2029 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht und Antrag

des Verfassungsausschusses


betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz 1958 geändert wird


Im Zuge der Beratungen über die Regierungsvorlage 1613 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz über den Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz 2000 – DSG) hat der Verfassungsausschuß am 1. Juli 1999 auf Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Dr. Andreas Khol mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Nationalrat gemäß § 27 Abs. 1 des GOG einen Selbständigen Antrag vorzulegen, der den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz 1958 geändert wird, zum Inhalt hat.

Dieser Antrag war wie folgt begründet:

“Die Datenschutz-Richtlinie der EU, Richtlinie 95/46/EG, sieht in ihrem Art. 8 ein grundsätzliches Verarbeitungsverbot für sensible Daten, wozu insbesondere auch Gesundheitsdaten zählen, vor. Davon hat auch das in Umsetzung der Richtlinie formulierte Datenschutzgesetz 2000 auszugehen.

Vor diesem Hintergrund bedarf die Verwendung von Gesundheitsdaten durch private Versicherer einer gesetzlichen Neuregelung, da die in der Richtlinie (Art. 8 Abs. 3) für die Verwendung von Gesundheits­daten enthaltenen Ausnahmen vom Verarbeitungsverbot nach herrschender Auffassung für den Bereich privater Versicherer nicht gelten. So führen etwa Damann/Simitis in ihrem Kommentar zu Art. 8 Abs. 3 der EG-Datenschutzrichtlinie, S 168, folgendes aus: ,Nicht erfaßt werden dagegen Krankenversiche­rungen und andere Finanzdienstleistungen, die nur mittelbar etwas mit Gesundheitsdiensten zu tun haben.‘

Der Rückgriff auf die Zustimmung des Betroffenen als Rechtsgrundlage der Verwendung sensibler Daten ist nicht in jedem Falle tauglich, weil eine datenschutzrechtlich gültige Zustimmung jederzeit widerrufbar ist. Da die gesellschaftspolitische Notwendigkeit, durch Versicherungsvertrag private Vorsorge treffen zu können, aber außer Streit steht, kann Art. 8 Abs. 4 Richtlinie 95/46/EG wohl als Rechtsgrundlage herangezogen werden: Nach dieser Bestimmung kann aus wichtigen öffentlichen Interessen durch besondere gesetzliche Vorschrift die Zulässigkeit der Verwendung von sensiblen Daten in Fällen, die nicht von Art. 8 Abs. 2 oder 3 erfaßt sind, vorgesehen werden. Voraussetzung dafür sind allerdings angemessene Garantien des Schutzes der Betroffenenrechte, die in solchen Rechtsvorschriften enthalten sein müssen.

Der vorliegende Antrag regelt die Verwendung von Gesundheitsdaten – die keine genanalytischen Daten einschließen dürfen – durch private Versicherer hinsichtlich folgender Aspekte:

–   die zulässigen Zwecke und Anlässe der Verwendung von Gesundheitsdaten,

–   die zulässige Art und Weise der Ermittlung von Gesundheitsdaten,

–   den Kreis jener Empfänger, an die Gesundheitsdaten übermittelt werden dürfen (zusätzliche Über­mittlungen sind nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Betroffenen im Einzelfall zulässig),

–   die besonderen Garantien des Schutzes der Betroffenenrechte durch besondere Auskunfts- und Einsichtsrechte des Betroffenen bzw. des Versicherungsnehmers sowie

–   besondere Verschwiegenheitsverpflichtungen der Organe des Versicherers und

–   Löschungsverpflichtungen des Versicherers.

Die in § 11a Abs. 1 enthaltene genaue Umgrenzung der zulässigen Zwecke und Anlässe der Verwendung von Gesundheitsdaten durch Versicherer hindert nicht, daß personenbezogene Gesundheitsdaten darüber hinaus in Übereinstimmung mit § 46 Abs. 1 DSG 2000 vom Versicherer für eigene statistische Zwecke, etwa Berechnungen für die Erarbeitung seiner Tarifpolitik, verwendet werden.


In Abs. 3 Z 4 wird die Heranziehung von Sachverständigen seitens des Versicherers datenschutzrechtlich dadurch ermöglicht, daß die Übermittlung der für die Erstellung des Gutachtens notwendigen Gesund­heitsdaten für zulässig erklärt wird. Angesichts des besonderen Schutzgebotes für sensible Daten ist die Zulässigkeit der Übermittlung von Gesundheitsdaten an Sachverständige jedoch dahin gehend beschränkt, daß die als Sachverständige herangezogenen Personen die notwendige rechtliche Befugnis im Hinblick auf den Gegenstand des von ihnen verlangten Gutachtens aufweisen müssen; die Einschränkung auf ärztliche Sachverständige wäre hingegen nicht sachgerecht, da Gesundheitsdaten auch für Gutachten aus einem anderen Aspekt als einem rein medizinischen notwendig sein können.

Hinsichtlich der in Abs. 5 angesprochenen Löschungsverpflichtungen ist festzuhalten, daß sie – so wie die anderen Bestimmungen des § 11a – auch manuelle Aufzeichung von Gesundheitsdaten betreffen; im übrigen ist eine zulässige Aufbewahrung von Gesundheitsdaten auch im Zusammenhang mit nicht zustande gekommenen Versicherungsverträgen denkmöglich, und zwar etwa im Hinblick auf einen möglichen Rechtsstreit über das Nichtzustandekommen des Vertrages; doch wird die Zulässigkeit dieser Fälle – wie alle Ausnahmen – einer strengen Auslegung bedürfen, insbesondere auch, was die weitere Verwendung derartiger gespeicherter Gesundheitsdaten betrifft.”

An der diesbezüglichen Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Michael Krüger, Dr. Irmtraut Karlsson, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Volker Kier, Dr. Martin Graf, Dr. Gottfried Feurstein, Dr. Peter Kostelka sowie der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 1999 07 01

                             Dr. Elisabeth Hlavac                                                           Dr. Peter Kostelka

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann

Anlage

Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz 1958 geändert wird


Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Versicherungsvertragsgesetz 1958, BGBl. Nr. 2/1959, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 140/1997, wird wie folgt geändert:

1. § 11a hat wie folgt zu lauten:

§ 11a. (1) Der Versicherer darf im Zusammenhang mit Versicherungsverhältnissen, bei welchen der Gesundheitszustand des Versicherten oder eines Geschädigten erheblich ist, personenbezogene Gesund­heitsdaten verwenden, soweit dies

           1. zur Beurteilung, ob und zu welchen Bedingungen ein Versicherungsvertrag abgeschlossen oder geändert wird, oder

           2. zur Verwaltung bestehender Versicherungsverträge oder

           3. zur Beurteilung und Erfüllung von Ansprüchen aus einem Versicherungsvertrag

unerläßlich ist. Das Verbot der Ermittlung genanalytischer Daten gemäß § 67 Gentechnikgesetz bleibt unberührt.

(2) Versicherer dürfen personenbezogene Gesundheitsdaten für die in Abs. 1 genannten Zwecke nur auf folgende Art ermitteln:

           1. durch Befragung der Person, die versichert werden soll oder bereits versichert ist, beziehungs­weise durch Befragung des Geschädigten oder

           2. anhand der vom Versicherungsnehmer oder vom Geschädigten beigebrachten Unterlagen oder

           3. durch Auskünfte von Dritten bei Vorliegen einer für den Einzelfall erteilten ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen oder

           4. in den Fällen des Abs. 1 Z 3 durch Auskünfte von untersuchenden oder behandelnden Ärzten, Krankenanstalten oder sonstigen Einrichtungen der Krankenversorgung oder Gesundheits­vorsorge, sofern der Betroffene dies im Einzelfall nicht untersagt hat, oder

           5. durch Verwendung sonstiger, dem Versicherer rechtmäßigerweise bekanntgewordener Daten.

(3) Soweit eine ausdrückliche, den einzelnen Übermittlungsfall betreffende Zustimmung des Betroffenen nicht vorliegt, dürfen Versicherer Gesundheitsdaten für die in Abs. 1 genannten Zwecke nur an folgende Empfänger übermitteln:

           1. untersuchende oder behandelnde Ärzte, Krankenanstalten oder sonstige Einrichtungen der Krankenversorgung oder Gesundheitsvorsorge oder

           2. Sozialversicherungsträger, Rückversicherer oder Mitversicherer oder

           3. andere Versicherer, die bei Abwicklung von Ansprüchen aus einem Versicherungsfall mitwirken, oder

           4. vom Versicherer herangezogene befugte Sachverständige oder

           5. gewillkürte oder gesetzliche Vertreter des Betroffenen oder

           6. Gerichte, Verwaltungsbehörden, Schlichtungsstellen und sonstige Einrichtungen der Streitbeile­gung und ihre Organe, einschließlich der von ihnen bestellten Sachverständigen.

(4) Der Versicherer ist verpflichtet, auf Verlangen des Versicherungsnehmers oder jedes Ver­sicherten Auskunft über und Einsicht in Gutachten zu geben, die auf Grund einer ärztlichen Untersuchung eines Vericherten erstattet worden sind, wenn die untersuchte Person der Auskunfterteilung beziehungs­weise der Einsichtgewährung zustimmt.

(5) Gemäß Abs. 1 und 2 erhobene Gesundheitsdaten unterliegen dem besonderen Geheimnisschutz des § 108a VAG mit der Maßgabe, daß das Vorliegen eines berechtigten privaten Interesses an der Weitergabe außerhalb der Fälle der Abs. 1 und 3 ausgeschlossen ist. Derartige Daten sind umgehend zu löschen, sobald sie nicht mehr für einen rechtlich zulässigen Zweck aufbewahrt werden; dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit Gesundheitsdaten, die in Vorbereitung eines nicht zustande gekommenen Versicherungsvertrags erhoben wurden.”


2. Nach § 191c wird folgender § 191d eingefügt:

§ 191d. § 11a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/1999 tritt mit 1. Jänner 2000 in Kraft.”