IV-6 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Freitag, 18. April 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XX. Gesetzgebungsperiode                                Freitag, 18. April 1997

Tagesordnung

1. Regierungskonferenz/Beschäftigung/Ergebnisse der Außenministertreffen

SON CONF/2500/96 Revision der Verträge/ Dublin II (17782/EU XX. GP)

COM KOM (97) 27 endg. Wachstum, Beschäftigung und Konvergenz auf dem Weg zu WWU (22973/EU XX. GP)

Bericht der Ständigen Vertretung über das Außenministertreffen vom 25. 3. 1997 betreffend Regierungskonferenz (23478/EU XX. GP)

2. Beziehungen EU – Iran

RMA PESC 1340 Beziehungen EU – Iran (16501/EU XX. GP)

3. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluß der Bundesregierung betreffend Weiterbelassung des österreichi­schen Kontingents bei United Nations Peace-keeping Force in Cyprus (UNFICYP) (Vorlage 67 HA)

4. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluß der Bundesregierung betreffend Weiterbelassung des österreichi­schen UNDOF-Kontingents (Vorlage 68 HA)

5. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluß der Bundesregierung betreffend Aufstockung des österreichischen Kontingents bei United Nations International Police Task Force (UNIPTF) (Vorlage 69 HA)

6. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluß der Bundesregierung betreffend Aufstockung der Anzahl der öster­reichischen Polizeibeobachter bei United Nations Transitional Authority for Eastern Slavonia, Baranja and Western Sirmium (UNTAES) (Vorlage 70 HA)

7. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluß der Bundesregierung betreffend Verlängerung der österreichischen Teilnahme an der United Nations Special Commission (UNSCOM) (Vorlage 71 HA)

8. Bericht der Bundesregierung gemäß § 11 des Bundesgesetzes über die Förde­rung politischer Bildungsarbeit und Publizistik 1984 für das Finanzjahr 1996 (Vor­lage 62 HA)

Beginn der Beratungen: 11.03 Uhr

Obmann Dr. Heinz Fischer begrüßt alle Damen und Herren, insbesondere auch den Herrn Bundeskanzler, und eröffnet die Sitzung des Hauptausschusses, für die eine Tagesordnung vorliegt, die acht Punkte umfaßt.

Da damit zu rechnen sei, daß der Ministerrat am kommenden Dienstag auf der Grundlage des am 17. April vom Nationalrat beschlossenen Entsendegesetzes einen Antrag an den Hauptaus­schuß in Sachen Albanien beschließen wird, wurde in der heutigen Präsidialsitzung Einverneh­men darüber erzielt, den Hauptausschuß – vorausgesetzt, der Herr Bundeskanzler ist in der Lage, den Text des Ministerratsbeschlusses möglichst schon am Montag zu Mittag zur Verfü­gung zu stellen – für Dienstag, 20 Uhr, einzuberufen. Dies auch deshalb, um zu demonstrieren, daß der Hauptausschuß keineswegs ein schwerfälliges, sondern ein sehr funktionsfähiges Gremium ist, das, wenn es notwendig ist, auch in kürzester Frist tagen kann.

Für die heutige Sitzung ist vom Vorbereitungskomitee einvernehmlich ein Zeitrahmen von etwa eineinhalb Stunden für den ersten Tagesordnungspunkt und von 30 Minuten für den zweiten Tagesordnungspunkt vereinbart worden. Der Herr Bundeskanzler wird bis etwa 12 Uhr zur Ver­fügung stehen.

Punkt 1

Regierungskonferenz/Beschäftigung/Ergebnisse der Außenministertreffen (17782/EU, 22973/EU, 23478/EU XX. GP)

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima freut sich, daß knapp zwei Monate vor der entscheidenden Tagung des Europäischen Rates in Amsterdam die Gelegenheit besteht, über den Stand der Arbeiten zur Regierungskonferenz zu berichten und zu diskutieren, wobei gleich festzuhalten sei, daß alle Mitgliedstaaten sich entschlossen und motiviert zeigten, dieses Zieldatum auch ein­zuhalten. Erfreulicherweise seien im Bereich der Beschäftigungspolitik, aber auch im Bereich Inneres und Justiz beachtliche Fortschritte erzielt worden. Das dürfe aber nicht darüber hinweg­täuschen, daß es in institutionellen Kernfragen – Zusammensetzung der Kommission, Stimmge­wichtung im Rat und so weiter – derzeit noch konträre Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten gebe, die schwer überbrückbar zu sein scheinen.

Vor diesem Hintergrund sei es eine gute Entscheidung der niederländischen Präsidentschaft, für den 23. Mai einen außerordentlichen Europäischen Rat einzuberufen und einen umfassenden Vertragsentwurf vorzulegen, der auf den bisherigen Verhandlungen aufbaue und die Grundlage für die Vorbereitung der Schlußverhandlung bilden werde. Es seien keine grundsätzlich neuen Konzepte, sondern im wesentlichen Ansätze für Kompromißlösungen zu erwarten.

Wunschgemäß konzentriert sich Bundeskanzler Klima einleitend auf den Schwerpunkt Beschäf­tigungskapitel und bringt in Erinnerung, daß der Entwurf der irischen Präsidentschaft vom Dezember des vergangenen Jahres weitgehend jenes Konzept beschäftigungspolitischer Koor­dination berücksichtigt habe, das Österreich als erster Mitgliedstaat bereits zu Beginn der Regie­rungskonferenz vorgeschlagen hatte. Natürlich seien Fragen der institutionellen Reform wichtig, die Bevölkerung in Europa interessierten und berührten jedoch vor allem Fragen der Beschäf­tigung, aber auch der Sicherheit, also Kampf gegen Arbeitslosigkeit, Kampf gegen organisierte Kriminalität.

Daher sei neben einer Verstärkung beschäftigungspolitischer Zielbestimmungen ein europäi­sches Verfahren der Koordination und Überwachung nationaler Beschäftigungspolitiken zu schaffen. Als Kernelement dieses Beschäftigungstitels seien im irischen Entwurf unter anderem vorgesehen: die Entwicklung einer gemeinsamen beschäftigungspolitischen Strategie, die Be­rücksichtigung des Beschäftigungszieles in allen Gemeinschaftspolitiken, eine jährliche Leitlinie des Rates zur Beschäftigungspolitik, auf dieser Basis Beschäftigungsberichte der Mitglied­staaten, deren Überprüfung durch den Rat und in der Folge – was als Anreiz besonders wichtig sei – auch mit qualifizierter Mehrheit beschlossene Empfehlungen des Rates an die europäi­schen Mitgliedstaaten sowie die Einsetzung eines beratenden Beschäftigungsausschusses.

Betont sei, daß die primäre Verantwortung für Beschäftigungspolitik natürlich auf nationaler Ebene bei den Mitgliedstaaten verbleibe. Mit den dargestellten Instrumentarien solle weder eine neue kostspielige Gemeinschaftskompetenz geschaffen werden noch sollen irgendwelche Wei­sen in Brüssel beschäftigungspolitische Maßnahmen per Dekret verordnen – hier müsse das Prinzip der Subsidiarität gelten –, angestrebt werde allerdings, ein klares Ziel zu definieren und zu einem klaren Monitoring zu kommen, welche Maßnahmen die einzelnen Mitgliedstaaten set­zen und ob diese erfolgreich sind im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und bei der Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus. Aus der Sicht Österreichs solle überhaupt Vollbeschäfti­gung angestrebt werden.

Mit Ausnahme Großbritanniens haben sich alle andern Mitgliedstaaten prinzipiell positiv zur Auf­nahme eines Beschäftigungskapitels in den Vertrag geäußert beziehungsweise dazu bekannt, was als sehr, sehr großer Erfolg Österreichs zu werten sei.

Diese aus österreichischer Sicht sehr erfreuliche Tendenz werde von einigen Mitgliedstaaten relativiert – so wollen insbesondere Spanien und Frankreich, in geringerem Ausmaß aber auch die Niederlande und Deutschland, wesentliche Elemente des irischen Beschäftigungstitels im Vertrag nicht so stark ausgeprägt haben oder sogar eliminieren –, demgegenüber unterstütze die Mehrheit der Mitgliedstaaten das Ambitionsniveau des irischen Entwurfes allerdings kräftig, von einigen Staaten, so auch von Österreich, würden sogar zusätzliche Elemente des Beschäfti­gungskapitels und -titels eingefordert.

Österreich sei etwa mit Nachdruck dafür eingetreten, künftig die Effektivität des Koordinations­mechanismus zu stärken, statt der Formulierung „hohes Beschäftigungsniveau“ das Ziel „Vollbe­schäftigung“ in den Vertrag aufzunehmen und angesichts der horizontalen Bedeutung der Be­schäftigungspolitik ausdrücklich ein stärkeres Zusammenwirken zwischen dem Rat der Finanz­minister und dem Rat der Arbeits- und Sozialminister vorzusehen. Zudem wäre es nach Ansicht Österreichs von Vorteil, wenn auch die inhaltlichen Prioritäten einer europäischen Beschäfti­gungsstrategie bereits im Vertrag konkreter determiniert werden könnten.

In der kommenden Schlußphase müsse man sich auf ein realisierbares und realistisches Ver­handlungsziel konzentrieren, und angesichts des minimalistischen Ansatzes einiger Mitglied­staaten müsse es vordringliches Anliegen sein, das Ambitionsniveau des irischen Entwurfes nicht zu senken.

Zusammengefaßt: Der irische Vertragsentwurf zeige, daß sich das besondere österreichische Engagement in der Beschäftigungspolitik gelohnt habe, was aber zähle, sei das Ergebnis, sei der Vertrag von Amsterdam. Daher werde sich Bundeskanzler Mag. Klima gemeinsam mit seinen Regierungskollegen persönlich sehr dafür einsetzen, daß dieser Zwischenerfolg auch umgesetzt wird und der neue Vertrag tatsächlich einen Beschäftigungstitel, ein Beschäftigungs­kapitel enthält, denn neben der Realisierung einer Währungsunion müsse es auch die Realisie­rung einer Beschäftigungsunion geben, und mit derselben Vehemenz, wie sich die Finanzmini­ster Monat für Monat mit der Erreichung der fiskalpolitischen, der budgetären Kriterien auseinan­dersetzen, müßten sich die Arbeits- und Sozialminister mit der Erreichung der Beschäftigungs­ziele auseinandersetzen. Man könne und wolle ein Europa mit einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion nur mit einem hohen Beschäftigungsniveau auch tatsächlich realisieren.

Im soeben gebrachten Bericht sei, so Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP), zum Aus­druck gekommen, daß Ziele, deren Umsetzung zunächst als frommer Wunsch angesehen werde und kaum möglich scheine, durch ausdauernde Haltung, konsequenten Einsatz und eine ganz klare Orientierung letztlich doch erreichbar seien. Solche Erfolge seien wichtig, denn es gehe auch darum, eine gewisse Skepsis der Bevölkerung auszuräumen.

Welche Chance besteht in diesem Zusammenhang, das Ziel „Vollbeschäftigung“ anstelle „hohes Beschäftigungsniveau“ zu verankern?

Wettbewerbsfähigkeit sei als wichtiges Instrument zu betrachten, um das Ziel Vollbeschäftigung zu erreichen. Welche Möglichkeit besteht, das entsprechend in die Formulierungen hineinzube­kommen?

Bei aller Betonung und Befürwortung des Standpunktes, daß Beschäftigungspolitik selbstver­ständlich eine nationale Aufgabe zu sein hat: Inwieweit gibt es neben all den beabsichtigten Festlegungen auch die eine oder andere finanzielle Unterstützung für gemeinsame Maßnahmen für diese Beschäftigungspolitik nationaler Prägung seitens des bisherigen Budgets der EU?

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche) stellt zunächst fest, daß der Bundes­kanzler in seinen Ausführungen zwar den Entwurf angesprochen, den Textvorschlag des Vor­sitzes aber nicht konkret angeführt habe.

Der Redner weist darauf hin, daß die Freiheitlichen bereits im Jänner 1995 im Europäischen Parlament vehement die Aufnahme eines Beschäftigungskapitels in den Vertrag eingefordert hätten, weil bereits damals sichtbar war, daß es durch die Einsparungsprogramme der einzel­nen Länder zu starken Erhöhungen der Zahl der Arbeitslosen kommen werde. Die Antwort auf allen Ebenen – Europäisches Parlament, Kommission und Rat – war, daß die Einfügung eines Beschäftigungskapitels die Wirtschafts- und Währungsunion praktisch unmöglich und undurch­führbar mache und daß der Zeitpunkt der Einführung nicht eingehalten werden könne, weil die vorgegebenen Kriterien mit einem Beschäftigungskapitel nicht in Einklang zu bringen seien. Nach Meinung der Freiheitlichen sei aber nicht der Zeitpunkt der Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion das Wichtige, sondern die Stabilität der Bundeshaushalte in den einzelnen Ländern.

Wenn man den Textvorschlag anschaue, ergeben sich einige Fragen. Es sei die Einfügung des Zieles eines hohen Beschäftigungsniveaus vorgesehen, es werde aber nicht konkretisiert, wie hoch dies sein soll. Zusätzlich sollen die Aufgaben der Gemeinschaft um Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaftsleistung ergänzt werden. Darüber hinaus sei geplant, die Förderung der Koordi­nierung der Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten durch die Entwicklung einer gemeinsamen Beschäftigungsstrategie einzufügen.

Aus diesen wenigen Zusätzen lasse sich ein richtiges Beschäftigungskapitel noch nicht ableiten, deshalb die Frage: In welcher konkreten Form soll nun dieses Kapitel Beschäftigung in den europäischen Unionsvertrag eingebaut werden? Haben die jetzt vorliegenden Entwürfe Gültig­keit, oder werden sie neu gestaltet?

Wird der neue Titel „Vollbeschäftigung“ oder „hohes Beschäftigungsniveau“ als Maxime, als Grundlage bekommen? Das sei ja ein sehr starker Unterschied mit einem unwahrscheinlich breiten Auslegungsspielraum.

Dritte Frage in diesem Zusammenhang: Wie läßt sich ein Beschäftigungskapitel mit diesen Kon­vergenz- und anschließenden Stabilitätskriterien vereinbaren? Besteht die Notwendigkeit, die Kriterien dann aufzuweichen? Wenn ja, welchen Vorschlag gibt es hiefür?

Zu den Leitlinien: Bundeskanzler Mag. Klima habe davon gesprochen, daß die Kriterien für die Beschäftigungspolitik von der Europäischen Union vorgegeben würden und deren Umsetzung durch die einzelnen Länder von der EU kontrolliert werde, was bedeute, daß die einzelnen Staaten bisher verbliebene Kompetenzen zusätzlich nach Brüssel abgeben müßten.

Fragen dazu: Werden Mittel, die für beschäftigungsfördernde Maßnahmen verwendet werden, auch in die Eckdaten zur Erreichung der Konvergenz eingerechnet, oder wird hier ein größerer Spielraum gewährt? Wieweit haben diese Überlegungen bereits Eingang in die Gespräche gefunden? Gibt es konkrete Vorstellungen? Bis wann sind hierüber konkrete Entscheidungen und Ergebnisse zu erwarten?

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ) begrüßt es ebenfalls sehr, daß es nun so aussieht, als ob es gelänge, ein Beschäftigungskapitel in den Vertrag aufzunehmen, umso mehr als es wichtig sei, jenen Staaten gegenüber, die einen minimalistischen Ansatz vertreten, sehr deut­liche Prioritäten zu setzen.

Im Gegensatz zum Vorredner glaubt Abgeordneter Dr. Nowotny nicht, daß die Beschäftigungs­aspekte im Widerspruch zu einer rechtzeitigen Einführung der Währungsunion stehen. Im Gegenteil! Er würde fürchten, daß eine Verschiebung massive Turbulenzen auf den Währungs­märkten mit sehr massiven negativen Auswirkungen für die Beschäftigung zur Folge hätte, und zwar gerade auch für Hartwährungsländer wie Österreich, sodaß auch aus Beschäftigungsgrün­den jedes Interesse an einem rechtzeitigen Inkrafttreten der Währungsunion bestehen müsse.

Hinsichtlich der Zielsetzungen zur Beschäftigung, die, wie es aussieht, in den Vertrag aufgenom­men werden, stelle sich die Frage, wie sie ihre institutionelle Entsprechung, ihre institutionelle Ausgestaltung finden.

Ein begrüßenswerter Ansatz sei das stärkere Zusammenspannen der Finanzminister und der Sozialminister.

Ein weiterer wichtiger Bereich werde sicherlich der Zusammenhang zwischen Wirtschaftspolitik und Währungspolitik auf der institutionellen Seite sein. Da es sich eben um eine Wirtschafts- und Währungsunion handle, wäre es sehr wichtig, auch die künftige Europäische Zentralbank in einen entsprechenden wirtschaftlichen Dialog einzubringen. Es gibt Vorschläge hierzu, und Abgeordneter Dr. Nowotny wäre dankbar, wenn der Herr Bundeskanzler über den Stand der Diskussion berichten könnte.

Wichtig in diesem Zusammenhang sei auch die finanzpolitische Koordinierung, insbesondere im Bereich der Steuerpolitik. Aus dem heute vorliegenden und zur Diskussion stehenden Jahres­wirtschaftsbericht 1997 der EU-Kommission gehe – Seite 67, Bild 22 – eindrucksvoll hervor, wie sich im Laufe der letzten zehn Jahre die Steuern auf den Faktor Arbeit erhöht haben, während die Steuern auf den Faktor Kapital massiv zurückgegangen sind. – Frage: In welcher Weise kann dieser Punkt aufgenommen werden?

Die Beschäftigung werde natürlich auch durch die Osterweiterung berührt, und es sei die Frage, ob das in einem systematischen Zusammenhang gesehen werde. Die Osterweiterung dürfe nämlich nicht primär nur unter politischen Aspekten – so begrüßenswert diese sind – gesehen werden, denn sie habe natürlich massive beschäftigungspolitische Implikationen, die sicherlich auch verlangen, entsprechend lange Übergangsfristen zu vereinbaren. – Gibt es diese Zusam­menhänge im Verhandlungsprozeß? Wie kann sich Österreich da einbringen?

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) bezeichnet die Ausführungen des Bundes­kanzlers zum Kapitel Beschäftigung als interessant, vor allem im Hinblick auf die Beschäfti­gungsberichte auf nationaler Ebene, die dann an den Rat gehen und dort in einem Beschäfti­gungsausschuß weiter behandelt werden. Was ihr dabei fehle, sei allerdings ein Sanktionsme­chanismus, wie ihn die Grünen bereits moniert hätten und wie ihn auch das Sozialministerium – durchaus zu Recht – gefordert habe.

Bezug nehmend auf den Bundesparteitag der Sozialdemokratischen Partei weist die Rednerin auf einen dort von den Gewerkschaftern eingebrachten Antrag hin, der signifikant dafür sei, daß europaweit nun ArbeitnehmerInnenvertreter und Gewerkschafter verstärkt über die Auswirkun­gen der Konvergenzkriterien zur Wirtschafts- und Währungsunion auf den Beschäftigungssektor nachzudenken beginnen.

Ein Punkt in diesem Antrag betraf die Vollbeschäftigung, darüber hinaus wurde darin verlangt, daß das Kriterium der Beschäftigung zu den bereits bestehenden Konvergenzkriterien der Wirt­schafts- und Währungsunion Aufnahme finden soll. Auch wenn dieser Passus nicht beschlossen wurde, würde Abgeordnete Kammerlander die Haltung des Bundeskanzlers hierzu interessieren. Es sei erfreulich, daß dieses von den Grünen schon des öfteren deponierte Anliegen nun sozu­sagen auch eine breite Unterstützung und Solidarität von seiten der Gewerkschaft erfahre.

Der dritte Punkt in diesem Antrag betraf den EU-Stabilitätspakt und sah vor, über die Festschrei­bung der Konvergenzkriterien hinausgehend, die Beschäftigungserhöhung als Kriterium aufzu­nehmen.

Bevor Abgeordnete Kammerlander das formell als Antrag einbringt, würde sie zunächst die Stel­lungnahme des Bundeskanzlers dazu interessieren.

Obmann Dr. Heinz Fischer gibt – wiewohl rein formal Parteitagsbeschlüsse kein Gegenstand von Diskussionen im Hauptausschuß sind – hierzu die Auskunft, daß nicht der Parteitag diesen Antrag abgelehnt habe, sondern daß im Einvernehmen mit den Antragstellern schon in der An­tragsprüfungskommission eine neue Formulierung gesucht und diese dann einstimmig be­schlossen worden sei.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum) zeigt sich namens seiner Fraktion erfreut darüber, daß sich in puncto Aufnahme einer Zielbestimmung zur Beschäftigung in der EU nun endlich etwas in eine vernünftige Richtung bewege. Die Frage sei nur, ob nicht teilweise auf der operativen Ebene Unvergleichbares verglichen würde.

Wenn man im Bereich von Beschäftigungspolitik und Sanktionen vor dem Problem stehe, Krite­rien so zu definieren, daß sie auch sanktionstauglich sind – an sich schon eine sehr anspruchs­volle Sache –, müßte man zu objektivierten Kennzahlen kommen, die noch dazu ohne Unter­schied der Regionen stimmig sein müßten. Es müßte darauf hinauslaufen, daß die relativen Veränderungen sehr stark im Vordergrund stehen, was zu einer außerordentlichen Unübersicht­lichkeit der Kriterien führen würde. Zudem müßte auch das Tempo der Entwicklung ein Kriterium sein.

Daher liege das eigentliche Problem in der tatsächlichen Bereitschaft der einzelnen Länder, das auch zu tun, und man werde sie durchaus an ihrer Bereitschaft, an anspruchsvollen Zieldefi­nitionen mitzuwirken, messen können.

Die operative Seite, die ohnedies bei den Mitgliedsländern bleiben soll, sei aber in Wirklichkeit nicht der springende Punkt, denn sich zu gemeinsamen Zielen zu bekennen, sei zwar erfreulich, genüge aber für sich allein nicht. Daher komme es sehr auf die inneren Kriteriensetzungen, die Abgrenzungen zwischen den regionalen Differenzierungen an, damit man überhaupt erkennen könne, welche Versäumnisse möglicherweise sanktionstauglich sein könnten.

Abgeordneter Nußbaumer habe beklagt, daß sich, wenn man so etwas tue, möglicherweise Kompetenzen in Richtung Brüssel bewegen. Das sei richtig, doch das sei eben eine zwingende Konsequenz von Koordinierung und Harmonisierung. Es werde darauf ankommen, zuzugeben, wieweit man bereit ist, sich zu koordinieren und daher den Alleinvertretungsanspruch für eine Fragestellung aufzugeben oder nicht.

Bundeskanzler Mag. Klima möge daher die Position der Bundesregierung zum Abdriften von Kompetenzen nennen. Nach Meinung des Abgeordneten Dr. Kier sei dies eine notwendige Sache und keine böse.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima bekräftigt, daß Österreich weiterhin sehr engagiert für eine klare Festlegung der Zielbestimmung „Vollbeschäftigung“ eintreten werde. Beim letzten Treffen der Außenminister im April dieses Jahres in Noordwijk habe Österreich aber nicht viele Unter­stützer für diese Position gefunden, weil man davon ausgehe, daß Vollbeschäftigung als Termi­nus in jedem Land auch wieder unterschiedlich von der Zahl her definiert sei. Aus heutiger Sicht seien die Realisierungschancen, das Wort „Vollbeschäftigung“ anstelle der Bezeichnung „hohes Beschäftigungsniveau“ in den Vertrag zu bekommen, als eher gering einzustufen.

Man dürfe aber nicht verkennen, daß es erstens schon ein großer Erfolg sei, überhaupt ein Beschäftigungskapitel in den Vertrag zu bekommen, zweitens sei keines der Länder daran gehindert, die Formulierung „hohes Beschäftigungsniveau“ im Sinne von „Vollbeschäftigung“ zu verstehen

Zum Abgeordneten Dr. Höchtl: Unbestritten sei, daß sich Österreichs, aber auch Europas Volks­wirtschaft die Wettbewerbsfähigkeit im globalen Wettbewerb erhalten müsse, denn sie sei ein Instrument, um eben das Ziel hohe Beschäftigung beziehungsweise Vollbeschäftigung zu errei­chen. Wettbewerbsfähigkeit könne aber nicht erreicht werden, indem man sich auf eine Senkung des Lohnniveaus einlasse – Ungarn etwa hat 20 Prozent des österreichischen Lohn­niveaus, die Ukraine hat 10 Prozent des ungarischen Lohnniveaus –, sondern es gehe darum, die Wettbewerbsfähigkeit in der Entwicklung intelligenterer Produkte, in der Entwicklung von Technologie und auch im Bereich der Anwendungen der Informationsgesellschaft zu stärken.

Zur Frage des Abgeordneten Dr. Nußbaumer zeigt sich Bundeskanzler Mag. Klima überzeugt davon, daß eine starke gemeinsame europäische Währung ein wesentlicher Beitrag zur Errei­chung des Zieles der Vollbeschäftigung sei. Er könne nicht verstehen, wie das als Widerspruch gesehen werden könne, denn genau diese gemeinsame europäische Währung gebe erst die Chance, im internationalen Wettbewerb die Größe des Marktes, die Größe des gemeinsamen währungspolitischen Raumes zu nutzen.

Ein finanzwirtschaftliches Paradoxon, wie es die Amerikaner zustande bringen – relativ niedriges Realzinsniveau trotz sogenannter weicher Währung –, könne man nur realisieren, wenn man einen in sich schon starken und kräftigen Heimmarkt für die Währung habe. Derzeit hätten die europäischen Währungen durch ihre Fraktionierung immer weniger Chancen im Wettbewerb zu Dollar und zu Yen, aber ein starker Euro, eine einheitliche Währung für einen 350-Millionen-Menschen-Markt, könne genau diese Chance bieten, eine exportorientierte starke Wettbewerbs­waffe zu sein, die auch intern eine stabile Lage mit einem vernünftigen Realzinsniveau schafft, sodaß Investitionen in die Wirtschaft begünstigt werden.

Darüber hinaus würde eine gemeinsame starke europäische Währung eine Chance bieten, wieder eine bessere Koordination und Harmonisierung der Währungspolitik zwischen den drei großen Leitwährungen der Welt – Euro, Dollar und Yen – zu realisieren, wodurch die Vergeu­dung von Kraft durch Milliardenspekulationen in produktive Investitionen des Kapitals gerichtet werden könnte.

Die Währungsunion sei daher – davon ist Bundeskanzler Mag. Klima überzeugt – kein Wider­spruch zum Beschäftigungskapitel, sondern sie werde im Gegenteil mittel- und langfristig ein treibender Motor in Richtung hoher Beschäftigung in Europa sein.

Was die Frage Stabilität betreffe, sei natürlich nicht nur die Erreichung von Zielkriterien zu einem bestimmten Zeitpunkt notwendig. Daher sei auf europäischer Ebene auch klargestellt worden, daß es für die Zukunft ein Stabilitätsprogramm zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union geben müsse. Ein Stabilitätsprogramm werde es für jene Staaten geben, die bereits Mit­glied der Währungsunion sind, genau das gleiche Programm – mit Ausnahme der Sanktionen – werde es jedoch unter dem Namen „Konvergenzprogramm“ für jene Staaten geben, die noch nicht Mitglied der Währungsunion sind, wodurch ein Auseinanderdriften der Staaten vermieden werden soll.

Hinsichtlich der Leitlinien sei es Absicht, diese eher allgemein zu fassen und die Durchführung bei den Mitgliedstaaten selbst zu belassen. Die Idee sei ja, die nationale Politik auf EU-Ebene – ähnlich einem wirtschaftspolitischen Überwachungsverfahren – nur zu koordinieren.

Bezüglich zusätzlicher Finanzmittel seien die meisten Staaten – nicht nur Österreich als Netto­zahler – davon überzeugt, daß es nicht vernünftig wäre, die nationalen Beiträge zu erhöhen und damit in Brüssel einen Geldtopf zu schaffen, der dann nach irgendwelchen Verfahren an die Mit­gliedstaaten verteilt werde. Es sei allerdings wichtig und auch eine der Reformen, die man sich vorgenommen habe, die vorhandenen Mittel, die mit 1,27 Prozent des Bruttoinlandsproduktes als Beitragsobergrenze limitiert seien, durch entsprechende Strukturveränderungen zielgerich­teter für beschäftigungspolitische Maßnahmen einzusetzen. Es sei im Rahmen der jeweiligen Haushaltsleitlinien und der jeweiligen Jahresbudgetentwürfe auch so vorgesehen, Einsparungs­mittel aus einzelnen Kapiteln für beschäftigungspolitische Fokussierung einzusetzen.

Darüber hinaus werden in Ergänzung zu den nationalen Maßnahmen auch auf europäischer Ebene Maßnahmen, die die Beschäftigung in Europa erhöhen, möglich und notwendig sein, und eine dieser Maßnahmen sei die Harmonisierung der Steuersysteme.

Alle Finanzminister seien in der unangenehmen Situation, zur Finanzierung des Staatshaushal­tes das Schwergewicht zunehmend auf indirekte Steuern, zunehmend auf die Besteuerung der immobilen Faktoren zu legen – also auf jene, die sich nicht wehren können –, weil es im Be­reich der Besteuerung von mobilen Faktoren diese Spirale des Wettbewerbs gibt.

Kommissar Monti habe den Auftrag erhalten, Vorarbeiten in Richtung Harmonisierung der Steuersysteme durchzuführen. Dabei gehe es nicht um Gleichmacherei, nicht um das Fest­schreiben identischer Steuersätze, wohl aber um die Fixierung von Mindeststeuersätzen, wie sie zum Teil schon existierten, und auch um das Durchforsten der Steuern und das allfällige Strei­chen von Steuerausnahmen und Steuerprivilegien.

Ebenso wichtig sei es aber, auch die Steuerermittlungsverfahren zu harmonisieren und nicht nur die Sätze. Allein schon im Hinblick auf das Ziel, einmal zu der Rechtsform einer europäischen Aktiengesellschaft zu gelangen, müsse es vergleichbare harmonisierte Rechnungslegungsvor­schriften geben.

Ein weiterer Punkt sei eine gemeinsame europäische Initiative zur Entlastung der Lohnkosten, indem man das Steuersystem systematisch in eine Richtung lenke, die sich am Ressourcen­verbrauch orientiere, und zwar auf einem Niveau, mit dem tatsächlich vermieden werden könne, daß international Länder sich im Wettbewerb gegeneinander ausspielen.

Neben der Harmonisierung der Steuerpolitik geht es aber auch um eine Harmonisierung der Technologiepolitik. Europa als Wirtschaftsraum läuft Gefahr, in der Wertschöpfung der Informa­tionsgesellschaft zurückzubleiben. Die Hardware wird aus Südostasien, die Anwendungen wer­den aus den USA kommen, wenn man nicht rasch zu einer gemeinsam formulierten europäi­schen Innovations- und Technologiepolitik auf diesem Sektor komme. Das sei die einzige Chance. Kleine fraktionierte nationale Märkte hätten in diesem globalen Geschäft der Informa­tionsgesellschaft, in dem künftig zweistellige Prozentzahlen an Beschäftigten zu finden sein wer­den, keinerlei Erfolgsaussichten

Europa habe darüber hinaus natürlich auch die Möglichkeit – darum bemühe sich Minister Farnleitner sehr engagiert –, seinen gemeinsamen 350-Millionen-Menschen-Markt als entspre­chendes Druckmittel bei Exporten auf Drittmärkten einzusetzen, wie dies durchaus auch die Amerikaner tun.

Es gehe also nicht darum, aus Brüssel genaue Vorschriften zu bekommen, was der einzelne Staat machen soll, sondern es gehe um die Formulierung von Leitlinien. Außerdem dürfe man nicht auf die Verpflichtung vergessen, gemeinsam die europäische Infrastruktur weiter, und zwar stark auszubauen – Stichwort: TEN.

Die Diskussion im letzten halben Jahr habe sich nur auf einen sehr geringen Teil der Mittel, die für die TEN ausgegeben werden, fokussiert. Es handelte sich hierbei nur um eine Umschichtung von einer Rubrik in die andere, in Wirklichkeit würden hierfür aus den normalen Haushalts­mitteln, aus den Mitteln der EBRD, aus den Mitteln der EIB Milliarden ausgegeben. Das sei sehr wichtig, und zwar nicht nur für den bestehenden Gemeinsamen Markt, sondern auch im Hinblick auf die notwendige Vorbereitung der Erweiterung der Europäischen Union. Das sei auch der Grund, warum man für eine Schwerpunktbildung der Kreditvergaben der Europäischen Investi­tionsbank nicht in Südamerika, sondern natürlich in Osteuropa und in Südosteuropa eintrete.

Abgeordneten Nußbaumer gegenüber betont Bundeskanzler Mag. Klima, daß er nicht für eine Verschiebung der Währungsunion auf einen Zeitpunkt nach dem 1. Jänner 1999 sei, weil damit seiner Überzeugung nach dieses wichtige wirtschafts-, aber auch integrationspolitische Projekt in Europa auf lange Zeit verschoben oder vernichtet wäre. Die Mitgliedstaaten – auch Österreich – hätten sich dazu verpflichtet, wenn die Kriterien erfüllt sind, diese gemeinsame Währungs­union zum 1. Jänner 1999 tatsächlich in Kraft treten zu lassen. Nur zwei Länder, nämlich Däne­mark und Großbritannien, hätten ein Opting out.

Bundeskanzler Mag. Klima tritt auch nicht dafür ein, die Kriterien aufzuweichen, und dies sei auch nicht nötig. Wenn man sich den Text des Vertrages ansehe, dann wisse man, daß dieser es ermögliche, daß die Regierungschefs im Frühjahr 1998 keine mathematische, sondern eine weise Entscheidung treffen.

Hinsichtlich der Osterweiterung sei natürlich – da habe Abgeordneter Dr. Nowotny völlig recht – auch ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Beschäftigungspolitik gegeben. Dieser werde sich seiner Überzeugung nach mittel- und langfristig als sehr positiv erweisen, denn die Entwick­lung des Lebensstandards, des Wohlstandsniveaus in einem größeren Europa werde auch für die Staaten der Europäischen Union zusätzliche Wachstumschancen und zusätzliche Beschäfti­gung bringen. Dennoch müsse man bei den Beitrittsverhandlungen genau für die sensiblen Sektoren wie Dienstleistungsfreiheit, Personenfreiheit auf dem Arbeitsmarkt Übergangsfristen, Übergangsperioden festlegen, bis entsprechende Standards auch in den beitrittswilligen Län­dern erreicht seien, sodaß es zu keinen unerwünschten Migrationsbewegungen komme, die einen zusätzlichen Druck auf den österreichischen Arbeitsmarkt bringen könnten.

Die Erläuterungen über die Formulierung zum Parteitagsantrag habe Frau Abgeordnete Kammerlander bereits von Herrn Präsidenten Dr. Fischer erhalten. Es sei sehr wichtig, sich im Beschäftigungsziel zu dieser Vollbeschäftigung, zu dieser hohen Beschäftigung zu bekennen, es sei aber sehr schwierig, eine tatsächliche Zielzahl zu formulieren. Wenn man nach der Methode vorgehe, wie andere Kriterien definiert wurden, müsse man Durchschnittszahlen nehmen, und eine 10prozentige Arbeitslosigkeit – das sei der Durchschnitt im Jahr 1992 oder 1993 gewesen – könne doch niemand als Ziel formulieren wollen.

Insbesondere für Österreich sei es daher wichtig, die Verpflichtung jedes einzelnen Landes fest­zuhalten, in Richtung hoher Beschäftigungsstandard, in Richtung Vollbeschäftigung zu gehen. Es seien konkrete Maßnahmen einzufordern, die diese Länder zu setzen haben, und diese Maß­nahmen seien einer gemeinsamen Analyse und Qualifizierung durch den Rat zu unterziehen.

Bundeskanzler Mag. Klima weiß, wie peinigend es – auch ohne Sanktionen – für Länder sei, wenn zum Beispiel Feststellungen und Empfehlungen des IWF, des Internationalen Währungs­fonds, oder der OECD und so weiter publiziert und veröffentlicht würden.

Daher: Nicht die Sanktionen im monetären Bereich – maximal 0,5 Prozentpunkte des BIP sind zu hinterlegen, und der Zinsverlust daraus ist dann die Strafe – seien einem Land, wenn etwas aus dem Ruder läuft, unangenehm, sondern es sei die gemeinsame klare und deutliche Veröf­fentlichung von Zielsetzungen beziehungsweise Zielverfehlungen, die die nationalen Regierun­gen dazu bringe, diese Zielsetzungen auch einzuhalten.

Bundeskanzler Mag. Klima hält es für sehr wichtig – Österreich könne schon auch ein bißchen stolz darauf sein, das erreicht zu haben –, daß es einen jährlichen Beschäftigungsbericht der Mitgliedstaaten geben wird müssen, daß es eine Überprüfung durch den Rat geben wird und daß Empfehlungen und das klare Aufzeigen, wenn Mitgliedstaaten davon abweichen, öffentlich entsprechend abgehandelt werden. Seiner Überzeugung nach werde das – gemeinsam mit den schon genannten technischen und organisatorischen Verbesserungen – ein geeignetes Instru­ment sein.

Es gebe also – dies an Abgeordneten Dr. Kier – ein Maßnahmenbündel, das es erlaube, ge­meinsam das Ziel der Vollbeschäftigung auf der Ebene der Europäischen Union anzugehen. Es sei nicht zielführend, daß drei Superweise feststellen, was das Gescheiteste für jedes Land sei, und dann mit einer Richtlinie verordnen, was in jedem Land getan werden müsse, wohl aber solle man genau dieses Monitoring, dieses Überwachen, das Einfordern von Maßnahmen zu einem wichtigen Punkt machen.

In diesem Sinne sei die Ergänzung nationaler Maßnahmen durch internationale gemeinsam mit diesem erreichten Ziel, ein Beschäftigungskapitel in dem Vertrag zu haben, doch eine Chance, daß sich Europa dazu bekennt, beschäftigungspolitische Zielsetzungen gleichwertig zu sehen wie fiskalpolitische und stabilitätspolitische Zielsetzungen.

Obmann Dr. Heinz Fischer bedankt sich erstens sehr herzlich beim Herrn Bundeskanzler für dessen Stellungnahme, begrüßt zweitens den Herrn Vizekanzler herzlich und gibt drittens be­kannt, daß ihm nun zwei Anträge der grünen Fraktion vorliegen, und zwar ein Antrag, daß Be­schäftigung zu einem Konvergenzkriterium der Wirtschafts- und Währungsunion werden soll, und ein zweiter, daß die Informationsaktivitäten aller einschlägigen Institutionen im Zusammen­hang mit der Wirtschafts- und Währungsunion strengsten Kriterien der Objektivität und Ausge­wogenheit unterliegen müßten.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) meint zum scheidenden Bundeskanzler ge­wendet, daß sie nicht den Eindruck habe, daß eine Veröffentlichung durch die OECD oder durch den Rat oder die Diskussion über die Empfehlungen in der Öffentlichkeit den einzelnen Länder so unangenehm seien, daß das allein schon Sanktionsmechanismus genug wäre.

Froh sei sie darüber, daß es eine Gleichwertigkeit der Beschäftigung mit den Kriterien der Wirt­schafts- und Währungsunion geben soll, nur sehe sie diese genau dann nicht gegeben, wenn es keine Sanktionsmechanismen gebe. Auch die Erklärung des Sozialministeriums gehe voll in diese Richtung. (Obmannstellvertreter Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Vizekanzler und Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Wolfgang Schüssel teilt einleitend mit, daß es zur Außen- und Sicherheitspolitik seit dem letzten Hauptausschuß eine Runde gegeben habe, bei der es vor allem um die Frage des irischen Papiers versus einer Initiative von Frankreich und Deutschland über den GASP-Entscheidungsmechanismus ging.

Die Franzosen vertreten gemeinsam mit den Deutschen das sogenannte Strategiemodell, wo­nach grundsätzlich weiterhin die Einstimmigkeit auch im nichtmilitärischen Bereich gilt – im mili­tärischen Bereich ist dies ja auch für die Zukunft völlig unbestritten. Wenn allerdings von seiten der Außenminister der Wunsch gegeben ist, an den Europäischen Rat heranzutreten, eine ganz bestimmte Strategie zu entwickeln, dann soll der Europäische Rat dies tun können. Er soll mit Einstimmigkeit eine gemeinsame Strategie beschließen, die dann in der Implementie­rung vom Rat mit Mehrheit verabschiedet werden kann, wobei es in jedem Fall die Möglichkeit einer konstruktiven Enthaltung geben soll.

Strittig dabei ist – auch zwischen den Deutschen und Franzosen –, ob der Rat der Außenmi­nister an den Europäischen Rat mit Einstimmigkeit herantreten können soll oder auch schon mit Mehrstimmigkeit. Dieser Punkt sei offengeblieben. Logischerweise sollten die Außenminister so etwas mit Mehrheit entscheiden können, denn es sei davon auszugehen, daß es sich um einen Streitpunkt handelt, und die endgültige Entscheidung muß dann sowieso mit Einstimmigkeit im Europäischen Rat getroffen werden.

Es ist dies ein sehr kompliziertes Modell, gegen das sich Vizekanzler Dr. Schüssel kritisch aus­gesprochen hat, wenngleich er prinzipiell Offenheit signalisiert habe.

Der irische Vertragsentwurf, das zweite Modell, das in Dublin vorgelegt wurde, würde vorsehen, daß es immer einstimmige Beschlüsse über gemeinsame Aktionen und militärische Fragen gibt, sonst grundsätzlich Mehrheitsentscheidungen, allerdings mit einer Vetomöglichkeit aus Gründen der nationalen Politik. Die konstruktive Enthaltung wäre in beiden Fällen möglich.

Obwohl dieses Modell relativ ähnlich klinge, bestehe insofern ein gewaltiger Unterschied, als damit die Verantwortung schon auch dem Mitgliedstaat zugeschoben wird, der eine solche Veto­möglichkeit in Anspruch nehmen will. Dieses Modell ist nach Ansicht des Außenministers das ehrlichere und wahrscheinlich auch das, das einen Konflikt eher entschärfen kann als das erste Modell, bei dem man vermutlich schon technisch unendlich viele Streitereien haben werde.

Die Mehrheit der Mitgliedstaaten – auch Österreich – habe eine klare Präferenz für das irische Modell zum Ausdruck gebracht, das Strategiemodell werde eigentlich nur von Frankreich, Deutschland und Italien unterstützt, es gebe aber noch keinen Konsens und auch noch keine Entscheidung.

Sodann berichtet Vizekanzler Dr. Schüssel über den zweiten Teil der französisch-deutschen Initiative, eine Verschmelzung von EU und Westeuropäischer Union in drei Etappen vorzusehen.

Die erste Stufe sei eigentlich der Status quo mit einer etwas besseren Abstimmung der Bürokra­tie in der Westeuropäischen Union mit der EU und der Planungszelle.

Die zweite Stufe wäre dann nach einer bestimmten Zahl von Jahren die Einbindung der Peters­berg-Aufgaben in den Europäischen Vertrag, wobei nicht einsichtig ist, warum man eine Über­gangszeit von ein paar Jahren brauche, das könnte man eigentlich sofort machen, denn da gebe es durchaus Konsensmöglichkeit.

In einer dritten Stufe würde dann die völlige Verschmelzung – auch mit Integrierung des Sekre­tariats et cetera – erfolgen. Das wurde jedoch überhaupt noch nicht diskutiert, sondern darüber werde wahrscheinlich nächste Woche geredet werden.

Einschätzung des Außenministers: Persönlich glaube er, daß das Modell interessant sei, weil es gerade auch für die nicht alliierten Länder durch die Opting out-Möglichkeit und ein Beilagen­protokoll, in das man sich dann eintragen könne oder nicht, die Möglichkeit einer sehr flexiblen Teilnahme biete. Andererseits meint er, daß das Modell sowieso nicht konsensfähig sein werde, weil die Briten es auf alle Fälle ablehnen werden.

Seine Stellungnahme hiezu könnte in etwa so aussehen: prinzipiell positiv wegen der großen Flexibilität, offen für eine Diskussion. Da die Briten das aus sehr grundsätzlichen Überlegungen nicht haben wollen und damit das Ganze verschoben werden wird, würde Vizekanzler Dr. Schüssel allerdings sehr dafür plädieren, die Petersberger Aufgaben gleich in den Europäischen Vertrag mit aufzunehmen.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (FPÖ) führt aus, daß die Ergebnisse des ECOFIN von Noordwijk wesentliche Vereinbarungen für einen Stabilitäts- und Wachstumspakt gebracht hätten. Es gebe Einvernehmen darüber, daß der Stabilitäts- und Wachstumspakt nun sehr strikt auszulegen und durchzuführen sei, was im Widerspruch zu dem vom Bundeskanzler geschilder­ten Vorhaben im Beschäftigungskapitel stehe. Vor allem schränkten die vorliegenden Texte die Spielräume deutlich ein und es entstehe so etwas wie ein automatischer Mechanismus.

Frage daher: Teilt Vizekanzler Dr. Schüssel diese Beurteilung? Wenn nein, warum nicht?

Des weiteren urgieren die Oppositionsparteien noch immer das Addendum zu Dublin II. – Wann ist damit zu rechnen?

Aufgrund der letzten Hauptausschußsitzung, in der die Freizügigkeit im Bereich Drittstaatenan­gehöriger angesprochen wurde, ist diese Frage dankenswerterweise bereits im nächsten Außenministerrat artikuliert worden. – Wie stehen die anderen Mitgliedstaaten dazu? Soll es hier zu einer Vergemeinschaftung kommen oder nicht?

Eine letzte Frage: Wie ist die tatsächliche Position von Vizekanzler Dr. Schüssel betreffend doppelte Mehrheit? Dazu gibt es offensichtlich unterschiedliche Aussagen seinerseits im Haupt­ausschuß und im Ministerrat.

Abgeordneter zum Europäischen Parlament Dr. Hannes Swoboda (SPÖ) hält vom Grund­satz her die Frage EU und WEU für einen sehr interessanten Ansatz. Wieweit wurde in diesem Zusammenhang mit anderen Staaten, insbesondere mit den paktungebundenen Staaten – also Schweden und Finnland –, eine gemeinsame Linie, was generell die Frage der Kooperation, des Zusammenführens oder des Abstimmens anlangt, gefunden? Inwieweit ist diesbezüglich eine gemeinsame Linie vertretbar?

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) hat eine Depesche vom Protokoll des letzten Außenministertreffens vorliegen und ersieht daraus mit Verwunderung den Widerspruch in der – auch im Hauptausschuß vorgebrachten – hohen Meinung des Außenministers zum Niveau der niederländischen Vorschläge, während Bundeskanzler Klima in seiner Stellungnahme soeben noch einmal auf das hohe Niveau der irischen Vorschläge verwiesen habe.

Vizekanzler Dr. Schüssel habe zur Außen- und Sicherheitspolitik ausgeführt, daß er sich auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik die Einbeziehung insbesondere der Petersberger Aufgaben in den EU-Vertrag vorstellen könne, was nach Meinung der Grünen nicht mit der Neutralität verein­bar sei, weil darin nebst den humanitären Aufgaben auch Interventionen mit Einsatz von Waffen vorgesehen seien. Dennoch habe der Außenminister dem zugestimmt und das auch hier so berichtet.

Darüber hinaus hätten sich Länder wie zum Beispiel Irland, Dänemark, Schweden oder Finnland bei diesem Ministertreffen äußerst skeptisch über den Vorschlag der Integration der WEU in die EU geäußert. Das sei deswegen interessant, weil Schweden auch ein neutrales Land ist. Aus den Ausführungen ging nicht klar hervor, welche Position Österreich nun tatsächlich vertreten habe.

Zuletzt noch eine Frage zur Flexibilität, mit deren Grundkonzept der Außenminister einverstan­den sei. Beim letzten Hauptausschuß habe man sehr ausführlich über diese Position im nieder­ländischen Papier diskutiert, und auch wenn der Antrag der Grünen abgelehnt worden sei, sei weder bei der ÖVP noch bei der SPÖ ein Enthusiasmus oder ein Ausmaß an Unterstützung zu bemerken gewesen, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, sich bei einem Außenminister­treffen mit dem Grundkonzept einverstanden zu erklären. Da sei ein Widerspruch zwischen den Diskussionen im Haus und der Haltung des Vizekanzlers bei diesem Außenministerratstreffen zu sehen.

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum) stellt zunächst die Frage, ob der Sanktionsmechanismus, an den bei der Beschäftigungspolitik gedacht sei, sich eher an den Empfehlungen, die mit Mehrheit gefunden werden, oder an den – doch sehr allgemein ge­haltenen – Richtlinien orientiere.

Im Zusammenhang mit einem möglichen Förderungsinstrumentarium in Richtung Beschäfti­gungspolitik stehe auch die dringend erforderliche Reform der EU-Fonds. – Ist darüber schon debattiert worden?

Zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik hält Abgeordneter Dr. Frischenschlager alle Schritte, die in Richtung Verknüpfung oder Verschränkung EU und Westeuropäischer Union thematisiert werden, für eine sehr positive Entwicklung. In diesem Zusammenhang tue sich aber auch die NATO-Frage auf, denn da müsse es doch auch NATO-Schnittstellen geben. – Ist das debattiert worden?

Nächste Frage in diesem Zusammenhang: Wie ist die Position des Außenministers dazu, und wie weit sind Verhandlungen im Hinblick auf institutionelle Konsequenzen gediehen?

Eine Frage im Zusammenhang mit all den Mehrheits- und Einstimmigkeitsproblematiken: Ist beim Opting out eine finanzielle Mitwirkungspflicht der Opting-out-user vorgesehen oder bleiben diese aus der finanziellen Verpflichtung draußen?

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP) interessiert angesichts der Diskussionen in Noordwijk die österreichische Haltung zur Aufwertung des Ausschusses der Regionen.

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (FPÖ) verweist darauf , daß Bundeskanzler Klima keinen Widerspruch in der Einfügung des Beschäftigungskapitels bei gleichzeitiger Einhaltung des Termins für die Einführung der WWU gesehen habe. Es stelle sich daher die Frage, warum die Europäische Volkspartei so vehement gegen diese Einfügung aufgestanden sei und bei dem entsprechenden Antrag im Europäischen Parlament nicht mitgestimmt habe. Wie beurteilt in diesem Zusammenhang Vizekanzler Dr. Schüssel die großen Bedenken, die der Chef der fünf Weisen in Deutschland immer wieder zur Verschiebung der Wirtschafts- und Währungsunion äußert?

Am 14. und 15. April sei der niederländische Finanzminister Zalm als Vorsitzender des ECOFIN-Rates zu einer Anhörung im Europäischen Parlament erschienen und habe zum Finanzminister­treffen in Noordwijk referiert. Er habe zwar sogleich betont, daß in Noordwijk keine formellen Be­schlüsse gefaßt worden seien, dennoch kam es zur Diskussion, weil es massive Unterschiede zwischen den ursprünglich vorgesehenen Verordnungen und dem jetzt vorliegenden Stabilitäts- und Wachstumspakt gibt, wobei als fraglich angesehen wurde, ob es sich dabei um weiterge­hende Maßnahmen handle, als sie derzeit im Vertrag von Maastricht vorgesehen sind.

Fragen dazu: Welche rechtlichen Qualitäten haben Beschlüsse des Europäischen Rates, insbe­sondere dann, wenn dieser ein informeller ist? Inwieweit ist der jetzt vorliegende Text Teil der ersten Lesung? Inwieweit verändert das jetzt vorliegende Gesamtpaket der vorliegenden drei Texte den Vertrag von Maastricht? Herrscht nicht in der Bundesregierung die Ansicht vor, daß anderen als im Maastrichter Vertrag vereinbarten Inhalten die österreichische Bevölkerung zustimmen müßte? Wäre demgemäß über die geänderten Punkte nicht eine neuerliche Volks­abstimmung vonnöten? Nach Ansicht der Freiheitlichen wäre eine solche Volksabstimmung bei Veränderung der Verträge notwendig.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (FPÖ) meint, wenn man die englischen Fernsehpro­gramme beobachte, könne man davon ausgehen, daß Großbritannien einer Wirtschafts- und Währungsunion in den nächsten sechs Jahren – so verkündeten es zumindest die beiden größten Parteien im derzeit stattfindenden Wahlkampf – mit Sicherheit nicht zustimmen werde. (Obmann Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Welche Auswirkungen hat das auf das wichtigste Argument, nämlich den Gemeinsamen Markt der 360 Millionen? Welche Szenarien hat man sich überlegt, um dieser politischen Entwicklung in Großbritannien Rechnung zu tragen?

Aus dem Bericht 1997, 22973/EU, gehe hervor, daß Österreich bei allen Maßnahmen hinsicht­lich Beschäftigungssituation derzeit Schlußlicht sei, woran die mangelnde Technologie- und Forschungsförderung einen maßgeblichen Anteil habe.

Welche Maßnahmen sollen hier getroffen werden? Der Bundeskanzler habe in der ersten Anfra­gerunde schon einiges ausgeführt, es sei aber auch interessant, zu erfahren, welche verstärkten Maßnahmen aus der Sicht des Vizekanzlers noch zusätzlich zu erwarten seien.

Vizekanzler und Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Wolfgang Schüssel sieht zur Frage Einfügung eines Beschäftigungskapitels versus Euro-Einführung nicht nur keinen Widerspruch zwischen Euro und einer aktiven Beschäftigungspolitik, er hält vielmehr die Einführung einer europäischen Gemeinschaftswährung für ein ganz wichtiges Wettbewerbs- und Standortvorteilsargument für Europa und damit natürlich auch für eines, das die Arbeitsplätze vor allem in jenen Ländern, die einen hohen Exportanteil an Gütern und Dienstleistungen, wie etwa Tourismus, haben, absolut stärkt.

Vermutlich im April 1998 werde die Entscheidung darüber gefallen sein, wer letztlich in der ersten Runde teilnehmen wird. Bis dahin werde es noch leidenschaftliche und schwierige Dis­kussionen geben, was auch verständlich sei, handle es sich doch um ein Jahrhundertprojekt und jenes wichtigste Schlußstück im Binnenmarkt, das diesen eigentlich erst zu einem umfas­senden mache. Noch besser sei es, wenn man auch das Sozialkapitel integriere und wirklich alle daran teilnehmen lasse.

In einer ehrlichen Diskussion ohne Tabus sollte man den Gegnern des Euro die negativen Aus­wirkungen einer Verschiebung der Währungsunion oder eines Scheiterns des Euro-Projekts vor Augen führen. Es käme unweigerlich zu dramatischen Aufwertungseffekten gerade für die Hart­währungsländer. Die negativen Beschäftigungseffekte, die das hätte, könne man sich leicht aus­malen, und das müsse gerade auch Abgeordneter Nußbaumer, der aus der Industrie komme, richtig zu werten wissen.

Natürlich gebe es – wie bei jedem Riesenprojekt – Gewinner und Verlierer, positive und auch negative Aspekte, Kostenentlastungen und Kostenbelastungen, Strukturänderungen, die Öster­reich zu schaffen machen werden, aber alles in allem überwiegen die positiven Aspekte bei dieser Einführung des Euro – und zwar zum geplanten Zeitpunkt.

Nach einer vorläufigen Einschätzung werden im Jahr 1997 vermutlich zehn oder zwölf Länder die Kriterien erfüllen können, wobei zwei davon – Dänemark und Großbritannien – eine Opting-out-Möglichkeit in ihrem Vertrag ausgehandelt haben und diese zumindest in der ersten Phase auch in Anspruch nehmen werden.

Auffallend sei, daß bei allen politischen Widersprüchen, die natürlich in einer so heißen Wahl­schlacht wie der britischen derzeit auftreten, sich sowohl John Major als auch Tony Blair mit Zähnen und Klauen die Option, mitreden zu können, offenhalten wollen, weil sie befürchten, daß sie, sollten sie jetzt schon erklären, nicht teilnehmen zu wollen, dann tatsächlich draußen wären.

Nach Ansicht von Vizekanzler Dr. Schüssel werde das Projekt der Währungsunion, sobald es installiert sei, eine Sogwirkung entwickeln, die innerhalb kurzer Zeit auch die Opting-out-Länder mitreißen und die Akzeptanz und die Identität Binnenmarkt und Teilnehmerländer am Euro wesentlich stärken würde.

Den vom Abgeordneten Nußbaumer festgestellten Widerspruch zum Bundeskanzler sieht Vize­kanzler Dr. Schüssel nicht. Es gebe natürlich unterschiedliche ökonomische Meinungen, und in der Interpretation lasse der Vertrag von Maastricht auch gewisse Spielräume zu. Er werde je­doch beim Europäischen Rat nächstes Jahr in Großbritannien darum kämpfen, daß man die zulässigen Interpretationsspielräume ausnützt, denn es wäre ein Wahnsinn, würde man wegen einiger Zehntelprozentpunkte ein so großes und wichtiges Projekt in Frage stellen.

Was in Noordwijk und in folgenden Räten diskutiert werde, sei – abgesehen davon, daß es in der EU keine ersten, zweiten oder dritten Lesungen gebe – keine Neuinterpretation, keine Ände­rung des Vertrages, sondern die Ausführung der Beschlüsse von Maastricht. Daher erübrige sich klarerweise auch die Frage, ob man darüber eine neuerliche Volksabstimmung abhalten müsse.

Informelle Räte seien, wie schon der Name sagt, informell. Dort könnten gar keine Beschlüsse gefaßt werden. Man habe im Kreis der Minister darüber diskutiert, wie der Maastricht-Vertrag mit Leben und mit Realität ausgefüllt werden könne.

Das von Abgeordneten Schweitzer urgierte Addendum ist am 20. März erschienen und bereits am 21. März dem Parlament weitergegeben worden. Es sei nicht anzunehmen, daß ausge­rechnet der Freiheitliche Klub es nicht bekommen haben soll, aber es sei kein Problem, es noch einmal zuzuschicken.

Die Freizügigkeit wurde in Rom von den anderen Mitgliedstaaten nicht thematisiert, aber es sei bekannt, daß vor allem die kleineren Mitgliedstaaten das ganz ähnlich sehen wie Österreich. Vizekanzler Dr. Schüssel war der einzige, der dieses Thema offen angesprochen hat.

Zur doppelten Mehrheit habe er sicherlich keine unterschiedlichen Aussagen im Ausschuß oder im Ministerrat und in der EU getroffen. Er habe hier wie dort gesagt, die Österreicher sollten auch eine gewisse Flexibilität aufbringen. Die Prozentzahlen hinsichtlich der qualifizierten Mehr­heit hätten sich in der Geschichte der EU geändert, daher sei es durchaus auch für ein kleines Land einsehbar, daß man auch die Latte der Bevölkerungsmehrheit mit hineinnehmen sollte. Es gebe eine Diskussion, die in etwa 60 Prozent als die Mehrheitsmeinung ansieht. Er, Schüssel, könne sich auch 62 Prozent vorstellen, was dann auch von der Bevölkerungszahl her repräsen­tativ wäre. Das habe er hier gesagt, das habe er im Ministerrat gesagt, da könne man nicht von unterschiedlichen Aussagen sprechen.

Die Frage EU – Westeuropäische Union sei eine interessante Idee, die sicher kommen werde, wenn auch nicht in dieser Runde. Das habe der Vizekanzler auch ausdrücklich gesagt, er meine aber, daß mit dem Vorschlag, daß man sich hinsichtlich der heiklen Fragen wie Beistandsver­pflichtung in ein Protokoll eintragen könne oder auch nicht, ein sehr flexibles Instrument ge­schaffen werden könnte. Die Schweden und Finnen seien skeptisch, die Briten lehnen es über­haupt ab, aber aus ganz anderen, sehr grundsätzlichen Überzeugungen. Sie wollen bewußt nicht, daß EU und Westeuropäische Union zusammenwachsen, sondern sie wollen die Identität der Organisation der Westeuropäischen Union erhalten.

Offensichtlich habe jedes Land seine eigene Strategie, aber hinsichtlich der Petersberger Aufga­ben sei man durchaus einer Meinung, daß gerade im Sinne einer konstruktiven, konsequenten Friedenspolitik auch Peace enforcement, also Dienst mit der Waffe, lebensnotwendig sein könne, wie der Bosnien-Einsatz gezeigt habe, wo letztlich dieser Einsatz als einziger weiteres Blutvergießen verhindert. Gerade eine der Friedenspolitik zugewandte Partei wie die Grünen sollte dies zumindest auch in ihre Bewertung mit einschließen.

Darin sei kein Widerspruch zur Neutralität zu sehen, und man befinde sich damit auch mit den anderen allianzfreien Ländern – die meisten definierten sich heute ja nicht mehr als neutral, son­dern als allianzfrei; das sei ein gewisser sprachlicher Unterschied – durchaus im Einvernehmen.

Abgeordneter Frischenschlager habe die Frage NATO angeschnitten, und es sei logisch, daß auch eine Schnittstelle mit der NATO entstehen müßte. Dies sei bisher überhaupt noch nicht diskutiert worden, wie überhaupt die Europäischen Union hinsichtlich der NATO fast einen weißen Fleck habe. Es gebe de facto keinerlei institutionelle Verbindungen, keine regelmäßigen Kontakte, keine Vernetzungen. Vizekanzler Dr. Schüssel persönlich empfindet das absolut als Nachteil und meint, daß diese Frage, wenn man ein GASP-Sekretariat einrichte, thematisiert werden sollte.

Zur Frage der Institutionalisierung eines Mister, eines Monsieur oder einer Madame GASP herrsche nun Einvernehmen darüber, daß das kein ausgedienter oder aktiver Politiker, sondern ein Profi, ein Diplomat sein sollte, der auf dem Level eines kontinuierlich agierenden Generalse­kretärs angesiedelt sein und damit auch der Troika angehören sollte. Dieses Projekt scheine außer Streit zu stehen, und auch Kohl und Chirac scheinen vorige Woche über diese Frage Einvernehmen erzielt zu haben.

Abgeordnete Kammerlander unterliege einem Mißverständnis, wenn sie einen Meinungsunter­schied zwischen Klima und Vizekanzler Dr. Schüssel hinsichtlich des irischen Textes und des niederländischen Textes sehe. Die Iren hätten verschiedene Themen – etwa Institutionen – völlig ausgeklammert, andere hingegen – etwa Beschäftigung – schon sehr weit vorangetrie­ben. Daher verdienten sowohl die Iren als auch die Niederländer dort Lob, wo sie gut gearbeitet hätten.

Auch hinsichtlich der Flexibilität scheine ein Mißverständnis vorzuliegen. Große Skepsis habe Vizekanzler Dr. Schüssel hinsichtlich Flexibilität in der Ersten Säule, also beim Gemeinschafts­recht, geäußert. In der Zweiten Säule sei Flexibilität per definitionem – konstruktive Enthaltung beziehungsweise nationales Veto oder ähnliches – gut gelöst. Die Dritte Säule sei jener Fach­bereich – innere Sicherheit et cetera –, in dem die Flexibilität am intensivsten erprobt werden könne, dort könne man jederzeit über Dinge reden, die jetzt ausschließlich intergouvernemental geregelt sind.

Ob ein Land, das sich mittels konstruktiver Enthaltung aus einer Position heraushält, dennoch eine Finanzverpflichtung hat – eine Frage des Abgeordneten Frischenschlager –, ist nicht geklärt. Die österreichische Position hiezu: Nein, wir wollen nicht mitzahlen! Andere sicher auch nicht.

Zum Ausschuß der Regionen vertritt Österreich weitgehende Vorschläge – Klagerecht, bessere Anhörungsrechte –, stößt damit aber überwiegend auf Unverständnis. Unterstützt würden diese Vorschläge eigentlich nur von den Deutschen, ein bißchen von den Belgiern und sehr moderat von den Spaniern. Bessere Anhörungsrechte werde man bekommen, Klagerechte seien derzeit völlig ausgeschlossen.

Übrigens wurden auch andere Themen von Vizekanzler Dr. Schüssel in Rom sehr stark thema­tisiert, so etwa auch Tierschutz auf europäischer Ebene. Er könne noch keine Erfolgsmeldung erstatten, aber es gebe doch wachsendes Interesse.

Zur Situation Österreichs als Schlußlicht in der Technologie sei darauf hinzuweisen, daß über die zwei Technologie-Milliarden aufgeholt werden soll, wobei man hinzufügen müsse, daß die öffentliche Hand in Österreich viel macht, was Technologie und Forschungseinsatz betrifft. Ein bißchen mangle es am Mitfinanzieren der Privatwirtschaft, wobei vielleicht manches, was For­schungsaufwendung sei, nicht als solche deklariert werde, was natürlich in der internationalen Statistik nicht gerade hilfreich sei.

Obmann Dr. Heinz Fischer gelangt nun zur Abstimmungen über die beiden vorliegenden Anträge.

Der Antrag der Frau Abgeordneten Pollet-Kammerlander, der das Kriterium Beschäftigung zu den bestehenden Konvergenzkriterien hinzufügen möchte, erhält 8 Pro- und 12 Gegenstimmen und ist somit mehrheitlich abgelehnt.

Der zweite Antrag der Frau Abgeordneten Pollet-Kammerlander beschäftigt sich mit der Frage, daß bei allen Informationsaktivitäten strengste Kriterien der Objektivität und Ausgewogenheit eingehalten werden müssen. – Auch dieser Antrag findet keine Mehrheit.

Punkt 2

Beziehungen EU – Iran (16501/EU XX. GP)

Vizekanzler und Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Wolfgang Schüssel stellt zunächst kurz die Situation dar: Beim Gipfel der Europäischen Union in Edinburgh wurde im Jahr 1992 nach langer Diskussion der sogenannte Kritische Dialog mit dem Iran eröffnet. Dieser Kritische Dialog findet auf der Ebene der Troika immer wieder statt. Regelmäßig werden zwei- drei-, viermal im Jahr auf der Ebene der Troika – meistens einmal in Teheran, einmal in den Vorsitzländern beziehungsweise immer in New York – solche Gesprächsrunden abgeführt, wobei die verschiedenen Aspekte des Kritischen Dialogs – der Friedensprozeß im Nahen Osten, der Terrorismus, immer die Frage Salman Rushdie, die Frage der Menschenrechte, die Lage am Golf und verschiedene andere auch individuelle Fälle – erörtert werden.

Die letzten Gespräche haben am 2. April in Teheran, im Juni 1996 in Rom, im September 1996 in New York und am 29. November 1996 in Dublin stattgefunden.

Es seien einige Erfolge dieses Kritischen Dialogs zu verzeichnen. So hänge zum Beispiel die weitgehende Entspannung der Situation im Libanon sicherlich auch mit Ergebnissen dieses Dialogs zusammen. Die Frage Salman Rushdie wurde entschärft. Man stand schon knapp vor einem Notenwechsel zwischen der EU-Präsidentschaft und dem Iran, worin der Iran offiziell erklären sollte, die Fatwa, also das Todesurteil an Salman Rushdie, nicht exekutieren zu wollen. Die ganze Geschichte sei jedoch letztlich geplatzt.

Man habe auch bei individuellen Fällen helfen können – verschiedene Todesurteile seien nicht exekutiert worden –, und man habe vor allem in den letzten acht Monaten immer stärker das Schicksal der Baha’i thematisiert, die nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt werden und zum Teil Furchtbares mitmachen. Sie dürfen nicht in die Sekundarschulen, sie dürfen nicht an Universitäten studieren, sie wurden zum Teil auch physisch verfolgt, gefoltert und hingerichtet.

Es seien manche Verbesserungen gelungen, aber bei weitem nicht befriedigende, weshalb Vizekanzler Dr. Schüssel im Ministerrat schon einige Male gesagt habe, der Kritische Dialog mit dem Iran sei zu wenig kritisch und zu wenig Dialog.

Eine Krise in den Beziehungen der Europäischen Union mit dem Iran entstand durch das Urteil im „Mykonos“-Prozeß, das am 10. April 1997 verkündet wurde und in das zwar nicht namentlich, aber mit Nennung der Funktion de facto die gesamte iranische Staatsspitze involviert sei. Dabei seien Zeugen einvernommen und Dokumente vorgelegt worden, die mit Präzision eine unglaub­liche bürokratische Tötungsmaschine beschrieben haben.

Das Urteil sei formell noch nicht rechtskräftig. Österreich hätte auch noch keine Ausfertigung des Urteils und keine Beweiswürdigung im Detail. Die österreichischen Gerichte hätten das natürlich angefordert und es werde auch den österreichischen Untersuchungsbehörden zur Ver­fügung gestellt werden. (Obmannstellvertreter Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Die Präsidentschaft hat am gleichen Tag eine Erklärung abgegeben, in der die Beteiligung der iranischen Behörden als völlig inakzeptabel verurteilt wird, der Kritische Dialog der Europäi­schen Union mit dem Iran ausgesetzt wird und die Mitgliedstaaten eingeladen werden, ihre Bot­schafter zurückzurufen. Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme Griechen­lands haben dieser Einladung Folge geleistet und ihre Botschafter abberufen. Im Iran ist es daraufhin am 11., 13. und 15. April zu größeren Demonstrationen gekommen; zum Teil Hundert­tausende Demonstranten, die mit Hilfe eines massiven Polizeiaufgebotes unter Kontrolle gehal­ten wurden.

Die offizielle Reaktion des Iran auf das Zurückziehen der Botschafter der Europäischen Union erfolgte im Freitagsgebet durch Präsident Rafsandjani. Darin wurde das Urteil als politisches Urteil zurückgewiesen, da der Iran zwar verurteilt, aber nicht eingeladen wurde, zur Wahrheits­findung beizutragen. Es hat der iranische Außenminister Velayati an alle Mitgliedstaaten und die EU-Präsidentschaft einen Brief gerichtet, in dem dem deutschen Gericht verschiedene Verstöße vorgeworfen wurden, etwa der Verstoß gegen das Prinzip der gerichtlichen Immunität von Staa­ten, Mangel an stichhaltigen Beweisen, Ablehnung der Kooperationsbereitschaft des Iran, Ver­stöße gegen die übliche Prozeßordnung, unpassende und politisch gefärbte Ausdrucksweise.

Am 17. April ist die GASP-Arbeitsgruppe in Brüssel zusammengekommen. Dabei waren auch alle EU-Botschafter, die in Teheran gewesen sind, anwesend, auch der griechische, und es wurde die weitere Vorgangsweise beraten. Es soll nächste Woche auf der Ebene der Außen­minister eine Klarstellung erfolgen und die weitere Strategie besprochen werden.

Es wird vermutlich vorgeschlagen und beschlossen werden, daß die Rückberufung der Bot­schafter aufrechtbleibt und nicht als eine kurzfristige Handlung gesehen wird, daß der Kritische Dialog suspendiert bleibt und bis auf weiteres nicht wiederaufgenommen wird.

Über weitere Maßnahmen gebe es noch keinen Konsens. Nach persönlicher Meinung von Vize­kanzler Dr. Schüssel sei jedoch die Ausweisung von Geheimdienstleuten und die Aufrechterhal­tung des Waffenembargos gegenüber dem Iran das absolute Minimum von zusätzlichen Maß­nahmen, die die Europäische Union gegenüber dem Iran beschließen sollte.

Es sei auch darüber diskutiert worden – dies hätten die Amerikaner öffentlich vorgeschlagen –, ob es zu einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen und zu Wirtschaftssanktionen kom­men soll. Darüber sei vorweg im Rat der Außenminister informell – daher kein Beschluß – ge­sprochen worden, und es sei eigentlich die übereinstimmende Meinung aller, daß ein Abbruch der diplomatischen Beziehung nicht hilfreich und nicht sinnvoll wäre und daß Wirtschaftssank­tionen von der Wirkung und sicherlich auch vom Grundsatz her problematisch seien. Daher werde es darüber aller Wahrscheinlichkeit nach keinen Konsens geben.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) hat mit großem Interesse den Ausführungen des Außenministers zugehört, weil diese nämlich um einiges klarer und schärfer waren als der vorliegende Antrag der Koalition. Sie teile auch die Meinung, daß der Dialog zu wenig kritisch beziehungsweise kein Dialog war.

Auch wenn man in Einzelfällen Erfolg bei der Verhinderung eines Todesurteils gehabt habe, müsse man sich dessen bewußt sein, daß auf ein verhindertes Todesurteil, auf eine verhinderte Verhaftung vermutlich eine Vielzahl anderer kommt, von denen man gar nichts wisse.

Da Vizekanzler Dr. Schüssel das Waffenembargo persönlich als Mindestvariante bezeichnet habe, stelle sich die Frage, warum er als Außenminister nicht eine schärfere Variante für den Rat formuliere. Warum wagt Österreich sich da nicht einen Schritt weiter und verlangt, daß ganz klare Fakten zu setzen sind?

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche) macht darauf aufmerksam, daß in der jetzt abgehaltenen Pressekonferenz noch eine neue Dimension dazugekommen sei. Es sei dort die Behauptung aufgestellt worden, daß nahezu eine Milliarde Schilling zur Bezahlung von Terro­risten aus Persien über Österreich verschwunden sein sollen. Daher sei dringender Handlungs­bedarf gegeben, innerhalb kürzester Zeit abzuklären, ob das tatsächlich so ist, und wenn ja, seien ent­scheidende Schritte zu unternehmen, um solche Aktivitäten über österreichische Banken nicht zuzulassen.

Welche Maßnahmen zur Kontrolle des Waffenembargos – vor allem auch im Hinblick auf das immer wieder zu beobachtende nicht EU-konforme Verhalten Griechenlands, etwa in der Balkansituation – kann sich der Außenminister vorstellen?

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche) legt die Haltung der Freiheitlichen zu dieser Sache dar und richtet einen Appell an den Minister. Die Doppelzüngigkeit aller zentraleuropäi­schen Staaten in dieser Geschichte in der Vergangenheit sei bekannt, und daß wirtschaftliche Interessen dahinterstehen, sei Realität und könne nicht weggeleugnet werden. Man anerkenne, daß ein Kleinstaat nicht voranreiten könne, daher sei es richtig, im Rahmen der Europäischen Union die Positionen mitzutragen. Auch die Freiheitlichen glauben nicht, daß es richtig wäre, den Iran völlig zu isolieren, denn das treffe nur die Bevölkerung, nicht aber die Machthaber.

Wohl aber müsse innerstaatlich aufgeräumt werden, denn auch innerstaatlich bestünden ge­wisse Doppelzüngigkeiten. Auch im Außenministerium bestehe Handlungsbedarf im Verhalten gegenüber den ausländischen Diplomaten, denen man zu große Handlungsfreiheit gewährt habe.

Daher richten die Freiheitlichen den Appell an den Außenminister, alles zu unterstützen, was diesen Bereich betreffe und für schärfere Kontrolle der ausländischen Botschaften und aller ausländischen Organisationen mit terroristischem Hintergrund in Österreich zu sorgen. Zuerst müsse man in Österreich aufräumen, dann könne man ins Ausland gehen.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum) weist darauf hin, daß der vom Liberalen Forum eingebrachte Antrag bereits dessen Philosophie widerspiegle. Die Position könne nicht so weich sein, wie im Koalitionsantrag formuliert – die Wortmeldung des Herrn Bundesministers weise ohnedies auch schon eher in diese Richtung –, außerdem müsse man einen Zeitplan als Minimum miteinbauen, weil sonst das Ganze nach einer gewissen Zeit völlig einschlafen und man zurückkehren würde zum Motto: Geschäft wie üblich.

Das wäre angesichts des vorliegenden „Mykonos“-Urteils ein schwerer Fehler. Dieses sei zwar noch nicht rechtskräftig, aber es enthalte doch eine aufgrund eines nach hohen Standards abge­laufenen Gerichtsverfahren erarbeitete Sachverhaltsdarstellung. Der Iran erhebt jetzt den Vor­wurf, man habe ihn an der Aufklärung von Morden gar nicht mitwirken lassen. Wenn er das nun sozusagen selber anbiete, sei das doch eine vernünftige Sache und auch eine Wohlverhaltens­forderung für die Zukunft.

Daher möge man sich der Sache so nähern, daß man schon deutlicher macht, welche Sanktio­nen zu erwarten sind, denn das, was von der Regierung bisher auf dem Tisch liege, sei letztlich eine völlig leere Absichtserklärung. Wenn Österreich sich nicht dem Verdacht aussetzen wolle, daß es aus Gründen der behaupteten Erpreßbarkeit der Republik Österreich eine besonders weiche Position in außenpolitischen Fragen einnehme, dann wäre schon etwas mehr Härte angesagt.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) erklärt sich mit der von Minister Schüssel vorgetragenen Linie einverstanden, hält viel in dieser Debatte Gesagtes für unterstützenswert, betont aber, daß es hier nicht um tatsächliche oder behauptete Vorfälle in Österreich, auch nicht um bilaterale Fragen, sondern ausschließlich um die Haltung gehe, die die EU beim Ministerrat gegenüber dem Iran einnimmt.

Der vorliegende Antrag auf Stellungnahme, zu dem Abgeordneter Schieder sich bekennt, stelle vielleicht nicht die weitestgehend mögliche Position dar, sei aber in der Intention völlig richtig, denn im Sinne des vernünftigen Herangehens an Entscheidungen im Rat sei es zweckmäßiger, dem Minister nicht Maximalforderungen mit auf den Weg zu geben, sondern ihm einen ge­wissen Spielraum zu lassen. Der Wert der Haltung der EU liege nicht darin, daß einzelne sehr weit gehen und kein Konsens gefunden werden kann, sondern daß man zu einer wirklich ernst­gemeinten, von allen getragenen Auffassung komme.

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP) vertritt die Auffassung, daß auch der Antrag Kammerlander das enthalte, was der Außenminister und Vizekanzler gesagt habe, nämlich eine eindeutige Aufforderung an den österreichischen Regierungsvertreter, sich für die Verhängung eines Waffenembargos – und zwar aller EU-Staaten – und die Ausweisung derjenigen iranischen Personen, die im begründeten Verdacht stehen, nachrichtendienstliche Tätigkeiten auszuüben, einzusetzen.

Erreicht werden müsse nun, daß die EU als Ganzes handelt, daß das ganze Gewicht der EU in die Waagschale gelegt wird, wobei aber darauf zu achten sei, daß nicht jegliche Gesprächs­basis abgebrochen wird.

Bedenklich sei es, wenn ein früherer Ministerpräsident, nämlich Herr Bani-Sadr, davon spreche, daß nach der Revolution 100 Milliarden Schilling verschwunden sein sollen, davon ein beacht­licher Teil nach Österreich. Zur dieser Zeit war er selbst einige Jahre Ministerpräsident und sollte daher darüber nachdenken, was damals geschehen ist, statt hier unbewiesene Behauptungen mit Anschuldigungen zu verbinden. Diese Vorgangsweise sei nicht sehr glaubwürdig.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum) erläutert unter Bezugnahme auf die Ausfüh­rungen des Abgeordneten Schieder, daß der Antrag des Liberalen Forums als Richtungsantrag – es stehe überall „verhandelbar“ dabei – zu verstehen sei, der den Minister nicht so eng binden soll, daß er dann gelinderen Maßnahmen der EU nicht zustimmen könne. Die Richtung heiße aber: Zeitrahmen vorgeben und selbst eine Sanktioneneskalation in den Raum stellen.

Man wolle keinen Alleingang der Republik Österreich zur Reinwaschung von Vorwürfen. Aller­dings sei die innere Position Österreichs auch in den Räten durch ein gewisses Glaubwürdig­keitsproblem belastet, und eine klare Haltung Österreichs bei der Erarbeitung eines gemein­samen Standpunktes sei daher reputierlicher als eine weiche Haltung. Das sei nicht nur eine innenpolitische Frage, sondern auch eine Frage der internationalen Glaubwürdigkeit.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) schließt sich den Ausführungen des Vorred­ners an, denn auch sie sieht das Problem mit der Glaubwürdigkeit, daher sei es unverständlich, wenn Österreich sozusagen mit der weichsten Haltung daherkäme. Abgeordneter Schieder selbst habe zugegeben, daß man keine Maximalforderung stelle, aber irgend etwas in der Mitte wäre doch angebracht, was über das hinausgehe, was ohnehin schon alle fordern und was – wie etwa das Waffenembargo oder die Ausweisung von Agenten, so man sie überhaupt kennt und ihrer habhaft wird – wohl selbstverständlich sei.

Wenn im Koalitionsantrag stehe, daß Schritte vermieden werden sollen, die zu einer weiteren Eskalierung führen, fragt man sich, welche Eskalierungsstufen es noch geben soll. Österreich erweise sich – im Gegensatz zu Deutschland – offensichtlich in jeder Situation als erpreßbar mit weiteren Eskalierungsmöglichkeiten, obwohl allgemein bekannt ist, daß der Iran mehr auf Europa angewiesen ist als umgekehrt. Eine stringentere Haltung als jene, die im Antrag der Koalition zum Ausdruck komme, sei also dringend gefragt.

Dem Außenminister sei daher dringend zu empfehlen, sich bei den Beratungen beim Außen­ministerratstreffen nicht an seine eigene Fraktion oder an den Koalitionsantrag anzulehnen, sondern in erster Linie an seine persönliche Meinung. Es gehe nicht darum, den Minister an die Kette legen zu wollen, sondern es gehe um die Glaubwürdigkeit Österreichs.

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP) kann die eben geäußerte Meinung nicht teilen, son­dern meint, daß der Außenminister seine Haltung, die ohnehin die Zustimmung der Abgeord­neten Kammerlander finde, auch dann mit aller Vehemenz in der Europäischen Union vertreten werde, wenn keine zwangsweise Bindung erfolge, sondern ihm ein gewisser Verhandlungsspiel­raum eingeräumt werde.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel nimmt zunächst noch einmal grundsätzlich zu der Position EU – Iran Stellung. Der Iran habe einerseits Riesenprobleme mit den Amerikanern, sei andererseits isoliert im arabischen Raum, im Nahostbereich, trotzdem spiele er geographisch und geopolitisch ein sehr wichtige Rolle. Da­her sei es – davon ist der Vizekanzler überzeugt – falsch, den Iran dauerhaft isolieren zu wollen.

Wirtschaftlich sei Europa für den Iran unendlich wichtig, und zwar eher in eine Richtung, weil die Exporte in den Iran die Importe aus dem Iran um ein Vielfaches übersteigen. Das ist zwar für Europa nicht ganz uninteressant, aber keineswegs ein Argument dafür, daß man sich in irgend­einer Weise vor dem Iran beugen müsse oder auch dürfe.

Ein bißchen stärker möchte Vizekanzler Dr. Schüssel betont wissen, daß gerade in der Zeit, die er überschauen kann, die österreichische Regierung sich sehr wohl ein aufrechtes Rückgrat geleistet und gegenüber dem Iran keineswegs die weichste Position eingenommen habe.

Der Außenminister zeigt sich dankbar dafür, daß die meisten der Anwesenden der Meinung sind, daß es keinen Sinn mache, ihn mit einem Antrag zu sehr zu binden, noch ehe man wisse, wie nächste Woche der Meinungsbildungsprozeß im Außenministerrat der EU aussehen wird. Er habe hier ehrlich und rückhaltlos seine persönliche Meinung gesagt und werde diese – da könne man Gift darauf nehmen – auch dort vertreten.

Das Waffenembargo in den Antrag auf Stellungnahme aufzunehmen, sei absolut sinnvoll. In Österreicher käme zwar aufgrund des Kriegsmaterialiengesetzes niemand auf die Idee, dem Iran in der gegenwärtigen Situation Waffen zu liefern, aber andere EU-Länder hätten dazu eine andere Position. Es sei aber sehr wichtig, daß die EU als Ganzes handelt, weil das nämlich eine ganz andere Legitimation und einen ganz anderen Druck erzeuge. – Das Beispiel China – Men­schenrechtsresolution aus der jüngsten Vergangenheit sei ein Musterbeispiel des Scheiterns einer europäischen Strategie, wozu es nur deshalb gekommen sei, weil es an einer gemein­samen Linie gemangelt habe.

Es handle sich um eine unendlich wichtige und sensible Frage, denn zum ersten Mal habe ein unabhängiges deutsches Gericht die Verbindung von Staatsterrorismus bis in höchste Regie­rungskreise festgestellt. Da könne man keinen Kritischen Dialog mehr führen, so wichtig der wäre, sondern da müsse man eine völlig klare Linie verfolgen.

Abgeordneter Kier habe die Frage gestellt, was die Ziele seien, was man vom Iran wolle. Sehr einfach: Man wolle, daß er nicht wie bisher in der Vergangenheit Terrorismus oder terroristische Strömungen unterstützt, man wolle, daß auch im Iran die Menschenrechte beachtet werden – Stichwort Baha’i und Salman Rushdie –, man wolle, daß der Iran auch eine konstruktive friedensstiftende Rolle in Nahost übernimmt, da ohne ihn der Frieden wahrscheinlich nicht erreicht werden kann.

Das sei doch sehr einfach, nur lasse es sich nicht in Paragraphen pressen und mit einer ganz bestimmten Frist versehen, sondern sei nur auf differenzierte Art zu erreichen.

Hier im Ausschuß könne der Außenminister nur ehrlich seine Position vortragen, diese dann im Rat der Außenminister vertreten und hoffen, daß es gelingen möge, die anderen 14 EU-Staaten mitzuziehen

Obmannstellvertreter MMag. Dr. Willi Brauneder dankt dem Vizekanzler und nimmt, da keine Wortmeldungen mehr vorliegen, die Abstimmung über die drei Anträge auf Stellungnahme gemäß Art. 23e B-VG vor.

Der Antrag des Abgeordneten Dr. Kier bleibt bei der Abstimmung in der Minderheit und ist da­mit abgelehnt.

Desgleichen wird der Antrag der Abgeordneten Mag. Kammerlander nur von einer Minderheit unterstützt und ist somit abgelehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat, Peter Schieder und Wolfgang Jung wird mit Mehrheit angenommen.

Damit ist Tagesordnungspunkt 2 abgeschlossen.

(Es folgen die Beratungen über die Tagesordnungspunkte 3 bis 8.)

Schluß der Beratungen zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2: 13.33 Uhr

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