1494 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten


über den Antrag 842/A der Abgeordneten Anton Leikam, Paul Kiss und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG), BGBl. I Nr. 76/1997, geändert wird


Die Abgeordneten Anton Leikam, Paul Kiss und Genossen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 9. Juli 1998 eingebracht und wie folgt begründet:

“Mit diesem Antrag wird dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1998, G 31, 79, 82, 108/98 Rechnung getragen, mit dem die Zweitagesfrist des § 32 Abs. 1 Asylgesetz 1997 als verfassungswidrig aufgehoben wurde. Gleichzeitig hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß ,eine Verkürzung der im AVG festgelegten zweiwöchigen Berufungsfrist für den hier zu betrachtenden Rechtsbereich nicht vorbehaltlos auszuschließen ist‘ und festgestellt, daß eine Frist von einer Woche das Mindestmaß sei, das ,zur Erreichung faktisch effizienten Rechtsschutzes eingehalten werden‘ müsse. Diese Siebentagesfrist soll nunmehr in das Gesetz aufgenommen werden.”

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten hat den erwähnten Antrag in seiner Sitzung am 23. September 1998 in Verhandlung gezogen.

Nach einer Debatte, an der sich die Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Terezija Stoisits und Dr. Volker Kier beteiligten, wurde der gegenständliche Antrag vertagt.

Die Verhandlungen wurden in der Sitzung des Ausschusses für innere Angelegenheiten am 18. November 1998 wieder aufgenommen.

An der diesbezüglichen Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Terezija Stoisits, Emmerich Schwemlein, Hans Helmut Moser, Paul Kiss, Wolfgang Jung und Walter Murauer sowie der Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl.

Im Zuge der Debatte brachten die Abgeordneten Anton Leikam und Paul Kiss einen Abänderungsantrag ein, der wie folgt begründet war:

Allgemeines:

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24. Juni 1998, G 31/98, die zweitägige Berufungsfrist in Verfahren gemäß § 4 AsylG als verfassungswidrig behoben. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juli 1998 (98/20/0175) wurden die Voraussetzungen für die kassatorischen Entscheidungen des unabhängigen Bundesasylsenates (UBAS) gemäß § 32 Abs. 2 AsylG geklärt. War es die bisherige Praxis, einer Berufung bereits dann Erfolg zu verschaffen, wenn die erstinstanzliche Entscheidung über Drittstaatsicherheit nicht offensichtlich rechtsrichtig war, sodaß der UBAS bereits dann aufheben konnte, wenn er in irgendeine Richtung Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Bundesasylamtes hatte, so verlangt nun der Verwaltungsgerichtshof für eine Aufhebung des Bescheides die abschließende Prüfung des Sachverhaltes durch den unabhängigen Bundesasylsenat mit der Konsequenz, daß für das weitere Verfahren erster Instanz eine Zurückweisung wegen Drittstaat­sicherheit in bezug auf diesen Staat nicht mehr in Betracht kommt. In Konsequenz dieser Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes bedarf es einerseits einer Verlängerung der Fristen zur Berufungserhebung im “abgekürzten Berufungsverfahren” (§ 32 Abs. 1 AsylG) und anderer­seits der Verlängerung der viertägigen Entscheidungsfrist für den unabhängigen Bundesasylsenat (§ 32 Abs. 3 AsylG) und schließlich der Möglichkeit, Drittstaatsicherheit mit Verordnung festzulegen. Die Änderungen in den §§ 5, 15, 21, 22, 29, 30, 37, 39 und 44 sind technischer Natur, die auf Grund der Erfahrungen der ersten zehn Monate mit dem Vollzug des Asylgesetzes erforderlich wurden.

Zu den einzelnen Bestimmungen:

Zu Z 1 (§ 4):

Die Änderung in Abs. 1 ist erforderlich, da Fallkonstellationen denkbar sind, in denen zwar ein Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages abgeschlossen ist, dieser aber im konkreten Fall nicht zur Anwendung kommt. Durch die Bezugnahme auf die Anwendbarkeit eines solchen Vertrages wird klargestellt, daß es sehr wohl möglich ist, einen solchen Staat als sicheren Drittstaat anzusehen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn einem Fremden in einem Staat, mit dem ein solcher Vertrag abgeschlossen wurde (hier: Dubliner Konvention), Asyl gewährt wurde. Nach Meinung der Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des juristischen Dienstes des Rates der Europäischen Union ist in diesem Fall der Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit der Prüfung des Asylantrages nicht anwendbar. Es wäre aber widersinnig, einen neuerlichen Asylantrag (in eadem re) in Österreich zu prüfen, wenn dem Betroffenen bereits von einem anderen Vertragsstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde und dieser Staat sich (in der Regel) zur Zurücknahme dieses Fremden verpflichtet hat. Der zweite denkbare Fall ist, daß ein Asylantrag vor Inkrafttreten der Dubliner Konvention für Österreich (1. 10. 1997) gestellt wurde.

Die Anfügung des letzten Satzes an § 4 Abs. 2 stellt klar, daß Schutz in einem sicheren Drittstaat auch dann besteht, wenn ein Zugang zu einem (weiteren) Asylverfahren bloß deshalb nicht besteht, weil bereits rechtskräfitg über den Asylantrag in dieser Sache abgesprochen wurde.

Die Änderung des Textes in Abs. 3 ist technischer Natur und nimmt Bezug auf die Neufassung der EMRK, die sich durch die Umstrukturierung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ergeben hat.

Das Konzept der Drittstaatsicherheit ist im Rahmen der Verpflichtung zur Einzelfallprüfung von drei wesentlichen Pfeilern getragen: Es sind dies die Möglichkeit, sich in einem Staat während des Asylverfahrens aufhalten zu dürfen, Schutz vor Abschiebung (auch im Wege über andere Staaten) in den Herkunftsstaat zu genießen und Zugang zu einem Asylverfahren in diesem Staat zu haben (§ 4 Abs. 2). Im geltenden Recht werden in Abs. 3 als Regelvermutung Parameter genannt, unter denen diese Bedingungen erfüllt sind. All dies ist immer im Lichte des Einzelfalles zu prüfen. Der Initiativantrag ändert dieses Konzept nicht, er ermöglicht jedoch eine Differenzierung. Die Verordnungsermächtigung für den Innenminister ermöglicht, die Regelvermutung des Abs. 3 zur “Regelgewißheit” werden zu lassen, wenn Staaten bestimmte asylverfahrensrechtliche Qualitätsparameter in gesicherter Verwaltungspraxis erfüllen. Dies jedoch immer unter Aufrechterhaltung der einzelfallbezogenen Prüfung des Asylantrages. Ergibt sich aus dem Vorbringen des Asylwerbers, daß auf ihn aus in seiner Person gelegenen Umständen diese “Regelgewißheit” keine Anwendung findet, kann auch ein Staat, für den nach Erlassung einer Verordnung die “Regelgewißheit” zur Anwendung kommt, für diesen Asylwerber kein sicherer Drittstaat sein. Nunmehr wird das Zusammenspiel der Normen dargestellt:

Abs. 3a sieht eine Verordnungsermächtigung für den Bundesminister für Inneres vor. Mit dieser Verordnung kann der Bundesminister für Inneres Staaten bezeichnen, die deshalb Schutz vor Verfolgung im Sinne des Abs. 2 gewähren, weil sie regelmäßig in gesicherter Verwaltungspraxis jene asylverfahrensrechtliche Qualitätsparameter erfüllen, die im Gesetz enumeriert sind. Ändern sich die politischen oder rechtlichen Verhältnisse in den durch Verordnung bezeichneten Staaten dergestalt, daß sie keinen effektiven Schutz vor Verfolgung mehr gewähren, so hat der Bundesminister für Inneres dies mit Verordnung festzustellen (Abs. 3b erster Satz).

Die Verordnungsermächtigung des Abs. 3b zweiter Satz ermächtigt den Bundesminister für Inneres, Staaten zu bezeichnen, die regelmäßig keinen effektiven Schutz vor Verfolgung gewähren, weil sie die vom Gesetz geforderten Qualitätsparameter nicht erfüllen. Eine Verpflichtung zur Bezeichnung aller derartigen Staaten besteht nicht.

Abs. 3c normiert, daß der Bundesminister für Inneres vor Erlassung dieser Verordnungen jeweils eine Stellungnahme des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten einzuholen hat.

Dieses Instrumentarium stellt einerseits sicher, daß Staaten bezeichnet werden können, die Drittstaatsicherheit gewähren oder eben nicht gewähren und schafft andererseits ein rasches Reaktionspotential, wenn sich die politischen oder rechtlichen Gegebenheiten in einem Staat ändern.

Ist eine Verordnung erlassen, mit der der Bundesminister für Inneres nach Stellungnahme des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten Staaten bezeichnet, die in gesicherter Verwaltungspraxis regelmäßig Schutz vor Verfolgung gewähren und behauptet ein Asylwerber, in einem solchen Staat – aus in seiner Person gelegenen Umständen – keinen Schutz vor Verfolgung finden zu können, hat er dies glaubhaft zu machen (Abs. 3d). Der Asylwerber wird dartun müssen, welche diese in seiner Person gelegenen Umstände sind, die einen durch Verordnung bezeichneten Staat für ihn als unsicheren Staat qualifizieren.

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Zu Z 2 (§ 5):

Die Anfügung des Abs. 3 dient der Klarstellung, daß nicht nur ein anderer Staat für die Prüfung eines Asylantrages zuständig ist, sondern es auch rechtlich zulässig ist, den Fremden dorthin zurückzuweisen, zurückzuschieben oder abzuschieben. Diese Bestimmung geht davon aus, daß derartige Verträge nur mit Staaten abgeschlossen werden, die sich innerstaatlich denselben Verpflichtungen unterwerfen, wie sie für Österreich in § 57 FrG festgelegt sind.

Zu Z 3 (§ 15):

Durch die Änderung des § 15 Abs. 2 wird nunmehr festgelegt, daß jene Asylbehörde (Bundesasylamt oder unabhängiger Bundesasylsenat) die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß Abs. 1 erteilt, die als erste die positive Refoulement-Entscheidung trifft. Die Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung hat uno actu mit dem abweisenden Asylbescheid zu erfolgen. Diese Regelung erfolgt im Interesse der Verfahrenskonzentration und normiert, daß jene Behörde, die den letzten asylrechtlich relevanten Verfahrensschritt setzt, auch die befristete Aufenthaltsberechtigung zuerkennt. Die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung (auf Antrag) und deren Widerruf erfolgt – entsprechend dem Grundsatz der Zuständigkeit der Behörde I. Instanz – durch das Bundesasylamt.

Die Anfügung in Abs. 3 dient der Klarstellung, daß die befristete Aufenthaltsberechtigung nicht nur zu widerrufen ist, wenn dem Fremden die Ausreise in den Herkunftsstaat zugemutet werden kann, sondern auch wenn der Fremde während der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung einen Asylausschlußtatbestand setzt.

Zu Z 4 (§ 21):

Hier handelt es sich um die Berichtigung eines Redaktionsversehens.

Zu Z 5 (§ 22):

Die Ergänzung im ersten Satz ermächtigt den unabhängigen Bundesasylsenat, nicht nur das Bundesasylamt als Partei, sondern auch die Fremdenpolizeibehörde vom Verlust der Aufenthalts­berechtigung des Fremden in Kenntnis zu setzen.

Zu Z 6 (§ 29):

Wird ein Antrag wegen bestehender Drittstaatsicherheit zurückgewiesen, so wird dem abweislichen Bescheid eine Bestätigung beigefügt werden, daß der Asylantrag – eben aus Gründen der bestehenden Drittstaatsicherheit – in Österreich nicht inhaltlich geprüft wurde. Diese Bestätigung soll dem Fremden bei nachfolgender Asylantragstellung im sicheren Drittstaat die Beweisführung ersparen, daß sein Asylantrag von Österreich nicht inhaltlich geprüft worden ist. Diese Änderung wurde auf Anregung des Bundesasylamtes und des UNHCR in den Vorschlag aufgenommmen.

Zu Z 7 (§ 30):

Die Neufassung des Abs. 2 ermöglicht der Behörde, eingestellte Verfahren nunmehr von Amts wegen fortzusetzen, sobald die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes – auch bei Abwesenheit des Asylwerbers – möglich ist. Nach Ablauf der im Gesetz für die Wiederaufnahme vorgesehenen drei Jahre ist eine Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr möglich. Stellt der Fremde neuerlich einen Asylantrag, kann res iudicata nicht zum Tragen kommen, da keine Entscheidung der Behörde vorliegt.

Zu Z 8 (§ 32):

§ 32 normiert das abgekürzte Berufungsverfahren. Es wird vorgeschlagen, die Berufungsfrist in Verfahren gemäß der §§ 4, 5 oder 6 auf zehn Tage zu erhöhen. Diese zehn Tage entsprechen jedenfalls – unter der Annahme, daß Wochenende oder Feiertage die Frist “verkürzen” – der vom Verfassungsgerichtshof geforderten Mindestfrist von sieben Tagen.

Die Entscheidungsfrist des unabhängigen Bundesasylsenates wird mit zehn Arbeitstagen festgelegt. Da die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dem unabhängigen Bundesasylsenat auch in den Fällen des abgekürzten Berufungsverfahrens eine umfangreiche Ermittlungstätigkeit auferlegt, soll diese Frist der Behörde die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes in diesem Zeitraum ermöglichen. Die Entscheidungsfrist wird in dem Maße verlängert, als dies für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes unerläßlich ist. Insgesamt soll das Berufungsverfahren jedoch nicht länger als zwanzig Arbeitstage in Anspruch nehmen.

In Abs. 2 letzter Satz wird nunmehr klargestellt, daß die Berufungsbehörde nur bei Entscheidungen, mit denen die Abweisung des Asylantrages wegen offensichtlicher Unbegründetheit bestätigt wird, diese Entscheidung mit einer Feststellung gemäß § 8 Asylgesetz zu verbinden hat, obwohl die Feststellung gemäß § 8 nicht angefochten wurde.


Zu Z 9 (§ 37):

Durch die Anfügung in § 37 Abs. 1 wird nunmehr die Zuständigkeit des Bundesasylamtes im Rahmen des Dublin-Konsultationsmechanismus auch im innerstaatlichen Recht verankert. Gemäß Art. 15 Abs. 4 der Dublin-Konvention ist die zuständige Behörde im Rahmen der völkerrechtlichen Verpflichtung bekanntzugeben; dies ist vor Inkrafttreten der Konvention geschehen. Die Normierung im Asylgesetz dient der Rechtssicherheit der Betroffenen.

Zu Z 10 (§ 39):

Die Änderung in § 39 Abs. 3 erster Satz dient der Klarstellung des Begriffes des “Flughafenverfahrens”. Die Einfügung der Wortfolge “Anläßlich der Grenzkontrolle gestellte” legt nunmehr unmißverständlich den Personenkreis fest, auf den sich Flughafenverfahren beziehen können. Jene Fremden, die zwar über einen Flugplatz eingereist sind – etwa sichtvermerksfrei oder mit einem Einreise- oder Aufenthaltstitel – und im Anschluß im Inland einen Asylantrag stellen, sind keine Fälle für ein “Flughafenverfahren” unter Einbindung des Flüchtlingshochkommissärs der Vereinten Nationen.

Zu Z 12 (§ 44):

Die Anfügung des Abs. 7 ist notwendig, um jene Fremden, die durch eine Berufung gemäß den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (§ 32 Abs. 1), in der Fassung der Kundmachung, BGBl. I Nr. 106/1998, eingebracht haben, durch die Novelle nicht schlechter zu stellen.

Die Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Hans Helmut Moser brachten jeweils einen Abänderungsantrag ein. Darüber hinaus stellte die Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits einen Ent­schließungsantrag.

Bei der Abstimmung wurde der im Initiativantrag 842/A enthaltene Gesetzentwurf in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Anton Leikam und Paul Kiss mit Stimmenmehrheit angenommen.

Die von den Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Hans Helmut Moser eingebrachten Abänderungs­anträge fanden nicht die Zustimmung der Ausschußmehrheit. Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits fand ebenfalls nicht die Zustimmung der Ausschußmehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 1998 11 18

                             Helmut Dietachmayr                                                              Anton Leikam

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann

Anlage

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG) geändert wird


Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Asylgesetz 1997 – AsylG, BGBl. I Nr. 76/1997, wird wie folgt geändert:

1. § 4 lautet samt Überschrift:

“Unzulässige Asylanträge wegen Drittstaatsicherheit

§ 4. (1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn der oder die Fremde in einem Staat, mit dem kein Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages anwendbar ist, Schutz vor Verfolgung finden kann (Schutz im sicheren Drittstaat).

(2) Schutz im sicheren Drittstaat besteht für Fremde, wenn ihnen in einem Staat, in dem sie nicht gemäß § 57 Abs. 1 oder FrG bedroht sind, ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention offensteht, sie während dieses Verfahrens in diesem Staat zum Aufenthalt berechtigt sind und wenn sie dort Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat – auch im Wege über andere Staaten – haben, sofern sie in diesem gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sind. Dasselbe gilt bei gleichem Schutz vor Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für Staaten, die in einem Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention bereits eine Entscheidung getroffen haben.

(3) Die Voraussetzungen des Abs. 2 sind in einem Staat regelmäßig darin gegeben, wenn er die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und gesetzlich ein Asylverfahren eingerichtet hat, das die Grundsätze dieser Konvention umsetzt, sowie die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, und das Protokoll Nr. 11 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus samt Anhang, BGBl. III Nr. 30/1998, ratifiziert hat.

(3a) Der Bundesminister für Inneres kann mit Verordnung Staaten bezeichnen, die Asylwerbern regelmäßig effektiven Schutz vor Verfolgung gewähren (Abs. 2), weil

           1. ihre Behörden aus Österreich zurückgewiesenen, zurückgeschobenen oder abgeschobenen Fremden, die im Drittstaat Schutz vor Verfolgung suchen, uneingeschränkt Zugang zum Asylver­fahren gewähren;

           2. die Verfahren zur Prüfung von Asylanträgen einzelfallbezogen geführt, insbesondere die Asylwerber persönlich einvernommen werden, erforderlichenfalls Dolmetscher beigezogen werden und die Entscheidung (Spruch) den Asylwerbern in einer ihnen verständlichen Sprache mitgeteilt wird;

           3. die Entscheidung der zur Prüfung von Asylanträgen zuständigen Behörde vor eine Überprüfungsinstanz gebracht werden kann;

           4. die Asylwerber im Hoheitsgebiet des Staates bleiben können, bis die Entscheidung der Überprüfungsinstanz getroffen oder die Entscheidung der Behörde endgültig geworden ist.

(3b) Gewähren mit Verordnung gemäß Abs. 3a bezeichnete Staaten regelmäßig keinen effektiven Schutz vor Verfolgung mehr, so hat der Bundesminister für Inneres dies mit Verordnung festzustellen. Außerdem kann der Bundesminister für Inneres mit Verordnung bestimmte Staaten bezeichnen, die regelmäßig keinen effektiven Schutz vor Verfolgung gewähren.

(3c) Vor der Erlassung von Verordnungen gemäß Abs. 3a und 3b hat der Bundesminister für Inneres eine Stellungnahme des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten zu diesem Vorhaben einzuholen.

(3d) Asylwerber, die aus in ihrer Person gelegenen Umständen behaupten, in einem durch eine Verordnung gemäß Abs. 3a bezeichneten Staat keinen Schutz im sicheren Drittstaat zu genießen (Abs. 2), haben diese Umstände glaubhaft zu machen.

(4) Schutz in einem sicheren Drittstaat ist unbeachtlich, wenn

           1. die Asylwerber EWR-Bürger sind oder

           2. den Eltern minderjähriger, unverheirateter Asylwerber in Österreich Asyl gewährt wurde oder

           3. den Ehegatten oder minderjährigen Kindern der Asylwerber in Österreich Asyl gewährt wurde.

(5) Können Fremde, deren Asylantrag nach Abs. 1 unzulässig zurückgewiesen wurde, nicht in einen sicheren Drittstaat zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden, so tritt der Bescheid, mit dem der Asylantrag zurückgewiesen wurde, mit dem Zeitpunkt des Einlangens der Mitteilung nach § 57 Abs. 7 FrG außer Kraft. Mit diesem Zeitpunkt beginnt die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG von neuem zu laufen; ein anhängiges Berufungsverfahren ist als gegenstandslos einzustellen.”

2. Dem § 5 wird folgender Abs. 3 angefügt:

“(3) Eine Ausweisung gemäß Abs. 1 und 2 gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den bezeichneten Staat.”

3. § 15 Abs. 2 und 3 lautet:

“(2) Würden die Fremden die Berechtigung zum Aufenthalt mit der Abweisung des Antrages verlieren, so hat das Bundesasylamt die befristete Aufenthaltsberechtigung mit dieser Abweisung zu verbinden; fällt die Berechtigung zum Aufenthalt später weg, so kann sie dann erteilt werden. Verlieren die Fremden die Berechtigung zum Aufenthalt erst mit der Bestätigung der Abweisung, so hat der unabhängige Bundesasylsenat die befristete Aufenthaltsberechtigung mit dem Berufungsbescheid zu verbinden. Die Verlängerung solcher befristeter Aufenthaltsberechtigungen sowie deren Widerruf obliegt jedoch dem Bundesasylamt.

(3) Die befristete Aufenthaltsberechtigung ist für höchstens ein Jahr und nach der zweiten Verlängerung für jeweils höchstens drei Jahre zu bewilligen. Befristete Aufenthaltsberechtigung sind mit Bescheid zu widerrufen, wenn den Fremden die Ausreise in den Herkunftsstaat zugemutet werden kann, oder wenn sie einen Asylausschließungsgrund (§ 13) verwirklichen.”

4. In § 21 wird das Zitat “§ 36 Abs. 2 Z 8” durch das Zitat “§ 36 Abs. 2 Z 7” ersetzt.

5. § 22 lautet:

§ 22. Das Bundesasylamt hat den Verlust einer Aufenthaltsberechtigung nach diesem Bundesgesetz unverzüglich der zuständigen Fremdenpolizeibehörde mitzuteilen; der unabhängige Bundesasylsenat ist hiezu ermächtigt. Im übrigen gilt für die Asylbehörden § 45 Abs. 1 FrG.”

6. Der bisherige § 29 erhält die Absatzbezeichnung “(1)”, es wird folgender Abs. 2 angefügt:

“(2) Bescheiden, mit denen ein Asylantrag aus dem Grund des § 4 zurückgewiesen wird, ist eine auch in der Amtssprache des sicheren Drittstaates abgefaßte Bestätigung beizufügen, wonach der in Österreich eingebrachte Asylantrag des Fremden wegen des im sicheren Drittstaat bestehenden Schutzes nicht inhaltlich geprüft worden ist.”

7. § 30 Abs. 2 lautet:

“(2) Nach Abs. 1 eingestellte Verfahren sind auf Antrag der Asylwerber oder der Asylwerberinnen fortzusetzen, wenn die Betroffenen zur Beweisaufnahme zur Verfügung stehen. Eingestellte Verfahren sind von Amts wegen fortzusetzen, sobald die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes möglich ist. Mit Fortsetzung des Verfahrens beginnt die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG von neuem zu laufen. Nach Ablauf von drei Jahren nach Einstellung des Verfahrens ist eine Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr zulässig.”

8. § 32 lautet:

“Abgekürztes Berufungsverfahren

§ 32. (1) Gegen Bescheide, mit denen Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder aus den Gründen der §§ 4 oder 5 wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen worden sind, kann nur binnen zehn Tagen Berufung erhoben werden. Fällt innerhalb eines solchen abgekürzten Berufungsverfahrens die jeweilige Berufungsfrist in die Sicherung einer Zurückweisung, so ist diese jedenfalls während des ungenützten Ablaufes dieser Frist zulässig. Eine abgesonderte Berufung gegen eine Feststellung gemäß § 8 ist in solchen Fällen nur insoweit möglich, als das Bestehen einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 FrG behauptet wird. Eine abgesonderte Berufung gegen Bescheide, mit denen in diesen Fällen der Asylerstreckungsantrag Angehöriger als unbegründet abgewiesen wurde, ist nicht zulässig, doch gelten solche Bescheide durch eine Berufung gegen die Entscheidung über den Asylantrag als im selben Umfang angefochten.


(2) Der Berufung ist stattzugeben, wenn die Feststellung der Behörde, der Antrag sei offensichtlich unbegründet oder es bestehe aus den Gründen der §§ 4 oder 5 Unzuständigkeit, nicht zutrifft. In diesen Fällen hat die Berufungsbehörde die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und zur Erlassung eines Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen; Feststellungen gemäß § 8 gelten jedenfalls als aufgehoben. Zugehörige Asylerstreckungsbescheide sind gleichzeitig als überholt aufzuheben. Wird ein Bescheid, mit dem der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde, von der Berufungsbehörde bestätigt, so hat sie ihrerseits jedenfalls eine Feststellung gemäß § 8 zu treffen.

(3) Über die Berufung ist binnen zehn Arbeitstagen nach dem Tag des Einlangens bei der Berufungsbehörde zu entscheiden. Die Entscheidungsfrist wird in dem Maße verlängert, als dies für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes unerläßlich ist; insgesamt soll das Berufungsverfahren jedoch nicht länger als zwanzig Arbeitstage dauern. Wird die Berufung während der Sicherung als Zurückweisung eingebracht, so ist diese entsprechend länger zulässig.”

9. § 37 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

“Das Bundesasylamt ist – bezogen auf Einzelfälle – die für den Informationsaustausch mit jenen Staaten zuständige Behörde, mit denen ein Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages abgeschlossen wurde.”

10. In § 39 Abs. 3 lautet der erste Satz:

“Anläßlich der Grenzkontrolle gestellte Anträge von Asylwerbern, die über einen Flugplatz eingereist sind, dürfen nur mit Zustimmung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder wegen bestehenden Schutzes in einem sicheren Drittstaat zurückgewiesen werden.”

11. § 42 wird folgender Abs. 3 angefügt:

“(3) Die §§ 4, 5 Abs. 3, 15 Abs. 2 und 3, 21 Abs. 1, 22, 29, 30 Abs. 2, 32, 37 Abs. 1, 39 Abs. 3 sowie § 44 Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/1998 treten mit 1. Jänner 1999 in Kraft.”

12. § 44 wird folgender Abs. 7 angefügt:

“(7) Am 1. Jänner 1999 bei den Asylbehörden anhängige Verfahren sind nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/1998 zu Ende zu führen. Berufungen, die gemäß § 32 Abs. 1 in der Fassung der Kundmachung BGBl.  I Nr. 106/1998 rechtzeitig eingebracht wurden, gelten auch als nach § 32 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/1998 rechtzeitig eingebracht.”

Anlage

Abweichende persönliche Stellungnahme

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits

gemäß § 42 Abs. 5 GOG


zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 842/A der Abgeordneten Anton Leikam, Paul Kiss und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG), BGBl. I 76/1997, geändert wird

1. Zur Vorgangsweise

Die Abgeordneten Anton Leikam (SPÖ) und Paul Kiss (ÖVP) und Genossen haben vor Monaten einen Initiativantrag zur Novellierung des § 32 Abs. 1 des Asylgesetzes eingebracht, da der VfGH die im Gesetz festgeschriebene, extrem kurze Berufungsfrist im Asylverfahren von zwei Tagen als verfassungswidrig aufgehoben hatte.

Nun wurde im Ausschuß von denselben Abgeordneten ein Abänderungsantrag zu ihrem eigenen Antrag eingebracht, der nicht nur eine Änderung des ursprünglichen Antrages vorsah, sondern eine Novellierung zahlreicher weiterer Bestimmungen des Asylgesetzes zum Inhalt hatte. Dabei handelt es sich um Änderungswünsche des Innenministeriums, wie auch der Innenminister im Ausschuß indirekt bestätigte. Ich halte diese Vorgangsweise für inakzeptabel, da damit ein Gesetzesbegutachtungsverfahren und die inhaltliche öffentliche Diskussion über die Änderungen ausgeschlossen wurde. Diese Vorgangsweise widerspricht nicht nur der Praxis, Novellierungsvorschläge des Ministeriums einer Begutachtung zu unterziehen, sondern ist auch undemokratisch. Ich bin daher verwundert, daß sich die Abgeordneten des Nationalrates dazu mißbrauchen lassen.

Der Bundesminister für Inneres hatte im Zuge der Beschlußfassung über das Asylgesetz 1997 die verschiedenen NGO’s und den UNHCR ermuntert, einen Wahrnehmungsbericht über den Vollzug zu erstellen und vorzulegen. Ein solcher Wahrnehmungsbericht wurde dem Minister von Caritas und Amnesty International übermittelt. Am 16. November 1998 fand darüber ein Gespräch der NGO’s mit dem Minister statt. Dabei hat der Innenminister zugesagt, in einer Arbeitsgruppe mit den NGO’s einen Dialog darüber zu führen, was am Vollzug geändert werden kann und inwiefern das geltende Asylgesetz novelliert werden muß. Diese Diskussion soll bis Anfang 1999 abgeschlossen und in der Folge die notwendigen Änderungen umgesetzt werden. Entgegen dieser Zusage wurde zwei Tage später auf Betreiben des Ministers ein Antrag zur Novellierung wesentlicher Bestimmungen des Asylgesetzes (pauschalierte Drittstaatsicherheit, verkürzte Berufungsfrist) im Nationalrat eingebracht und beschlossen, obwohl gerade auch zu diesen Bestimmungen erhebliche Kritik der NGO’s vorgebracht wurde (siehe unten). Angesichts dieser Vorgehensweise müssen daher ernsthafte Zweifel an der Dialogbereitschaft des Innenministers angemeldet werden.

2. Zur Drittstaatsicherheit und den diesbezüglichen Wahrnehmungen von Caritas und Amnesty International

Eine Prüfung der Frage, ob Verfolgungssicherheit in einem Drittstaat vorliegt, kann nach den Bestimmungen des Asylgesetzes in der Regel entfallen, wenn der Staat die Genfer Flüchtlingskonvention und die Menschenrechtskonvention ratifiziert sowie ein Asylverfahren eingerichtet hat. In diesen Fällen gilt die Regelvermutung des sicheren Drittstaates. Damit es trotzdem zu einer Einzelfallprüfung kommt, bedarf es einer konkreten und spezifischen Behauptung des Betroffenen, entgegen der gesetzlichen Regelvermutung im Drittstaat einer unmittelbaren Gefahr ausgesetzt zu sein.

Die erstinstanzliche Behörde, das Bundesasylamt, nahm bei Vorliegen der Formalvoraussetzungen Verfolgungssicherheit im Drittstaat an, sodaß dies zur häufigsten (ablehnenden) Erledigungsform wurde. Selbst konkrete Vorbringen, daß im Drittstaat erfolglos ein Asylantrag gestellt worden sei bzw. daß die betreffenden Staaten die gesetzlichen Normen keinesfalls korrekt handhaben, blieben meistens unberücksichtigt. Die Entscheidungen werden regelmäßig damit begründet, daß der Beweis nicht erbracht wurde.

Diese bisherige Praxis des Bundesasylamtes widersprach den vom Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) festgelegten minimalen Verfahrensstandards. Demnach hat die erstinstanzliche Behörde die praktische Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften wie zB den tatsächlichen Zugang zum Asylverfahren oder den Schutz vor Abschiebung während des Verfahrens im konkreten Fall zu prüfen. Dementsprechend hat der UBAS als Berufungsinstanz regelmäßig mangelhafte Bescheide der Erstinstanz aufgehoben.

Im übrigen ist es wohl realitätsfern, von einem Asylwerber Kenntnis über die allgemeine asylrechtliche Vollzugspraxis der von ihm  durchreisten Staaten zu verlangen. Auch wenn nunmehr die gesetzliche Festschreibung der österreichischen Nachbarländer als sichere Drittländer verhindert werden konnte, so wurde doch mit der Verordnungsermächtigung die derzeit übliche Praxis weiter verschärft.

Ausschlaggebend für die Verordnungsermächtigung an den Innenminister, mit der pauschal jeder Staat als “sicheres Drittland” festgelegt werden kann, war sicherlich auch, daß der UBAS nicht nur mehrere erstinstanzliche Bescheide aufgehoben hat, sondern auch die Beschwerden des Innenministeriums an den Verwaltungsgerichtshof dagegen erfolglos blieben. Da der UBAS offensichtlich zu unabhängig war, soll nun das Gesetz geändert werden. Dabei ist zu bedenken, daß bei der Festschreibung der Drittstaat­sicherheit laut Verordnungsermächtigung der Refoulement-Schutz im jeweiligen Land nicht zu prüfen ist. Weiters ist zwar die Stellungnahme des Außenministers einzuholen, nicht aber jene des UNHCR, der über die Situation in den jeweiligen Staaten am ehesten Bescheid wissen muß. Wenn der Innenminister feststellt, daß in Hinkunft im Einzelfall der Schutzsuchende trotz Verordnung die Sicherheit eines Landes widerlegen kann, so kann dies nur als realitätsfern bezeichnet werden. Es wird den betroffenen Asylwerbern in der Praxis kaum möglich sein, die Asylbehörden davon zu überzeugen, daß die Feststellung des Innenministers per Verordnung nicht den Tatsachen entspricht.

3. Zur verkürzten Berufungsfrist

Zentrales Element des mit dem Asylgesetz 1997 eingeführten Asylschnellverfahrens war die Verkürzung der im Verwaltungsverfahren allgemein gültigen Berufungsfrist von zwei Wochen auf lediglich zwei Tage. Dieses Schnellverfahren umfaßt die nach Meinung des Gesetzgebers leicht entscheidbaren Bereiche der Drittstaatsicherheit, der Zuständigkeit eines anderen EU-Staates sowie der offensichtlich unbe­gründeten Asylanträge.

Wie bereit von den Grünen im Zuge der Beschlußfassung 1997 vorausgesagt, hat nun der Verfassungs­gerichtshof diese Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.

Obwohl nach den Erläuternden Bemerkungen ein Asylantrag nur dann als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden soll, wenn eine Verfolgungsgefahr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, gibt es mehrere Bescheide, in denen Asylanträge im Schnellverfahren abgewiesen wurden, obwohl ihre Unbegründetheit keineswegs ohne eingehendes Verfahren festzustellen war. Das Problem der Verkürzung der Berufungsfrist wird erkennbar, wenn man bedenkt, daß während dieser Frist zwei verschiedene Fragestellungen zu behandeln sind. Die Behörde hat nämlich in einem solchen Bescheid auch Feststellungen über das Vorliegen von Refoulement-Gründen zu treffen.

Innerhalb der verkürzten Frist ist also in der Berufung nicht nur auf die Asylgründe, sondern auch auf die lebenswichtige Frage einzugehen, ob und warum im Zielland nach einer Abschiebung unmenschliche Behandlung, Folter oder Todesstrafe drohen. Da diese komplexen Fragen selbst innerhalb der normalen Berufungsfrist von 14 Tagen schwer beantwortet und ausreichend begründet werden können, ist die Aufgabe innerhalb der verkürzten Frist noch weniger zu erfüllen, zumal dem Asylwerber häufig die rechtlichen Kenntnisse über die Bestimmungen der Abschiebungsunzulässigkeit fehlen. Selbst wenn ein Berater zur Verfügung steht, so hat dieser innerhalb der kurzen Zeit kaum die Möglichkeit, sich ausreichend mit dem Sachverhalt vertraut zu machen.

Das verkürzte Verfahren bietet daher keinesfalls einen effektiven Schutz vor Refoulement und steht daher im Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Da außerdem eine ausreichende sachliche Notwendigkeit für das Abgehen von den Fristen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes fehlt, ist auch die nun im Ausschuß beschlossene Frist von zehn Tagen verfassungsrechtlich bedenklich.

Zu einem fairen Verfahren gehört die Effektivität des Rechtsschutzes. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem eingangs angeführten Erkenntnis festgestellt hat, dient als Gradmesser für diese Effektivität die Möglichkeit des Zuganges zu fachkundiger Beratung. Dies gilt umso mehr bei schwierigen Rechtsfragen (wie bezüglich der Drittstaatsicherheit und der offensichtlichen Unbegründetheit). Wenn der Minister die Notwendigkeit für schnelle Verfahrensschritte für gegeben erachtet, dann sind parallel ausreichend Rechtsschutzmaßnahmen vorzusehen. Insbesondere ist sicherzustellen, daß jedenfalls der Zugang zu staatlich finanzierter und in ausreichendem Maße bereitgestellter fach- und sprachkundiger Beratung gegeben ist. Diese Voraussetzungen bestehen derzeit jedoch nicht, weshalb die Berufungsfrist, auch wenn sie nun zehn Tage und nicht mehr zwei Tage beträgt, abzulehnen ist.


Abschließend sei festgestellt, daß – obwohl der Innenminister bei seinem Ressortkollegen in der EU mit seinem Strategievorschlag für bessere Abschottungsmaßnahmen auf heftigen Widerstand gestoßen ist – trotzdem die Abschreckungspolitik weiter fortgesetzt und jede Verbesserung zugunsten schutzsuchender politischer Flüchtlinge abgelehnt wird. So war eine sachliche Auseinandersetzung mit den Kritikpunkten, wie sie im Wahrnehmungsbereich der Caritas und Amnesty International festgehalten sind und oben unter Punkt 2 und 3 dargestellt werden, leider nicht möglich.

Terezija Stoisits