1983 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Gesundheitsausschusses

 

über die Regierungsvorlage (1778 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Medizin­produktegesetz und das AIDS-Gesetz 1993 geändert wird

 

In-vitro-Diagnostika (medizinische Labordiagnostika und medizinische Laborgeräte) sind heute ein wesentlicher Garant der Leistungsfähigkeit der modernen Medizin. Für praktisch alle medizinischen Fachdisziplinen liefern In-vitro-Diagnostika immer frühere, bessere und verläßlichere Informationen für die Diagnose und Therapieüberwachung am Patienten. Auch für die Sicherheit von Blutprodukten (zB HIV- und Hepatitis-Tests) oder Organ- und Gewebespenden spielen sie eine ganz entscheidende Rolle. Besonders augenfällig sind die Leistungen der In-vitro-Diagnostika aber auch im Bereich der Blutbild- und Blutgerinnungsanalytik, bei der Diagnose von Infektionserkrankungen, bei der Immundiagnostik (Allergiediagnostik, Autoimmunerkrankungen, Immunglobulinbestimmungen, Diagnostik von Abwehr­schwächen, Botenstoffe des Immunsystems usw.), bei der Diagnose und Überwachung von Stoffwechsel­erkrankungen (zB Diabetes, Fettstoffwechsel), in der Schwangerschafts- und Pränataldiagnostik, in der Frühdiagnostik und Verlaufsbeurteilung von Tumorerkrankungen und in der Hormon- und Enzym­diagnostik.

Hauptdomäne der In-vitro-Diagnostikaanwendung ist sicherlich der professionelle Einsatz in Gesund­heitseinrichtungen, wo ein effizienter Krankenhausbetrieb meist nur mehr unter Einsatz von Hoch­leistungs-Laborautomaten mit höchstem Probendurchsatz gewährleistet ist. Durch die ungeheure Innovationskraft der Forschung und Industrie können die professionellen Labors ihr Leistungsangebot beständig ausweiten.

In naher Zukunft läßt auch der Markt für Heimdiagnostika ein beträchtliches qualitatives und quantitatives Wachstum erwarten. Neben Schwangerschaftstests spielen hier derzeit Diagnosehilfen für chronische Erkrankungen (zB Diabetes, Cholesterintests) bzw. für die Überwachung von Therapien (zB Gerinnungs­analysen) die größte Rolle.

Durch das vorliegende Gesetzesvorhaben wird die

Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über In‑vitro‑Diagnostika (ABl. Nr. L 331 vom 7. Dezember 1998, 1) [CELEX Nr. 398L0079]

in nationales Recht umgesetzt.

Der tragenden Rolle der In-vitro-Diagnostika für den modernen Medizinbetrieb werden durch die neue Richtlinie 98/79/EG im Europäischen Bereich entsprechende Kontrollmechanismen zugeordnet. Die Richtlinie grenzt zunächst den Produktbereich “In-vitro-Diagnostika” von den anderen Medizinprodukten sowie von sonstigen Erzeugnissen, etwa Produkten für den allgemeinen Laborbedarf, ab. Weiters finden sich Begriffsbestimmungen zu bestimmten Arten von In-vitro-Diagnostika.

Die an In-vitro-Diagnostika zu stellenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen wurden vom europäischen Gesetzgeber im Anhang I der Richtlinie festgelegt und berücksichtigen insbesondere auch all jene Leistungsparameter, die den medizinischen Wert eines In-vitro-Diagnostikums bestimmen. Zusätzliche Anforderungen werden an In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung gestellt, um den Laien verläßliche und leicht handhabbare Diagnosehilfen an die Hand zu geben.

Die grundlegenden Anforderungen an In-vitro-Diagnostika werden durch harmonisierte europäische Normen, bei den Hochrisikoprodukten durch sogenannte Gemeinsame Technische Spezifikationen näher ausgeführt. Bei der Erstellung dieser Gemeinsamen Technischen Spezifikationen, zB für HIV-Tests, arbeiten die Experten der Mitgliedstaaten mit der Kommission eng zusammen.

Kernstück der Richtlinie 98/79/EG ist das neue europäische Zulassungssystem. Ein eigenes Klassifizie­rungssystem im Anhang II der Richtlinie 98/79/EG ordnet die In-vitro-Diagnostika den Zulassungs­modulen (Konformitätsbewertungsmodulen) zu. In der Hochrisikogruppe (Anhang II, Liste A) wurden jene Testsysteme angesiedelt, die für die Sicherheit von Blutprodukten von entscheidender Bedeutung sind (zB HIV- und Hepatitis-Tests). In der Mittelrisikogruppe finden sich ua. In-vitro-Diagnostika, die in der medizinischen Betreuung von Mutter und Kind eine besondere Rolle spielen. Besondere Zulassungs­schemata sind auch für In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung vorgesehen. Die übrigen Diagnostika-Gruppen unterliegen einer behördlichen Kontrolle; dabei sind von den Herstellern entsprechende Produktdokumentationen, ein QM-System und ein Post-market-surveillance-System zu erstellen bzw. einzurichten. Die Klasseneinteilung der In-vitro-Diagnostika kann vom Ständigen Aus­schuß für Medizinprodukte angepaßt werden.

Die Eurozulassung in der Hochrisikogruppe (zB HIV-Tests) besteht jeweils aus Kombinationen von Produktprüfung, QS-System und Chargenfreigabe und ist damit umfassender als die bisher in Europa üblichen Zulassungsverfahren.

Um sicherzustellen, daß nur gut evaluierte In-vitro-Diagnostika die Marktreife erlangen, wurden in der Richtlinie Leistungsbewertungsprüfungen als Verfahren eingeführt, das in wissenschaftlicher Hinsicht den klinischen Prüfungen bei den übrigen Medizinprodukten entspricht. Dieses neue Verfahren stellt für Europa eine wesentliche Verbesserung dar, da in Hinkunft nur mehr In-vitro-Diagnostika, die nach einem einheitlichen hohen wissenschaftlichen Standard geprüft worden sind, den Gesundheitseinrichtungen bzw. den Laienanwendern zur Verfügung gestellt werden. Damit kann im Gesundheitswesen, das ohnehin unter Finanzierungsproblemen leidet, kostspielige Fehldiagnostik vermieden werden. Auch die Sicherheit und Rechte von Versuchspersonen können in Zukunft wirkungsvoller geschützt werden.

Besonderes Augenmerk wird in der Richtlinie auf den Europäischen Datenverbund für Medizinprodukte gelegt, wobei auch der Datentransfer zwischen den zuständigen Behörden und den benannten Stellen im Hinblick auf eine verbesserte Marktüberwachung verbessert wird.

Die Richtlinie 98/79/EG enthält neben den spezifischen Regelungen für In-vitro-Diagnostika ua. auch eine Änderung der Richtlinie 93/42/EWG. Diese Änderung betrifft im wesentlichen, neben Anpassungen zur Verbesserung der Kohärenz mit der In-vitro-Diagnostika-Richtlinie, die Regelung der Abverkaufsfrist von Medizinprodukten der Richtlinie 93/42/EWG, welche nach den vor dem 15. Juni 1998 gültigen Altregelungen schon erstmalig in Verkehr gebracht, aber noch nicht in Betrieb genommen waren.

Von der Systematik her läßt sich die In-vitro-Diagnostika-Richtlinie ohne Änderung der Grundarchitektur in das MPG einarbeiten. Wesentliche Elemente der Richtlinie 98/79/EG werden im Verordnungswege umzusetzen sein. (Grundlegende Anforderungen, Konformitätsbewertung, Klassifizierung usw.)

Im MPG zu berücksichtigen sind Anpassungen bei den Definitionen, die Einarbeitung neuer In-vitro-Diagnostika-spezifischer Begriffsbestimmungen und im Einzelfall Zuordnungen einzelner Bestimmungen auf die verschiedenen Medizinprodukterichtlinien.

Das für die Binnenmarkt-Richtlinien neue Konzept der Gemeinsamen Technischen Spezifizierungen wurde in geeigneter Weise im Zusammenhang mit den harmonisierten europäischen Normen berück­sichtigt.

Kleinere Anpassungen sind auf Grund der Vorschriften über den Datenaustausch der Behörde mit den benannten Stellen und auf Grund der Erfordernisse des europäischen Datenverbundes für Medizin­produkte erforderlich.

Besonders wichtig war die Einarbeitung des neuen Regelsystems für die Leistungsbewertungsprüfungen. Von der Systematik wurde dieses neue Evaluierungsverfahren zweckmäßigerweise im Hauptstück “Klinische Bewertung und Prüfung” eingefügt. Dabei wurde, entsprechend den spezifischen Besonder­heiten der Prüfung von In-vitro-Diagnostika, ein abgestufter Regelungsansatz eingeführt: die für die wissenschaftliche Aussagekraft und Methodik der Leistungsbewertungsprüfungen maßgeblichen Bestim­mungen wurden in Analogie zu den gleichwertigen Regelungen für klinische Prüfungen generell in den Anforderungskatalog aufgenommen. Wenn aber die Leistungsbewertungsprüfung mit Belastungen der Versuchspersonen verbunden ist, werden in Analogie auch die relevanten Schutzbestimmungen und ethischen Regulative, die sich etwa aus der Deklaration von Helsinki ergeben, zur Anwendung gebracht. An behördlichen Kontrollen sind die Meldung der Leistungsbewertungsprüfung an das Bundesmini­sterium für Arbeit, Gesundheit und Soziales und die Möglichkeit von Inspektionen vorgesehen.

Im Rahmen der Übergangsbestimmungen war schließlich die in der Änderung der Richtlinie 93/42/EWG festgelegte Abverkaufsfrist auch formal in das österreichische Recht aufzunehmen.

Zur Änderung des AIDS-Gesetzes (Artikel II) ist festzuhalten, daß entsprechend Art. 22 der Richtlinie 98/79/EG § 114 Abs. 2 Medizinproduktegesetz, in der Fassung des vorliegenden Entwurfes, vorsieht, daß die Regelungen betreffend das Inverkehrbringen und die Anwendung von In-vitro-Diagnostika mit 7. Juni 2000 in Kraft treten.

 

Ab diesem Zeitpunkt kann somit vom Verantwortlichen für das Inverkehrbringen die CE-Kennzeichnung nach dem Medizinproduktegesetz angestrebt werden. Die Erlangung der CE-Kennzeichnung ist jedoch während des Übergangszeitraumes bis zum 7. Dezember 2003 nicht verpflichtend, das Produkt kann vielmehr im Sinne der Regelung des Art. 22 Abs. 5 der Richtlinie 98/79/EG auch noch nach den Altregelungen, im konkreten Fall auf der Grundlage einer nationalen Freigabe gemäß § 6 Abs. 2 des AIDS-Gesetzes, in Verkehr gebracht werden.

Nach dem 6. Dezember 2003 dürfen aber nur mehr im Sinne des Medizinproduktegesetzes CE-gekenn­zeichnete In-vitro-Diagnostika in Verkehr gebracht werden. Eine Inbetriebnahme bereits in Verkehr gebrachter In-vitro-Diagnostika ist gemäß § 112 Abs. 2 MPG (vgl. Art. 22 Abs. 5 der Richtlinie 98/79/EG) noch bis zum 6. Dezember 2005 zulässig.

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung eines “Medizinproduktegesetzes” stützt sich auf den Kompetenztatbestand “Gesundheitswesen” (Art. 10 Abs. 1 Z 12 B‑VG). Dies auf Grund der Medizin­produkten immanenten Zweckbestimmung und der im Auftrag verantwortungsbewußter Gesundheits­politik zum Schutz der menschlichen Gesundheit zu gewährleistenden Funktionstüchtigkeit, Leistungs­fähigkeit, Qualität und Sicherheit von Medizinprodukten.

Der Gesundheitsausschuß hat die Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 10. Juni 1999 in Verhandlung genommen.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf einstimmig ange­nommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem vorgelegten Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 1999 06 10

                           Annemarie Reitsamer                                                       Dr. Alois Pumberger

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann