1984 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Gesundheitsausschusses


über die Regierungsvorlage (1824 der Beilagen): Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta)


Das Arbeitsübereinkommen der Regierungsparteien der Bundesregierung für die XVIII. GP vom Dezem­ber 1990 enthielt im Bereich des Gesundheitswesens ua. das Ziel, die Patientenrechte systematisch weiterzuentwickeln, wobei in diesem Zusammenhang auch die Kodifizierung der Patientenrechte Erwähnung fand.

Schon die ersten Diskussionen dieses Zieles hatten allerdings gezeigt, daß die Ursachen der eigentlichen Probleme in der Praxis kaum in nicht bestehenden Patientenrechten liegen, sondern daß die in der Rechtsordnung längst vorhandenen und durch die Judikatur abgesicherten Patientenrechte im Alltag bisweilen nur sehr schwer durchgesetzt werden können. Ein Grund für diese Schwierigkeiten liegt schon darin, daß die Patientenrechte über eine Vielzahl von Gesetzen verstreut sind. Der Kompetenzlage entsprechend finden sich Patientenrechte dabei sowohl in Bundes- als auch in Landesrechtsvorschriften. Als Beispiele für die erstgenannte Gruppe seien das Ärztegesetz 1998, die Sozialversicherungsgesetze und das Strafgesetzbuch genannt, auf Landesebene sind Bestimmungen über Patientenrechte ua. im Rahmen des Kompetenztatbestandes der Heil- und Pflegeanstalten in den Landeskrankenanstaltengesetzen sowie im Rahmen der in den ausschließlichen Wirkungsbereich der Länder fallenden Materien des Gemeinde­sanitätsdienstes und des Rettungswesens enthalten. Das Phänomen kompetenzrechtlich mit verschiedenen Aufgaben und unterschiedlichen Zuständigkeiten verquickter Materien (“Querschnitts­materien”) bringt es mit sich, daß zur Regelung einer einzelnen Frage stets der Gesetzgeber zuständig ist, der zur Regelung des jeweils angesprochenen Problembereichs insgesamt kompetent ist. Dies führt zu der oben erwähnten Zersplitterung der Regelungen über Patientenrechte, finden sich diese doch im Zusammenhang mit Zivil-, Straf- und Sozialversicherungsrecht ebenso wie in Ländermaterien.

Ein Bundespatientenrechtegesetz könnte daher – würde nicht zuvor eine Verfassungsänderung eine umfassende Bundeskompetenz für Patientenrechte schaffen – immer nur Teilbereiche lösen, es müßte damit immer unvollständig sein.

Hinzu kommt, daß der weitaus größte Teil der Patientenrechte keinesfalls legislatives Neuland darstellt. Patientenrechte wie Recht auf Verschwiegenheit, Recht auf Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und Recht auf Spitalsbehandlung bei Anstaltsbedürftigkeit finden sich längst in der positiven Rechtsordnung, andere essentielle Patientenrechte sind auch ohne ausdrückliche Regelung seit langem in Literatur und Judikatur unbestritten (zB Recht auf Einsicht in die Krankengeschichte, vgl. OGH 23. 5. 1984, 10 Ob 550/84). Der Mangel liegt somit nicht darin, daß diese Rechte nicht vorhanden wären, er liegt vielmehr in mangelnder Information und in Schwierigkeiten der Durchsetzung.

Der Charakter der Patientenrechte als Querschnittsmaterie, ihre Zersplitterung über zahlreiche Vor­schriften im Rahmen der Rechtsordnung des Bundes und der Länder, das dadurch bedingte Informa­tionsdefizit und nicht zuletzt aus diesem Grund verursachte Schwierigkeiten in der Durchsetzung führten zu der Überlegung, kein eigenes Patientenrechtegesetz auszuführen, sondern den Versuch zu unter­nehmen, auf der Grundlage einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG, in der sich Bund und Länder wechselseitig zur Sicherstellung der darin genannten Patientenrechte im Rahmen ihrer Zuständigkeiten verpflichten, eine losgelöst von der Kompetenzlage vollständige und übersichtliche Zusammenfassung aller Patientenrechte zu geben (“Patientencharta”). Dabei soll freilich auch die Möglichkeit genützt werden, im Rahmen einer solchen Vereinbarung auch eine Weiterentwicklung der Patientenrechte vorzunehmen und einzelne Lücken zu schließen.

Diese Lösung bietet den großen Vorteil, daß sowohl längst bestehende wie auch neu zu schaffende Patientenrechte in einem Stück Bundesgesetzblatt zusammmengefaßt sind, womit trotz kompetenz­rechtlicher Zersplitterung eine übersichtliche und vollständige Information möglich wäre.


Als Vorarbeiten für eine solche Vereinbarung über die Patientenrechte in Österreich wurden unter Beiziehung zahlreicher Experten im Rahmen einer Arbeitsgruppe im damaligen Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz der Text einer Patientencharta erarbeitet und dem allgemeinen Begutachtungsverfahren zugeführt.

Die anschließenden Beratungen mit Vertretern der Länder und die formelle Befassung der Länder zeigten allerdings, daß die Bereitschaft aller Länder zum Abschluß einer derartigen Vereinbarung nicht vorge­legen ist, sodaß das Projekt nicht weiterverfolgt und zu einem Abschluß gebracht werden konnte.

Zwischenzeitig hat das Land Kärnten gegenüber dem Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales allerdings die grundsätzliche Bereitschaft bekundet, die genannte Vereinbarung auch bilateral abzuschließen.

Diese Bereitschaft ist aus der Sicht des Bundes aufzugreifen, um dem Gedanken der Förderung der Patientenrechte einen neuen Impuls zu geben.

Für den Bund werden sich durch den Abschluß der Vereinbarung keine Mehrkosten ergeben, da es sich im wesentlichen um eine Kompilation der sich aus der geltenden Rechtslage ergebenden Patientenrechte handelt.

Der Gesundheitsausschuß hat die Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 10. Juni 1999 in Verhandlung genommen.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Klara Motter, Theresia Haidlmayr, Dr. Gerhard Kurzmann, Dr. Günther Leiner, Dr. Elisabeth Pittermann, Mag. Herbert Haupt, Dr. Erwin Rasinger sowie die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch.

Bei der Abstimmung hat der Gesundheitsausschuß einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Geneh­migung des Abschlusses der vorliegenden Vereinbarung zu empfehlen.

Ein von den Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen eingebrachter Entschließungsantrag fand nicht die Zustimmung der Ausschußmehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem Abschluß der Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (1824 der Beilagen) die Genehmigung erteilen.

Wien, 1999 06 10

                                 Karl Donabauer                                                             Dr. Alois Pumberger

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann