1865 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Finanzausschusses

 

über den Antrag 116/A(E) der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betref­fend Privilegien und Belastungspaket

 

Dem gegenständlichen, am 28. Februar 1996 eingebrachten Antrag war folgende Begründung beige­geben:

Die zunehmende Verschuldung des Bundeshaushalts, der immer enger werdende budgetäre Spielraum, die unterschätzten Kosten des EU-Beitritts und schließlich die zu erfüllenden Konvergenzkriterien zur Teilnahme an der europäischen Währungsunion bringen es mit sich, daß die Bundesregierung zur Bewältigung der von ihr selbst verursachten Budgetkrise den Steuerzahlern Belastungspakete auferlegt. Während Experten und der kleinere Regierungspartner eine weitgehend ausgabenseitige Budgetkonsoli­dierung favorisierten, ist das nunmehr vorliegende sozialistisch dominierte Sparpaket II mit einnahmen­seitigen Konsolidierungsmaßnahmen von nahezu 50% nicht als Spar-, sondern als Belastungspaket zu verstehen. Von diesem Belastungspaket sind fast alle Bevölkerungsschichten betroffen, insbesondere aber der Mittelstand, die Familien, Studenten, die Unternehmer und der öffentliche Dienst.

So beinhaltet das 100-Milliarden-Schilling-Belastungspaket auf der Ausgabenseite nicht nachvollziehbare Einsparungen in der Höhe von:

Milliarden
Schilling

a). beim Personalaufwand im öffentlichen Dienst.......................................................................................          16,0

b) bei familiären Transferleistungen und beim Pflegegeld........................................................................            8,2

c). bei Arbeitslosenversicherungsleistungen.............................................................................................            5,3

d) bei Pensionsversicherungsleistungen....................................................................................................          13,5

e). bei Förderungen.........................................................................................................................................            2,8

f). durch Verwaltungsreformmaßnahmen und bei Bundesbetrieben.......................................................          16,4

g) und durch Einschränkung von Zweckbindungen.................................................................................            4,5

zusammen also................................................................................................................................................         66,7

Die einnahmenseitigen Maßnahmen beinhalten ein Belastungspotential von nahezu 50 Milliarden Schilling, wovon der Bundeshaushalt, bedingt durch die gemeinschaftlichen Bundesabgaben, 33 Milliar­den Schilling für sich lukrieren kann. Der österreichische Steuerzahler bzw. eine österreichische Durchschnittsfamilie kann in den Folgejahren je nach Betroffenheit mit Kürzungen zwischen 20 000 S und 100 000 S im Jahr rechnen. Durch die soziale Staffelung bzw. Wegfall des allgemeinen Absetz­betrages und der Sonderausgaben wird eine indirekte Solidarabgabe geschaffen; mit der forcierten Überstundenbesteuerung, der Sistierung der Freibetragsbescheide und der modifizierten Besteuerung bei den Sonderzahlungen werden insbesondere die Arbeitnehmer getroffen; die Einschränkungen bei Verlustmodellen, beim Verlustabzug und bei bisher begünstigten Veräußerungsgewinnen sowie die vorzeitige Rückstellungsnachversteuerung belasten die Unternehmer (vor allem solche in der Anlauf­phase). Mit der Erhöhung der Normverbrauchsabgabe, der Kapitalertragsteuer, der Erbschafts- und Schenkungssteuer und der Tabaksteuer werden ebenso nahezu alle Bevölkerungsgruppen mehr belastet. Mit der nunmehr einzuführenden Energiesteuer entschied sich die Bundesregierung für die schlechteste Variante, indem die Energiesteuern nicht zur Senkung der Lohnnebenkosten, sondern zum Stopfen von Budgetlöchern verwendet werden. Zudem wird mit dieser Minusvariante nicht nur der Wirtschafts­standort Österreich gefährdet, sondern auch die Familien als zwangsläufige Energie-Hauptkonsumenten überproportional belastet.

Wenngleich fast alle Bevölkerungsgruppen Opfer des Belastungspaketes geworden sind, sind die Privilegien und die geschützten Bereiche vom Belastungspaket nicht betroffen. Hervorzukehren sind insbesondere die Privilegien der Oesterreichischen Nationalbank, die sich in einzelnen Details wie folgt darstellen:

Gehälter

Die OeNB hat mit Wirkung vom 1. Februar 1996 sämtliche Gehälter um einen Sockelbetrag von 55 S und darauf aufbauend um 2,5% erhöht, obwohl die Gehälter mittlerweile ein Ausmaß erreicht haben, die in der Bevölkerung schon lange auf kein Verständnis mehr stoßen. So beziehen beispielsweise in der Druckerei für Wertpapiere beschäftigte Reinigungskräfte und Helfer nach zehn anrechenbaren Dienstjahren einen Bruttomonatsbezug von zirka 30 000 S/15 mal im Jahr. Weitere Beispiele:

Funktion

Monatsbezug (15 mal)
in Schilling

Telefonmechaniker

48 000,–

Skontist

46 000,–

Schreibkraft

45 000,–

Prämien

Der Generaldirektor schüttet für besondere Leistungen und Verbesserungsvorschläge an Mitarbeiter im Jahr zirka 3,5 Millionen Schilling aus.

Zulagen

Wer heiratet oder ein Kind bekommt, erhält neben den staatlichen Leistungen einmalig jeweils 5 000 S, die Kinderzulage beträgt bis sechs Jahre 2 230 S, bis zehn Jahre 2 500 S, bis 15 Jahre 2 800 S und ab 15 Jahre 3 180 S.

Zuschüsse

Neben dem staatlichen Karenzurlaubsgeld gibt es im ersten Jahr einen monatlichen Zuschuß von 2 750 S, im zweiten Jahr 1 650 S.

Die OeNB subventioniert die Kosten, die durch die Unterbringung von Kindern in Kindergrippen, Kindergarten oder Hort entstehen, zu zwei Drittel (Höchstbeitrag: 700 S/Monat).

Dienstnehmern, deren ordentlicher Wohnsitz nicht am Dienstort liegt, werden die dadurch entstehenden erhöhten Fahrtkosten (öffentliches Verkehrsmittel) abgegolten. Darüber hinaus hat jeder Dienst-
nehmer Anspruch auf Subvention der Jahresnetzkarte der Wiener Verkehrsbetriebe im Ausmaß von 2 000 S.

Die OeNB zahlt jährlich 2 Millionen Schilling an den Unterstützungsverein, die an kranke oder unverschuldet in Not geratene Mitarbeiter zB für Sehbehelfe und Zahnersatz ausgeschüttet werden.

Jubiläumsgabe

Wenn das Dienstverhältnis zur OeNB jeweils 20, 30 oder 40 Jahre gedauert hat, werden jeweils drei Monatsbezüge plus Zulagen gewährt.

Krankenzusatzversicherung

Die Krankenzusatzversicherung für Aktive und Pensionisten sowie deren Ehepartner und Kinder wird von der OeNB zu zwei Drittel subventioniert. Kosten für die Bank: zirka 20 Millionen Schilling.

Erholungsurlaub

Der Anspruch beträgt grundsätzlich bei zehn anrechenbaren Dienstjahren 25 Arbeitstage, bis zu 20 anrechenbaren Dienstjahren 27 Arbeitstage, bis zu 30 anrechenbaren Dienstjahren 32 Arbeitstage und bei mehr als 30 anrechenbaren Dienstjahren 33 Arbeitstage. Fällt der Urlaub in die Zeit zwischen dem 15. Oktober und 15. April (Ausnahme: Schulferien), dann wird jeder vierte Urlaubstag nicht auf den Gebührenurlaub angerechnet. In einer Periode können maximal vier Zusatzurlaubstage beansprucht werden. Zusätzlich können sechs Tage pro Jahr eingearbeitet werden.

Dienstreisen

Für Dienstreisen in Österreich beträgt der Taggeldsatz 580 S.

Abfertigung

Der begünstigt versteuerte Abfertigungsanspruch beträgt bei Pensionsantritt 17,5 Monatsbezüge.

Pension

 

Eintritt bis 31. März 1993

Eintritt seit 1. April 1993

Pensionsantritt

35 anrechenbare Dienstjahre und 55. Lebensjahr

40 anrechenbare Dienstjahre oder 60. Lebensjahr (= de facto 58. Lebensjahr)

Pensionsbeitrag

seit 1. April 1993 freiwillig 2%

5%

Schul- und Studienzeiten

kein Beitrag

kein Beitrag

Pensionshöhe

85% vom Letztbezug

80% vom Letztbezug

Pensionssicherungsbeitrag

keiner

keiner

Obwohl der Rechnungshof bereits in seiner zuletzt erfolgten Einschau 1981 kritisierte, daß das Direkto­rium der OeNB die Pensionsbemessungsgrundlage von Dienstnehmern durch außertourliche Vorrückun­gen unmittelbar vor Pensionsantritt erhöhte, besteht diese Praxis noch immer. Dazu ein aktuelles Beispiel:

1993 pensionierte das Direktorium der OeNB einen leitenden Beamten im Bereich der Banknoten- und Münzenkasse, ohne daß eine gesundheitliche Beeinträchtigung vorgelegen hätte, vorzeitig im Alter von 53 Jahren. Sein Nachfolger wird heuer pensioniert. Kurz vor dessen Pensi­onsantritt gewährt ihm die OeNB noch eine Interimalzulage von 8 940 S, wodurch die ohnehin bereits unermeßlich hohe Pensionsbemessungsgrundlage um diesen Betrag angehoben wird:

 

Aktivbezug in Schilling

 

Pensionsbezug in Schilling

Monatsbezug

101 450,–

1 ´ Jubiläumsgabe

  473 919,–

Funktionszulage 1

 25 363,–

1 ´ Abfertigung

3 097 028,–

Interimalzulage

 8 940,–

 

3 570 946,50 ´ 0,94

Funktionszulage 2

17 000,–

 

3 356 690,– netto

Überstundendurchschnitt

19 000,–

 

 

Sozialzulagen

 5 220,–

Pension 15 ´

150 430,–

Summe

 176 973,– ´ 15

 

 

Weitere Beispiele für unvergleichlich hohe Pensionen:

frühere Funktion im Bereich

monatliche Pension (15 mal)
in Schilling

Aktenumlaufevidenz

72 000,–

Wohlfahrt (Messe)

68 000,–

Hausverwaltung

56 000,–

Vorzimmer der Präsidentin

50 000,–

Garagenmeisterei

43 000,–

Sterbequartal

Bei Ableben eines Aktiven oder Pensionisten stehen dem Ehegatten bzw. den Kindern 25% des Gesamt­jahresbezuges zu. Für den Fall, daß keine anspruchsberechtigten Personen vorhanden sind, werden die Bestattungskosten ersetzt.

Wohnungen

Die OeNB vermietet insgesamt zirka 620 Wohnungen an Aktive und Pensionisten um 17 S/m2 (Kaltmiete) in den schönsten Wiener Lagen.

Wie die folgende Aufstellung zeigt, nicht ausschließlich an bedürftige Personen:

Bezug/Pension
in Millionen Schilling

Wohnung

2,0

VII, Breitenfeldergasse

2,0

IX, Garelligasse

2,0

III, Petrusgasse

1,9

XVIII, Starkfriedgasse

1,8

IX, Otto-Wagner-Platz

1,6

XVI, Heiderichstraße

1,6

XIX, Bockkellergasse

1,4

XVIII, Büdingergasse

1,4

XIX, Kahlenberger Straße

1,4

IX, Schubertgasse

1,2

XVIII, Wallrißstraße

1,2

XIII, Schweizertalstraße

1,1

XIX, Hockegasse

1,1

I, Wallnerstraße

Mittagstisch

 

Die OeNB serviert (!) ihren Mitarbeitern um 15 S ein gängiges Menü (drei Wahlmöglichkeiten) sowie Mineralwasser. Die Subvention für diese Einrichtung beträgt zirka 20 Millionen Schilling.

Sport, Kultur und Erholung

Die OeNB verfügt in Langenzersdorf über ein Sport- und Erholungszentrum, das Aktiven und Pensionisten für einen monatlichen Beitrag von 0,15% des Bezuges zur Verfügung steht. Die OeNB unterstützt die Freizeitaktivitäten ihrer Mitarbeiter mit zirka 8 Millionen Schilling/Jahr.

Spar- und Vorschußvereine

Bei den beiden Spar- und Vorschußvereinen “Graphik” und “Beamtenschaft” können Aktive und Pensionisten zu besonders günstigen Konditionen Geld anlegen und ausleihen. Die OeNB bezahlt nicht nur den Geschäftsbetrieb (Personal, Geschäftsstelle und Betriebsaufwand), sondern veranlagt auch geringe Teile der Pensionsreserve bei den Sparvereinen.

Urlaubsquartiere

Neben den beiden bankeigenen Hotels mietet die OeNB auch Urlaubsquartiere für Aktive und Pensionisten an, die sie zu besonders günstigen Preisen abgibt. Die zu diesem Zweck gegründete Gesellschaft zum Betrieb der Wohlfahrtseinrichtungen wird jährlich mit etwa 15 Millionen Schilling subventioniert.

Weitere geschützte Privilegienparadiese finden sich im Bereich der Kammern und Sozialversicherungen, deren Funktionäre jeweils die Vorteile aus Privatwirtschaft und Beamtenverhältnis genießen. So sind Abfertigungsregelungen üblich, die oftmals über die Regelungen des Angestelltengesetzes weit hinaus­gehen, während die Pensionsregelungen sich am öffentlichen Dienst orientieren. Zu betonen ist, daß alle diese Privilegien von den zwangsverpflichteten Mitgliedern der Kammern bzw. von den Sozialver­sicherten zu finanzieren sind.

Ein weiterer privilegierter Bereich, der besonders durch ein weit überhöhtes Gehaltsniveau hervorsticht, ist die Elektrizitätswirtschaft. Dazu einige Beispiele aus dem Wahrnehmungsbericht des Rechnungs­hofes III – 18 BlgNR XIX. GP:

Österreichische Draukraftwerke

 

Vorstand: Zwei Personen mit Gesamtbezügen von 5,6 Millionen Schilling (1991).

Vorstandsverträge: Für den Fall der Auflösung des Dienstverhältnisses durch die Unternehmung in der zweiten oder einer folgenden Periode: sofortiger, vom Lebensalter unabhängiger Pensionsanspruch, der auch dann nicht ruht oder sich entsprechend verringert, wenn der Ausscheidende sein Berufsleben anderweitig fortsetzt.

Zahlung von 251 000 S an ein Vorstandsmitglied für nicht konsumierten Urlaub.

Ennskraftwerke AG

Zahlung einer freiwilligen Abfertigung an zwei frühere Vorstandsmitglieder in Höhe von 1,4 Millionen Schilling bzw. 1,3 Millionen Schilling.

Steiermärkische Elektrizitäts AG

1992 betrugen die Bezüge der drei Vorstandsmitglieder insgesamt rund 7 Millionen Schilling, 1993 rund 8 Millionen Schilling.

Der Vertrag eines seit Mai 1993 tätigen Vorstandsmitgliedes sah bei Nichtverlängerung des Vertrages die Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung als Prokurist oder als Führungskraft im Prokuristen-Bezugsniveau bzw. die Rückkehr in eine Führungsposition im Verbund vor.

Tauernkraftwerke AG

Vorstand: Zwei Mitglieder mit Jahreseinkommen von zusammen rund 5,7 Millionen Schilling/1991.

Bei Nichtverlängerung der Funktion sah der Vertrag die Weiterbeschäftigung als Prokurist vor; die gleichzeitige Ausübung von Vorstands- und Geschäftsführertätigkeit bei Tochter- bzw. Konzern­unternehmen bewirkte teilweise einen zusätzlichen Abfertigungsanspruch. Bei Auflösung des Vertrages nach der ersten Wiederbestellung entstand unabhängig von Alter, Berufsunfähigkeit oder Tätigkeit in branchenfremden Bereichen ein sofortiger Ruhegenußanspruch. Der durchschnittliche Bezug eines Aufsichtsrates betrug 1992 rund 341 000 S.

Österreichische Donaukraftwerke AG

61 Sondervertragsinhaber erhielten durchschnittlich je 700 000 S Jahrespensionszuschuß.

Vorstand: Zwei Mitglieder mit Gesamtbezügen von rund 5,8 Millionen Schilling.

Eine Verlängerung der Vorstandsverträge um eine Periode genügte, um einen sofortigen Pensionsan­spruch bei Ausscheiden zu erwerben.

Die Aufzählung der privilegierten Bereiche erhebt keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit.

Privilegien sind begünstigende Sonderregelungen für Personen oder Personengruppen, die sachlich nicht bzw. nicht mehr begründet sind. Angesichts der Belastungen, die den Österreicherinnen und Österreichern auferlegt werden, ist es dringend geboten, einen umfassenden Abbau der Privilegien in allen bisher geschützten Bereichen einzuleiten. Den Österreicherinnen und Österreichern fehlt nämlich in zunehmen­dem Maße jedes Verständnis für die teilweise üppigen, sachlich nicht gerechtfertigten Privilegien. Nicht zuletzt liegt im Abbau dieser ungerechtfertigten Vergünstigungen ein beachtliches Einsparungspotential.

Der Finanzausschuß hat den Antrag 116/A(E) in seiner Sitzung am 6. Dezember 1996 in Verhandlung gezogen.

Den Bericht im Ausschuß erstattete der Abgeordnete Hermann Böhacker.

Der Ausschuß beschloß, die Vorbehandlung dieses Antrages dem am 21. November 1996 zur Vorbehand­lung der Anträge 46/A(E), 48/A(E) und 277/A eingesetzten Unterausschuß zu übertragen (siehe dazu den Ausschußbericht 1860 der Beilagen).

In der Unterausschußsitzung am 1. Juni1999 konnte über den Antrag 116/A(E) kein Einvernehmen erzielt werden.

Der Finanzausschuß hat in seiner Sitzung am 2. Juni 1999 den vom Obmann des Unterausschusses Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny erstatteten Bericht des Unterausschusses entgegengenommen.

Bei der Abstimmung fand der Antrag 116/A(E) nicht die Mehrheit des Ausschusses.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 1999 06 02

                           Marianne Hagenhofer                                                          Dr. Ewald Nowotny

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann