1864 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Finanzausschusses


über den Antrag 82/A(E) der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend Umstellung des Einkommensteuersystems auf ein Familiensplitting

Dem gegenständlichen, am 31. Jänner 1996 eingebrachten, Antrag war folgende Begründung beigegeben:

In Österreich leben bereits mehr als 100 000 Familien an oder unter der Armutsgrenze. Einer der Gründe dafür ist die seit dem EStG 1972 eingeführte Individualbesteuerung, welche Einzelstehende begünstigt und Familien mit Kindern benachteiligt. Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 1991, G 290/91, die unzureichende Kinderberücksichtigung im Abgabenrecht (über § 34 EStG hinaus) grundsätzlich bemängelt und den Gesetzgeber zu entsprechenden Korrekturen in Richtung einer stärkeren abgabenrechtlichen Berücksichtigung der Unterhaltspflichten gegenüber Kindern und Ehegatten aufgefordert. Die damalige Bundesregierung konnte sich jedoch nur zu Minimallösungen, wie der Einführung von Kinderabsetzbeträgen und Unterhaltsabsetzbeträgen, die sich betraglich kaum auswir­ken (350/525/700 S pro Monat), durchringen. Durch die nunmehr beabsichtigte Nichtvalorisierung der Familienbeihilfe im Zuge der Debatte zum Budget 1996 erweist sich das System einer direkten Familien­förderung als willkürliches Kürzungsinstrument auf Kosten der Familien, wie es auch die beabsichtigte Kürzung der Familienbeihilfen für Studenten zeigt.

Aus diesen Gründen ist es ein Freiheitliches Ziel, das Familiensplitting nach dem Motto “Eine Familie – eine Steuer” als freiwillige Alternative zur Individualbesteuerung einzuführen, damit das Existenzmini­mum für die Familienmitglieder steuerlich berücksichtigt und ein dem VfGH entsprechender Rechtszu­stand hergestellt werde.

Im Europa-Vergleich haben Deutschland, Belgien, Frankreich, Irland, Luxemburg, Portugal, Spanien und die Schweiz ein Splitting-Modell bzw. die Möglichkeit einer gemeinsamen Veranlagung. Das polemische Gegenargument, daß die Familienbesteuerung infolge der höheren Progression für den Haupterwerbs­tätigen die Frauen zurück an den Herd drängt, ist schon empirisch durch einen Vergleich mit Deutschland und der ohnehin bestehenden Wahlmöglichkeit zwischen Familiensplitting oder Individualbesteuerung nicht haltbar.

Der Finanzausschuß hat den Antrag 82/A(E) in seiner Sitzung am 6. Dezember 1996 in Verhandlung gezogen.

Den Bericht im Ausschuß erstattete der Abgeordnete Hermann Böhacker.

Der Ausschuß beschloß, die Vorbehandlung dieses Antrages dem am 21. November 1996 zur Vorbehand­lung der Anträge 46/A(E), 48/A(E) und 277/A eingesetzten Unterausschuß zu übertragen (siehe dazu den Ausschußbericht 1860 der Beilagen).

In der Unterausschußsitzung vom 1. Juni 1999 konnte über den Antrag 82/A(E) kein Einvernehmen erzielt werden.

Der Finanzausschuß hat in seiner Sitzung am 2. Juni 1999 den vom Obmann des Unterausschusses Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny erstatteten Bericht des Unterausschusses entgegengenommen.

Bei der Abstimmung fand der Antrag 82/A(E) nicht die Mehrheit des Ausschusses.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 1999 06 02

                           Marianne Hagenhofer                                                          Dr. Ewald Nowotny

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann