2026 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht und Antrag

des Verfassungsausschusses


betreffend den Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes für ein atomfreies Österreich

Im Zuge der Beratungen über den Antrag 1156/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen hat der Verfassungsausschuß am 1. Juli 1999 auf Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol, Mag. Karl Schweitzer, Dr. Volker Kier und Mag. Doris Kammerlander einstimmig beschlossen, dem Nationalrat gemäß § 27 Abs. 1 des Geschäftsordnungsgesetzes einen Selbständigen Antrag vorzu­legen, der den Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes für ein atomfreies Österreich zum Inhalt hat.

Dieser Antrag war wie folgt begründet:

“Seit sich am 5. November 1978 das österreichische Volk gegen die Nutzung der Atomkraft zur Energiegewinnung ausgesprochen hat, verfolgt die österreichische Bundesregierung eine klare Anti-Atom-Politik. Diese besteht nicht nur in dem eigenen Verzicht auf friedliche Nutzung der Kernkraft für Zwecke der Energiegewinnung, sondern wirkt allgemein darauf hin, risikoreichen Umgang mit spaltbarem Material zu verhindern und auch andere Staaten dazu zu bewegen, auf die Nutzung der Atomkraft zu verzichten. Selbstverständlicher Bestandteil der Anti-Atom-Politik ist ein atomwaffenfreies Österreich.

Diese Politik wird von breiter Unterstützung der Bevölkerung getragen. Dies soll nunmehr durch ein Bundesverfassungsgesetz, das der Zweidrittelmehrheit bedarf, unterstrichen werden, sodaß ein Abgehen von dieser Haltung nur durch eine ebenso breite Mehrheit möglich ist.

Der Zweck dieses Gesetzes kommt bereits in seinem Titel zum Ausdruck, der nicht wissenschaftlich, sondern umgangssprachlich formuliert ist: Österreich soll frei sein von jenen Gefahren, die die Nutzung von Atomkraft in sich birgt.

§ 1 betrifft die militärische Nutzung der Atomkraft und enthält ein umfassendes Verbot der Herstellung und der Lagerung, des Transportes und des Testes sowie der Verwendung von Atomwaffen. Zwar verbietet der Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen, BGBl. Nr. 258/1970, Österreich selbst den Besitz und die Herstellung sowie die Weiterverbreitung von Atomwaffen, doch gebietet dieser Vertrag nicht – wie das das Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen, BGBl. Nr. 432/1975, in seinem Artikel IV tut –, daß Österreich auch alle erforderlichen Maßnahmen trifft, um die Entwicklung, die Herstellung, die Lagerung, den Erwerb und das Behalten solcher Waffen in seinem Hoheitsgebiet, unter seiner Hoheitsgewalt oder an irgendeinem Ort unter seiner Kontrolle zu verbieten und zu verhindern.

§ 1 bringt nun eine solche verfassungsrechtliche Verpflichtung Österreichs. Sie beinhaltet kurz gesagt, daß Österreich alles zu unternehmen hat, um zu verhindern, daß sich Atomwaffen im Bereich des österreichischen Territoriums befinden, und zwar auch nicht vorübergehend oder in der Verfügungsgewalt einer anderen Macht.

Die übrigen Bestimmungen betreffen die friedliche Nutzung der Kernkraft. § 2 bringt auf verfassungsge­setzlicher Ebene ein gleiches Verbot der Energiegewinnung durch Kernspaltung, wie es bisher auf einfach gesetzlicher Ebene das Atomsperrgesetz, BGBl. Nr. 676/1978, vorsieht.

§ 3 untersagt den Transport von spaltbaren Stoffen in und durch Österreich, soweit dem nicht völker­rechtliche Verpflichtungen entgegenstehen. Selbstverständlich hat auch ein solcher Transport unter Wahrung aller Sicherheitsvorkehrungen zu erfolgen, wie sie die internationalen Verträge ebenfalls vorsehen. Zulässig ist auch der Transport für Zwecke der ausschließlich friedlichen Nutzung von spaltbaren Stoffen mit Ausnahme jener für den Zweck der Energiegewinnung. Zu denken ist hiebei an die Nutzung etwa im Rahmen der Medizin, der Forschung oder der Materialprüfung.

§ 4 verpflichtet den Gesetzgeber Vorkehrungen dafür zu treffen, daß Schäden, die in Österreich auf Grund eines nuklearen Unfalles eintreten, angemessen ausgeglichen werden und dieser Schadenersatz möglichst auch gegenüber ausländischen Schädigern durchgesetzt werden kann. Damit ist nicht gemeint, daß die Republik Österreich selbst von anderen verursachte Schäden ersetzt, sondern daß Haftungsvorschriften geschaffen werden, die garantieren, daß jene, die die Kernkraft nutzen oder aus ihr einen Vorteil ziehen, im Falle eines nuklearen Unfalles in ihrem Bereich für die in Österreich eintretenden Schäden haften und dieser Schadenersatzanspruch auch möglichst durchsetzbar ist.”

An der diesbezüglichen Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Doris Kammerlander, Dr. Peter Kostelka, Dr. Irmtraut Karlsson, Dr. Volker Kier und Maria Rauch-Kallat.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 1999 07 01

                           Dr. Irmtraut Karlsson                                                         Dr. Peter Kostelka

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann

Anlage

Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich

Der Nationalrat hat beschlossen:

§ 1. In Österreich dürfen Atomwaffen nicht hergestellt, gelagert, transportiert, getestet oder verwen­det werden. Einrichtungen für die Stationierung von Atomwaffen dürfen nicht geschaffen werden.

§ 2. Anlagen, die dem Zweck der Energiegewinnung durch Kernspaltung dienen, dürfen in Öster­reich nicht errichtet werden. Sofern derartige bereits bestehen, dürfen sie nicht in Betrieb genommen werden.

§ 3. Die Beförderung von spaltbarem Material auf österreichischem Staatsgebiet ist untersagt, sofern dem völkerrechtliche Verpflichtungen nicht entgegenstehen. Von diesem Verbot ausgenommen ist der Transport für Zwecke der ausschließlich friedlichen Nutzung, nicht jedoch für Zwecke der Energiege­winnung durch Kernspaltung und deren Entsorgung. Darüber hinaus sind keine Ausnahmegenehmigungen zu erteilen.

§ 4. Durch Gesetz ist sicherzustellen, daß Schäden, die in Österreich auf Grund eines nuklearen Unfalles eintreten, angemessen ausgeglichen werden und dieser Schadenersatz möglichst auch gegenüber ausländischen Schädigern durchgesetzt werden kann.

§ 5. Die Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes obliegt der Bundesregierung.