1530 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht und Antrag

des Verfassungsausschusses


über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Strafprozeßordnung geändert wird sowie
über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Zivilprozeßordnung geändert wird


Im Zuge seiner Beratungen über die Petition Nr. 23 betreffend Anerkennung der Gebärdensprache, überreicht vom Abgeordneten Dr. Volker Kier, hat der Verfassungsausschuß am 1. Dezember 1998 über den Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol, Mag. Johann Ewald Stadler, Mag. Terezija Stoisits und Mag. Thomas Barmüller einstimmig beschlossen, dem Nationalrat gemäß § 27 Abs. 1 Geschäftsordnungsgesetz einen Selbständigen Antrag vorzulegen, der eine Novelle zur Strafprozeßordnung zum Gegenstand hat.

Weiters wurde von den Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Gottfried Feurstein, Mag. Johann Ewald Stadler, Mag. Terezija Stoisits und Mag. Thomas Barmüller gemäß § 27 Abs. 1 Geschäftsordnungs­gesetz ein Selbständiger Antrag vorgelegt, der einen Novelle zur Zivilprozeßordnung beinhaltet. Dieser Antrag war wie folgt begründet:

“Mit Entschließung vom 28. Jänner 1993 (E 92-NR/XVIII) hat der Nationalrat die Bundesregierung ersucht, alle Maßnahmen zu ergreifen, damit die Lebenssituation von Gehörlosen und Schwerhörenden Personen in Österreich verbessert werde. Diesem Anliegen soll auch durch eine Änderung der Zivilprozeßordnung Rechnung getragen werden.

Nach dem geltenden Wortlaut des § 185 ZPO bedarf eine Partei, die einer verständlichen Äußerung über den Gegenstand des Rechtsstreits und der mündlichen Verhandlung nicht fähig ist, eines geeigneten Vertreters. Das bedeutet, daß ein gehörloser Kläger oder Beklagter – selbst in jenen Fällen, in denen kein Anwaltszwang besteht – einen Bevollmächtigten bestellen muß, um in einer Verhandlung Erklärungen abgeben und Anträge stellen zu können.

Durch die vorgeschlagene Änderung des § 185 Abs. 1 ZPO soll daher sichergestellt werden, daß ein Gehörloser, aber auch ein Stummer oder Taubstummer, mittels eines entsprechenden Dolmetschers selbst Anträge in einer Verhandlung stellen kann.

Die Kosten des Dolmetsch trägt unabhängig vom Verfahrensausgang der Bund; dies auch für den Fall, daß der Dolmetsch von der Partei selbst mitgebracht und nicht vom Gericht geladen wurde. Im Hinblick auf die voraussichtlich geringe Zahl der Fälle, dürfte dem Bund aus dieser Regelung keine allzugroße Kostenbelastung entstehen.

Die bisher in § 185 Abs. 2 letzter Satz ZPO enthaltene Sonderbestimmung betreffend den im Sinne des Abs. 1 postulationsunfähigen gesetzlichen Vertreter einer Partei ist im Hinblick auf § 5 ZPO entbehrlich. Demnach sind, soweit das Gesetz nicht unterscheidet, die Bestimmungen über Parteien auch auf deren gesetzliche Vertreter anzuwenden. Die in Abs. 1 und dem vorgeschlagenen Abs. 1a enthaltenen Regelungen können aber uneingeschränkt auch auf gesetzliche Vertreter einer Partei Anwendung finden und machen daher Sonderregelungen entbehrlich.”

Bei der Abstimmung wurde dieser Antrag ebenfalls einstimmig angenommen.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Dr. Elisabeth Hlavac, Mag. Johann Ewald Stadler, Dr. Irmtraut Karlsson, Mag. Thomas Barmüller und Mag. Dr. Maria Theresia Fekter.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle


        1.   dem angeschlossenen Gesetzentwurf (Anlage 1) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, sowie

        2.   dem angeschlossenen Gesetzentwurf (Anlage 2) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 1998 12 01

                         Mag. Thomas Barmüller                                                       Dr. Peter Kostelka

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann

Anlage 1

Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

Änderung der Strafprozeßordnung

Die Strafprozeßordnung 1975, BGBl. Nr. 631, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 153/1998, wird wie folgt geändert:

§ 164 lautet:

“§ 164. Ist ein Zeuge gehörlos oder stumm, so ist ein Dolmetsch für die Gebärdensprache beizuziehen, sofern sich der Zeuge in dieser verständigen kann. Andernfalls ist zu versuchen, mit dem Zeugen schriftlich oder auf andere geeignete Art, in der sich der Zeuge verständlich machen kann, zu verkehren.”

Artikel II

Inkrafttreten und Vollziehung

1. Dieses Bundesgesetz tritt mit dem 1. Jänner 1999 in Kraft.

2. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Justiz betraut.

Anlage 2

Bundesgesetz, mit dem die Zivilprozeßordnung geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

Änderung der Zivilprozeßordnung

Die Zivilprozeßordnung vom 1. August 1895, RGBl. Nr. 113, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 140/1997, wird wie folgt geändert:

Im § 185 wird

1. nach dem Abs. 1 folgender Abs. 1a eingefügt:

“(1a) Ist aber eine taube, stumme oder taubstumme Partei, die im übrigen zu einer verständlichen Äußerung über den Gegenstand des Rechtsstreites und der mündlichen Verhandlung fähig ist, zur mündlichen Verhandlung weder mit einem geeigneten Bevollmächtigten (Abs. 1) noch mit einem Dolmetsch für die Gebärdensprache erschienen, so ist die Tagsatzung vom Vorsitzenden auf tunlichst kurze Zeit zu erstrecken und zur neuerlichen Tagsatzung ein solcher Dolmetsch beizuziehen. Die Kosten des Dolmetsch für die Gebärdensprache trägt der Bund.”

2. der letzte Satz des Abs. 2 aufgehoben.

Artikel II

Inkrafttreten und Vollziehung

1. Dieses Bundesgesetz tritt mit dem 1. Jänner 1999 in Kraft.

2. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Justiz betraut.