1818 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses


über die Regierungsvorlage (1634 der Beilagen): Protokoll zum Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino infolge des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union samt Schlußakte und Gemeinsamer Erklärung und Anlage


Am 16. Dezember 1991 haben die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten und die Republik San Marino in Brüssel das Abkommen über eine Zusammenarbeit und eine Zollunion unterzeichnet. Da das Abkommen Materien regelt, die teils in die Kompetenz der Gemeinschaft, teils in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fallen (sog. gemischtes Abkommen), sind die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallenden Bereiche von diesen zu ratifizieren.

Mit dem Abkommen soll die Republik San Marino in das Zollgebiet der Gemeinschaft einbezogen und die Zusammenarbeit verstärkt werden. Da die Republik San Marino für die Gemeinschaft ein Drittland ist, waren die Beziehungen bislang nur durch einseitigen Beschluß der Gemeinschaft sowie durch das 1939 geschlossene Abkommen zwischen Italien und San Marino geregelt.

Zur Überbrückung der Zeit bis zum Inkrafttreten dieses Abkommens wurde am 27. November 1992 in Brüssel ein Interimsabkommen über den Handel und eine Zollunion unterzeichnet, das am 1. Dezember 1992 in Kraft getreten ist.

Da das Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino vom 16. Dezember 1991 vor der letzten Erweiterung der Europäischen Union unterzeichnet wurde, sich das Ratifikationsverfahren für dieses Abkommen in der Folge als besonders langwierig erwies (im letzten Mitgliedstaat der Zwölfergemein­schaft wurde das erforderliche Verfahren erst am 26. März 1997 abgeschlossen) und es sich um ein gemischtes Abkommen handelt, war die Aushandlung eines Protokolls erforderlich, um die Ausdehnung des Abkommens auf die neuen Mitgliedstaaten Österreich, Finnland und Schweden zu ermöglichen.

Dieser Beitritt erfolgte durch das gegenständliche Protokoll zum Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino, welches am 30. Oktober 1997 in Brüssel durch die Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnet wurde.

In einer Gemeinsamen Erklärung, welche in der Schlußakte zu diesem Protokoll integriert ist, erklären sich der Rat der Europäischen Union und die im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der fünfzehn Mitgliedstaaten sowie die Republik San Marino bereit, bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokoll vorläufig oder endgültig ab dem ersten Tag des ersten Monats nach dem Tag anzuwenden, an dem einander die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten einerseits und die Republik San Marino andererseits den Abschluß der erforderlichen innerstaatlichen Verfahren mitgeteilt haben. Der Rat und die Mitgliedstaaten wollen diesbezüglich die zum gleichzeitigen Inkrafttreten des genannten Abkommens über die Zusammenarbeit und eine Zollunion erforderlichen Vorkehrungen treffen.

Das vorliegende Protokoll hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es enthält keine verfassungs­ändernden und verfassungsergänzenden Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter. Es ist der unmittelbaren Anwendbarkeit im österreichischen Rechtsbereich zugänglich, sodaß die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist.

Da in Titel II und III des Abkommens Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen (Umweltbereich, Fremdenverkehr, Kultur, soziale Sicherheit), geregelt werden, ist die Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG erforderlich. Gemäß Art. 10 Abs. 3 B-VG wurde den Ländern Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Das Protokoll zum Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino wird in seiner deutschen Sprachfassung im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Die dem Protokoll beigefügten finnischen und schwedischen Sprach­fassungen des Abkommens über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino werden gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundgemacht, daß sie im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten während der Amtstage zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt werden. Hinsichtlich der ebenfalls authentischen Sprachfassungen des Protokolls in dänischer, englischer, finnischer, französischer, griechischer, italienischer, nieder­ländischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache wäre vom Nationalrat anläßlich der Genehmigung zu beschließen, daß diese ebenfalls gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundgemacht werden, daß sie im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten während der Amtstage zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt werden.

Das dem Beitritt zugrunde liegende Stammabkommen vom 16. Dezember 1991 (ABl. der Europäischen Gemeinschaften Nr. C 302/12 vom 22. November 1991) soll die Zusammenarbeit auf handelspolitischem, wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet stärken und San Marino durch die Schaffung einer Zollunion in das Zollgebiet der Gemeinschaft einbeziehen:

In Titel I wird eine Zollunion zwischen den Vertragsparteien begründet, die für alle Waren der Kapitel I bis 97 des Gemeinsamen Zolltarifs gilt, mit Ausnahme der unter den EGKS-Vertrag fallenden Erzeug­nisse (Artikel 2 und 3). Diese Zollunion umfaßt die Befreiung von allen Einfuhr- und Ausfuhrzöllen (Artikel 5 und 6) zwischen den Vertragsparteien, vorbehaltlich einer Sonderbestimmung über eine derzeit in San Marino erhobene Einfuhrsteuer (Artikel 6 Absatz 2). Gegenüber Drittstaaten wird San Marino den Gemeinsamen Zolltarif sowie die für das ordnungsmäßige Funktionieren der Zollunion erforderlichen Bestimmungen, die Bestimmungen der gemeinsamen Handelspolitik der Gemeinschaft wie auch die Agrarverordnungen (mit Ausnahme der bei der Ausfuhr gewährten Erstattungen und Ausgleichsbeträge, Artikel 7) anwenden. Für einen Zeitraum von fünf Jahren wird die Gemeinschaft vorläufig die Abfertigung der Waren zum freien Verkehr für die Republik San Marino vornehmen (Artikel 8). Die Zollunion umfaßt ferner das Verbot aller mengenmäßigen Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung im Handel zwischen San Marino und der Gemeinschaft (Artikel 9). Die Artikel 10 bis 13 enthalten allgemeine Bestimmungen zur ordnungsgemäßen Durchführung des Abkommens. Hierzu zählen zB das Verbot interner steuerlicher Maßnahmen und die Einführung von Schutzmaßnahmen bei Marktstörungen.

In Titel II sieht das Abkommen eine Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und San Marino vor. Sie erstreckt sich im gewerblichen Bereich insbesondere auf die Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen (Artikel 15), den Umweltbereich (Artikel 16), den Fremdenverkehr (Artikel 17) und die Kultur (Artikel 18).

Titel III (Artikel 20 bis 22) enthält Bestimmungen im sozialen Bereich, darunter ein Diskriminierungs­verbot für Arbeitnehmer auf Grund der Staatsangehörigkeit hinsichtlich der Arbeits- und Entlohnungsbe­dingungen (Artikel 20). Artikel 21 sieht vor, daß alle in den Mitgliedstaaten zurückgelegten Versiche­rungs-, Beschäftigungs- oder Aufenthaltszeiten bei den Alters-, Hinterbliebenen- und Invaliditätsrenten sowie der Krankheitsfürsorge zusammengerechnet werden. Ferner wird die Zahlung von Familien­leistungen vorgesehen, wenn sich die Arbeitnehmer aus San Marino mit ihren Familienangehörigen in der Gemeinschaft rechtmäßig aufhalten. Die Republik San Marino verpflichtet sich, den Gemeinschafts­angehörigen die gleichen Rechte zu gewähren. Vor Ablauf des ersten Jahres nach Inkrafttreten des Abkommens soll der Kooperationsausschuß die notwendigen Bestimmungen zur Gewährleistung der Anwendung der sozialen Regelungen erlassen (Artikel 22).

Gemäß Titel IV wird durch das Abkommen ein Kooperationsausschuß geschaffen, der die Verwaltung des Abkommens und die ordnungsgemäße Durchführung überwacht (Artikel 23). Er wird aus Mitgliedern des Rates und der Kommission sowie von der Regierung San Marino gebildet. Artikel 24 sieht ein Streitschlichtungsverfahren vor. In den allgemeinen Bestimmungen (Artikel 25 bis 32) sichern sich die Vertragsparteien die Nichtdiskriminierung zu. Das Abkommen gilt für unbegrenzte Zeit. Artikel 26 verpflichtet die Vertragsparteien, spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten das Abkommen zu überprüfen und eventuell notwendig gewordene Änderungen vorzunehmen. Eine Kündigung kann von jeder Vertragspartei durch Notifizierung vorgenommen werden. Sie wird sechs Monate nach dem Zeitpunkt der Notifizierung wirksam (Artikel 27). Das Stammabkommen ist in allen Gemeinschaftssprachen verbindlich.


Dem Stammabkommen sind folgende Erklärungen angeschlossen:

–   eine Erklärung der Gemeinschaft zur Bereitschaft, über die Gleichstellung der Ursprungswaren San Marinos mit den Ursprungswaren der Gemeinschaft in den Präferenzabkommen der Gemeinschaft zu verhandeln;

–   eine Erklärung der Gemeinschaft über ihre Bereitschaft, den Zugang der Republik San Marino zum Markt des grenzüberschreitenden Straßenpersonen- und Straßengüterverkehrs zu prüfen;

–   eine Erklärung der Gemeinschaft, die Ausdehnung des Programms ERASMUS für den Austausch von Studenten und Professoren auf San Marino auszudehnen;

–   eine Erklärung der Gemeinschaft zu bestimmten Fragen, die im Kooperationsausschuß zur Sprache gebracht werden können (Dienstleistungsverkehr, geistiges, gewerbliches und kommerzielles Eigen­tum, Anerkennung von Ausbildungsnachweisen, Beurteilung der Konformität von Erzeugnissen mit den technischen Vorschriften), und

–   eine Erklärung der Mitgliedstaaten, Anträge der Republik San Marino bezüglich Genehmigungen für den Straßenpersonen- und Straßengüterverkehr wohlwollend zu prüfen.

Der Außenpolitische Ausschuß hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 11. Mai 1999 in Verhandlung genommen.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Im vorliegenden Fall hält der Außenpolitische Ausschuß die Erlassung eines besonderen Bundesgesetzes gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages für entbehrlich.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

1.  Der Abschluß des Staatsvertrages: Protokoll zum Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino infolge des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union samt Schlußakte und Gemeinsamer Erklärung und Anlage (1634 der Beilagen) wird genehmigt.

2.  Gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG liegt die gemäß Art. 2 des Protokolls dem Protokoll beigefügte finnische und schwedische Sprachfassung des Abkommens zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundes­ministerium für auswärtige Angelegenheiten auf und ist das Protokoll hinsichtlich seiner dänischen, englischen, finnischen, französischen, griechischen, italienischen, niederländischen, portugiesischen, schwedischen und spanischen Sprachfassung dadurch kundzumachen, daß es zur öffentlichen Einsicht­nahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Wien, 1999 05 11

                           Ingrid Tichy-Schreder                                                            Peter Schieder

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann