1545 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales


über den Antrag der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz geändert wird (894/A)


Die Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 7. Oktober 1998 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

“Zu Ziffer 1:

Die im § 1 neu eingefügte Bestimmung soll verhindern, daß behinderte Dienstnehmer zwar eingestellt, nicht aber ihrer Qualifikation und Leistung entsprechend beschäftigt und entlohnt werden. Eine derartige Bestimmung fehlt in dem Gesetz, weil der ursprüngliche und auch der nachfolgende Gesetzgeber, der das Gesetz bekanntlich mehrmals novelliert hat, offenbar davon ausgegangen ist und noch immer davon ausgeht, daß Behinderung notwendigerweise zu Minderleistung führt. Es können zahlreiche Fälle angeführt werden, die beweisen, daß diese Annahme irrig ist, zum Beispiel ist nur darauf hinzuweisen, daß einer der bedeutendsten Präsidenten der Vereinigten Staaten sich fast nur im Rollstuhl fortbewegen konnte.

Zu Ziffer 2 und 3:

Die Bestimmung, daß nur Personen, die zu 50% in ihrer Erwerbsfähigkeit vermindert sind, unter den im § 2 angeführten Personenkreis (,Begünstigte Behinderte‘) fallen, führt dazu, daß ein Großteil der Behinderten von dem Gesetz nicht erfaßt wird. Erfahrungsgemäß wirken aber auch schon relativ geringfügige Behinderungen, die keine oder nur unwesentliche Minderungen der Leistungsfähigkeit bewirken, für die Anstellung eines Behinderten prohibitiv.

Einerseits ist offensichtlich die Zahl der Pflichtstellen mit begünstigten Behinderten nicht zu besetzen und andererseits würden die Dienstgeber die Pflichtzahl auch nicht erfüllen, wenn sie die Nichtbegünstigten einstellen, sondern müßten auf jeden Fall die Ausgleichstaxe bezahlen.

Damit wird aber das Behinderteneinstellungsgesetz nicht zu einem Mittel der Einstellung von Behin­derten, sondern zu einem Gesetz, welches eine Abgabe vorschreibt, die gleichheitsmäßig nicht ausge­wogen ist und daher sogar verfassungsrechtliche Bedenken hervorruft.

Die vorgeschlagene Änderung des § 2 geht von dem Gedanken aus, daß es grundsätzlich falsch ist, anzunehmen, daß Behinderung auf jeden Fall eine Einbuße an Leistungsfähigkeit und erbringbarer Leistung bedeutet. Ob und welche Leistungsminderung vorliegt, kann nur im Einzelfall beurteilt werden, sodaß die generelle Anführung von Leistungsminderungskriterien im Gesetz unrichtig ist.

Die Verpflichtung, auf je 25 Dienstnehmer einen Behinderten anzustellen, ist für österreichische Verhältnisse nicht sehr angemessen, da die österreichische Wirtschaft bekanntlich hauptsächlich Klein- und Mittelbetriebe aufweist, die in zahlreichen Fällen keine 25 Dienstnehmer beschäftigen. Im Hinblick auf die unverhältnismäßig hohe Zahl von Arbeitslosen unter den Behinderten wäre es daher wichtig, die Beschäftigung von Behinderten so weit wie möglich zu streuen, ihnen also auch den Bereich der Klein- und Mittelbetriebe zu eröffnen.

Dieses Ziel kann sicher nicht etwa durch eine Reduktion der Pflichtzahl erreicht werden.

Der Kündigungsschutz des § 8 Abs. 2 BehEG stellt ein Hindernis für die Beschäftigung von Behinderten in Betrieben dar, die nicht der Beschäftigungspflicht unterliegen. Kein Dienstgeber ist bereit, einen Dienstnehmer anzustellen, den er nur mittels eines umständlichen Verwaltungsverfahrens kündigen kann. Die Konsequenz dieses Kündigungsschutzes ist daher, daß mit Behinderten in weiteren Bereichen der österreichischen Wirtschaft überhaupt keine Beschäftigungsverhältnisse eingegangen werden. Die angebliche Wohltat des Kündigungsschutzes wirkt dadurch diskriminierend, dh. ihre Wirkung ist kontraproduktiv.


Der Kündigungsschutz ist auch insofern bei Kleinbetrieben nicht vertretbar als er ein Korrelat zur Einstellungsverpflichtung darstellt. Wenn das eine nicht vorgeschrieben ist, ist das andere auch nicht geboten. Hiezu kommt noch, daß schon auf Grund der allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen ein weitgehender Kündigungsschutz besteht. Es steht daher zu erwarten, daß die vorgeschlagene Beseitigung des Kündigungsschutzes für nicht beschäftigungspflichtige Unternehmen eine wesentliche Erleichterung für die Eingliederung von Behinderten in den Arbeitsprozeß bringt.

Zu Ziffer 4:

Bezüglich der dritten vorgeschlagenen Änderung ist darauf zu verweisen, daß der Bund, die Länder und die anderen öffentlichen Körperschaften ihr Pflichtsoll an Behinderteneinstellungen nicht erfüllen, obwohl dies für diese Institutionen ohne Schwierigkeiten durchführbar wäre. Wenn bei marktwirtschaftlich zu führenden Unternehmungen die Argumentation der mangelnden Leistungsfähigkeit behinderter Mitarbei­ter zwar übertrieben sein mag, ist sie doch nicht immer ganz von der Hand zu weisen. Daß aber auch Körperschaften, die durchwegs in geschützten Bereichen funktionieren, ihrer Einstellungspflicht nicht genügen, kann nicht hingenommen werden.

Die Bestimmung des § 4 Abs. 2 des BehEG macht die Argumentation, daß in Teilen der staatlichen Verwaltung die Einstellung von Behinderten tatsächlich unmöglich ist, zu einem unzulässigen Scheinargument, da eben alle Staatsbediensteten und alle Bediensteten der öffentlichen Körperschaften zusammenzuzählen sind, womit ausreichend Platz für die Erfüllung der Einstellungspflicht besteht. Die vorgeschlagene Ergänzung des § 9 soll daher sicherstellen, daß dies auch geschieht und nur dann die Einstellungspflicht mit Geldleistungen abgegolten werden kann, wenn zu wenig geeignete behinderte Dienstnehmer vorhanden sein sollten.”

Der Ausschuß für Arbeit und Soziales hat den Antrag 894/A in seiner Sitzung am 3. Dezember 1998 in Verhandlung genommen.

Berichterstatterin im Ausschuß war der Abgeordnete Dr. Volker Kier.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Walter Guggenberger, Dr. Gottfried Feurstein, Sigisbert Dolinschek, Mag. Herbert Haupt, MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Dr. Volker Kier, Josef Meisinger, Edith Haller, Helmut Dietachmayr, Heidrun Silhavy sowie die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Antrag keine Mehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuß für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 1998 12 03

                                   Sophie Bauer                                                              Annemarie Reitsamer

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau