IV-4 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Dienstag, 3. Dezember 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XX. Gesetzgebungsperiode                        Dienstag, 3. Dezember 1996


Tagesordnung

1. WTO-Ministerkonferenz

RAT 10831/96, WTO 166 – Vorbereitung der WTO-Ministerkonferenz in Sin­gapur (9. bis 13. Dezember 1966) (15409/EU XX. GP)

RAT 10695/96, WTO 164 – Vorbereitung der WTO-Ministerkonferenz in Sin­gapur (15088/EU XX. GP)

2. Regierungskonferenz/Grundrechte

SON CONF/3940/96 – Regierungskonferenz, Grundrechte, österreichisches und italienisches Papier (14219/EU XX. GP)

SON CONF/3940/96 – Regierungskonferenz, Grundrechte, österreichisches und italienisches Papier (14220/EU XX. GP)

SON CONF/3945/96 – Regierungskonferenz, Grundrechte, Papier der Präsi­dentschaft (14225/EU XX. GP)

Kommission Entwurf einer Entschließung – Nichtdiskriminierung von Behin­derten (14628/EU XX. GP)

RAT 10224/96, SOC 276 – Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung von Be­hin­derten (15340/EU XX. GP)

RAT 10990/06, SOC 329 – Entschließung zur Chancengleichheit von Behin­derten (15821/EU XX. GP)

3. Wahl der Vorsitzenden der Beschwerdekommission in militärischen Angelegen­heiten beim Bundesministerium für Landesverteidigung für die ab 1. Jänner 1997 be­ginnende (neue sechsjährige) Funktionsperiode

4. Antrag der Bundesregierung auf Zustimmung zur Erlassung der Verordnung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997 (Vorla­ge 52 HA)

5. Antrag des Bundesministers für Inneres auf Zustimmung zur Erlassung der Ver­ordnung, mit der die Verordnung betreffend Form und Inhalt der Reisepässe und Paßersätze geändert wird (Vorlage 53 HA)

6. Antrag des Bundesministers für Finanzen auf Erteilung der Zustimmung zur Ver­äußerung einer Liegenschaft in der KG Bludenz (Vorarlberg) (6700 Bludenz, Stutt­garterstraße) (Vorlage 54 HA)

Beginn der Sitzung: 14 Uhr

Obmann Dr. Heinz Fischer eröffnet die Sitzung des Hauptausschusses und begrüßt Herrn Bundesminister Dr. Farnleitner, der die Bundesregierung vertritt, sehr herzlich.

Einvernehmlich wird – wie im Aviso angekündigt – die Tagesordnung um einen Punkt 6, Ver­äußerung einer Liegenschaft in Vorarlberg, Vorlage 54 HA, ergänzt.

In der Präsidialsitzung am 5. Dezember 1996 wird Präsident Dr. Fischer vorschlagen, am Ple­narsitzungstag vom 13. Dezember eine kurze Sitzung des Hauptausschusses entweder vor Be­ginn der Plenarsitzung oder nach deren Erledigung durchführen, um die sogenannte Zaire-Vor­lage – der Ministerrat wird sich voraussichtlich noch in dieser Woche mit dieser Materie be­schäftigen – erledigen zu können.

Die fünf Fraktionen haben sich auf eine Aufteilung der Redezeiten pro Tagesordnungspunkt wie folgt geeinigt: SPÖ, ÖVP und Freiheitliche je 13 Minuten, Grüne und Liberale je 10 Minuten; die Redezeit eines Vertreters der Bundesregierung sollte 15 Minuten pro Tagesordnungspunkt nicht übersteigen.

Punkt 1

1. WTO-Ministerkonferenz (15409/EU, 15088/EU XX. GP)

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ) erläutert, daß man die WTO-Ministerkonferenz deshalb auf die Tagesordnung gesetzt habe, weil es im Zuge der gesamten Debatte über die Auswirkungen der gerade stattfindenden Globalisierung eine heftige Diskussion darüber gebe, wie man dieser Globalisierung in Ansätzen Regeln geben könnte. Unter anderem gehe es dar­um, gewisse sozialrechtliche und umweltrechtliche Mindeststandards im globalen Maßstab zu sichern, und neben dem Abkommen der ILO scheint die Welthandelsorganisation, die WTO, das einzige derzeit relevante Instrumentarium hierfür zu sein.

Vor dem Hintergrund des Anfang Dezember stattfindenden Ministertreffens erachte man es für er­forderlich, daß zum einen die gesamte Europäische Union die Frage der Verankerung von sozialen und umweltrechtlichen Mindeststandards in die Diskussion einbringt, zum anderen auch der österreichische Wirtschaftsminister diese Intention dort klar vertritt, auch wenn man realistischerweise nicht glaube, daß es bei dieser Ministerkonferenz bereits zu einem Abschluß dieser Thematik kommen kann, bestenfalls können die Verhandlungen dazu in Gang gesetzt werden.

Im von der Sozialdemokratischen Partei eingebrachten Antrag gehe es vor allem darum, den Be­ginn dieser Verhandlungen institutionell abzusichern, wozu eine Arbeitsgruppe im Rahmen der WTO eingerichtet werden soll, die sich mit Fragen des Zusammenhangs zwischen Handel und sozialen und Umweltstandards sowie mit menschenrechtlichen Fragen in der Arbeitswelt aus­einandersetzen und garantieren soll, daß es bei dieser Ministerkonferenz nicht bloß zu Absichtserklärungen kommt, sondern daß die Arbeit zu diesem Thema in der Welthandels­organisation auch konkret begonnen wird.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) sieht hinsichtlich des Ziels, nämlich der Ver­ankerung von Sozial- und Umweltklauseln im WTO-Vertrag, keine allzu großen Meinungsunter­schiede, weshalb die Grünen den Antrag, wie er von der Sozialdemokratischen Partei vorgelegt wurde, an und für sich unterstützen, aber das Anliegen haben, noch einen Halbsatz hinzuzu­fügen, der in der Begründung ohnehin vorkomme. Und zwar sollten im ersten Satz des Antrages nach den Worten „zur grundsätzlichen Beschäftigung mit menschenrechtlichen Fragen in der Arbeitswelt einzusetzen“ statt des Punktes ein Beistrich gemacht und die Worte „mit dem Ziel der Verankerung einer Sozialklausel im Rahmen der WTO“ einfügt werden, um dieser Intention Nachdruck zu verleihen.

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche) verweist in einigen grundsätzlichen Worten auf die Entstehungsgeschichte der WTO und das Inkrafttreten des WTO-Vertrages am 1. Jänner 1995 mit dem Ziel, die Handelsschranken weltweit auf Null abzubauen.

In diesem WTO-Vertrag sind Sozial- und Umweltstandards weitestgehend ausgenommen, statt dessen wurden Konzessionslisten pro Mitgliedsland erstellt, wobei die EU aufgrund des Artikels 113 des Europäischen Gemeinschaftsvertrages diese Konzessionslisten für alle Mit­gliedsländer erstellt.

Eine Grundregel der WTO liegt in der strikten Beachtung der Tarifbindungen. Ausnahmere­ge­lungen in Form von Ausgleichsabgaben bei unfairen Wettbewerbspraktiken, insbesondere bei Dumping oder bei Ausfuhrsubventionen, versuchen nun, diesen Mißbrauch, der sich daraus er­gibt, zu reduzieren. Nun könne man sehen, daß die Europäischen Union ein doppelbödiges Spiel betreibt, weil sie einerseits ganz strikt und schnell für den Abbau der mengenmäßigen Im­portbeschränkungen eintritt, auf der anderen Seite aber 500 quotenmäßige Beschränkungen ge­genüber Nichtmitgliedsländern anwendet, die wiederum von 2 000 Mengenbeschränkungen der einzelnen Mitgliedstaaten ergänzt werden.

Daraus ist ersichtlich, daß die WTO-Bestimmungen und der Abbau der Handelsschranken zu schnell und zu früh gekommen sind, weil aufgrund der fehlenden Sozial- und Umweltstandards zum Schutz der nationalstaatlichen Volkswirtschaften nun wiederum Handelshemmnisse auf­gebaut werden müssen.

Obwohl der allgemeine WTO-Rat am 31. Jänner 1995 ein Komitee für Handel und Umwelt geschaffen hat, hat dieser Bereich keinen Eingang in die GATT-Bestimmungen gefunden, und damit sei eigentlich alles, was an Anträgen beschlossen werde, zahnlos. Auch der Antrag der sozialistischen Fraktion bewirke überhaupt nichts, solange die WTO die Instrumente zu einer Umsetzung nicht geschaffen habe. Das heißt, solange in den GATT-Verträgen keine Klauseln beinhaltet seien, die Standards auf sozialer und umweltorientierter Ebene durchsetzen können, werde trotz Ausschüssen, Komitees und Absichtserklärungen kein Fortschritt in diese Richtung erzielbar sein.

Frage an den Herrn Wirtschaftsminister daher: Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung zu den GATT-Bestimmungen bezüglich der Schaffung wirkungsvoller Instrumentarien im Um­welt- und Sozialbereich? Wie will die Bundesregierung solche Vorhaben zunächst innerhalb der Europäischen Union durchsetzen? Welchen Vorschlag hat Österreich, sollte die EU bereit sein, solche Bestimmungen auch einzufordern, diese bei der WTO dann zu unterstützen? Welches inhaltliche und zeitliche Procedere zu diesem Thema kann sich die Bundesregierung vorstellen?

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum) ersucht um Aufklärung bezüglich einer potentiellen Aufnahme Chinas, was offensichtlich Diskussionsgegenstand sei. Die Volksrepublik China sei in der Konfiguration sicherlich ein wichtiger Partner, aber auch die Republik China, das heißt Taiwan, könne nicht außer acht gelassen werden, weil China bezüglich der Einfuhren 1995 weltweit an 13. Stelle und die Republik China an 15. Stelle lag, bei den Ausfuhren China an 11. Stelle und die Republic of China an 14. Stelle. Es sei wichtig, daß jemand, der so viel exportiert, schon deswegen mit in diesen Verband hineingenommen wird, weil dann gewisse Normen einzuhalten sind. Wie weit ist auf europäischer Ebene die Diskussion bezüglich Taiwan gediehen?

Es sei auch die Rede davon, daß man sich Maßnahmen gegen das Helms/Burton-Gesetz überlege. Sind diese Maßnahmen weitergehend als das, was die Kommission vorgeschlagen hat? Überlegt man, neue Aspekte hinzuzufügen, etwa – wie die Kommission vorgeschlagen hat – eine gewisse Ausfallshaftung für jene Firmen, die vom Helms/Burton-Gesetz getroffen wer­den? Wie soll das finanziert werden?

Abgeordnete Dr. Gredler unterstützt die Anregung der Abgeordneten Kammerlander, in den Antrag selbst Sozialklauseln hineinzunehmen. Wenn man schon über sozialrechtliche Normen und Mindeststandards bezüglich Mindestlohn, Abschaffung von Kinderarbeit beziehungsweise Abschaffung von Zwangsarbeit spreche, sei es durchaus wünschenswert, eben diese Sozial­klauseln zu definieren.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche) regt an, den von den Koalitions­parteien eingebrachten Antrag betreffend die österreichische Position im Rahmen der EU bei der Vorbereitung der WTO-Ministerkonferenz in Singapur nicht nur um eine Sozialklausel, son­dern auch um eine Umweltklausel zu erweitern.

Darüber hinaus glauben die Freiheitlichen, daß dieser große liberalisierte Handelsraum wichtiger denn je ist. Eine kürzlich erschienene amerikanische Studie habe wieder gezeigt, wie sehr ein welt­umfassender Markt die Direktinvestitionen Amerikas auf dem Weltmarkt gefördert habe. Dies könne sehr gut auch auf Europa umsetzbar sein und sei auch für Österreich ganz be­sonders wichtig. Zu einem ähnlichen Ergebnis seien auch die Japaner gekommen. Diese hätten insbesondere auf die Auswirkung dieser Größenvorteile auf kleine Exportländer hinge­wiesen, und Österreich sollte daher diesbezüglich sehr aktiv sein.

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP) weist darauf hin, daß die gegenständlichen Vor­la­gen zeigen, wie gut es ist, daß Österreich Mitglied der Europäischen Union sei, denn allein könnte Österreich sich bei diesen WTO-Verhandlungen nicht so durchsetzen. Was die Bereiche Handel und Umwelt betrifft, die von großem Interesse seien, müsse man aber zunächst danach trachten, das, was die entsprechende Arbeitsgruppe erarbeitet, auch innerhalb der Euro­päischen Union durchzusetzen, denn dies wäre der erste Schritt.

Die Aufnahme von Sozialklauseln – wie von Frau Abgeordneter Kammerlander angeregt – sei zwar grundsätzlich zu unterstützen, weil dies zu weltweit gleichen Wettbewerbsbedingungen bei­tragen könnte, die Problematik bestehe in einer zu starken Bindung des Herrn Ministers bei den diesbezüglichen Verhandlungen. Als Zielrichtung könne man es in den Antrag hineinnehmen und hoffen, daß zumindest ein Teil dieses Antrags im Rahmen der Europäischen Union als ge­meinsame Linie durchgebracht werden kann.

In Marrakesch sei ein erster Durchbruch erzielt worden, vielleicht kann in Singapur ein zweiter Durchbruch gelingen.

Abgeordnete Mag. Brigitte Ederer (SPÖ) sieht kein Problem, den von Frau Abgeordneter Kammerlander gewünschten Zusatz mit dem Ziel einer Sozialklausel in den Antrag aufzu­nehmen.

Alle hier diskutierten Anforderungen seien natürlich eine Gratwanderung, denn es gehe um die Frage, wie man in Zeiten der Globalisierung bei der Produktion angewendete Sozial- und Umweltnormen entwickelter Industriestaaten bis zu einem gewissen Grad schützen und erhalten kann und wieweit man in die Entwicklung von Volkswirtschaften eingreife, indem man zu starke Standards fordert.

In der Europäischen Union selbst bestehen eine Reihe von Handelsbeschränkungen, was den Import von Gütern in die Europäischen Union betrifft. Auch darüber müsse eine Diskussion geführt werden, denn die Europäische Union sei zu 90 Prozent ein Binnenmarkt und habe damit eine gute Chance, sich wirtschaftlich sehr stark von anderen Regionen dieser Welt abzu­koppeln.

Die Frage ist, ob man innerhalb der Europäischen Union eine gemeinsame Anstrengung unter­nehmen solle, auf die Gefahr hin, daß abermals der Ruf nach Protektionismus ertönt. Das sei ein Spannungsverhältnis, aber man müsse doch sehen, daß die Entwicklung von Volkswirtschaften nur stattfinden kann, wenn diese auch die Möglichkeit haben, Handel zu betreiben und ihre Wa­ren zu verkaufen – auch in die reichen Industrienationen.

Der Antrag – den Abgeordnete Mag. Ederer hiermit formal einbringt – sei wichtig und gut, es müsse jedoch gewährleistet sein, daß sich sowohl der Wirtschaftsminister als auch der Außen­minister für diese Position einsetzen.

Obmann Dr. Heinz Fischer bittet, ihm den genannten Antrag zur Verfügung zu stellen.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) meint, daß man durch die Einigung auf einen gemeinsamen Antrag schon zum Ausdruck gebracht habe, daß es um Produktion unter vergleichbaren Rahmenbedingungen gehe, denn wenn Sozial- und Umweltstandards in be­stimmten Bereichen der Welt keine Rolle bei der Produktion spielen, käme es zu einem durch nichts gutzumachenden Wettbewerbsnachteil. Da man sich auf diesen Antrag geeinigt habe, der auch die Umweltstandards enthalte, erübrige sich jede weitere Stellungnahme dazu.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner weist zunächst auf einige Bereiche hin, über die in Singapur ebenfalls zu reden sein wird und über die in der Vorbereitung Konsens erzielt wurde, wobei es sehr wohl um sehr weitreichende österreichische Interessen gehe.

Es gehe zunächst einmal darum, daß in Singapur eine sehr aufrechte Evaluierung der Fort­schritte seit der Uruguay-Runde erfolgt, denn es zeige sich, daß die Umsetzungsschritte in einzelnen Ländern durchaus nicht kongruent mit dem sind, was eigentlich gemacht hätte werden sollen. Es mache wenig Sinn, über weitere Liberalisierungsschritte zu reden, wenn man sich nach wie vor mit unglaublichen Zutrittserschwernissen in allen möglichen Märkten – vor allem in Asien – konfrontiert sehe. Über diese Evaluierung besteht Einvernehmen. – Punkt eins.

Punkt zwei: Es gehe darum, für bestimmte Technologien Marktöffnung ausdrücklich zu verein­baren. Es sollen – das geht auch aus der Unterlage hervor – Öffnungsstrategien im Bereich Telekommunikation und Informationstechnologien mit den Asiaten verhandelt werden, denn es hätte wenig Sinn, Technologieführerschaft zu haben, wenn das alles unter den jetzigen Er­schwernissen vor sich geht.

Es bestehe Einvernehmen darüber, auch über die Frage Investitionen und Wettbewerb deutliche Worte zu sprechen. Erst bei einem kürzlich stattgefundenen Treffen habe der Wirtschafts­minister Indonesiens gesagt, über internationale Investitionsregulative rede er nicht, denn dies sei eine Einmischung in nationale Interessen.

Weiters bestehe Einvernehmen innerhalb der Europäischen Union und mit vielen anderen Ländern – etwa den USA – auch, daß es zu keiner Vorziehung von weiteren Öffnungs­ver­handlungen im Bereich Landwirtschaft, Dienstleistung und Textil kommt, wie es etwa die Cairns-Gruppe für die Landwirtschaft oder die dritte Welt für den Textilbereich verlangt haben. – Auch hierbei gehe es um ausgeprägte österreichische Interessen.

Man habe sich darauf verständigt, daß man hinsichtlich der Liste der Entwicklungsländer, bei denen es darum gehe, ihnen insgesamt mehr Marktchancen einzuräumen, möglichst großzügig agieren werde. Das könne aber nur dann erfolgen, wenn auch die sich noch immer als Entwicklungsländer bezeichnenden schon entwickelten Länder sich zu einer anderen Öffnungs­strategie gegenüber Lieferungen aus diesen Ländern bereit erklären.

In der Europäischen Union gab es tatsächlich Schwierigkeiten, hinsichtlich der Sozialklausel ein Einvernehmen herzustellen, da vor allem Deutschland, das Vereinigte Königreich und Holland keine Bereitschaft gezeigt haben, einer gemeinsamen Position zuzustimmen. So hätten etwa die Vertreter Deutschlands von Außenzöllen der EU nur mehr als von „Strafgeldern für global players“, für international agierende Unternehmen, gesprochen.

Bundesminister Dr. Farnleitner betont, daß er mit dem Antrag nicht nur keine Probleme habe, sondern im Gegenteil im Rahmen des Ministerrates der EU, im Rahmen des informellen WTO-Ministerrates in Dublin und bei späteren Gelegenheiten als Wortführer in beiden Bereichen aufgetreten sei, nämlich sowohl hinsichtlich Mindeststandards im sozialen Bereich als auch Umweltstandards, er wolle aber den Ausschuß davon in Kenntnis setzen, daß man sich dies­bezüglich in Singapur auf extrem hartem Grund bewegen werde. Er wisse aus Kontakten mit mehreren asiatischen Ministern, daß diese nach wie vor mit ihrer Abreise drohen, sollte darüber ernsthaft geredet werden.

Auch der als Sprecher der Entwicklungsländer auftretende Wirtschaftsminister Südafrikas wird die Aufnahme einer Sozialklausel nicht unterstützen, weil er befürchtet, ansonsten die Sprecher­rolle für die Entwicklungsländer zu verlieren. Dies sei eine groteske Situation deswegen, weil Süd­afrika eines der wenigen Entwicklungsländer – Entwicklungsland an der Kippe – sei, das selbst relativ hohe Sozialstandards gesetzlich verankert habe.

Bundesminister Dr. Farnleitner sieht keine Schwierigkeit, deutlich zu machen, daß es für das Sozialmodell Europa auf die Dauer schwer verständlich ist, daß in der Frage internationaler Wettbewerb eine Absicherung in kostenmäßig relevanten Bereichen nicht stattfindet. Bei allen Kompromißformeln, die bisher in den Vorgesprächen zur Diskussion standen, sei allerdings davon die Rede gewesen, daß diese Kosten der sozialen Mindestklausel der ILO im Verhältnis zu den unglaublichen Wettbewerbsvorteilen, die Entwicklungsländer wie auch die asiatischen Länder insgesamt bei Lohnkosten, bei Transportkosten und ähnlichem hätten, keine Rolle spielen. Es gehe daher in der Diskussion dieser Fakten nicht darum, Protektionismen einzu­richten oder darüber nachzudenken, ob sich die WTO jetzt Instrumentarien wie Ausgleichs­pönalezahlungen und ähnliches zulegt. Was die WTO anlangt, gehe es wirklich einfach darum, den Handelspartnern in allen Ländern klarzumachen, daß es nicht angeht, so zu tun, als ob Frei­handel einerseits und soziale Absicherung und Umweltabsicherung andererseits zwei völlig unterschiedliche Ebenen wären, die nichts miteinander zu tun haben.

Bundesminister Dr. Farnleitner ist sehr froh, durch den Ausschuß in den bisher von der Regie­rung eingenommenen Positionen eine Unterstützung zu erfahren. Darüber hinaus werde es ganz wichtig sein, daß künftig sowohl die österreichische Außenpolitik wie auch die Außenpolitik des Wirtschaftsressorts und die des Umweltressorts bei allen Besuchen weltweit den jeweiligen Regierungen deutlich machen, worum es geht.

Die Sensibilität der Konsumenten wird immer größer – Österreich hat im Bereich der Textil­wirtschaft auf europäischer Ebene bereits angemerkt, daß es notwendig werden wird, etwa auf Textilien Kennzeichnungen anzubringen wie „Nicht in Kinderarbeit hergestellt!“, was auch ent­sprechend überprüfbar sein muß –, und vor dieser consumer power fürchten sich manche Asiaten schon mehr, als man glaube.

Laut einer jüngst erstellten Analyse sei das Erstaunliche an der Globalisierung, daß sie vorwiegend mit Investoren aus der entwickelten Welt in den Randzonen der Entwicklungsländer stattfinde und sich Kostendruckeffekte in den Geberländern der Investoren ergeben, was aber kaum Ausflüsse auf die soziale Situation in den jeweiligen Produktionsländern selbst habe. Selbst aus dieser Nische gesehen sei es daher sinnvoll, über diese Komponenten zu reden.

Obmann Dr. Heinz Fischer regt zum ihm vorliegenden Antrag Ederer, Gusenbauer, Tichy-Schreder, Gredler, Pollet-Kammerlander und Schweitzer an, statt „der zuständige Bundes­minister“ „der jeweils zuständige Bundesminister“ zu schreiben. Damit sei die von Frau Ab­geordneter Ederer aufgeworfene Frage, ob sich der Antrag nur an einen Minister oder an alle Minister richte, eindeutig geklärt.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche) möchte die Wortmeldung der Frau Abgeordneten Ederer hinsichtlich Protektionismus nicht ganz unwidersprochen lassen. In Wirklichkeit gehe es – Beispiele wie Fuji und Kodak, Atomobilindustrie, aber auch aus der ganz kleinen Papierindustrie Österreichs beweisen dies – um unlauteren Wettbewerb, der sich hinter all diesen schönen Organisationen wie WTO und sonstigen Kommissionen in der Praxis natür­lich ergibt. Vor diesem unlauteren Wettbewerb, der täglich und überall immer wieder versucht wird, sei zu warnen, und er gehöre auch geahndet. Darauf müsse bei der WTO-Minister­kon­ferenz besonders hingewiesen werden, denn Österreich sei in der schwächeren Position gegen­über solchen Nationen wie Japan.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner kommt in Ergänzung seiner ersten Stellungnahme auf die Frage Erweiterung, Ausweitung des Mitglieder­kreises zu sprechen. Aus der Sicht der Regierung, der Europäischen Union, aber – nach den Wahlen – auch der Vereinigten Staaten bestehe großes Interesse am Beitritt Chinas und Rußlands, weil das sicherstellen würde, daß tatsächlich über viele Dinge institutioneller und konse­quenter geredet werden könnte, wobei es allerdings im Fall China noch einen intensiven Disput darüber gebe, ob es Entwicklungsland ist oder nicht. Weiters gehe es nicht nur darum, wie hoch die Zollschranken in einem Land sind, sondern wie insgesamt die Behinderungen in einem Land sind, welche Beweglichkeit den Investoren im jeweiligen Markt zugestanden wird.

Taiwan ist nicht Mitglied, und nach allem, was jetzt läuft, wird es, solange China nicht Mitglied ist, auch keine Diskussion über die Aufnahme Taiwans geben.

Eine Frage nach Helms/Burton sei gestellt worden. Hier stelle sich im Augenblick keine Risiko­bedeckungsfrage, da Helms/Burton bald nach Inkrafttreten sistiert wurde und nach den vor­liegenden Informationen nichts dafür spricht, daß es nicht weiter sistiert bleibt.

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche) erinnert an die Worte des Ministers, daß die Liberalisierung natürlich fortschreitet, daß aber auf der anderen Seite jene Probleme, die sich durch unfaire Wettbewerbspraktiken wie Sozialdumping, Umweltdumping et cetera erge­ben, nicht in Angriff genommen werden. Welche Position wird die Bundesregierung, wird der Minister jetzt bei den Vorgesprächen zur WTO einnehmen?

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner meint, daß es hier mehrere Ebenen der Diskussion gebe. Zunächst die globale: Die ganze WTO müsse versa­gen, wenn die Ungleichgewichtigkeit der bisherigen Öffnungsstrategien zwischen dem schon offeneren Norden und dem Süden bestehen bleibe. Die WTO sei offenbar nicht die Basis, auf der man eine derartige Vereinbarung leicht treffen könne, es laufen jedoch ständig Gespräche, wie es durch eine engere Zusammenarbeit der EU mit den Vereinigten Staaten zu einer gemein­same Marktöffnungsstrategie kommen könne, um der „Festung Asien“ eine „Festung Europa/Amerika“ entgegensetzen zu können. – Das ist die eine Ebene.

Die zweite Ebene: Es gibt innerhalb der WTO eine unglaubliche Summe von Empfindlichkeiten. Die Asiaten setzen sich hinsichtlich Marktöffnungsstrategien regional schon so enge Grenze, daß man sich vorstellen könne, wie „flexibel“ sie nach außen sind. Es gehe um Schadens­be­grenzung einerseits, zum anderen um einen permanenten Druck auf Öffnung, die speziell bei den Informationstechnologien, bei Schiffsanlanderechten, im maritimen Verkehr und ähnlichen Dingen einfach erfolgen müsse.

Für die Tagung in Singapur sei jetzt schon eine Überfrachtung zu befürchten, weshalb man froh sein müsse, wenn man a) das, was die generellen Fortschritte anlangt, hinbringt und b) ein Vorverständnis vieler teilnehmender Länder dafür erzielt, wie groß die Anliegen der USA und Europas – mit Ausnahme Deutschlands und Englands im Augenblick – bezüglich sozialer Mindeststandards und Umweltstandards sind.

Obmann Dr. Heinz Fischer bringt nunmehr den Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Ederer, Gusenbauer, Tichy-Schreder, Gredler, Pollet-Kammer­lander, Schweitzer betreffend die österreichische Position bei der Vorbereitung der WTO-Ministerkonferenz in Singapur im Rahmen der Europäischen Union zur Abstimmung.

Dem ursprünglich eingebrachten Antrag ist noch das Wort der „jeweils“ zuständige Bundes­minister hinzugefügt worden, weiters ist hinzugefügt worden „mit dem Ziel einer Verankerung einer Sozialklausel“. Außerdem enthält der Antrag den Vermerk, daß das gegenständliche Vor­haben auf die Erlassung von Rechtsakten gerichtet ist, die der Erlassung von Bundesverfas­sungs­gesetzen, Bundesgesetzen beziehungsweise diesen gleichrangigen Staatsverträgen bedürfen.

Der Antrag wird einstimmig beschlossen.

2. Regierungskonferenz/Grundrechte

(14219/EU, 14220/EU, 14225/EU, 14628/EU, 15340/EU, 15821/EU XX. GP)

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) findet, daß Österreich gemeinsam mit anderen sehr zielstrebig in die erwünschte Richtung arbeite. Besonders herzuvorheben sei der gemeinsame österreichisch-italienische Vorstoß, der auch die Frage der Minderheiten umfaßt und aktuellen Gegebenheiten Rechnung trägt.

In diesem Zusammenhang gebe es natürlich eine Debatte, wie das mit den Grundrechten in der EU sein soll.

Der Antrag der Grünen gehe eher in Richtung Grundrechtskatalog. Soferne es um den Beitritt zur Menschenrechtskonvention geht, stimmt Abgeordneter Schieder dem voll zu. Auch er hält es für den richtigen Weg, auf die Menschenrechtskonvention zurückzugreifen und nicht einen eigenen Katalog der Grundrechte zu schaffen. Damit werde auf ein bewährtes Werk mit aner­kanntem Status zurückgegriffen.

Was die Frage der Behinderten betrifft, wirbt Abgeordneter Schieder um Zustimmung für den von ihm eingebrachten Antrag. Die Anliegen der Behinderten seien innerstaatlich sehr stark durchgesetzt, und es wäre wert, ihnen auch auf Ebene der EU zum Durchbruch zu verhelfen.

Obmann Dr. Heinz Fischer hält fest, daß der Antrag Schieder, Rauch-Kallat, Guggenberger, Feurstein betreffend Verankerung von Grundrechten im Vertrag über die Europäischen Union und des Verbots der Diskriminierung von Behinderten vorliegt und in Verhandlung steht.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche) hält namens der Freiheitlichen das Anliegen des Antrages grundsätzlich für richtig, findet aber, daß geringfügige Korrekturen angebracht wären.

So fehle in der Passage, in der es heißt „Beachtung der Grundsätze der Freiheit der Demokratie ...“, nach dem Wort „Freiheit“ offensichtlich ein Beistrich.

Im dritten Abschnitt heißt es „ein allgemeines Diskriminierungsverbot“. Das sei eine etwas zu gene­r­elle Formulierung. Im Antrag der Freiheitlichen hingegen heißt es: „insbesondere das Verbot der Diskriminierung der Behinderten“, um dieses hervorzuheben.

Letztlich werde im letzten Unterpunkt verlangt, daß die Europäischen Union verpflichtet werden soll, bei allen ihren Aktivitäten die Bedürfnisse behinderter Menschen zu berücksichtigen, wie­wohl es zweifellos Aktivitäten der EU gebe – zum Beispiel Donauüberwachung oder ähnliches mehr –, die mit den Anliegen von Behinderten nichts zu tun haben. Man würde damit eine Festlegung verlangen, die mit der Realität wenig zu tun hat. – Soweit zur Frage der Behinderten.

Ein anderer Punkt betrifft die Frage der Minderheiten. Die Freiheitlichen sehen die ethnischen Minderheiten zu wenig berücksichtigt. Ein von ihnen eingebrachter Antrag befaßt sich daher mit der Erhaltung und Förderung der Volksgruppen und einem verbindlichen Volksgruppenrecht im Rahmen der Gemeinschaft. Österreich, das ein recht gutes Minderheitenrecht habe, sollte durchaus auch im europäischen Rahmen auf diesem Gebiet aktiv werden.

Dem Antrag des Liberalen Forums können die Freiheitlichen wegen der verlangten „positiven Diskriminierung“, die vom EuGH ja bereits verworfen wurde, und auch wegen der geforderten Ausweitung der Rechte von Staatsbürgern bereits nach einem Zeitraum von drei Jahren legaler Anwesenheit nicht zustimmen.

Der ziemlich umfangreiche Antrag der Grünen sei leider sehr spät vorgelegt worden. Ihm könne daher – vorbeugend – nicht zugestimmt werden.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) verweist darauf, daß der Antrag der Grünen schon vor längerer Zeit einmal eingebracht wurde. Nur die kurze Anwesenheit des Vorredners könne erklären, das er ihn nicht kennt. Natürlich sei es in diesem Gremium üblich, sich auch die Anträge der anderen anzuschauen, um zu sehen, wo es Übereinstimmungen gibt.

Wenn man sich im Antrag der sozialdemokratischen Fraktion dezidiert auf die Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten beziehe – das sei momentan nicht so klar –, seien die Grünen sofort damit einverstanden, denn nichts anderes wollten sie mit ihrer Forderung nach einem Grundrechtskatalog in ihrem Antrag zum Ausdruck bringen. Wenn dies deutlich herausgearbeitet würde, könnten sie dem Antrag der Sozialdemokraten zustim­men.

Besonders wichtig ist Abgeordneter Mag. Kammerlander das Diskriminierungsverbot, welches in dem Antrag zu allgemein formuliert ist. Wenn dies näher definiert würde, zum Beispiel Diskrimi­nierung aus Gründen des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion, der Kultur, des Alters, der sexuellen Orientierung sowie – oder auch insbesondere – aus Gründen einer körper­lichen oder geistigen Behinderung, könnten sich die Grünen dem Antrag anschließen.

Dies würde auch dem Vorstoß des österreichisch-italienischen Papiers entsprechen, denn auch da sei das ausformuliert drinnen.

Abgeordneter Jung habe sich gegen den Ausdruck „positive Diskriminierung“ von Frauen ge­wandt, in Wahrheit gehe es aber um die Gleichstellung von Frauen und Männern, und um diese zu erreichen, müsse es zu einer befristeten Bevorzugung von Frauen bei gleicher Qualifikation kommen. Die Worte „bei gleicher Qualifikation“ seien sehr wichtig, denn mit dieser Beifügung haben sich auch die Sozialminister im EU-Rat dafür ausgesprochen, und das widerspricht auch nicht dem Gerichtsentscheid.

Die Grünen beharren jedoch nicht auf diesem Absatz, wenn es dadurch zu einem gemeinsamen Antrag kommen kann.

Da es bei diesem Tagesordnungspunkt um Grundsätze der Menschenrechte geht, interessiert die Rednerin – dies als Frage an Botschafter Dr. Scheich – die österreichische Position zu einem Vorschlag der spanischen Regierung zum Bereich Justiz und Inneres, wonach ein Staats­angehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union keine Aufnahme als Flüchtling oder politisches Asyl in einem anderen Land der Europäische Union erhalten soll. Sollte dieser Vor­schlag eine Mehrheit finden, wäre dies eine gravierende Verletzung der Menschenrechte.

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP) bekennt sich namens der ÖVP selbstverständlich auch zu einer umfassenden Integration behinderter Menschen. Gerade der heutige Tag, der von der Europäische Union zum Internationalen Tag behinderter Menschen ausgerufen wurde, gibt guten Anlaß dazu.

Bezugnehmend auf die Wortmeldung Kammerlander kann sie sich vorstellen, in die gemein­same Stellungnahme, die im ersten Absatz auf den österreichisch-italienischen Vorschlag Be­zug nimmt, anstelle des vierten Absatzes jenen Absatz hineinzunehmen, den dieses öster­reichisch-italienische Papier auch enthält, sodaß es dann heißen würde: „ein allgemeines Diskrimi­nierungsverbot, das keine Diskriminierung aufgrund insbesondere der Rasse, der Hautfarbe, der Staatsangehörigkeit, des Geschlechts, der Muttersprache, der Religion, der poli­tischen oder jeder anderen Überzeugung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit“ – das würde dann auch dem Antrag der Freiheitlichen gerecht werden –, „der sozialen Herkunft oder des Vermögens, der Behinderung, der sexuellen Neigung oder jeder anderen besonderen Gege­benheit zuläßt.“

Damit seien die Vorschläge der Grünen und der Freiheitlichen berücksichtigt, sodaß möglicher­weise einer Fünfparteienstellungnahme nichts entgegensteht.

Hinsichtlich der von Abgeordneten Jung kritisierten Formulierung, „wonach die Europäische Union bei allen ihren Aktivitäten die Bedürfnisse behinderter Menschen berücksichtigt“, plädiert Abge­ordnete Rauch-Kallat für die Beibehaltung des Wortes „allen“, denn generell herrsche Konsens darüber, daß alle Anstrengungen unternommen werden müssen, um behinderten Menschen die volle Integration in das Berufs- und in das soziale Leben einer Gesellschaft zu ermöglichen.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum) hat einige Fragen an Botschafter Dr. Scheich zur gemeinsamen Stellungnahme der österreichischen und der italienischen Delegation betreffend die Grundrechte.

Im Artikel F Abs. 5 heißt es: „Die Union anerkennt die verfassungsrechtliche Stellung der Kirchen und anderer Religionsgemeinschaften in den Mitgliedstaaten als Ausdruck ihrer Identität und Kultur sowie als Teil des gemeinsamen kulturellen Erbes.“

Soll damit eine Unveränderbarkeit der Konkordatsrechte zum Ausdruck gebracht werden? Das hieße unter anderem zum Beispiel, daß die Feiertagsregelungen nicht diskutierbar wären. Es sei nicht verwunderlich, daß das von Italien und Österreich komme, von keinem skandinavischen Land würde das wahrscheinlich hineinreklamiert werden.

Bezüglich des gemeinsamen Standpunktes für die Unionsbürgerschaft heißt es im Artikel 8e: „Unionsbürger können mittels eines in Artikeln abgefaßten Vorschlages, der die Unterschrift von mindestens einem Zehntel der Wahlberechtigten von zumindest drei Mitgliedstaaten trägt, die Verabschiedung europäischer Rechtsnormen fördern.“ Ist nicht vielmehr fordern gemeint?

Dem Abgeordneten Jung möchte Abgeordnete Dr. Gredler gerne eine Nachhilfestunde zum Kalanke-Urteil geben. So wie dieses Kalanke-Urteil abgefaßt worden sei, beziehe es sich auf die Passage „absolute und automatische“ Bevorzugung von Frauen. Dies sei es nicht, was das Liberale Forum meine, sondern eine Bevorzugung von Frauen in einer Situation, wo die Chancen einer Frau am Arbeitsmarkt durchaus als sehr gering eingeschätzt werden könnten im Vergleich zu jenen eines Mannes.

Im Antrag des Abgeordneten Schieder zu den Grundrechten geht der Rednerin ab, daß die Europäische Union der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grund­freiheiten einschließlich der Protokolle beitreten sollte. Dies werde in ihrem Antrag, den sie hier­mit formell einbringt, gefordert, umzusetzen bis zum Jahre 1999. Vielleicht könne man sich darauf einigen, daß diese Formulierung präziser sei.

Im zweiten Antrag, den Abgeordnete Gredler einbringen möchte, gehe es um die Rechte von Staatsangehörigen aus Drittländern nach einem fünfjährigen – nicht dreijährigen, wie Abge­ordneter Jung behauptet hat – legalen Aufenthalt in einem der Mitgliedstaaten der Europäische Union. Im Antrag werde die Gewährung der Unionsbürgerschaft gemäß Artikel 8 EGV und die Gewährung der Freizügigkeit gemäß Artikel 48 bis 66 EGV gefordert. – Auch diesbezüglich sollte man sich zu einer gemeinsamen Stellungnahme durchringen.

Hinsichtlich der Gleichstellung zwischen Männern und Frauen beziehe sich der Artikel 119 des EG-Vertrages nur auf das Entgelt von Männern und Frauen. Der Antrag des Liberalen Forums – den die Rednerin hiermit formell einbringt – habe eine Stärkung des Grundsatzes der Gleich­stellung von Männern und Frauen sowie eine Einführung dieser Zielbestimmungen in Artikel B EUV zum Ziel beziehungsweise sollte damit eine Änderung des Artikels 119 bewirkt werden.

Der von Frau Abgeordneter Rauch-Kallat neu formulierte Antrag, der die Nichtdiskriminierungen präzisiert, könne auch vom Liberalen Forum unterstützt werden, desgleichen der Antrag Mag. Schweitzer/Jung, der eine Forderung nach Erhaltung und Förderung der Volksgruppen durch ein verbindliches Volksgruppenrecht in der Gemeinschaft fordert.

Obmann Dr. Heinz Fischer hält fest, daß von Frau Abgeordneter Dr. Gredler nun drei Anträge eingebracht wurden, sodaß insgesamt sieben Anträge vorliegen.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP) begrüßt, daß den Anliegen der Behinderten in der Stellungnahme die notwendige Bedeutung beigemessen wird. Die Stellungnahme war – was dem Redner gut gefallen habe – so abgefaßt, daß man von einem allgemeinen Diskriminie­rungs­verbot ausgegangen sei und dann die Diskriminierung der Behinderten in besonderer Weise erwähnt habe. Da in der Stellungnahme von der österreichisch-italienischen Initiative aus­gegangen worden sei, seien darin auch die Punkte, die Frau Abgeordnete Gredler und Frau Abgeordnete Kammerlander reklamiert hätten, sehr deutlich und sehr klar enthalten gewesen.

Wenn man allerdings wolle, daß alles wiederholt werde, so könne man das natürlich auch machen.

Zweiter Punkt: Es sei wichtig, daß klar zum Ausdruck gebracht werde, daß man auf die Menschenrechtskonvention zurückgehen wolle und nur diese berücksichtigt haben wolle. Sollte dies nicht klar genug formuliert sein, müßte das noch präzisiert werden.

Dritter Punkt: Unionsbürgerschaft. Da sei über ein Papier diskutiert worden, das sich weder in den Unterlagen noch auf der Tagesordnung wiederfinde. Es stelle sich die Frage, ob dieses Papier über die Unionsbürgerschaft auch mit in Verhandlung steht.

Botschafter Dkfm. Dr. Manfred Scheich (Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten) erläutert, daß die Frage der Unionsbürgerschaft im österreichisch-italienischen Vorschlag be­handelt sei.

Ministerialrat Dr. Wolf Okresek (Bundeskanzleramt Verfassungsdienst) meint, daß sich möglicher­weise aus der Aufzählung der Dokumente in der Tagesordnung ergebe, daß der österreichisch-italienische Vorschlag gemeint ist. Dieser enthält Ausführungen zu den Grund­rechten, aber auch zur Unionsbürgerschaft. Der Teil über die Unionsbürgerschaft sei jedoch den verteilten Unterlagen des österreichisch-italienischen Vorschlages nicht beigelegen. Im Doku­ment 3942 vom 8. Oktober 1996 sei die Unionsbürgerschaft angesprochen.

Obmann Dr. Heinz Fischer schlägt vor, die bisherige Praxis beizubehalten, das nicht so restriktiv zu handhaben, daß darüber nicht diskutiert werden dürfe.

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ) weist darauf hin, daß der Vertrag über die Europäische Union in seinem Artikel 6 ein Diskriminierungsverbot aufgrund der Staatsbürger­schaft vorsieht. Umfassende Bürger- und Menschenrechte seien nicht vorgesehen. Wenn es aber nicht nur um den freien Verkehr von Geld, Waren und Dienstleistungen gehe, sondern auch um Bürgerrechte, insbesondere Rechte benachteiligter Menschen, Angehöriger von Min­derheiten welcher Art auch immer, dann müsse man diese Lücke schließen.

Der bisherige Verlauf der Debatte und die eingebrachten Anträge zeigen, daß das ein Anliegen ist, das im Haus sehr umfassend unterstützt wird. Da immer deutlicher werde, daß Behinderten­politik sich nicht in nationalen Politiken erschöpfen dürfe, sondern international erfolgen müsse, gehe es darum, über Einzelaktivitäten hinauszukommen und einen Perspektivenwechsel weg von einer bloß fürsorgenden hin zu einer selbstbestimmten Politik zu erreichen.

Die Europäische Kommission hat den 3. Dezember zum Tag der behinderten Menschen erklärt, und da es der Zufall will, daß gerade an diesem Tag diese Anträge diskutiert werden, wäre es er­freulich, wenn sie eine umfassende Unterstützung fänden.

Obmann Dr. Heinz Fischer teilt mit, daß der Antrag Schieder, Rauch-Kallat, den er am Beginn referiert hat, zurückgezogen und durch einen Antrag Schieder, Rauch-Kallat, Dr. Gredler, Pollet-Kammerlander, Guggenberger, Feurstein ersetzt worden sei.

Er unterscheidet sich in folgenden Punkten:

Erstens: Im ersten operativen Absatz heißt es: „Beachtung der Grundsätze der Freiheit“ – Beistrich –, „der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte“ et cetera.

Der zweite Absatz ist unverändert.

Der dritte heißt: „ein Verbot der Diskriminierung, insbesondere aufgrund der Rasse, der Haut­farbe, der Staatsangehörigkeit, des Geschlechts, der Muttersprache, der Religion, der poli­tischen oder jeder anderen Überzeugung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, der sozialen Herkunft oder des Vermögens, der Behinderung der sexuellen Neigung oder jeder anderen besonderen Gegebenheit, in die Verträge aufgenommen wird.“

Der vierte Punkt ist wieder unverändert.

Im österreichischen Sprachgebrauch – auch im Strafgesetz – werde allerdings eher „sexuelle Orientierung“ als „sexuelle Neigung“ verwendet.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) kritisiert die widersprüchliche Haltung des Abgeordneten Feurstein, der mit Inbrunst erklärt habe, wie wichtig es sei, insbe­sondere auf die Behinderten hinzuweisen, nun aber augenscheinlich sogar selber einen Antrag unterschrieben habe, in dem die Behinderten nur noch unter ferner liefen vor der sexuellen Neigung als zweitletzter Punkt vorkommen.

Die Freiheitlichen tragen in ihrem Antrag genau diesem Anliegen Rechnung, und dies ist einer der weiteren Gründe, warum sie den Antrag der Koalition plus der beiden Kleinparteien ab­lehnen werden.

Abgeordneter Rauch-Kallat gratuliert der Redner dazu, daß jetzt auch die ÖVP offensichtlich schon von nationalen Minderheiten ausgehe, während man bisher immer von ethnischen Min­derheiten gesprochen habe. Aus dem Antrag gehe hervor, daß das intellektuell etwas völlig anderes sei als der Nationsbegriff, den die ÖVP bisher gepflogen habe.

Aus dem letzten Punkt des Antrages gehe hervor, daß die Koalition geneigt sei, der Regierung um­fassende Fesseln anzulegen, wenn sie darauf beharre, daß eine Bestimmung aufgenommen wird, wonach die Europäische Union bei allen ihren Aktivitäten die Bedürfnisse der Behinderten zu berücksichtigen habe. Auch aus Solidarität mit der Bundesregierung würden die Freiheitlichen daher diesen Antrag ablehnen.

Insgesamt drei Anträge gingen nun davon aus, daß die Europäische Union der EMRK beitreten soll, es sei aber strittig, ob die Europäische Union überhaupt der EMRK beitreten kann, weshalb man der Regierung nicht eine Vorgehensweise auferlegen sollte in einer Sache, die völker­rechtlich jedenfalls nicht unumstritten ist.

Der Vorschlag der Freiheitlichen zeige einen alternativen Weg auf, um zum gleichen Ergebnis zu kommen, indem nämlich die Europäische Union den Vertragstext plus Zusatzprotokolle der EMRK zum Primärrecht der Europäische Union macht. (Obmannstellvertreter Dr. Neisser über­nimmt den Vorsitz.)

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche) nimmt Bezug auf das österreichisch-italienische Papier, das im Artikel F Abs. 5 von der Anerkennung der verfassungsrechtlichen Stellung der Kirche und anderer Religionsgemeinschaften ausgeht, und möchte wissen, inwie­weit diese Position die Staaten innerhalb der Europäischen Union tangiert, die eine strikte Trennung von Kirche und Staat festgeschrieben haben. Dies sei auch relevant für jene euro­päische Staaten, die künftig einen Antrag auf Aufnahme als Mitglied in die Union stellen.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) teilt mit, daß sie ihren Antrag zurückzieht und dem gemeinsamen Antrag wie auch dem Antrag der Liberalen und der Freiheitlichen zu­stimmt, da darin wesentliche Punkte enthalten seien, die auch in ihrem Antrag vorkamen.

Obmannstellvertreter Dr. Heinrich Neisser nimmt dies zur Kenntnis

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) vertritt die Ansicht, daß nicht die Reihenfolge in der Aufzählung über die Wichtigkeit einer Sache entscheide, um aber den Wunsch Nummer eins des Herrn Abgeordneten Jung zu erfüllen schlägt er vor, zwischen den Worten „Freiheit“ und „der“ tatsächlich einen Beistrich zu setzen.

Botschafter Dkfm. Dr. Manfred Scheich (Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten) be­ginnt mit der Frage des Beitrittes zur Menschenrechtskonvention. In der Reflexionsgruppe sei be­reits einmal die Frage eines eigenen Grundrechtskatalogs für den Vertrag zur Diskussion ge­stellt worden, weil sich die Union ja als Wertegemeinschaft verstehe und es daher verständ­lich sei, festzulegen, welches die Werte sind, die diese Wertegemeinschaft charakterisieren. Es sind genau die Menschen- und Grundrechte. Politisch würde sich die Union eigentlich einen solchen Katalog schuldig sein, aber die Arbeit, einen solchen Katalog zu erstellen, wäre derart komplex und derart umfassend, daß sie die Regierungskonferenz wahrscheinlich überfordern würde. Daher wurde der Weg des Beitritts zur Europäischen Menschenrechtskonvention ge­wählt.

Die österreichische Delegation steht besonders aktiv dahinter, das Problem, das sich stellt und das die Frage ungelöst läßt, ist jedoch das der Rechtspersönlichkeit der Union. Die Gemein­schaft hat Rechtspersönlichkeit, die Union hat keine, nur einen Beitritt der Gemeinschaft vorzu­sehen, wäre aber wenig sinnvoll, weil gerade der dritte Pfeiler, der hier besonders angesprochen ist, nämlich innere Sicherheit und Justiz, durch den besonderen Menschenrechtsschutz gedeckt sein müßte.

Mit der Frage der Rechtspersönlichkeit werde eine fundamentale politische Frage in der Ver­handlung berührt, weil einige Mitgliedstaaten – insbesondere England – sich grundsätzlich dage­gen wehren, der Union als solcher Rechtspersönlichkeit zu geben.

Im österreichisch-italienischen Vorschlag wurde ein Weg gesucht und die Formulierung gewählt, es solle die Kompetenz der Union spezifisch zum Beitritt zur Menschenrechtskonvention ge­schaffen beziehungsweise festgestellt werden. Das sei der Ausweg, um die umfassende Frage der Rechtspersönlichkeit der Union zu umgehen.

Zu den Behinderten: Österreich hat sich von Anfang an in der Verhandlung für die besondere Be­rücksichtigung der Interessen der Behinderten eingesetzt und hat auch die Frage der positiven Maßnahmen in diesem Zusammenhang erwähnt. Botschafter Dr. Scheich hat vor fünf Tagen in einem – wie das so seltsam heißt – Beichtstuhlverfahren mit der irischen Präsi­dentschaft, das der Erstellung des Berichtes für Dublin galt, nochmals dringend auf diesen österreichischen Wunsch und die Frage auch positiver Maßnahmen hingewiesen.

Im Papier der Präsidentschaft, das für Dublin kommt, wird die Behindertenfrage wahrscheinlich berücksichtigt sein, die Frage der positiven Maßnahmen wird vermutlich in einem Kommentar aufgeworfen werden.

Österreich stehe auch hinter positiven Maßnahmen zur Nichtdiskriminierung Frau/Mann, und der österreichische Vorschlag sei entsprechend. Positive Maßnahmen in diesem Zusammenhang seien darüber hinaus bereits im sogenannten Sozialprotokoll gedeckt, von dem mit Ausnahme Großbritanniens alle wollten, daß es in den Vertrag aufgenommen wird. Auch das wäre ein Weg, die positiven Maßnahmen in diesem Zusammenhang ausdrücklich einzuführen.

Bei der sogenannten Kirchensicherungsklausel gehe es eigentlich um die Wahrung der Auto­nomie der Kirchen und nicht um Einzelfragen, die allenfalls in Konkordaten geregelt sind oder nicht geregelt sind, es gehe sicher nicht um eine Verewigung bestehender Abmachungen als solches.

Noch eine Information zur Kirchensicherungsfrage: Die Tatsache der verfassungsrechtlichen Stellung ist nicht gedeckt von der Konferenz der Europäischen Episkopate, weil es natürlich einige EU-Mitgliedsländer gibt, in denen die Kirche eine solche Verankerung nicht hat. Daher hat die Konferenz der Europäischen Episkopate jetzt vorgeschlagen – dieser Vorschlag schwebe, er sei noch nicht offiziell eingebracht, man wisse aber von ihm –, daß man über die jeweilige rechtliche Stellung der Kirchen spricht.

Zur Frage des Asyls verweist Botschafter Dr. Scheich auf zwei Dinge: Der spanische Vorschlag liegt vor, wurde in der Konferenz bisher jedoch noch nicht besprochen. Das spanische Problem ist bekannt; es ist eine ganz spezifische Frage.

Der österreichisch-italienische Vorschlag gibt keine Antwort auf diese Frage, aber der Artikel 8b, wonach jeder Unionsbürger das Recht hat, das Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten zu betreten, sich in diesem frei zu bewegen und aufzuhalten, wobei er dieselben Rechte wie die Angehörigen des Mitgliedstaates genießt, hängt damit zusammen. Damit ist der Eintritt in die anderen Mitgliedstaaten garantiert.

Und jetzt kommt die Frage der Auslieferung: Die Unionsmitgliedstaaten haben im September unmittelbar nach den Sommerferien ein Auslieferungsabkommen unterzeichnet, auf das vor allem Spanien den größten Wert gelegt hat, aber auch darin ist nicht die ganze Antwort, sondern sind nur Teilantworten zu finden, und man werde sehen, wie sich die Diskussion darüber allenfalls im Rahmen der Regierungskonferenz entwickelt.

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP) weist Abgeordneten Stadler darauf hin, daß es im zweitem operativen Absatz heißt, die Voraussetzungen zu schaffen für den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte. Das sei eben diese Teilrechtsfähigkeit, beitreten zu können – an sich ein Anliegen, das von allen ver­treten werde, weil es dort auch die operativen Rechtsschutzeinrichtungen gibt.

Bei dieser Gelegenheit bringt Abgeordneter König vor, daß es schon zweckmäßig wäre, wenn alle Abgeordneten zu Beginn der Sitzung alle Anträge bekommen könnten.

Die Tatsache, daß Abgeordneter Feurstein darauf hingewiesen habe, daß der operative Absatz drei das Anliegen plakativer herausstelle, man aber bereit sei, wenn zwei andere Fraktionen dies vorziehen, den gesamten Text zu übernehmen, sei kein Gegensatz, sondern ein Entgegen­kommen, das wahrscheinlich die Voraussetzung dafür schaffe, daß der Antrag weitgehend gemein­sam angenommen werden kann.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche) hat weder den sehr detaillierten Aus­führungen des Herrn Botschafters noch anderen Ausführungen entnehmen können, warum man eigentlich dagegen sei, daß die Freiheitlichen in ihrem Antrag die Behinderten explizit hervor­heben und vor Diskriminierung schützen wollen. Man möge doch jetzt einmal zeigen, was einem die Behinderten wert sind.

Diskriminierungen aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechtes seien wirklich verpönt, aber in einigen Ländern habe es sich offensichtlich noch nicht herumgesprochen, daß man Behinderte nicht diskriminieren darf und soll. Deshalb sei es dringend notwendig, daß man eine Passage in den Antrag hineinnehme, die sich separat und dezidiert mit den Behinderten be­schäftigt. Davon könne eine ungeheure Beispielswirkung ausgehen, weshalb die anderen Fraktionen noch einmal überlegen sollten, ob sie nicht doch dieser Passage im Antrag der Freiheitlichen zustimmen könnten.

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP) bedauert, daß sie den Antrag der Freiheitlichen, der die Behinderten anbelangt, erst jetzt beim Protokoll einsehen konnte, und stellt fest, daß dieser mit dem ursprünglichen Antrag der SPÖ und ÖVP identisch, also sehr gut kopiert sei. Man suche offensichtlich nur einen Grund, warum man nicht auf diesen Antrag hinaufgehen könne.

Aus Rücksicht auf die Wünsche der Liberalen und der Grünen habe man sich dazu ent­schlossen, im Antrag den vollen Wortlaut, wie er im italienisch-österreichischen Vorstoß bereits formuliert sei, zu übernehmen.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP) betont, daß es zur besagten Abänderung nicht gekommen wäre, hätten die Freiheitlichen von Beginn an erklärt, daß sie den Antrag unter­stützen wollen. Dies sei nicht geschehen, daher habe man die Anregungen der Grünen und der Liberalen aufgenommen, die nun den Antrag mitunterstützen werden.

Vorrangig seien die Behinderten, und Abgeordneter Dr. Feurstein dankt dem Botschafter für dessen Einsatz und den der österreichischen Regierung, wodurch die Interessen der behinder­ten Menschen im Bereich der Europäische Union, in den Kommissionen, im Rat und in allen Gremien so nachhaltig vertreten wurden.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum) hinterfrägt den von Botschafter Dr. Scheich verwendeten Ausdruck „Kirchensicherungsklausel“. Heißt das, daß die Europäische Union die Kirche sichern muß, indem sie eine Kirchensicherungsklausel vorsieht? Heißt das, daß die Kirche keinen anderen Weg sieht, ihren Gläubigen eine gewisse Attraktivität anzubieten, als daß das in den Unionsvertrag aufgenommen werden soll?

Man warte nun auf die Ergebnisse der Konferenz der Europäische Episkopate. Heißt das, daß die Position, die Österreich einnimmt, von der Konferenz der Europäischen Episkopate ge­schrieben wird? Heißt es, daß nur dieses Ergebnis in den Grundrechtskatalog aufgenommen wird, oder wird die Konferenz der Europäischen Episkopate noch andere Passagen schreiben, die die Bundesregierung dann als ihre Position aufnehmen wird?

Aufklärung erbittet die Rednerin auch zum neuen Artikel 6a des EU-Vertrages, wo nach der Position der irischen Präsidentschaft die Einstimmigkeit benötigt wird. Könne es nicht sein, daß, wenn der Artikel 6a einstimmig verabschiedet wird, die Antidiskriminierungsklausel dann nur mehr eine Illusion ist?

In einem Antrag der Liberalen geht es um den Grundrechtskatalog, die Liberalen hätten aber nichts dagegen, wenn der Grundrechtskatalog in einer späteren Phase erarbeitet werden könnte, und seien bereit, auf ihren Antrag zu verzichten, wenn so ein Grundrechtskatalog in den nächsten Jahren innerhalb in der Europäische Union erarbeitet werden würde.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche) hebt noch einmal hervor, daß die Freiheitlichen mit dem Antrag mitgegangen wären, sie wollten nur haben, daß die Passage über die Behinderten genauer herausgearbeitet wird. Der Vorwurf der Abgeordneten Rauch-Kallat, daß die Freiheitlichen jetzt nur einen Grund suchen, um nicht auf den Antrag draufzugehen, sei wirklich unfair.

Zum gemeinsamen österreichisch-italienischen Vorschlag sei zu sagen, daß Italien seine inner­staatlichen Normen und damit auch das Bewußtsein überhaupt nicht auf Behinderte zugeschnit­ten hat. Daher sei nicht einzusehen, warum man sich gerade auf Italien berufe und nicht viel­leicht auf ein skandinavisches Land.

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ) hat ein Papier vor sich liegen, das von der europäischen „Selbstbestimmt leben“-Bewegung auf einer Konferenz in Bremen erarbeitet wurde. Darin heißt es wortwörtlich: „Innerhalb des Anwendungsbereiches dieses Vertrages und unbe­schadet irgendwelcher darin enthaltenen besonderer Bestimmung ist jede Diskriminierung aufgrund von Nationalität, Rasse, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Alter, Behinderung, Religion oder sozialer Status verboten.“ Selbst diese Behindertenorganisation hat also die Behin­derung nicht an die erste Stelle gesetzt.

Darüber hinaus seien die behinderten Menschen die einzige Gruppierung, für die in dem Antrag – gestützt auf die Formulierung der europäischen „Selbstbestimmt leben“-Bewegung – aus­drücklich positive Maßnahmen vorschlagen würden, weshalb der Redner sich vollinhaltlich damit identifizieren könne.

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP) bekräftigt, was Abgeordneter Guggenberger eben gesagt hat. Jedes Hauptausschußmitglied wird in den letzen Tagen eine Fülle von Briefen er­halten haben, in denen Vorschläge gemacht werden und in denen die Reihenfolge von Natio­nalität, Rasse, Geschlecht, sexueller Orientierung, Alter, Behinderung, Religion fast überall gleich­lautend ist. Es sei also wirklich ein Streit um des Kaisers Bart.

Obmannstellvertreter Dr. Heinrich Neisser macht auf die Diskrepanz hinsichtlich der Formulierung „sexuelle Orientierung“ im Antrag der vier Fraktionen beziehungsweise „sexuelle Neigung“ aufmerksam. Er könne das nicht ändern, da müsse ein Konsens hinsichtlich dieses Wortes zwischen allen Antragstellern bestehen.

Botschafter Dkfm. Dr. Manfred Scheich (Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten) nimmt noch einmal zur Kirchenklausel Stellung. Es würde darum gehen, daß die Union in ihren Regelungen, die sie allenfalls trifft, die Rechtsstellung der Kirchen respektiert, die Gestaltung dieser Rechtsstellung hingegen sei selbstverständlich den Mitgliedsstaaten vorbehalten.

Was die Frage der Versammlung Europäischer Episkopate betrifft, sei nicht daran gedacht, deren Vorschlag in den Text der österreichisch-italienischen Initiative aufzunehmen. Botschafter Dr. Scheich wollte nur darüber informieren.

Der gesamte Artikel 6a, insbesondere die Abstimmungsmodalitäten, werden noch geprüft.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) schlägt eine Kompromißformulierung vor: Die „Behinderung“ soll aufgrund des wichtigen Datums für die Behinderten vorgereiht werden, die „Neigung“ gestrichen und durch „Orientierung“ ersetzt sowie das Wort „allen“ gestrichen werden, dann könnten die Freiheitlichen mit dem Antrag mitgehen. – Da „allen“ nicht gestrichen wird, scheitert der Kompromiß.

Obmannstellvertreter Dr. Heinrich Neisser schließt, da keine Wortmeldung mehr vorliegt, die Debatte.

Vor Eingang in den Abstimmungsvorgang wird noch geklärt, daß im Text der Stellungnahme das Wort „Neigung“ durch das offensichtlich von Präsident Fischer handschriftlich eingefügte Wort „Orientierung“ ersetzt werden soll.

Bei der Abstimmung wird der Antrag der Abgeordneten Schieder, Rauch-Kallat, Dr. Gredler, Mag. Kammerlander, Mag. Guggenberger, Dr. Feurstein und Genossen betreffend Verankerung von Grundrechten im Vertrag über die Europäische Union und des Verbotes der Diskriminierung von Behinderten mit Mehrheit angenommen.

Der Antrag auf Stellungnahme der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Jung und Genossen betref­fend EU-Regierungskonferenz – Grundrechte findet keine Mehrheit.

Der Antrag auf Stellungnahme der Abgeordneten Jung und Genossen betreffend Verankerung von Grundrechten im Vertrag über die Europäische Union und des Verbotes der Diskriminierung von Behinderten findet keine Mehrheit und ist somit abgelehnt.

Festgehalten wird, daß der Antrag der Abgeordneten Gredler mit dem Betreff „EU-Regie­rungskonferenz – Grundrechte (Grundrechtskatalog) (14219, 14225/EU) zurückgezogen wurde und nicht zur Abstimmung gelangt.

Der Antrag der Abgeordneten Dr. Gredler auf Stellungnahme betreffend EU-Regie­rungs­konferenz – Grundrechte (Rechte von Staatsangehörigen aus Drittländern) (14219 und 14225/EU) wird abgelehnt.

Desgleichen wird Antrag der Abgeordneten Dr. Gredler auf Stellungnahme betreffend EU-Regierungskonferenz – Grundrechte (Gleichstellung von Männern und Frauen) abgelehnt.

Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.

(Es folgt die Beratung über weitere Hauptausschußvorlagen, die jedoch keine EU-Angelegen­heiten betreffen.)

Schluß der Beratungen zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2: 16.05 Uhr

 

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