht wird oder von der im Förderungsantrag angegebenen Verwendung innerhalb des allgemeinen Förderungszwecks etwas abgewichen wird.

In diesem Sinn soll das im dritten Anstrich des Art. 1 Abs. 1 lit. a des Übereinkommens enthaltene Wort “mißbräuchlich” auch in den Wortlaut des Tatbestands des § 153b aufgenommen werden.

Zu Art. I Z 6 (§ 206 Abs. 4):

1. Der Justizausschuß ist der Ansicht, daß die Normierung unterschiedlicher Alterstoleranzklauseln (drei Jahre in § 206 Abs. 4 und vier Jahre in § 207 Abs. 3) unter Festlegung derselben Altersuntergrenze von zwölf Jahren sowohl für Beischlaf und beischlafsähnliche Handlungen als auch für sonstige geschlechtliche Handlungen der erforderlichen Differenzierung nach der Intensität dieser Sexualkontakte nicht im ausreichenden Maße Rechnung trägt. Es erscheint daher angebracht, für sexuelle Handlungen unter annähernd Gleichaltrigen, die mit einer körperlichen Penetration verbunden sind, eine höhere Altersuntergrenze (dreizehn Jahre) vorzusehen als für sonstige geschlechtliche Handlungen.

2. Darüber hinaus sollen geschlechtliche Handlungen, die in einer Penetration mit einem Gegenstand bestehen, vom Anwendungsbereich des Abs. 4 ausgenommen werden, da die ratio dieses Strafaus­schließungsgrundes in einem solchen Fall in der Regel nicht zum Tragen kommen wird.

3. Wie der Justizausschuß schon seinerzeit in seinem Bericht zum StGB (959 BlgNR XIII. GP, 32) zu § 207 festgehalten hat, bleibt auch im Falle der Straflosigkeit nach § 206 Abs. 4 eine mit der Tat allenfalls verbundene vorsätzliche oder fahrlässige Körperverletzung als solche strafbar.

4. Der Ausschuß ist sich bewußt. daß die nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit erforderliche Normierung fixer Altersgrenzen zu Härtefallen führen kann, etwa auch dann, wenn das Geschehen knapp außerhalb des altersmäßig bestimmten Toleranzbereiches liegt. Bei der Rechtsanwendung sollte daher darauf Bedacht genommen werden, daß das Strafrecht (auch außerhalb der im Gesetz festgelegten Toleranzgrenzen) in geschlechtliche Beziehungen Jugendlicher nur mit der gebotenen Zurückhaltung eingreifen soll. Dem wird durch einen sachgerechten Gebrauch der im Jugendstrafrecht und im Bereich der Strafzumessung zur Verfügung stehenden flexiblen Instrumentarien Rechnung zu tragen sein.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Justizausschuß den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1230 der Beilagen) mit den angeschlossenen Abände­rungen die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.


Wien, 1998 07 16

                                  Josef Schrefel                                                          Mag. Dr. Theresia Fekter

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau

Anlage

Abänderungen

zum Gesetzentwurf 1230 der Beilagen

1. Nach Artikel I Z 1 werden folgende Z 1a und 1b eingefügt.

       “1a. Im § 64 Abs. 1 Z 4a werden die Worte “Beischlaf mit Unmündigen” durch die Worte “schwerer sexueller Mißbrauch von Unmündigen” und die Worte “Unzucht mit Unmündigen” durch die Worte “Sexueller Mißbrauch von Unmündigen” ersetzt.

         1b. Im § 72 Abs. 2 entfallen die Worte “verschiedenen Geschlechtes” sowie das Wort “außer­ehelicher”.”

2. Im Artikel I Z 3 wird im § 153b Abs. 1 nach dem Wort “Förderung” das Wort “mißbräuchlich” eingefügt.

3. Im Artikel I Z 6 hat § 206 Abs. 4 zu lauten.

“(4) Übersteigt das Alter des Täters das Alter der unmündigen Person nicht um mehr als drei Jahre, besteht die geschlechtliche Handlung nicht in der Penetration mit einem Gegenstand und hat die Tat weder eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 ) noch den Tod der unmündigen Person zur Folge, so ist der Täter nach Abs. 1 und 2 nicht zu bestrafen, es sei denn, die unmündige Person hätte das dreizehnte Lebensjahr noch nicht vollendet.”

4. Artikel I Z 14 hat zu lauten:

§ 320 Abs. 2 hat zu lauten:

“(2) Abs. 1 ist in den Fällen nicht anzuwenden, in denen

           1. der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als Organ der kollektiven Sicherheit das Vorliegen einer Bedrohung des Friedens, eines Friedensbruches oder einer Angriffshandlung feststellt und militärische Maßnahmen nach Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen zur Aufrecht­erhaltung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit beschließt,

           2. Maßnahmen der Friedenssicherung einschließlich der Förderung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes der Menschenrechte im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) getroffen werden oder

           3. ein Beschluß des Rates der Europäischen Union, gegen den Österreich nicht gestimmt hat, auf Grund des Titels V des Vertrages über die Europäische Union in der Fassung des Vertrages von Amsterdam nach Maßgabe des Artikels 23f des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 durchgeführt wird.”

 

Abweichende persönliche Stellungnahme

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits

gemäß § 42 Abs. 5 GOG zum Bericht des Justizausschusses über Regie­rungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, daß Bankwesengesetz und das Versicherungsauf­sichtsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1998) (1230 der Beilagen)


Grundsätzliches

Grundsätzlich ist zu begrüßen, daß neben der Novellierung der Bestimmungen betreffend Kindesmiß­brauch auch die Verjährungsbestimmungen bei Sexualdelikten und die Gleichstellung aller Lebens­gemeinchaften, egal ob ehelich, außerehelich, homo- oder heterosexuell, was die Angehörigeneigenschaft im Strafrecht betrifft, beschlossen werden soll. Damit werden schon seit Jahren urgierte Forderungen der Grünen endlich auch umgesetzt. Unverständlich ist allerdings, daß sich in Hinkunft zwar ein Lebensgefährte eines noch nicht achtzehnjährigen Jugendlichen auf seine Angehörigeneigenschaft als Lebensgefährte berufen kann, sofern die Eltern des Minderjährigen dieser Lebensgemeinschaft zugestimmt haben, er sich dann aber in diesem Fall im Sinne des § 209 StGB strafbar machen würde. Die Inkonsequenz der Regierungsparteien wird dadurch wieder einmal greifbar.

1. Streichung des § 209 und damit Anpassung an europäisches Niveau

Zur internationalen Rechtslage:

Seit dem Jahre 1971 hat sich die Gesetzeslage betreffend homosexuell orientierter Menschen in Europa wesentlich geändert. In zweiundzwanzig europäischen Staaten gibt es inzwischen ein einheitliches Mindesalter für homo- und heterosexuelle Handlungen. Das Europäische Parlament hat mit seiner Entschließung zur sexuellen Diskriminierung am Arbeitsplatz bereits im Jahr 1984 die Mitgliedstaaten aufgefordert, bei homosexuellen bzw. heterosexuellen Handlungen das gleiche Mindestalter einzuführen. Die parlamentarische Versammlung des Europarates hat mit Empfehlung 924/1981 betreffend die Diskriminierung von Homosexuellen dem Ministerkomitee empfohlen, die Mitgliedstaaten aufzufordern, dieselbe Altersgrenze bei homo- und heterosexuellen Handlungen anzuwenden. Mit Entschließung vom 8. Februar 1994 forderte das Europäische Parlament alle Mitgliedstaaten auf, ein einheitliches Schutzalter zu normieren.

Österreich ist eines der letzten Länder in Europa, in dem homosexuelle Handlungen mit Jugendlichen unter 18 Jahren ein Offizialdelikt darstellen, während heterosexuelle Handlungen mit Jugendlichen ab 14 Jahren erlaubt sind. In der Zwischenzeit hat auch der EGMR die Problematik der strafrechtlichen Ungleichbehandlung von homosexuellen und heterosexuellen Handlungen im Sinne der Menschenrechte festgestellt.

Zur “sogenannten” Verführungstheorie:

Viele Jahre nahm man an, daß Verführung eine Rolle bei der Entstehung von Homosexualität spiele. Heute sind sich alle Fachwissenschaftler darin einig, daß man durch Verführung nicht homosexuell werden kann.

Auch die Expertenkommission für die Revision des Strafgesetzbuches in der Schweiz führte aus, “daß mit 14 Jahren die sexuelle Entwicklung junger Menschen hinsichtlich hetero-, homo- oder bisexueller Richtung festgelegt ist. Homosexuelle Kontakte nach diesem Alter können sie nicht mehr verändern, wie die ärztlichen Mitglieder der Kommissionen überzeugenderweise darlegten” (siehe Erläuternder Bericht, S 37 f). Umfangreiche soziologische Untersuchungen haben ergeben, daß die sexuelle Präferenz bei Beginn der Adoleszenz bereits festliegt. Zu demselben Ergebnis kamen auch die Kommissionen, die zur Abschaffung des unterschiedlichen Mindestalters für homo- und heterosexuelle Handlungen in Dänemark, in den Niederlanden und in Schweden geführt haben (siehe dazu Stellungnahme zur Frage der ersatzlosen Streichung der §§ 209, 210 und 220 StGB von Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Stangl, Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie, April 1984; Beiträge zur gerichtlichen Medizin, Hrsg. Wilhelm Holzerbeck, Band 17, 1979, S 253 f; Sexual­issenschaft und Strafrecht, Hrsg. Herbert Jäger und Eberhard George, Beiträge zur Sexualforschung, Band 62; und viele andere).

In dieser Frage herrschte auch unter den Experten des Unterausschusses des Justizausschusses in der Sitzung vom 10. Oktober 1995 weitgehende Übereinstimmung. Eine Angleichung der Altersgrenzen für homo- und heterosexuelle Handlungen ist aus psychologischer, medizinischer, theologischer und menschenrechtlicher Sicht dringend geboten. Die Beibehaltung des diskriminierenden Straftatbestands stellt eine Gefahr für die körperliche und psychische Gesundheit von homosexuellen Jugendlichen dar und widerspricht der Europäischen Menschenrechtskonvention (siehe zusammenfassende Darstellung).

Es gibt daher keinen sachlich gerechtfertigten Grund, die gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 14 EMRK) verstoßende Strafbestimmung beizuhalten.

2. Kein Grund zur Schaffung eines Straftatbestandes “Förderungsmißbrauch”

Zu bestrafen ist laut dem EU-Übereinkommen “die mißbräuchliche Verwendung von Subventionen zu anderen Zwecken als denen, für die sie ursprünglich gewährt worden sind”; laut den Erläuternden Bemerkungen gibt es für die Schaffung eines neuen Straftatbestandes zur Umsetzung der ersten beiden Anstriche in Art. 1 Abs. 1 lit. a des Übereinkommens keine Gründe, da dies nur zu einem Ab­grenzungsproblem führen würde. Dasselbe gilt aber auch für den dritten Anstrich. Es ist nicht klar, welche Tathandlungen mit dieser Bestimmung umfaßt sein sollen, die nicht durch die §§ 146f (Betrug) oder 133 (Veruntreuung) gedeckt sind. Der Tatbestand des Betruges ist erfüllt, wenn eine Täuschungsabsicht, Schädigungsvorsatz und Bereicherungsvorsatz vorliegen. Diese drei Tatbestandsmerkmale müssen wohl auch beim “Förderungsmißbrauch” vorliegen, ansonsten wohl kaum von einem solchen gesprochen werden kann. Wenn Förderungen zu anderen Zwecken als zu jenen verwendet werden, zu denen sie gewährt wurden so muß eine Täuschungshandlung vorliegen, einerseits zum Zeitpunkt der Antrag­stellung (auf Förderung) und andererseits zum Zeitpunkt der zweckwidrigen Verwendung. Unbestritten ist auch, daß durch die Gewährung von Subventionen der Republik bzw. der EU ein Vermögensschaden entsteht. Auch eine Bereicherung liegt vor, wenn Subventionen zu anderen Zwecken verwendet werden. Der Bereicherungsvorsatz ist gegeben, wenn das faktische Vermögen, das ist der Inbegriff der geldwerten Güter einer Person, vermehrt wird. Ob dies durch effektive Vermehrung der Aktiven, durch Verminde­rung der Passiven oder durch eine Ersparung von Auslagen geschieht, ist irrelevant. Hat der Täter auf die erstrebten geldwerten Leistungen einen Anspruch oder glaubt, einen solchen Anspruch zu haben, so kann von einer Bereicherung nicht gesprochen werden. In diesem Fall ist aber auch der Tatbestand des § 153b nicht erfüllt.

Es gibt also keinen ersichtlichen Grund, einen eigenen Tatbestand des Förderungsmißbrauches einzuführen, da tatbildähnliche Handlungen, die durch diese Bestimmung erfaßt werden sollen, entweder durch §§ 146 f oder 133 StGB erfaßt sind. Eine Notwendigkeit zur Umsetzung des EU-Übereinkommens in Form der Schaffung einer Strafbestimmung “Förderungsmißbrauch” besteht daher nicht.

3. Weitere Aushöhlung der Neutralität

Die Änderung des § 320 StGB ist die Folge der Aushöhlung der Neutralität, die durch die Änderung des Art. 23f B-VG erfolgt ist. Diese Einschränkung war so tiefgreifend, daß eine Bundesregierung, die auf der neuen verfassungsmäßigen Rechtsgrundlage agiert, sogar mit dem Strafgesetz in Konflikt kommen würde.

§ 320 StGB gilt in Zukunft in folgenden Fällen nicht mehr:

           1. bei Maßnahmen nach Kapitel VII der UNO-Satzung,

           2. bei Maßnahmen im Rahmen der OSZE,

           3. bei Beschlüssen im Rahmen der GASP.

Die erste Einschränkung (Punkt 1) erfolgte 1991 im Zuge des Golfkrieges. Die zweite Einschränkung (Punkte 2 und 3) erfolgt durch die vorliegende Novelle. Eine Gleichwertigkeit der beiden Fälle liegt nicht vor: Während das Verhältnis Neutralität – Kollektive Sicherheit immer schon umstritten war, ist klar, daß ein neutraler Staat einem anderen Staat im Kriegsfall nicht zu Hilfe kommen darf. Genau darum geht es aber beim Recht auf “kollektive Selbstverteidigung” gemäß Art. 51 UN-Satzung, auf den die Regierungs­vorlage verweist.


Die SPÖ und insbesondere Klubobmann Dr. Kostelka haben immer wieder betont, daß durch die Novellierung des Art. 23f B-VG keine Einschränkung unserer Neutralität erfolgen würde. Wenn dies der Fall ist, dann gibt es auch keinen Bedarf, die Bestimmung des § 320 StGB (Neutralitätsgefährdung) zu ändern. Vor kurzem wieder wurde von seiten der SPÖ erklärt, daß österreichische Soldaten nur dann an friedenschaffenden Einsätzen teilnehmen, wenn ein Beschluß der Vereinten Nationen oder der OSZE vorliegt. Wenn dies der Fall ist, bedarf es keiner Änderung der geltenden Bestimmung des § 320 StGB.

Gemäß § 320 Abs. 1 StGB (Neutralitätsgefährdung) macht sich strafbar, wer aktiv im Rahmen einer kriegerischen Auseinandersetzung oder eines bewaffneten Konflikts für eine der beteiligten Parteien Partei ergreift, zB in Form von Waffenlieferungen. Nach Abs. 2 ist diese Bestimmung in den Fällen nicht anzuwenden, in denen von der UNO oder der OSZE Maßnahmen zur Friedensherstellung oder
-aufrechterhaltung beschlossen wurden oder es einen Beschluß der EU gibt. Das heißt, daß in diesen Fällen auch Privatpersonen berechtigt sind, für die Partei(en) zu deren Gunsten Maßnahmen beschlossen wurden, Partei (zB in Form von Waffenlieferungen) zu ergreifen, da ja Abs. 1 bei Vorliegen eines Beschlusses nach Abs. 2 nicht anzuwenden ist.

Terezija Stoisits