1965 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Familienausschusses


über den Dritten Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie zur Lage der Jugend in Österreich (III-182 der Beilagen)


Der am 17. März 1999 im Nationalrat eingelangte “Dritte Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie zur Lage der Jugend in Österreich” befaßt sich im wesentlichen mit drei Schwer­punkten:

Zum einen wird die Freizeitsituation österreichischer Jugendlicher unter besonderer Berücksichtigung von Kinder- und Jugendarbeit in Österreich thematisiert. Ein zweiter Schwerpunkt befaßt sich mit Qualitäts­sicherung und Selbstevaluation von Jugendarbeit. Die Darstellung von Partizipationsmöglichkeiten von Jugendlichen und die Analyse entsprechender Modelle ist ein dritter zentraler Bereich. In engem Kontext mit dem Jugendbericht steht ein europäischer Jugendrechtsvergleich, ein eigenständiges viertes Projekt, das auf Grund seiner inhaltlichen Nähe in den Bericht Aufnahme fand.

Mit seiner Schwerpunktsetzung unterscheidet sich der “Dritte Bericht zur Lage der Jugend in Österreich” von seinen Vorgängern. Sowohl im ersten als auch im zweiten Jugendbericht ging es wesentlich um eine wissenschaftliche Reflexion der Lebenssituation junger Menschen in Österreich und die Analyse entsprechender Lebenswelten. Beide Berichte boten dadurch eine sehr breite Skizze von Themen. Beim aktuellen Jugendbericht geht der Auftraggeber (Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie) einen anderen Weg: Mit der Fokussierung auf wenige Themenfelder soll unter anderem erreicht werden, daß neben der wissenschaftlichen Analyse die Ergebnisorientierung stärker zur Geltung kommt. Darüber hinaus wird die Perspektive diesmal weniger auf die Jugendlichen selbst gerichtet, sondern auf jene Institutionen, die sich mit ihnen befassen, vor allem die verschiedenen Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit. Schlüsselbegriffe des Berichts sind also Freizeit und Partizipation, zeitgemäße Jugendarbeit, ihre Unterstützung und Förderung.

Das vom Auftraggeber vorgegebene Globalziel des “Dritten Berichts zur Lage der Jugend” ist es, Grund­lagen von Kinder- und Jugendarbeit in Österreich zu reflektieren, um daraus Kriterien für ein kohärentes Spektrum jugendpolitischen Handelns und Folgerungen für eine ziel- und bedarfsgerechte Verwendung öffentlicher Mittel ableiten zu können. Dieses Grobziel läßt sich in weiteren Teilzielen präzisieren:

–   Analysiert wird – als Grundlage von Kinder- und Jugendarbeit – die Freizeitsituation von Jugendlichen in Österreich. Damit sollen auch die vorfindbaren Bedingungen von Kinder- und Jugendarbeit näher beschrieben werden.

–   Aus der Analyse der Freizeitsituation wird der Bedarf an Kinder- und Jugendarbeit in Österreich skizziert und dem aktuellen Angebot gegenübergestellt werden.

–   Gefragt wird weiters nach den Möglichkeiten der Qualitätssicherung von Kinder- und Jugendarbeit, wobei dem Modell der Selbstevaluation besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird.

–   Einer international immer wichtiger werdenden Debatte folgend wird die Frage der politischen Partizipation von Kindern und Jugendlichen sowie ihrer Auswirkungen erforscht.

–   Im Kontext dieser Grundlagenarbeiten wird die Entwicklung von Kriterien für eine bedarfsgerechte Verwendung öffentlicher Mittel versucht. Dies geschieht aus juridischer Perspektive auf der Basis eines internationalen Jugendförderungsrechtsvergleichs.

Die genannten Ziele werden mit der Durchführung von drei eigenständigen Untersuchungsstellen und einem assoziierten vierten Teil erreicht, wobei von jedem Teilprojekt über die Analyse des jeweiligen Themas hinaus konkrete Handlungsvorschläge zu erarbeiten waren. Auch wenn jeder der drei bzw. vier Untersuchungsthemen ganz spezifische und eigenständige Ziele verfolgt, wird deutlich, daß es insgesamt um eine Einschätzung des gegenwärtigen und zukünftigen Bedarfs an Kinder- und Jugendarbeit geht, um daraus zeitgemäße Maßnahmen ableiten zu können: Für die TrägerInnen von Kinder- und Jugendarbeit ebenso wie für die Verantwortlichen in Jugendpolitik und Jugendförderung auf allen Ebenen.

Der Familienausschuß hat den Dritten Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie zur Lage der Jugend in Österreich (III-182 der Beilagen) in seiner Sitzung am 11. Mai 1999 in Verhandlung genommen.

Als Berichterstatterin fungierte die Abgeordnete Brigitte Tegischer.

Vor Eingang in die Debatte beschloß der Ausschuß einstimmig gemäß § 28b Abs. 4 GOG, den Dritten Bericht zur Lage der Jugend in Österreich nicht endzuerledigen.

An der anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Martin Graf, Edith Haller, Dr. Gabriela Moser sowie der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein.

Einstimmig wurde beschlossen, zu diesem sowie anderen Verhandlungsgegenständen einen Unteraus­schuß einzusetzen, dem die Abgeordneten Gabriele Binder, Doris Bures, Manfred Lackner, Dr. Ilse Mertel, Ludmilla Parfuss (Schriftführerin), Brigitte Tegischer (Obfrau), Werner Amon (Obfraustell­vertreter), Rosemarie Bauer, Matthias Ellmauer, Dr. Sonja Moser-Starrach, Johann Schuster, Dr. Martin Graf, Edith Haller, Franz Koller, Elfriede Madl, Klara Motter und Karl Öllinger angehörten.

Der Unterausschuß, der sich am 11. Mai 1999 konstituierte, hat sich in seinen Sitzungen am 8. und 9. Juni 1999 mit den vorliegenden Verhandlungsgegenständen beschäftigt, wobei den Beratungen die fünf Projektleiter des “Dritten Berichts zur Lage der Jugend” bzw. Vertreter dieser, Mag. Bernhard Heinzelmaier (Österreichisches Institut für Jugendforschung, Wien, Teil A des Berichtes), Dr. Gerhild Trübswasser (helix-Forschung und Beratung, Salzburg, Teil B), Dr. Helmut Wintersberger (Öster­reichisches Institut für Familienforschung, Teil C) bzw. Mag. Barbara Riepl (Europäisches Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung, Teil C des Berichtes), Univ.-Prof. Dr. Johannes Pichler (Österreichisches Institut für Rechtspolitik, Teil D des Berichtes) und Christian Klein (Mitarbeiter am Teil Zusammenfassung und Empfehlungen des Berichtes), sowie Josef Eltantawi (Ring Freiheitlicher Jugend), Meinhard Friedl (Bundesjugendring), Mag. Helmut Kowarik (Österreichischer Verband für Jugendwohlfahrt), Albert Maringer (Österreichische Gewerkschaftsjugend), Kurt Nekula (Österrei­chische Kinderfreunde), Mag. Katharina Novy (Österreichische Jungschar), Robert Pichler (Sozialisti­sche Jugend), Bernhard Pospichal (Bundesausschuß Jugend des Liberalen Forums), Christoph Schwarz und Gemeinderat Bernhard Wurzer als Experten gemäß § 40 Abs. 1 GOG beigezogen wurden.

Der Unterausschuß, an dessen Sitzung am 8. Juni 1999 auch der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein teilnahm, konnte jedoch kein Einvernehmen über die gegenständliche Vorlage erzielen.

Der Familienausschuß beschäftigte sich in seiner Sitzung am 9. Juni 1999 erneut mit dem gegen­ständlichen Dritten Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie zur Lage der Jugend in Österreich, wobei die Abgeordnete Brigitte Tegischer als Obfrau des Unterausschusses über das Ergebnis der Unterausschußverhandlungen berichtete.

In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Dr. Martin Graf, Klara Motter, Karl Öllinger, Werner Amon, Elfriede Madl, Doris Bures, Brigitte Tegischer und Johann Schuster das Wort.

Im Zuge der Beratungen wurde von den Abgeordneten Brigitte Tegischer und Werner Amon ein Entschließungsantrag eingebracht

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Nationalrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichts zu empfehlen.

Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Brigitte Tegischer und Werner Amon wurde mit Stimmen­mehrheit angenommen.

Ein vom Abgeordneten Dr. Martin Graf eingebrachter Entschließungsantrag sowie ein Antrag auf Fassung eines Gesetzbeschlusses gemäß § 27 Abs. 1 GOG blieben in der Minderheit.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Familienausschuß daher den Antrag, der Nationalrat wolle

1.  den Dritten Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie zur Lage der Jugend in Österreich (III-182 der Beilagen) zur Kenntnis nehmen und

2.  die beigedruckte Entschließung annehmen.

Wien, 1999 06 09

                              Brigitte Tegischer                                                                Dr. Ilse Mertel

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau

Anlage

Entschließung

Die Bundesregierung wird ersucht, im Interesse der Jugendlichen folgende Maßnahmen zu setzen bzw. für die Verwirklichung folgender Zielsetzungen zu sorgen:

           1. Die verbandliche Jugendförderung und Jugendvertretung als auch die Förderung der offenen Jugendarbeit sollen zukünftig auf Basis eines Bundesjugendförderungsgesetzes stattfinden.

           2. Dieses Bundesjugendförderungsgesetz soll die verbandliche Jugendförderung auf eine neue Grundlage stellen und folgende Ziele verfolgen:

                a) Sicherstellung der Basiskosten der verbandlichen Jugendarbeit;

               b) nach budgetären Möglichkeiten ist die Arbeit der verbandlichen Jugendorganisationen sowie ihres Dachverbandes langfristig sicherzustellen.

           3. Um Anspruch auf die Förderungen zu erhalten, müssen Jugendorganisationen folgende Voraussetzungen erfüllen:

                a) Bekenntnis zur demokratischen Republik Österreich und zu den Grundwerten des Friedens, der Freiheit und der parlamentarischen Demokratie, der Menschenrechte und des Rechtsstaates in den Verbandsrichtlinien wie in den täglichen Aktivitäten des Verbandes;

               b) verbandliche Jugendarbeit hat einen ganzheitlichen, qualitativen Ansatz zu umfassen und darf sich nicht nur auf einen Teilbereich (zB Hilfsmaßnahmen, Musik, Sport) ausrichten, Jugend­arbeit muß über die Herausbildung von konkreten Fähigkeiten und Fertigkeiten hinausgehen und durch den ganzheitlichen Ansatz verschiedenste Facetten erreichen;

                c) verbandliche Jugendarbeit muß auf Jugendliche, mit Jugendlichen und für Jugendliche ausgerichtet sein;

               d) demokratische Verbandsstruktur, die von Jugendlichen selbst getragen wird, mit gesamt­österreichischer Leitung und Landesleitungen;

                e) kontinuierliche Verbandstätigkeit auf regional ausgewogener Ebene, die auf Dauer angelegt ist;

                f) Mindestzahl eingeschriebener Mitglieder; wenn die Organisation keine schriftliche Mitglied­schaft kennt, müssen die Kinder/Jugendlichen im Organisationsleben aktiv eingebunden sein;

               g) auf Grund der geschichtlichen Tatsache des grausamen Völkermordes an der jüdischen Bevölkerung – des Holocaust – sind die jüdischen Kinder- und/oder Jugendorganisationen von der Erfüllung eventueller quantitativer Kriterien auszunehmen.

           4. Tätigkeiten, die nach dem Bundesjugendförderungsgesetz gefördert werden sollen, haben wahr­zunehmen:

                a) Anliegen und Interessen junger Menschen;

               b) Mündigkeit, Eigenständigkeit und Demokratieförderung;

                c) Förderung von innovativen Prozessen und Projekten;

               d) Persönlichkeitsentfaltung, körperliche, seelische und geistige Entwicklung junger Menschen;

                e) Förderung der Bereitschaft junger Menschen zu Toleranz, Verständigung und friedlichem Zusammenleben sowie Förderung des gegenseitigen Verständnisses im innerstaatlichen wie auch im internationalen Bereich;

                f) Förderung gemeinschaftsstiftender und menschenrechtsbezogener Bildung;

               g) politische und staatsbürgerliche Bildung sowie religions- und/oder ethikbezogene Bildung junger Menschen;

               h) Entwicklung des sozialen Engagements junger Menschen;

                 i) Förderung der

                    –   lebensführungs- und gesundheitsbezogenen Bildung,


                    –   berufs- und karriereorientierten Bildung,

                    –   generationsbezogenen Bildung,

                    –   Entfaltung von kreativen Kräften junger Menschen, um eine aktive Beteiligung am kulturellen Leben zu ermöglichen,

                    –   Gleichberechtigung beider Geschlechter.

           5. Die Verwendung der ausgezahlten Förderungsmittel muß den Grundsätzen der Sparsamkeit, Effizienz und Wirtschaftlichkeit entsprechen. Bei der Gestaltung der Abrechnungsmodalitäten ist auf die personellen Ressourcen der Jugendorganisationen Bedacht zu nehmen.

           6. Im Rahmen der Förderung von Initiativen und Organisationen im Jugendbereich sollen Bund, Länder und Gemeinden kooperieren sowie Länder und Gemeinden zumindest gleichwertig finanziell beitragen.

           7. Prüfung eines Entwurfes eines Bundesgesetzes über die selbständige Einrichtung einer unabhängigen Kinder- und Jugendanwaltschaft des Bundes, wobei dieser unter anderem das Recht einzuräumen ist,

                a) Begutachtungen zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, abzugeben;

               b) in Verfahren, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diesen beratend zur Seite zu stehen;

                c) mit den Kinder- und Jugendanwälten der Länder zusammenzuarbeiten.

               Die Kinder- und Jugendanwaltschaft des Bundes hat dem Nationalrat über ihre Tätigkeit jährlich zu berichten.

           8. Durchführung einer Analyse über den Ausbau von nach dem Alter gestaffelten politischen und beruflichen Mitbestimmungsmöglichkeiten für Jugendliche bei den Einrichtungen der repräsentativen Demokratie. Dem Nationalrat ist darüber ein Bericht vorzulegen.

           9. Vorbereitung von weiteren Maßnahmen, die eine adäquate Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei der Planung und Gestaltung von allen Projekten (Ausbau von Kinder- und Jugendbeteiligungsprojekten) mit spezifischer Bedeutung für diese sicherstellen.

         10. Die Einführung einer Kinder- und Jugendverträglichkeitsprüfung bei allen Gesetzesvorhaben soll geprüft werden.

         11. Die Integration von körper- und sinnesbehinderten Kindern und Jugendlichen sowie Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist in allen Lebensbereichen weiter voranzutreiben.

         12. Die Mitbestimmungs- und Mitentscheidungsmöglichkeiten der SchülerInnen und StudentInnen in allen Bildungsinstitutionen sind weiter auszubauen.

         13. Es ist darauf hinzuwirken, daß Maßnahmen im Sinne von Z 2, 3, 4 und 5 auch im selbständigen Wirkungsbereich der Länder ergriffen werden.