1440 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses


über den Antrag 719/A(E) der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend gründliche Vorbereitung der EU-Erweiterung


Die Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 25. März 1998 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

“Die Europäische Union steht mit der anstehenden Osterweiterung vor einer entscheidenden Weichen­stellung in Richtung einer dauerhaften und gerechten Friedensordnung und einer endgültigen Über­windung der Spaltung Europas sowie in Richtung eines dynamischen Wirtschafts- und Kulturraums. Die EU kann sich im rasch entwickelnden globalen Wettbewerb nur erfolgreich behaupten, wenn sie die europäische Integration konsequent vorantreibt und sich für neue Mitglieder öffnet. Österreich würde mit einer raschen Heranführung und einer erfolgreichen Integration der mittel- und osteuropäischen Staaten nicht nur zur Öffnung neuer Chancen und Märkte beitragen, sondern auch ganz allgemein seiner geopolitischen und wirtschaftlichen Randlage entkommen.

Auf der anderen Seite ist der Erfolg der Reformprozesse in den antragstellenden Ländern mit der Beitrittsperspektive zur EU direkt verknüpft. Die Vollmitgliedschaft der bisher nur assoziierten Länder verbessert die Chancen für ihren wirtschaftlichen und politischen Aufholprozeß. Die Zugangskriterien für die Beitrittskandidaten wurden beim Europäischen Rat in Kopenhagen 1993 definiert: stabile, demokra­tische und rechtsstaatliche Ordnung, Achtung der Menschen- und Minderheitenrechte, eine funktions­fähige Marktwirtschaft, die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck in der EU standzuhalten und die Übernahme der sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Verpflichtungen und Ziele der Union. Nicht zuletzt deshalb, weil sogar die Europäische Kommission in der Agenda 2000 festgestellt hat, daß zumindest die institutionellen Regelungen für den wichtigsten Bereich der Kriterien, Demokratie und Menschenrechte, überall erlassen wurden, haben nun auch alle Beitrittswerber – mit Ausnahme der Slowakei, die diese Kriterien noch nicht erfüllt – den Anspruch, gleich behandelt zu werden und Beitrittsverhandlungen zu beginnen.

Die in der Agenda 2000 festgelegte Strategie der Kommission, die beim Europäischen Rat im Dezember 1997 in Luxemburg in den Grundzügen bestätigt wurde, zwar alle elf Beitrittsansuchen anzuerkennen, jedoch nur mit sechs Beitrittswerbern wirklich konkrete Beitrittsverhandlungen zu führen, im Bereich der Finanzierung der EU jedoch keine ausreichenden Reformen vorzusehen, wird in dieser Form den Erfordernissen nicht gerecht. Das Europäische Parlament hat mit seiner Entschließung vom 4. Dezember 1997 weitgehend den richtigen Weg vorgezeigt: Die Aufnahme der Mitgliedswerber wird von jeweils erzielten Fortschritten abhängig gemacht, die Finanzierungserfordernisse werden realistisch eingeschätzt und der Institutionenreform wird Priorität eingeräumt, ohne sie zu einem Faustpfand für die Osterweite­rung zu machen.

Zu den mit der Osterweiterung einhergehenden notwendigen Reformen ist aber auch eine neue Ausgaben­struktur der EU erforderlich: weniger Ausgaben für Subventionen (vor allem in der Landwirtschaft), zielgenauere Strukturhilfen, mehr Geld für Innovationen und Zukunftstechnologien, um wettbe­werbsfähige Arbeitsplätze in Europa zu schaffen.

Niemand bezweifelt, daß die Osterweiterung schwierig ist und der EU einiges abverlangen wird. Aber die Probleme werden nicht dadurch gelöst, daß man die Beitrittsverhandlungen oder auch die Beitritte selbst auf viele Jahre hinausschiebt, wie dies von immer mehr Politikern und Entscheidungsträgern, gerade in Österreich, gefordert wird. Eine rasche Mitgliedschaft der mittel- und osteuropäischen Länder in der EU – mit entsprechenden Übergangsfristen in sensiblen Bereichen wie zB dem freien Personenverkehr – ist nicht nur ein berechtigter Anspruch dieser Länder, die weitgehend unverschuldet vom westeuropäischen Wirtschafts- und Wohlstandsmodell über 40 Jahre ausgeschlossen waren, sondern eröffnet auch uns neue Chancen und sichert langfristig Frieden, Demokratie und Wohlstand in ganz Europa.


Bisher der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Untersuchungen gehen jedenfalls im allgemeinen davon aus, daß die Reformländer innerhalb der nächsten acht bis zehn Jahre wirtschaftlich zu den schwächeren EU-Staaten aufschließen werden (ein Trend, der sich gerade durch den Reformdruck zügiger Beitrittsver­handlungen verstärken würde), daß sich die Investitionsmöglichkeiten und der Leistungsbilanzüberschuß der angrenzenden westlichen EU-Staaten stark erhöhen werden, daß maximal 1% der Bevölkerung der Reformländer in die bisherigen EU-Staaten emigrieren würde, daß auf der anderen Seite große Probleme im Verkehrs- und Umweltbereich entstehen könnten.

Um allerdings die Ängste der Bevölkerung zu bekämpfen, ist eine umfassende politische Befassung mit dem Thema EU-Erweiterung, sowohl im Parlament als auch in der Öffentlichkeit, notwendig.”

Der Außenpolitische Ausschuß hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 20. Oktober 1998 in Verhandlung genommen.

In der anschließenden Debatte ergriffen die Abgeordneten Dr. Martina Gredler, Herbert Scheibner und Dr. Walter Schwimmer das Wort.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag nicht die Zustimmung der Ausschuß­mehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 1998 10 20

                            Mag. Dr. Josef Höchtl                                                             Peter Schieder

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann