Beratungen des Hauptausschusses

in Angelegenheiten

der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Donnerstag, 3. Juli 1997


Tagesordnung

 

1. Aussprache über die Ergebnisse der Regierungskonferenz

CONF/4001/97 – Entwurf des Vertrags von Amsterdam

(28240/EU XX. GP)

(28513/EU XX. GP)

2. Bericht des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend Übereinkommen zwischen der österreichischen Bundesregierung und dem Internationalen Zentrum für Migrationspolitikentwicklung (ICMPD) über die Einräumung von Privilegien an das Internationale Zentrum für Migrationspolitikentwicklung (Vorlage 83 HA)

3. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluß der Bundesregierung betreffend Verlängerung der österreichischen Beteiligung an der Multinationalen Schutztruppe für Albanien (Vorlage 86 HA)

Beginn der Sitzung: 14.02 Uhr

 

Obmann Dr. Heinz Fischer begrüßt die Anwesenden herzlich, eröffnet die Sitzung des Hauptausschusses und stellt fest, daß die Beratung des – zunächst als EU-Ausschuß öffentlich tagenden – Hauptausschusses pünktlich beginnen könne, da Herr Bundeskanzler Mag. Klima bereits anwesend sei.

Die aus drei Punkten bestehende Tagesordnung werde nicht ergänzt.

1. Punkt

Aussprache über die Ergebnisse der Regierungskonferenz
(28240/EU, 28513/EU XX. GP)

 

Obmann Dr. Heinz Fischer berichtet, daß sich die Fraktionen darauf geeinigt hätten, für die Aussprache über den ersten Tagesordnungspunkt ungefähr zwei Stunden vorzusehen. Die Redezeit betrage je 26 Minuten für SPÖ, ÖVP und Freiheitliche sowie je 20 Minuten für Liberales Forum und Grüne.

Bundeskanzler Mag. Klima wird eingeladen, eine Einleitung zu geben.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima erinnert zunächst an die Beratung des Hauptausschusses wenige Tage vor der Regierungskonferenz in Amsterdam. Bereits damals sei klar gewesen, daß diese Regierungskonferenz nicht die Endstufe der Integrationsentwicklung sein könne, sondern einen weiteren Schritt hin zu einem integrierten und erweiterten Europa bedeute. Daher könne der Vertrag von Amsterdam als eine – allerdings sehr wichtige – Etappe in diesem Prozeß verstanden werden.

Bundeskanzler Mag. Klima hält zwar nichts davon, einen Vertrag, der auch aus Kompromissen bestehe, zu Hause als absoluten Erfolg zu verkaufen, freut sich aber, dem Ausschuß ein Ergebnis der Regierungskonferenz präsentieren zu können, das weitgehend Übereinstimmung mit den österreichischen Grundsatzpositionen aufweise. Mit gewissen Abstrichen hätten in dieser Konferenz viele österreichische Ziele verwirklicht werden können.

Dies betreffe sowohl Österreichs aktive Forderungen – wie insbesondere den neuen Beschäftigungstitel im Vertrag, die Bestimmungen zu Sozialpolitik, Gleichbehandlung und Umweltschutz sowie die Reformen im Innen- und Justizbereich – als auch die defensiven Zielsetzungen, die in Übereinstimmung mit der grundsätzlichen Linie – zum Beispiel im Hinblick auf Vereinfachung und Beschleunigung des Entscheidungsvorganges oder verstärkte Anwendung von Mehrheitsentscheidungen – im österreichischen Interesse erreicht wurden. Abgewehrt wurde zum Beispiel die Aufhebung der Einstimmigkeit in der Verfügung über die Wasserressourcen sowie im Hinblick auf Energiepolitik, Raumordnung und so weiter. In den defensiven Zielsetzungen sei es daher gelungen, einen für Österreich wesentlichen Status quo zu verteidigen.

Zur Beschäftigungsthematik: Der Abschluß des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sowie in Ergänzung dazu die Verabschiedung der Entschließung über Wachstum und Beschäftigung sei als wichtiger Erfolg zu betrachten. Weiters liege der Beschluß vor, im Laufe der luxemburgischen Präsidentschaft ein Sondergipfeltreffen zum Thema Beschäftigung abzuhalten. Darauf werde sich Österreich unter Einbeziehung der Sozialpartner besonders vorbereiten.

Die Aufnahme eines eigenen Beschäftigungskapitels in den EU-Vertrag und in das gemeinsame Recht sei die Umsetzung eines vor wenigen Jahren noch belächelten österreichischen Vorschlages. Auch sei es gelungen, das Ziel der Vollbeschäftigung in die Schlußfolgerungen des Europäischen Rates aufzunehmen. Die Verbesserung der Beschäftigungsverhältnisse sei von nun an ein prioritäres Ziel der Gemeinschaftspolitik, sodaß die Europäische Union sich nicht darauf beschränke, eine Währungsunion zu sein.

Im Bereich Umwelt sei ein noch vor wenigen Wochen unerreichbar scheinender Erfolg erzielt worden: Es bestehe nunmehr die Möglichkeit, höhere nationale Standards neu einzuführen. Zwar sei das Verfahren, dorthin zu gelangen, nicht ganz einfach, jedoch sei erreicht worden, daß nach Ablauf einer bestimmten Frist der Vorschlag automatisch als angenommen gelte. Dies bedeute eine entscheidende Verbesserung gegenüber dem vorherigen, umgekehrten Verfahren, daß nach Verstreichung der Frist das Ausbleiben einer Stellungnahme der Kommission die Ablehnung des Vorschlages bedeutet hatte.

Für die Bürgernähe in der Europäischen Union relevante Reformen konnten im Bereich Inneres und Justiz erreicht werden. Jedoch bedürften freier Personenverkehr und Abbau der Binnengrenzkontrollen im Unionsrahmen umfassender flankierender Maßnahmen im Hinblick auf die Außengrenzkontrolle, die Fragen der Einwanderung und des Asyls sowie der Verhütung und Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität.

Erstens sei mit dem neuen Titel „Freier Personenverkehr, Ayslrecht und Einwanderung“ im Vertrag ein Handlungspotential geschaffen worden, das nun umgesetzt werden müsse.

Zweitens würden für die in der Dritten Säule verbleibenden Materien der Polizeizusammenarbeit sowie der justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen konkretere Zielsetzungen und eine Verbesserung des Instrumentariums vorgesehen. Vor allem solle Europol innerhalb von fünf Jahren mit operativen Kompetenzen ausgestattet werden. Es sei wesentlich für das Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger Europas, Drogen- und Menschenhandel sowie organisierte Kriminalität effektiv bekämpfen zu können.

Drittens werde der Schengen-Besitzstand vom Inkrafttreten des Vertrages an in den Rahmen der Europäischen Union integriert. Dies bedeute einen wesentlichen Vorteil, weil damit Doppelgleisigkeit vermieden, die Effizienz erhöht sowie ein erste Schritte zur Stärkung der parlamentarischen und judiziellen Kontrolle in diesen Materien gesetzt werden könnten.

Bundeskanzler Mag. Klima stellt klar, daß er vor allem zu den Themen der Ersten und Dritten Säule Stellung bezieht. Der ein wenig später eintreffende Vizekanzler Dr. Schüssel werde sich insbesondere mit der Zweiten Säule und institutionellen Themen befassen.

Über die weitere Vorgangsweise sei zu sagen, daß die Vertragsunterzeichnung nach Erstellung der rechtstechnisch überprüften Endfassung – wobei Dolmetscher auch den Unterschied zwischen Erlagschein und Zahlschein und ähnliches mehr klären würden – im Oktober 1997 in Amsterdam erfolgen werde. Danach werde der Prozeß der parlamentarischen Genehmigung und Ratifikation in den einzelnen Mitgliedstaaten beginnen.

Gleichzeitig werde in den nächsten Monaten an jenen Projekten gearbeitet werden, die der Europäische Rat von Amsterdam ein wichtiges Stück weitergebracht habe. Zu nennen seien die weiteren Anstrengungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit – das Gipfeltreffen zum Thema Beschäftigung im Oktober solle dafür zusätzliche Impulse geben –, die konsequente Vorbereitung der Wirtschafts- und Währungsunion – dazu sei von Amsterdam klar das Signal ausgegangen, daß nach Verabschiedung des Paktes für Stabilität und Wachstum, der Euro-Verordnung und der Annahme des EWS II an dem festgelegten Termin für die Einführung der Währungsunion, dem 1. Jänner 1999, festgehalten werde – sowie die Konkretisierung der Erweiterungsstrategie der Europäischen Union.

Insgesamt werde der Europäische Rat von Amsterdam trotz einiger berechtigter kritischer Stimmen im langfristigen Rückblick als weiterer Schritt in Richtung Integration und Erweiterung gesehen werden können.

Obmann Dr. Heinz Fischer bestätigt, daß Außenminister Dr. Schüssel um Verständnis dafür gebeten habe, daß er wegen einer Mittagsverpflichtung diesen Ausschußtermin erst mit Verspätung wahrnehmen könne.

Abgeordneter Dr. Heinrich Neisser (ÖVP) verweist auf die unterschiedlichen Beurteilungen des Vertrages von Amsterdam, die von sehr positiven Bewertungen bis hin zum ablehnenden Urteil des früheren Kommissionspräsidenten Jacques Delors reichten. Eine realistische Bewertung dieses Vertrages verlange die Beachtung der Tatsache, daß jeder Reformschritt zu einer Weiterentwicklung der Europäischen Union auch mit hohen Erwartungen verbunden sei, denen in diesem Fall das Ergebnis nicht entsprochen habe. Dies entspreche einem gleichsam historischen Gesetz in der Entwicklung der Europäischen Union.

Der Vertragsinhalt habe jedoch Substanz, und es sei nicht legitim, zu sagen, die Regierungskonferenz sei unbedeutend und erfolglos gewesen. Es seien in letzter Stunde – auch dies sei kennzeichnend für Entscheidungsprozesse in der Europäischen Union – Änderungen erfolgt, die zu der Feststellung berechtigten, dieser Vertrag sei ein nicht unwesentlicher Schritt in der Weiterentwicklung der Europäischen Integration.

Einige Bereiche seien von Österreich nicht unentscheidend beeinflußt worden. In einzelnen Phasen der Beratungen hätten die österreichischen Regierungsvertreter ihre Interessen sehr stark zum Ausdruck und letztlich zum Durchbruch bringen können. Hierzu sei das oft zitierte Kapitel über die Beschäftigungspolitik zu nennen.

In einem Punkt möchte Abgeordneter Dr. Neisser den Bundeskanzler korrigieren: Die Aufnahme eines beschäftigungspolitischen Kapitels bedeute nicht, daß die Beschäftigungspolitik Teil des Gemeinschaftsrechts geworden sei, da dieser Text eher den Charakter einer politischen Deklaration habe. Auch habe man sich im Hinblick auf die Maßnahmen sehr zurückhaltend geäußert. Der englische Vertragsentwurf spreche von der Möglichkeit, „incentive measures“ zu fassen, um eine Kooperation der Staaten herbeizuführen. Es werde daher eine gemeinsame Beschäftigungspolitik im engeren Sinne auch in Zukunft nicht geben.

Der eigentliche Wert eines solchen Beschäftigungskapitels besteht für Abgeordneten Dr. Neisser darin, daß das Thema von der Tagesordnung der Europäischen Union nicht mehr abgesetzt werden könne. Wichtig sei, daß die Beschäftigungspolitik, die Beachtung der Arbeitslosenproblematik – in welcher Form auch immer – eine politische Agenda sein werde. Dies werde die Entwicklung der Europäischen Union in besonderer Weise beeinflussen.

Einige Vertragspunkte seien bemerkenswert, und dazu habe Bundeskanzler Mag. Klima einige Beispiele aus dem Bereich der Ersten und Dritten Säule bereits genannt. Eine gewisse Enttäuschung bestehe im Hinblick auf die Zweite Säule, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Die Tatsache, daß nunmehr der Generalsekretär des Rates als hoher Repräsentant für die GASP fungieren solle, sei zwar in gewisser Hinsicht ein organisatorisches Signal, werde aber in der Substanz nicht viel ändern. Dies sei deshalb problematisch, weil – nicht zu Unrecht – verbreitet die Auffassung bestehe, daß eine stärkere gemeinsame Außenpolitik eine wichtige Vorstufe einer gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik sei.

Erstmals werde die Rolle der nationalen Parlamente hinsichtlich konkreter Formen der Konsultation mit der Kommission sowie der Mitwirkung an den Rechtsetzungsinitiativen der Kommission in einem eigenen Vertragsprotokoll festgeschrieben. Damit sei auch die COSAC, die bisher eher informellen Charakter gehabt habe, wiewohl sie politisch nicht unbedeutend gewesen sei, institutionalisiert worden. Der Prozeß einer Aufwertung der nationalen Parlamente sei hiermit festgeschrieben worden. Dies sei auffallend angesichts des Konkurrenzverhältnisses zwischen Europäischem Parlament und nationalen Parlamenten.

Das Europäische Parlament könne – obwohl es bis kurz vor Abschluß der Regierungskonferenz nicht viel zu erwarten gehabt hätte – mit der Ausdehnung des Kodezisionsverfahren auf weite Bereiche einen Erfolg verbuchen. Doch sei bedauerlicherweise die oft propagierte Vereinfachung der Verfahren nicht gelungen. Der Vertrag sage darüber kaum etwas aus, sodaß dies eine ungelöste Aufgabe geblieben sei, ebenso wie – mit österreichischen Termini gesagt – die Rechtsbereinigung und die Kodifikationsproblematik der Verträge.

In einer Untersuchung habe ein deutscher Politologe nachgewiesen, daß man über 500 Bestimmungen aus den Gemeinschaftsverträgen beseitigen könne, ohne daß sich an deren Inhalt etwas ändern würde. Dies signalisiere plastisch eine Regelungsvielfalt, wie sie offensichtlich nicht nur ein österreichischen Phänomen sei, sondern auch in der EU fröhliche Urständ feiere. Auch bei der Lösung dieser Aufgaben könne Österreich eine bedeutende Rolle spielen.

Auf seine Bemerkung hin, daß der „Herr Minister“ den weiteren österreichischen Weg bereits angesprochen habe, wird Abgeordneter Dr. Neisser korrigiert, daß es sich um den Herrn Bundeskanzler handle. Bundeskanzler Mag. Viktor Klima erblickt darin kein Problem, und Abgeordneter Dr. Heinrich Neisser erläutert, daß der Bundeskanzler im Sinne der Verfassung auch Minister sei, sodaß die Anrede zwar verfassungsrechtlich, wenngleich nicht protokollarisch korrekt gewesen sei.

In Fortsetzung seiner Ausführungen zum Thema verweist Abgeordneter Dr. Neisser darauf, daß sich das Parlament nach der Unterzeichnung im Rahmen eines Ratifikationsverfahrens mit dem Vertrag auseinanderzusetzen haben werde. Es werde diesmal nicht so verfahren werden müssen wie nach Abschluß des Beitrittsvertrages, sondern es werde das derzeitige System genügen, wonach dieser Vertrag gemäß Artikel 50 wegen seines gesetzesändernden, ergänzenden und politischen Charakters vom Parlament genehmigt werden müsse.

Bei der Weiterleitung dieses Vertrages an das Parlament möge der Bundeskanzler klarstellen, welche Bestimmungen dieses Vertrages Verfassungsrang hätten und welche nicht. Einige Bestimmungen würden Verfassungsrang haben, ohne daß jedoch die Voraussetzungen für eine Gesamtänderung der Verfassung und damit für eine Volksabstimmung gegeben wären. Der legale Weg bestehe darin, daß sich das Parlament im Ratifikationsprozeß mit dem Vertrag auseinandersetze.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) betont, mit den Ausführungen seines Vorredners übereinzustimmen, und fügt hinzu, daß Enttäuschung über die Ergebnisse der Regierungskonferenz von allen denjenigen geäußert werde, die – teils in Unkenntnis über die Arbeitsweise der EU und anderer internationaler Organisationen – zu hohe Erwartungen darüber gehegt hätten, daß Länder mit sehr unterschiedlichen Standpunkten im Rahmen einer einzigen Konferenz alle anstehenden großen Probleme lösen könnten, von der Fortführung der WWU und der Vorbereitung des Euro über die nunmehr hinzugekommene Beschäftigungspolitik sowie die Erweiterung und Umgestaltung bis hin zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.

Entsprechende Hoffnungen seien unberechtigt gewesen, da mehr als ein großes Thema auf einer solchen Konferenz kaum zu bewältigen sei. Im Hinblick auf das Hauptthema sei die geglückte Hinzufügung der beschäftigungspolitischen Komponente als Erfolg zu verzeichnen. Damit habe sich Österreichs mit einem Hauptinteresse – und gleichzeitig einem für die Entwicklung der EU wichtigen Interesse – durchgesetzt.

In bezug auf „Nebeninteressen“, die nichtsdestoweniger für Österreich bedeutend seien – wie die Frage der Wasserversorgung oder die COSAC-Linie – spiegle das Ergebnis ebenfalls genau den österreichischen Standpunkt wider.

Auch in der nicht unbedeutenden Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt legitimerweise zugleich Gebühren und Zuwendungen sowie Werbeeinnahmen lukrieren dürfe, sei exakt die österreichische Position bestätigt worden. Überdies könne Österreich in weiteren Punkten Erfolge verzeichnen.

Bei aller Kritik dürfe weiters nicht übersehen werden, daß sich das kleine Österreich und seine Repräsentanten auf dem für sie neuen Gebiet der politischen Gestaltung und Meinungsfindung in der EU sehr gut zurechtfänden. Angesichts der Erfüllung von Haupt- und Nebenanliegen könne aus österreichischer Sicht festgestellt werden, daß die Bewährungsprobe gut bestanden worden sei, nicht nur von den Spitzenrepräsentanten, sondern auch von allen Mitarbeitern, die daran mitgewirkt haben.

Den Vizekanzler und Außenminister ersucht Abgeordneter Schieder um einen detaillierten Bericht über die Behandlung der Anregungen und Vorschläge aus dem parlamentarischen Kreis.

Weiters fragt er, ob der zeitliche Rahmen für die Schritte nach der Vertragsunterzeichnung im Oktober schon näher beschrieben werden könne.

Abgeordneter Schieder zieht die Schlußfolgerung, daß es sich auch für ein kleines Land auszahle, Vorschläge zu präsentieren und sich für die eigenen Ziele einzusetzen. Österreich müsse kritisch überlegen, wie es seinen gesamten Organisationsaufbau – von der Organisation der Botschaften über die Art und Weise, wie sich das Land den anderen Ländern gegenüber darstelle, bis hin zum Zusammenspiel mit dem Europäischen Parlament – optimieren könne, und eine Strategie entwickeln, um gezielt Verbündete für seine Anliegen zu finden.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) sieht sich nicht in der Lage, der Darstellung der Bundesregierung über Verhandlungserfolge hinsichtlich aller Grundsatzpositionen – Beschäftigung, Umwelt, Grundrechte, Gleichbehandlung, Tierschutz und auch andere Themenbereiche – zu glauben. Er verweist auf einen entsprechenden Kommentar von Christoph Kotanko vom 18. Juni 1997.

Für ihn als Angehörigen einer Oppositionspartei sei der behauptete Erfolg nicht wirklich greifbar. Vielmehr habe es sich bei der Regierungskonferenz um einen „Placebo-Gipfel“ gehandelt; entsprechende Kommentare hätte es auch international gegeben. Das Ergebnis von Amsterdam könne als „Maastricht zum Quadrat“ charakterisiert werden.

Vieles im Vertrag sei unlesbar, und in dieser Hinsicht sei an folgende Äußerung des Gesandten Lehne vom Auswärtigen Amt vor dem Bundesrat zu erinnern: Je komplizierter der Vertrag, desto größer der Schutz für die nationalen Parlamente. – Diesen Satz erklärt zu bekommen sowie auch die weitere Äußerung des Gesandten, daß es gelte, umfassend geschützt zu sein, wäre in diesem Zusammenhang besonders wünschenswert.

Das angestrebte Ziel der Transparenz werde in diesem Vertrag sicherlich nicht erreicht. Es gebe eine Unzahl von Protokollen und Erklärungen, aber keine klaren Kompetenzverteilungen, keinen Aufgabenkatalog und – wie Abgeordneter Dr. Neisser bereits gesagt habe – keine Kodifizierung der bestehenden Verträge. Auch sei das Ziel der Vereinfachung aufgrund der zahlreichen Querverweise, Protokollerklärungen und Ausnahmeregelungen im Text verfehlt worden.

Die Osterweiterung der Europäischen Union sei nicht vorbereitet worden, da nicht klargelegt worden sei, was nach der Aufnahme von fünf zusätzlichen Mitgliedstaaten geschehen werde. Ebensowenig sei eine Neugliederung der Struktur- und Regionalfonds ins Auge gefaßt worden. Eine Neustrukturierung der gemeinsamen Agrarpolitik sei nicht einmal andiskutiert worden, obwohl sie im Rahmen der Osterweiterung eine wesentliche Rolle spielen werde.

Es müßten rechtzeitig umfassende Vorstellungen vorgelegt werden, um unangenehme Überraschungen infolge einer abwartenden Haltung zu vermeiden. Die Erfahrungen der letzten Jahre hätten gezeigt, daß nicht viel Vernünftiges herauskomme, wenn unter Druck agiert werde.

Die Frage nach konkreten Ergebnissen des Beschäftigungskapitels lasse sich zuspitzen auf die Frage, ob dadurch auch nur ein einziger zusätzlicher Arbeitsplatz geschaffen werde. Über Beschäftigungspolitik werde in der Europäischen Union schon seit langem geredet, dies sei kein Verdienst Österreichs. Seit 1989 habe die Europäische Union eine Unzahl von Grün- und Weißbüchern, Initiativen und Studien hervorgebracht. Trotzdem sei die Zahl der Arbeitslosen in diesem Zeitraum von 12 auf 20 Millionen gestiegen.

Im Weißbuch der Europäischen Kommission zu Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung sei das Ziel einer Halbierung der Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 festgeschrieben worden. Jedoch werde dieses Ziel ebensowenig erreicht werden wie die Schaffung von 50 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen in Österreich aufgrund des Beitrittes zur Europäischen Union. Statt nur schöne Vertragsformulierungen vorzulesen, die in der Praxis keinen Effekt erzielten, gelte es, die Diskussion mit Fakten anzureichern.

Abgeordneter Mag. Schweitzer möchte von Bundeskanzler Mag. Klima wissen, welche konkreten Möglichkeiten dieser sehe, Arbeitsplätze zu schaffen, und wie sich dies auf die Situation in Österreich auswirken werde. Von Büchern, Diagnosen und nicht eingetretenen Prophezeiungen der Europäischen Union zum Thema Beschäftigung hätten mittlerweile alle genug. Es sei ein Faktum, daß der in Amsterdam abgeschlossene Stabilitätspakt sämtlichen mit dem Beschäftigungskapitel verbundenen Erwartungen zuwiderlaufe.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum) fragt Bundeskanzler Mag. Klima nach dem Grund dafür, daß die Europäische Union nicht der Europäischen Menschenrechtskonvention beigetreten ist.

Sie verweist darauf, daß Vizekanzler Dr. Schüssel sich stark dafür eingesetzt habe, die Stellung der Kirche mit Hilfe des Vertrages von Amsterdam in der Europäischen Union besser zu verankern. Sie fragt den Bundeskanzler, ob dies für die Bundesregierung Priorität gehabt habe und warum Österreich nicht ein vergleichbares Engagement zugunsten ernsthafter Initiativen für den Ausstieg aus der Atomkraft gezeigt habe. In dieser Hinsicht habe der Vorgänger des Bundeskanzlers mehr Einsatzfreude erkennen lassen, auch dort, wo es darum ging, die Budgetpolitik mit diesem Ausstieg zu koppeln.

Hinsichtlich der WEU sei nicht mehr geschehen als die Unterstellung der Petersberger Aufgaben unter die EU. Deshalb möchte Abgeordnete Dr. Gredler wissen, ob die WEU auf längere Sicht der von Österreich gewünschten europäischen Verteidigungsstruktur entspreche oder ob diese nur eine Zwischenetappe darstelle, sodaß in einem ferneren Ausblick die NATO oder die Neutralität die Alternativen wären.

Für die Liberalen sei enttäuschend, daß es kein einheitliches Wahlverfahren gebe, da sonst 16 und nicht nur zwei liberale Abgeordnete aus Großbritannien im Europäischen Parlament wären. Daher solle das Wahlverfahren so rasch wie möglich nachgebessert werden.

Es sei nicht nur positiv zu bewerten, daß nicht in allen Umweltfragen Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden könnten, sondern zum Beispiel Entscheidungen über Wasserressourcen und Raumordnung davon ausgenommen seien. Dies könne sich als Hemmschuh für die weitere Entwicklung erweisen.

Nicht erreicht habe Österreich, daß in einigen Steuer-, Rechtsharmonisierungs- und Sozialbereichen Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden könnten. Bundeskanzler Mag. Klima möge die weitere Vorgangsweise insbesondere in den Fragen der Energiesteuer und der Kürzung des Agrarbudgets zugunsten arbeitspolitischer Maßnahmen darlegen.

Abgeordnete Dr. Gredler fragt den Bundeskanzler weiters nach der Umsetzung des Zieles der Vollbeschäftigung und der Maßnahmen zur Bevorzugung von Frauen. Sie verweist darauf, daß die Sparpakete I und II vorwiegend die Frauen belastet hätten, insbesondere solche, die sich weniger gut wehren könnten.

Im Zusammenhang mit der Kleinheit Österreichs und der Einbindung in einen größeren Sprachraum ergebe sich die Frage, ob es nötig sei, weiterhin die Finanzierung öffentlich-rechtlicher Rundfunksender aus Gebühren und Werbung festzuschreiben. Dem Einwurf von Abgeordnetem Schieder, daß nur so deren Überleben möglich sei, stellt Abgeordnete Dr. Gredler entgegen, daß auch österreichische Privatsender die Gelegenheit zur Entfaltung bekommen sollten.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) hält die laufende Debatte inhaltlich und wegen der Rahmenbedingungen für gespenstisch.

Es komme weniger darauf an, daß Bundeskanzler Mag. Klima den Hauptausschuß von angeblichen Verhandlungserfolgen überzeuge, wenn mittlerweile etliche Meinungsumfragen eine dramatische Entwicklung belegten: Aus der Zweidrittel-Zustimmung zum Beitritt Österreichs zur Europäischen Union sei nahezu eine Zweidrittel-Ablehnung geworden. Darin zeige sich der Verlust des Vorschußvertrauens der österreichischen Bevölkerung zur Bundesregierung, da diese nicht ernst gemacht habe mit ihrer Ankündigung, sie würde alles daransetzen, die Union zu einer Umwelt- und Sozialgemeinschaft sowie einer wirklich demokratischen Gemeinschaft zu verändern.

Abgeordnete Dr. Petrovic fragt nach quantifizierbaren Akzenten im Beschäftigungskapitel, durch welche die Mitgliedstaaten ähnlich unter Druck gesetzt werden könnten wie durch die ökonomischen Vorgaben des Stabilitätspaktes. Sie vermißt die Möglichkeit einer quantitativen Fixierung der Grenzen der Arbeitslosigkeit, der Jugendarbeitslosigkeit oder des Absackens von Frauen aus der Erwerbstätigkeit. Im Gegensatz dazu seien beispielsweise die Grenzen der Staatsverschuldung klar festgelegt. Es hätte versucht werden müssen, Arbeitszeitverkürzungen, einen höheren europäischen Standard der Vermögens- und Kapitalbesteuerung, die Kontrolle der Finanzmärkte und einen europäischen Mindeststandard für die Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt, verbunden mit dem Ausbau von Kinderbetreuungsstätten, zu quantifizieren, damit dies nicht allein in nationaler Kompetenz verbleibe.

Wenn die Bundesregierung nunmehr die Wahrung höherer nationaler Ökostandards als Erfolg hinstelle, so gebe sie damit zu, daß sie alle diesbezüglichen Versprechen aus der Zeit vor der EU-Abstimmung inzwischen gebrochen habe. Denn die Wahrung höherer Standards sei bereits vor dem Jahr 1994 versprochen worden. Wenn es letztlich um nationale Standards gehe, bedürfe es nicht der Europäischen Union.

Sobald Ökostandards Kosten verursachten, seien sie auch als schriftlich festgelegte Umweltnormen nicht zu halten. Dies habe sich im Hinblick auf die Problembereiche Knochenmehl/BSE, Gentechnik und Tiertransporte gezeigt. Daran sei für die Bevölkerung erkennbar geworden, daß höhere österreichische Standards nicht hielten.

Hingegen gebe es harte, konkrete und quantifizierbare – unter Anführungszeichen – „Verbesserungen“ für die Polizei zur Kriminalitätsbekämpfung. In anderen Bereichen bleibe es bei Lippenbekenntnissen, während 18 Millionen Menschen in der Europäischen Union auf der Straße stünden. Aber dies entspreche ja nach Ansicht mancher neoliberaler Wirtschaftstheoretiker einem – wiederum unter Anführungszeichen – „hohen Beschäftigungsniveau“.

Damit seien die inhaltlichen Gründe umrissen, die diese Debatte gespenstisch erscheinen ließen. Die Rahmenbedingungen, die dies bewirkten, bestünden in den Äußerungen Vizekanzler Dr. Schüssels am Rande der Regierungskonferenz, die mittlerweile europaweit Gegenstand des Tagesgesprächs geworden seien.

Abgeordnete Dr. Petrovic verlangt Auskunft über ein Dementi, das Österreich der schwedischen Regierung übermittelt habe, des Inhalts, daß die Äußerungen nicht so gefallen seien. Niemand in Österreich glaube das, und es habe auch nicht die Möglichkeit einer Konfrontation gegeben. Zu fragen sei nunmehr nach der Bewegungsfreiheit für österreichische Repräsentanten im europäischen Raum. Wenn es nicht zu lückenloser Aufklärung über diese Äußerungen komme, werde davon jedes internationale Auftreten österreichischer Politiker überschattet bleiben.

Daher die Frage an den Bundeskanzler: Erachten Sie diese Vorfälle für etwas, das man „von Mann zu Mann“ regeln kann? – Gegen eine solche Ausdrucksweise bringt Abgeordnete Dr. Petrovic als weibliche österreichische Abgeordnete und Bürgerin dieses Landes ihren Protest zum Ausdruck.

Falls es das Dementi der österreichischen Bundesregierung gegenüber Schweden tatsächlich gebe, sei zu fragen, ob der Bundeskanzler ihm seine Billigung gebe. Denn es erhöhe die Peinlichkeit ins Grenzenlose, etwas zu dementieren, von dem die österreichische Öffentlichkeit implizit ausgehe.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP) hält gegenüber den Ergebnissen der Regierungskonferenz weder Schönfärben noch Krankjammern für angebracht. Wenn 15 Staaten divergierende Ziele vorgäben, könnten diese auch in einem langen Reflexionsprozeß nicht in vollem Umfang erreicht werden. Bekanntlich seien auch innerstaatlich immer wieder Kompromisse zu schließen.

Wenn Abgeordneter Mag. Schweitzer frage, welcher konkrete Arbeitsplatz mit der Aufnahme des Beschäftigungskapitels in den Vertrag geschaffen werde, so laufe die Argumentation auf eine Abgabe nationaler Kompetenzen hinaus. Üblicherweise aber sei es die Forderung der Freiheitlichen, keine nationalen Kompetenzen abzugeben. Es liege somit eine widersprüchliche Formulierung der Sonderklasse vor. Wenn die Argumentationslinie in verschiedenen Bereichen nicht deckungsgleich sei, mangle es an Glaubwürdigkeit.

Vor der Konferenz in Amsterdam habe der Hauptausschuß gefordert, sowohl ein Beschäftigungskapitel als auch – davon klar getrennt – den Stabilitätspakt im Vertrag zu verankern, und genau dazu sei es gekommen. Eine EU-Beschäftigungspolitik nach Art des reinen Deficit-spending früherer Jahrzehnte sei vermieden und damit der Stabilitätspakt vor Schwierigkeiten bewahrt worden.

Aufgrund des Beschäftigungskapitels werde es zur Durchführung von „incentive projects“ kommen, für die jedoch – dies komme insbesondere den Nettozahlern zugute – keine zusätzlichen Mittel aufzubringen seien. Dies sei mit Hilfe der eindeutigen Trennung von monetären Kriterien und beschäftigungspolitischen Maßnahmen erreicht worden. Alles andere wäre ein Vorbeischwindeln gewesen, oder es wäre dem Wunsch entsprungen, die Zusammenhänge nicht zu verstehen.

Die einzelnen Mitgliedstaaten würden nunmehr stimulierende Projekte in die Wege leiten, und erfolgreiche Projekte könnten im Rahmen der nationalen Beschäftigungspolitik von anderen Ländern übernommen werden. Dadurch, daß Berichte über die jeweiligen nationalen beschäftigungspolitischen Aktionen auf EU-Ebene angefertigt und diskutiert würden, würden Anstrengungen zur Verbesserung der Beschäftigungslage gefördert werden.

Daß der Übergang vom Einstimmigkeitsprinzip zur Mehrheitsentscheidung in vielen Bereichen nicht erreicht worden sei, komme auch Österreich zugute, wie sich am Beispiel der Verfügung über die Wasservorräte zeige. Es sei nicht zur Veränderung der Stimmengewichtung oder zur Veränderung der Zusammensetzung der Kommission gekommen. Das Ziel, Österreich als kleinerem Staat die Bestellung eines Kommissärs zu sichern, sei erreicht worden.

Abgeordneter Dr. Höchtl fragt den Bundeskanzler, ob es außer der bisher bekanntgewordenen Absichtserklärung – nämlich die Stimmengewichtung erst zu regeln, wenn Verhandlungen mit mehr als fünf zusätzlichen Mitgliedern kurz vor dem Abschluß stünden – noch weitere Festlegungen gebe, auch im Hinblick auf die Zusammensetzung der Kommission.

Eine weitere Frage betrifft die Stärkung des Ausschusses der Regionen, womit insbesondere einem Anliegen der österreichischen Bundesländer entsprochen werde.

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ) stellt fest, daß hohe Erwartungen angesichts der Mechanismen in der Europäischen Union nicht zu erfüllen seien. Dies gelte auch für den vorliegenden Vertrag, vor dessen Abschluß die Erwartungen in Europa allgemein zu hoch geschraubt worden seien. Es habe in Anbetracht der neuen politischen Lage in Europa nach den Wahlen in Großbritannien und Frankreich wenig Möglichkeiten für Kompromisse gegeben, da vermehrt unterschiedliche politische und ökonomische Konzeptionen aufeinandergetroffen seien.

Nach Abschluß des Vertrages von Maastricht sei der deutsche Bundeskanzler Kohl der Ansicht gewesen, es werde ohne politische Union keine Wirtschafts- und Währungsunion geben, doch habe er in Amsterdam zur Kenntnis zu nehmen gehabt, daß es doch ohne tatsächlich qualifizierte politische Union gehen müsse. Viele Vertragspunkte, die schon im Vertrag von Maastricht hätten geregelt werden sollen, seien auch in Amsterdam noch nicht durchsetzbar gewesen.

Abgeordneter Dr. Gusenbauer hebt hervor, daß für ihn das Zusammenwirken der Wirtschafts- und Währungsunion mit der Beschäftigungspolitik das Hauptthema in Europa sei und daher auch im Rahmen des Gipfeltreffens von Amsterdam alle Kraftanstrengung darauf zu verwenden gewesen sei. In dieser Verknüpfung sei auch die Kernbotschaft dieser Konferenz zu erblicken. Unter dieser Voraussetzung sei das Ergebnis als ein günstiges einzuschätzen.

Es sei gelungen, die Beschäftigungspolitik zumindest als Zielvorstellung der Europäischen Union in den Vertrag aufzunehmen. Zwar könne man mit Recht sagen, daß dies viel zuwenig sei, jedoch sei überdies das Luxemburger Sondergipfeltreffen zur Beschäftigungspolitik vereinbart worden. Bis dahin könne geprüft werden, mit welchen Instrumenten das im Vertrag angegebene Ziel zu erreichen sei. Gemäß dem Pakt für Stabilität und Wachstum sei es beispielsweise möglich, die künftige europäische Zinspolitik nicht mehr ausschließlich an der Geldwertstabilität, sondern auch an anderen volkswirtschaftlichen Zielen zu orientieren. Zwar habe dies nicht die gleiche normative Kraft wie der Vertrag, doch sei daran deutlich eine Veränderung der wirtschaftspolitischen Diskussion in Europa erkennbar.

Weiters sei zu überprüfen, auf welche Weise bestehende Instrumente der Europäischen Union besser zur Beschäftigungspolitik genützt werden könnten. Nach Ansicht von Abgeordnetem Dr. Gusenbauer sind die Kapazitäten der Europäischen Investitionsbank bisher viel zuwenig dafür genützt worden. Weiters sei es ratsam, den Einsatz der Mittel aus Struktur- und Regionalfonds in höherem Maße an der Beschäftigungswirksamkeit zu messen. Entsprechende Berichte des Europäischen Rechnungshofes gäben Anlaß, einzelne Maßnahmen in Zweifel zu ziehen.

In den nächsten fünf Jahren werde der Hauptausschuß vermehrt auf parlamentarische Kontrolle im Bereich Inneres und Justiz zu achten haben, um einem demokratischen Defizit abzuhelfen, das daraus resultiere, daß wegen der fortbestehenden Einstimmigkeit das Europäische Parlament nur im Konsultationsverfahren in die Entscheidungen eingebunden sein werde.

Obmann Dr. Heinz Fischer begrüßt herzlich den nunmehr eingetroffenen Vizekanzler und Außenminister Dr. Wolfgang Schüssel.

Für Abgeordneten zum Europäischen Parlament Johannes Voggenhuber (Grüne) bringen die Resolution des Europäischen Parlaments, der Bericht der Kommission, der Bericht des Parlamentspräsidenten und die öffentliche Berichterstattung zum Ausdruck, daß das Gipfeltreffen von Amsterdam in hohem Maße gescheitert sei.

Den Versuchen, das Scheitern mit dem Hinweis auf zu hohe Erwartungen zu relativieren, stellt Abgeordneter Voggenhuber den Vorschlag gegenüber, die Konferenz von Amsterdam an ihren selbstgestellten Aufgaben zu messen. Diese Aufgaben hätten darin bestanden, erstens das Akzeptanzproblems durch eine Demokratisierung der Union zu überwinden, zweitens eine politische Union zur Herstellung eines Gleichgewichts zwischen wirtschaftlicher und politischer Integration – von der sozialen Dimension über den Umweltschutz bis hin zu Grund- und Bürgerrechten – voranzubringen, drittens eine handlungsfähige Außenpolitik zu schaffen und Schritte in Richtung einer zukünftigen Sicherheitsarchitektur zu setzen sowie viertens die Europäische Union für die Osterweiterung zu rüsten. – Keine einzige dieser Aufgaben sei gelöst worden.

Eine umfassende Demokratisierung habe – in dieser Hinsicht sei Abgeordnetem Dr. Neisser zu widersprechen – insofern stattgefunden, als die Entscheidungsverfahren von zwanzig auf drei reduziert worden seien. Zwar gebe es 23 neue Bereiche, in denen das Parlament mitentscheiden könne, doch seien der Großteil davon Bekenntnisliteratur und politische Poesie, Resolutionen und Entschließungen aller Art und in alle Richtungen. Von den klassischen Rechten eines Parlaments – Budgethoheit, Mitgesetzgebung, Landwirtschaftskompetenz, Marktordnung oder Strukturreform, all den Bereichen, die wirkliche Machtfragen beträfen – sei kein einziges hinzugekommen.

Dabei gehe es nicht bloß um ein Demokratiedefizit. Vielmehr entstehe durch die Verlagerung eines Teiles der inneren Sicherheit, nämlich der Dritten in die Erste Säule, ohne Parlamentskontrolle und ohne EuGH ein schwarzes Loch der Demokratie: Nationale Parlamente und Gerichtshöfe verlören Kompetenzen und das Europäische Parlament gewinne keine hinzu. Dadurch entstehe zum ersten Mal Recht jenseits von Gerichten und Parlamenten. Damit sei in der Legitimationsfrage der Rubikon überschritten.

Im Zusammenhang mit der unterbliebenen Demokratisierung seien weiters das Wahlverfahren, die europäischen Parteien, der Grundrechtskatalog und die Antidiskriminierung zu nennen. Letztere sei zwischen den Mitgliedsländern bereits paktiert gewesen, doch sei das angestrebte Ergebnis trotzdem ausgeblieben.

Die Tatsache, daß die Beschäftigungspolitik nunmehr auf der Tagesordnung stehe, sei zwar nicht zu unterschätzen, doch gelte dies genauso für das Ungleichgewicht zwischen einem tatsächlich festgeschriebenen, mit Sanktionsandrohungen versehenen Stabilitätspakt und dem bekenntnisliterarischen Kapitel über die Beschäftigung. In Amsterdam sei der Kommentar zu hören gewesen, die Herstellung der Fotokopien des Beschäftigungskapitels habe immerhin acht Arbeitsplätze geschaffen.

Die Beschäftigungspolitik stehe nunmehr wenigstens in Diskussion. Aber in der Sozialpolitik sei weiterhin Einstimmigkeit erforderlich, sodaß die Politische Union keinen Schritt weitergekommen sei. Der schwere Fehler des Vertrages von Maastricht, nicht eine politische Union als Voraussetzung der Währungsunion geschaffen zu haben, sei nicht repariert worden.

Was die Außenpolitik und die Osterweiterung betreffe, seien keine weiteren Worte über das Scheitern nötig. Es zeige sich in allen Punkten deutlich, daß die selbstgestellten Aufgaben in keiner Weise gelöst worden seien.

Nunmehr hält Abgeordneter Voggenhuber ein offenes Wort über das österreichische Auftreten für angebracht. Es sei in dieser Woche nicht einfach gewesen, österreichischer Abgeordneter zu sein. Im Europäischen Parlament sei überall der Druck zu verspüren gewesen, sich für eine Ausdrucksweise und ein österreichisches Auftreten verantworten zu müssen, das an die Grenze des Erträglichen gegangen sei, weil es dabei nichts zu verantworten und zu rechtfertigen gebe.

Eine Gemeinschaft voller Interessenkonflikte und sprachlicher Mißverständnisse bedürfe großer diplomatischer Sensibilität, um Beleidigungen zu vermeiden. Unter diesen Voraussetzungen hätten sich die letzten drei Tage für österreichische Abgeordnete zu einem Spießrutenlauf gestaltet, weil die Ausdrücke aus der Wiener Bassena-Sprache unübersetzbar und derart ungeheuerliche Worte allenfalls mit Umschreibungen verständlich zu machen seien. Obendrein sei der Schaden durch die Form der Dementis noch erhöht worden.

Abgeordneter Voggenhuber stellt gegenüber Außenminister Dr. Schüssel fest, daß dieser froh sein müsse, wenn ihm in der nächsten Ratstagung überhaupt noch jemand die Hand geben werde. Es sei zu hören gewesen, daß einige Teilnehmer dem Außenminister auch aufgrund der außerordentlich unredlichen Rechtfertigungen den Handschlag verweigern würden.

Die Tagung von Amsterdam lasse vor allem drei Schlußfolgerungen zu. Erstens sei die bisherige Methodik oder Technik des Integrationsprozesses erschöpft. Auf einer Regierungskonferenz im Jahre 2004 werde nicht bewältigt werden können, was in Maastricht und Amsterdam nicht bewältigt worden sei, weil die Europäische Integration durch Interessenausgleich nationaler Verwaltungen nichts mehr zustande bringe.

Ein Bericht der Kommission über den Verlauf der Sitzungen in Amsterdam bezeuge die Unübersichtlichkeit, die sich ergeben hätte. Derzeit gebe es ein Beschlußprotokoll, das von allen 15 Mitgliedstaaten beeinsprucht worden sei. Niemand wisse, was tatsächlich beschlossen worden sei. Über kaum einen Beschluß gebe es nicht verschiedene Interpretationen. Es seien derzeit Bestrebungen im Gange, dem Europäischen Parlament mehrere Bereiche der Mitentscheidung wieder wegzunehmen, weil diese irrtümlich zustandegekommen seien.

Es zeige sich, daß eine Art Reichsfürstenrat die Europäische Integration übernommen habe und sich als konstitutionelle Versammlung aufspiele, obwohl er dazu in keiner Weise legitimiert, berechtigt oder kompetent sei. Daher müsse eine neue Integrationstechnik entwickelt werden, nämlich ein verfassungsgebender Prozeß.

Die zweite Konsequenz sei für Österreich dramatischer: Es habe sich eine völlig neue Aufgabenstellung für die österreichische Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte des Jahres 1998 ergeben. Österreich werde nicht – nach der Devise „Der Kongreß tanzt“ – große Feierlichkeiten veranstalten und mit der vorgesehenen Reform der Strukturfonds das Auslangen finden können, sondern wegen der ausgebliebenen Vorbereitung auf die Osterweiterung, der verschobenen Institutionenreformen, der Turbulenzen der Währungsunion gegen Jahresende infolge der Nichterfüllung der Konvergenzkriterien durch Frankreich, der Implantierung des Beschäftigungskapitels und der massiv steigenden Erwartungshaltung osteuropäischer Länder in eine wesentlich schwierigere Lage geraten, als aufgrund der Vorbereitungsmaßnahmen des Außenministeriums heute angenommen werden könne. Derzeit sei an den Vorbereitungen nicht erkennbar, auf welche Weise die zu erwartenden Turbulenzen gemeistert werden könnten.

Die dritte Schlußfolgerung betreffe die österreichische Sicherheitspolitik. Es sei nicht gelungen und auf unabsehbare Zeit auch nicht mehr erreichbar, die WEU mit der EU zu verschmelzen. Großbritannien habe klargestellt – dafür Verbündete gefunden –, daß es neben der NATO kein europäisches Sicherheitssystem unterstützen werde. Versicherungen von Außen- und Verteidigungsminister über eine so gut wie fertige Sicherheitsarchitektur seien Schnee von gestern. Vielmehr sei die Sicherheitsdiskussion in Europa hiermit eröffnet, und die Neutralen seien besonders herausgefordert. Schweden und Finnland seien über Österreich erzürnt wegen der Unterbindung jeglicher Allianz, obwohl sich dabei zukunftsträchtige Perspektiven ergeben könnten.

Abgeordneter Voggenhuber ersucht den Hauptausschuß, diese Fragen zu klären und in der völlig neuen sicherheitspolitischen Debatte federführend tätig zu werden.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima ersucht Abgeordneten Voggenhuber, für ihn nicht die Bezeichnung „Reichsfürst“ zu gebrauchen. Es treffe nicht zu, daß ein „Reichsfürstenrat“ ohne demokratische Legitimation getagt habe, und die österreichische Bundesregierung sowie der österreichische Bundeskanzler seien demokratisch legitimiert, Österreich zu vertreten.

Anzeichen für eine Einschränkung der Handlungsfreiheit Österreichs im außenpolitischen Bereich seien nicht zu erkennen.

Der Vertrag von Amsterdam stelle, wie gesagt, nicht die Endstufe der Integration dar, sondern könne nur als Etappe eines Prozesses verstanden werden. Ein aus Kompromissen entstandener Vertrag werde vom Bundeskanzler nicht zu Hause als absoluter Erfolg verkauft, daher mögen auch keine solchen Vorwürfe erhoben werden. Die Mitglieder der Bundesregierung seien nicht vor den Ausschuß getreten, um gerichtet zu werden, sondern um die weiteren Schritte zu beraten und Handlungsoptionen für Österreich in gemeinsamer Verantwortung zu erarbeiten.

In Amsterdam seien Schritte in Richtung Binnenmarkt, Währungsunion, Beschäftigungs- und Sozialunion sowie auch Politische Union gesetzt worden. Insgesamt seien dies maßgebliche Schritte in die richtige Richtung. Es habe keinen Schritt in die falsche Richtung gegeben.

Nachdem ausdrücklich der Auftrag ergangen sei, in einigen für Österreich sensiblen Bereichen am Prinzip der Einstimmigkeit unbedingt festzuhalten, möge nun nicht Klage darüber geführt werden, daß der Übergang vom Einstimmigkeitsprinzip zur Mehrheitsentscheidung und damit zu mehr Effizienz in der Entscheidungsfindung nur in wenigen Bereichen erreicht worden sei. Wenn Österreich darauf bestehe, daß ohne seine Zustimmung zum Beispiel in den Bereichen des umweltorientierten Steuersystems, des Wasserhaushaltes, der Raumordnung oder der Energiepolitik keine Änderungen vorgenommen werden dürften, könne es auch anderen Ländern nicht verargen, daß sie mit ihrem Veto die weitere Entwicklung Europas behindern können.

Bundeskanzler Mag. Klima antwortet Abgeordnetem Dr. Neisser, daß der Inhalt des Beschäftigungskapitels eine wesentliche Voraussetzung für eine ausgewogene europäische Wirtschaftspolitik sei. Neben das Stabilitätsgebot für den ECOFIN in der Geldpolitik sei gleichrangig die Verpflichtung zu europäischer Beschäftigungspolitik getreten. Österreich sei nie dafür eingetreten, daß die Nettozahler neuerlich Geld nach Brüssel schickten, damit es dort mit der Gießkanne verteilt werde, und habe auch nie dafür plädiert, daß drei Weise darüber zu entscheiden hätten, welche Maßnahmen den Mitgliedstaaten per Verordnung aufzuzwingen seien.

Österreich sei vielmehr für beschäftigungspolitische Maßnahmen auf zwei Ebenen eingetreten: für europäische Initiativen und für subsidiäre Maßnahmen auf nationalstaatlicher Ebene. Nicht nur in der Währungsunion und in der Haushaltspolitik, sondern auch im Beschäftigungsbereich werde es klare Kontrollen geben, die sich von der Verpflichtung der einzelnen Mitgliedstaaten zur Ausarbeitung von Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit über die gemeinsame Überprüfung des Erfolges dieser Maßnahmen bis hin zur entsprechenden Berichterstattung erstreckten.

Die Finanzminister stimmten darin überein, daß der blaue Brief, in dem die Verletzung der Finanzkriterien öffentlich gerügt werde, eine viel schärfere Wirkung als die Hinterlegung einer Depotsumme habe. Deshalb sei es wichtig, im Beschäftigungsbereich ähnliche Vorkehrungen zu treffen. Die Aufnahme des Beschäftigungskapitels sei ein großer Erfolg, und hohe Bedeutung werde dem Sondergipfeltreffen zum Thema Wachstum und Beschäftigung zukommen, da es dort zu ersten Bewertungen nationaler Beschäftigungsprogramme kommen werde.

Die Europäische Investitionsbank werde stärker in die Technologieförderung, die Unterstützung der Klein- und Mittelbetriebe sowie den Ausbau der Verkehrs- und Infrastrukturnetze einbezogen werden. Es werde darum gehen, ein gemeinsames Arbeitsprogramm auf europäischer Ebene umzusetzen, da beschäftigungspolitische Maßnahmen in diesem Rahmen nunmehr möglich seien. Dazu gehörten auch eine Harmonisierung und schrittweise Ökologisierung der Steuersysteme. Entscheidungen darüber bedürften aber weiterhin der Einstimmigkeit. Eine „Rosinenpolitik“ nach österreichischen Wunsch mit Mehrstimmigkeit in Steuerfragen, jedoch Einstimmigkeit in der Frage des Wasserhaushaltes sei nicht immer durchzusetzen.

Besonders wichtig sei die Gleichrangigkeit zwischen Stabilitätspolitik und Beschäftigungsmaßnahmen. Jedoch dürfe nicht der Fehler gemacht werden, zu versprechen, es könne auf irgendeiner Ebene möglich sein, 250 000 Arbeitsplätze auf einmal zu schaffen. Im Sinne seriöser Politik sei klarzumachen, daß das Ziel höherer Beschäftigung in Europa nur mit Hilfe eines Maßnahmenbündels und abgestimmter Rahmenbedingungen zu erreichen sein werde.

Mittel- und langfristig werde sich die Währungsunion als wesentliche beschäftigungspolitische Maßnahme auswirken. Die Änderungen der Wechselkurse während der letzten Jahre hätten starke Auswirkungen auf die Exportwirtschaft und damit auf die Beschäftigung in den Exportländern gehabt. Europa brauche eine starke Währung, um im Wettbewerb mit Dollar und Yen zu bestehen. Der Euro müsse für ein Weltwährungssystem nach Art des Bretton-Woods-Systems stark genug sein. Wettbewerbsverzerrende Wechselkursentwicklungen wie zuletzt werde es künftig zu vermeiden gelten.

Bundeskanzler Mag. Klima weist Abgeordneten Dr. Neisser darauf hin, daß das beschäftigungspolitische Ziel nunmehr im Gemeinschaftsrecht verankert sei. Die Aufnahme ins Primärrecht weise die Richtung zur prinzipiellen Gleichwertigkeit wirtschafts- und beschäftigungspolitischer Maßnahmen.

Über den Zeitplan sei zu sagen, daß die Unterzeichnung des Vertrages im Oktober 1997 erfolgen werde – Anzeichen für eine Verschiebung dieses Termines gebe es derzeit nicht – und grundsätzlich die Absicht bestehe, den Vertrag – nach Ratifizierung in den nationalen Parlamenten – frühestens mit 1. Jänner 1999 in Kraft treten zu lassen.

Österreich habe vorgeschlagen, die Europäische Union besser in das Regelwerk der Europäischen Menschenrechtskonvention einzubinden und eine weitergehende Abstimmung zu erreichen, jedoch hätten andere Mitgliedstaaten dies verhindert, weil im Falle einer solchen Einbindung die Straßburger Instanzen in Teilaspekten das letzte Wort hätten. Dies habe zu dem Kompromiß geführt, die Grundsätze aus der Menschenrechtskonvention in den Vertrag aufzunehmen und den Europäischen Gerichtshof für zuständig zu erklären. Es habe sich in der Vergangenheit gezeigt, daß sich der EuGH in seiner Rechtsprechung an der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte orientiere.

Bundeskanzler Mag. Klima betont, niemals auch nur den geringsten Anlaß zu einem Zweifel an seiner Absicht gegeben zu haben, in Übereinstimmung mit der bekannten Grundsatzposition langfristig auf den Ausstieg aus der Atomkraftnutzung hinzuarbeiten. Diese Forderung habe nicht die Unterstützung der anderen Mitgliedstaaten gefunden. Doch hätten weder der Bundeskanzler noch die Bundesregierung ihre Position verändert.

Was die Kirchen betreffe, enthalte der Vertrag eine Erklärung, daß deren Stellung in den einzelnen Mitgliedstaaten respektiert werde. Damit werde klargestellt, was sich ohnehin aus dem nationalen Recht ergebe. Weitere und stärkere Klarstellungen seien nicht zu erreichen gewesen.

Bundeskanzler Mag. Klima stellt fest, daß er im Hinblick auf die Umweltstandards nichts beschönigt habe. 1994 habe Österreich im Rahmen der Beitrittsverhandlungen erreicht, daß es die höheren Umweltstandards beibehalten dürfe. Bis Ende 1998 sei ein Überprüfungsprozeß im Gange. In Teilbereichen sei die Anhebung der Standards in der Europäischen Union auf das österreichische Niveau zu erwarten. Jetzt schon erreicht sei zum Beispiel die Anpassung des Benzolgehalts im Benzin an den österreichischen Standard. Der neue Vertrag werde es in Zukunft erlauben, höhere Umweltstandards auf nationaler Ebene neu einzuführen.

In Beantwortung der Frage von Abgeordnetem Mag. Schweitzer stellt Bundeskanzler Mag. Klima fest, daß es keine zutreffende Lesart des Beschäftigungskapitels sei, darin konkrete Zahlen für Arbeitsplätze in einzelnen Ländern verankert zu sehen.

Abgeordneter Mag. Schweitzer sage einerseits, Österreich müsse bei der Osterweiterung vorsichtig sein, und beklage andererseits, daß das Ausbleiben der Institutionenreform die Osterweiterung behindere. Darin zeige sich ein Konflikt divergierender Standpunkte, wie ihn auch die Europäische Union auszutragen habe. In der Frage der qualifizierten Mehrheitsentscheidungen habe sich eine deutliche Mehrheit der Mitgliedstaaten für das Prinzip der doppelten Mehrheit und nicht für die Umgewichtung der Stimmverhältnisse entschieden. Trotzdem sei es wegen des Einspruches zweier erklärter Gegner des Prinzips der doppelten Mehrheit nicht zu einer Reform gekommen, sondern der Kompromiß getroffen worden, die Frage später zu klären.

Die Position des Präsidenten sei gestärkt worden, sodaß auf mehr Effizienz gehofft werden könne. Eine Weiterentwicklung sei im Hinblick auf die für die Bürger besonders wichtigen Bereiche Beschäftigung, Sozialpolitik sowie innere und äußere Sicherheit gelungen. Zwar keine Lösungen, aber gute Ansätze seien hinsichtlich der Maßnahmen zur Effizienz und eines schrittweisen Demokratisierungsprozesses in den Entscheidungsstrukturen zu verzeichnen.

Die Verhandlungen mit den osteuropäischen Staaten würden Anfang 1998 aufgenommen werden und sollten zügig vorangebracht werden. Sie würden in Abhängigkeit vom Homogenisierungsstand der einzelnen Staaten abgeschlossen werden. Es sei ein Gebot der Ehrlichkeit, den Beitrittskandidaten schon jetzt mitzuteilen, daß in Österreich bestimmte Sektoren – wie zum Beispiel die Freiheit des Arbeitnehmerverkehrs – besondere Sensibilität genössen und daher entsprechende Übergangsfristen erforderlich seien. In realistischer Einschätzung sei während der nächsten zwei Jahre keine Erweiterung der Europäischen Union zu erwarten.

Die Frage von Abgeordneter Dr. Petrovic nach einem Dementi gegenüber Schweden beantwortet Bundeskanzler Mag. Klima damit, daß es seines Wissens seitens der Bundesregierung keine offiziellen Dementis gebe, da auch keine Anfragen von schwedischer Seite vorlägen. Ihm sei nicht bekannt, daß irgendwelche diplomatischen Noten oder Interventionen Schwedens an Österreich vorlägen.

Nach dieser Auskunft verläßt Bundeskanzler Mag. Viktor Klima die Beratung.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel weist auf Südtirol-Gespräche als Ursache seines späteren Eintreffens hin und erwähnt dabei einen Beschluß über eine künftige Freie Universität in Bozen.

Die Regierungskonferenz in Amsterdam sei in der Öffentlichkeit sehr unterschiedlich beurteilt worden, die Meinungen reichten von „großer Erfolg“ bis „Fiasko“. Insgesamt sei in der europäischen Presse eine leicht positive Bewertung erkennbar. Vizekanzler Dr. Schüssel hält in persönlicher Wertung den Abschluß des Vertrages von Amsterdam für eine nützliche Etappe im Integrationsprozeß.

Zwar seien in einigen Punkten weiterreichende Ergebnisse wünschenswert gewesen, doch habe kein einziges der 15 Mitgliedsländer seine Idealvorstellungen durchbringen können. Es sei zu einem guten Kompromiß gekommen, an dem entscheidend sei, daß die Union insgesamt auf Kurs bleibe. Infolge des Abschlusses des Stabilitätspaktes erscheine nunmehr die Umsetzung der Beschlüsse über den Euro im nächsten Jahr möglich. Mit dem neuen Vertrag sei die Europäische Union besser für die großen Herausforderungen der nächsten Jahre gerüstet.

Für Österreich sei die Konferenz ein großer Erfolg geworden. Es sei gelungen, Österreich als ein Land zu positionieren, das gemeinsam mit anderen kleinen Ländern fest für die Vertiefung der Union eintrete und das Projekt der europäischen Einigung weiter voranbringen wolle. Das österreichische Engagement für integrationspolitische Fortschritte habe breite Anerkennung gefunden.

Die Schwerpunkte, die Österreich zu Beginn der Konferenz gesetzt habe, hätten sich letztlich durchgesetzt, obwohl es anfangs nicht danach ausgesehen habe. Im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung der sogenannten „Europrofis“, daß sich die Konferenz auf eine Revision des Vertrages von Maastricht, auf institutionelle Weiterentwicklungen, auf die GASP und die Dritte Säule konzentrieren werde, habe Österreich beharrlich die konkreten Anliegen der Bürger – wie Menschenrechte, Beschäftigung, Umweltschutz oder Tierschutz – in den Vordergrund gerückt und darauf bestanden, diesen zumindest denselben Stellenwert einzuräumen. Aus österreichischer Sicht habe der neue Unionsvertrag in den öffentlich vielbesprochenen Fragen Fortschritte bringen müssen, um die Kluft zwischen der Europäischen Union und den Bürgern verringern und die Akzeptanz zu erhöhen.

Eben deshalb, weil es im Bereich der österreichischen Schwerpunkte zu entscheidenden Fortschritten gekommen sei, könnte aus österreichischer Sicht von einem positiven Verlauf gesprochen werden. Manche der ursprünglich sehr zurückhaltenden Partner seien Österreich und anderen kleinen Ländern für das Beharren auf diesen Themen dankbar. Peter Ludlow, der Direktor des Center of European Political Studies, habe die „kleinen, sauberen, fleißigen Pfadfinderstaaten“ als die wirklichen Sieger dieser Regierungskonferenz bezeichnet, da sie sowohl für ihre nationalen Interessen als auch für Anliegen wie Umweltschutz und Beschäftigung gekämpft hätten.

Hinsichtlich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sei von Anfang an klar gewesen, daß dieses Ziel nur schrittweise und längerfristig werde erreicht werden können. Ein großer Durchbruch in Form eines Verzichtes der großen Länder auf nationale Außenpolitik sei nicht zu erwarten gewesen. Vereinbart worden sei eine neue Strategieplanungs- und Frühwarneinheit, welche die Union früher und besser in die Lage versetzen werde, gute Außenpolitik zu konzipieren. Die neue Troika, die aus zwei Kontinuitätselementen – der Kommission und dem Generalsekretär – und einem wechselnden Element – dem Vorsitz – bestehe, solle höhere Effizienz und größere Kontinuität gewährleisten.

Die Einstimmigkeitsregel bleibe bestehen, vor allem im militärischen Bereich, jedoch werde sie auf grundlegende politische Entscheidungen eingeschränkt. Die Umsetzung solcher Strategieentscheidungen erfolge mit qualifizierter Mehrheit. Dabei bestehe erstmals die Möglichkeit der konstruktiven Stimmenthaltung. Überdies sei im nationalen Interesse die Anrufung einer Schutzklausel möglich, die es einzelnen Mitgliedstaaten ermögliche, eine Abstimmung zu verhindern. Wenn eine solche Anrufung erfolge, werde der Europäische Rat tätig, sofern eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten dies verlange. Dieser Punkt sei heftigst umstritten gewesen. Insbesondere Großbritannien habe seine Ablehnung zum Ausdruck gebracht, und der Kompromiß, dem es in Amsterdam schließlich zugestimmt habe, sei zum Anlaß für die britische Presse geworden, an der Regierung verbreitet Kritik zu üben. – Nach Ansicht von Vizekanzler Dr. Schüssel handelt es sich dabei um eine vernünftige Kompromißformel, auf der man aufbauen könne.

In Zukunft könne die Europäische Union im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik Verträge mit Drittstaaten und internationalen Organisationen abschließen, die sich auch auf die Dritte Säule beziehen könnten. An der neuen und effizienteren Finanzierungsregel sei für Österreich von Bedeutung, daß es dann, wenn es sich der Stimme enthalte, nicht automatisch mitbezahlen müsse.

Positiv sei zu bewerten, daß die Petersberg-Aktivitäten – humanitäre Aufgaben, Rettungseinsätze, friedenserhaltende und -durchsetzende Maßnahmen – als Aufgaben der Union in den Vertrag aufgenommen worden seien. Die Europäische Union könne die Aufgabendurchführung an die Westeuropäische Union delegieren, sie habe in diesem Bereich ihr gegenüber absolute Leitlinienkompetenz. Aufgewertet würden jene EU-Mitglieder, die nicht Vollmitglieder der WEU seien, da sie im Falle solcher WEU-Aktionen gleichberechtigt an Planung und Beschlußfassung mitwirken könnten.

Die Europäische Union habe die Absicht, ihre Beziehungen zur WEU weiterzuentwickeln. In einem Protokoll sei festgelegt worden, daß spätestens innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Vertrages EU und WEU organisatorische Vorkehrungen für eine verbesserte Zusammenarbeit zu beschließen hätten. Die Einbeziehung der WEU in die EU werde als eine Möglichkeit bezeichnet, deren Verwirklichung eines neuerlichen einstimmigen Beschlusses des Europäischen Rates bedürfen werde.

Abgeordneter Voggenhuber habe völlig recht, wenn er sage, daß die Perspektive der Verschmelzung von EU und WEU aufgrund des britischen Vetos in weite Ferne gerückt sei. Jedoch sei es nötig, die Motive für die massiven Einwände einzelner Mitgliedsländer zu kennen. Manche hätten bewußt eine Schwächung der NATO verhindern und diese als einzige Verteidigungsoption aufrechterhalten wollen, anderen sei das zu weit gegangen.

Auf absehbare Zeit werde allein die NATO die europäische Sicherheit gewährleisten können. Innerhalb der NATO werde die Diskussion über deren stärkere Europäisierung weitergehen.

Österreich habe seine Positionen im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gut gehalten. Es gebe keinerlei Abweichung oder Abschwächung gegenüber den Vorstellungen, die im Hauptausschuß des Nationalrates gemeinsam entwickelt worden seien.

Vizekanzler Dr. Schüssel hält die Meinung für falsch, daß die Konferenz in der Institutionenfrage gescheitert sei. Der große Gewinner in der Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen den Institutionen sei das Europäische Parlament. Österreich habe sich darum besonders bemüht und einiges erreicht. Das Ergebnis sei eine signifikante Ausweitung der Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments auf den Großteil der legislativen Materien, auf fast alle Bereiche, in denen die Beschlüsse im Rat mit qualifizierter Mehrheit gefaßt würden. Dadurch werde das Parlament die Mehrheitsentscheidungen im Rat zusätzlich demokratiepolitisch legitimieren.

Aus diesem Grund widerspricht Vizekanzler Dr. Schüssel entschieden der Einschätzung von Abgeordnetem Voggenhuber, es handle sich dabei nur um Rhetorik- oder Lyrikthemen, und verweist auf die neuen Vertragsbestimmungen, für die das Mitentscheidungsverfahren Gültigkeit haben werde: Artikel (5) Beschäftigung – Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigung; Artikel 119 Sozialpolitik – Chancengleichheit und Gleichbehandlung; Artikel 129 Gesundheitswesen – Mindestanforderungen für die Qualität und Sicherheit von Organen / Unmittelbar dem Gesundheitsschutz dienende veterinär- und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen; Artikel 191a Allgemeine Grundsätze der Transparenz; Artikel 209a Bekämpfung von Betrug zu Lasten der finanziellen Interessen der Gemeinschaft; ein neuer Artikel über Zusammenarbeit im Zollwesen; Artikel 213a Statistik; Artikel 213b Schaffung einer unabhängigen beratenden Behörde für den Datenschutz.

Dazu kämen bestehende Vertragsbestimmungen, die bisher Gegenstand der Zusammenarbeit gewesen und nunmehr ebenfalls Gegenstand des Mitentscheidungsverfahrens geworden seien. Daraus zitiert Vizekanzler Dr. Schüssel: Artikel 6 Vorschriften für das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit; Artikel 51 Binnenmarkt – Vorschriften über die soziale Sicherheit für Wanderarbeitnehmer in der Gemeinschaft; Artikel 56 Abs. 2 Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Sonderregelungen für Ausländer (Niederlassungsrecht); Artikel 84 Verkehrspolitik –, Seeverkehr und Luftverkehr.

Weiters davon betroffen seien für Österreich besonders wichtige Regelungen über Transporte im Landverkehr, Entwicklungszusammenarbeit und Umweltfragen. Insgesamt handle es sich um sehr weitreichende zusätzliche Rechte für das Europäische Parlament. Auch dessen Präsident und die Fraktionsführer der großen Fraktionen des Europäischen Parlaments hätten von einem zwar nicht vollständig befriedigenden, aber deutliche Fortschritte bringenden Ergebnis gesprochen. – Hervorzuheben seien überdies die Verringerung auf nunmehr nur noch drei Rechtsetzungsverfahren und die bessere Einbeziehung der einzelstaatlichen Parlamente mittels neuer Fristen und erhöhter Transparenz.

Der Kommissionspräsident sei gestärkt worden und habe erstmals die Möglichkeit der Mitsprache bei der Auswahl der Kommissäre. Die Geschäftsbereiche in der Kommission seien neu geordnet worden.

Der Ausschuß der Regionen sei durch eine beträchtliche Ausweitung des Geltungsbereiches der obligatorischen Anhörung und die neue Konsultationsmöglichkeit durch das Europäische Parlament aufgewertet worden.

Auch dem Europäischen Gerichtshof seien in signifikantem Ausmaß zusätzliche Rechte eingeräumt worden, insbesondere hinsichtlich der Zusammenarbeit im Bereich Inneres und Justiz. Der EuGH könne nun Vorabentscheidungen treffen. Bei Nichteinhaltung des Vertrages könne Klage gegen die Mitgliedstaaten eingebracht werden. Diese hätten nunmehr optional die Möglichkeit, dem EuGH Vorabentscheidungs- und Jurisdiktionsrechte abzutreten. Österreich werde dieses Angebot mit Sicherheit annehmen.

Gestärkt worden sei auch der Europäische Rechnungshof.

Die Ausweitung des Bereichs der Mehrheitsentscheidungen sei aus österreichischer Sicht in zu geringem Ausmaß erfolgt, doch habe die Summe der nationalen Ausnahmewünsche nur sehr geringe Fortschritte ermöglicht. Österreich sei in zehn der vorgeschlagenen elf Bereiche bereit gewesen, den Übergang von der einstimmigen Entscheidung zur Mehrheitsentscheidung mitzutragen.

Fast alle Mitgliedsländer hätten zugestimmt, daß Österreich weiterhin einen Vertreter in die Kommission entsende. Der heutige Kommissär habe für Österreich eine sehr profilierte Position erobern können.

Insgesamt sei es in der Institutionenfrage zu keiner Minderung österreichischer Rechte gekommen.

Für die Erweiterung der Europäischen Union sei ein zweistufiges Verfahren vorgesehen. Zum Zeitpunkt der ersten Erweiterung würden die großen Mitgliedstaaten unter der Voraussetzung einer bis dahin ausverhandelten Änderung des Abstimmungssystems im Rat auf den ihnen zustehenden zweiten Kommissär verzichten. Derzeit sei offen, ob die Änderung hin zur doppelten Mehrheit im Rat oder zur Umgewichtung der Stimmen – oder möglicherweise einer dritten Variante – erfolgen werde. Eine neue Regierungskonferenz sei für einen Zeitpunkt vor Überschreitung der Zahl von 20 Mitgliedstaaten geplant. Dann würden weitere institutionelle Reformschritte vereinbart werden.

Damit werde die Erweiterung der Union nicht notwendigerweise in eine fernere Zukunft verschoben. Es sei zu erwarten, daß eine erste und vielleicht sogar zweite Erweiterungsrunde nicht zur Überschreitung der Grenze von 20 Mitgliedstaaten führen werde. Bis dahin wird nach Ansicht von Vizekanzler Dr. Schüssel das heutige institutionelle Gerüst ausreichen, sodaß die Osterweiterung nicht nur nicht gestoppt worden sei, sondern im Gegenteil jetzt sogar eine gewisse Eigendynamik zu entfalten beginne.

Am 16. Juli 1997 werde die Kommission ihren Bericht über die elf Beitrittskandidaten zuerst dem COREPER und anschließend dem Europäischen Parlament vorlegen. Am 22. Juli werde es zu einer ersten Diskussion über die Vorgangsweise im Rat kommen. Ende Oktober 1997 werde die inhaltliche Diskussion beginnen, und im Dezember 1997 werde ein Europäischer Rat in Luxemburg beschließen, mit welchen Staaten und auf welche Weise – in Gruppen oder individuell – die Verhandlungen geführt würden.

Österreich könne mit dem Ergebnis von Amsterdam gut leben, da es die ihm wichtigen Punkte zu 100 Prozent habe umsetzen können. Vizekanzler Dr. Schüssel dankt dem gesamten Verhandlungsteam herzlich, vor allem Botschafter Scheich, Dr. Lehne und Morass.

Die Kritik am Vertrag von Amsterdam, daß alles offengeblieben sei, treffe nicht zu. Zwar könnten in der politischen Runde solcher Verhandlungen nicht alle Details festgelegt werden, doch habe sich in zwei Sitzungen auf COREPER-Ebene mittlerweile gezeigt, daß nur ganz wenige, nicht schwerwiegende Bestimmungen des 200 Seiten umfassenden Vertrages bestritten worden seien. Bundeskanzler Mag. Klima habe daher mit seiner Einschätzung recht, daß einer Unterzeichnung im Oktober 1997 in Amsterdam nichts im Weg stehe.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) möchte zuerst über eine der unmittelbaren Folgen der Konferenz von Amsterdam diskutieren, weil seiner Einschätzung nach der Aktionsradius von Vizekanzler Dr. Schüssel sowohl innerhalb der österreichischen Bundesregierung als auch im Ausland, vor allem in der Europäischen Union, derzeit gleich null sei.

Zutreffend sei die Einschätzung von Abgeordnetem Voggenhuber, daß in der Europäischen Union wahrscheinlich niemand mehr Vizekanzler Dr. Schüssel nach dessen verbalem Ausrutscher die Hand geben werde. Der Herr Bundeskanzler sei hingegen mit seiner Ansicht im Irrtum, daß dies im Ausland kein Thema sei, da in allen europäischen Staaten darüber berichtet werde und insbesondere die Zeitungen in Schweden daraus ein Titelseitenthema gemacht hätten.

Die Lage sei problematisch, wenn der österreichische Außenminister über einen Aktionsradius gleich null verfüge und nun überdies den österreichischen Vertreter in Brüssel in Verlegenheit gebracht habe. Der Journalist Thomas Mayer berichte in der heutigen Ausgabe einer Tageszeitung über ein Informationsgespräch für EU-Korrespondenten in einem Hotel in Brüssel. Dort sei Botschafter Scheich zum Zeugen eines weiteren verbalen Ausrutschers von Vizekanzler Dr. Schüssel geworden, nämlich dessen sehr verächtlicher und, wie Abgeordneter Mag. Stadler glaubt, rassistischer Äußerung, in der er den Präsidenten der Weißrussischen Republik, Lukaschenko, als „Kümmeltürken“ bezeichnet habe.

Vor zwei Tagen habe Vizekanzler Dr. Schüssel dies hier in diesem Saal vor dem Außenpolitischen Ausschuß abgestritten. Heute sei in den Tageszeitungen zu lesen, daß offensichtlich nicht nur Journalisten Zeugen dieses Ausrutschers waren, sondern außerdem der österreichische EU-Botschafter. Diese Angelegenheit sei für Österreich, für Vizekanzler Dr. Schüssel und nunmehr auch für Botschafter Scheich sehr problematisch.

Noch problematischer sei sie dadurch geworden, daß der österreichische Außenminister inzwischen zu einem Bankpräsidenten geflogen sei und sich für etwas entschuldigt habe, das er angeblich nie gesagt habe. Es sei ein unerträglicher und unwürdiger Kanossagang, wenn ein österreichisches Regierungsmitglied offiziell einen Bankvertreter besuche und dort ein Gespräch – wie Vizekanzler Dr. Schüssel das nenne – „unter Männern“ führe, weil es europaweit ins Gerede gekommen sei.

Daher sei es angebracht, darüber zu diskutieren, wie Vizekanzler Dr. Schüssel Außenpolitik betreibe und wie er Österreich im Ausland repräsentiere. Uninteressant seien dabei die Probleme, die der Vizekanzler in seiner Partei und mit seinen Mitarbeitern habe. Wohl aber habe es Österreich und das österreichische Parlament zu interessieren, wie er mit Vertretern befreundeter Länder umgehe. Die Anhäufung massiver, mit Zeugenaussagen belegter Vorwürfe, gegen die Vizekanzler Dr. Schüssel seiner eigenen Ankündigung zufolge nicht Klage führen werde, lege nicht den Verdacht nahe, daß alle diese Leute sich irrten oder Lügner seien.

Obmann Dr. Heinz Fischer macht darauf aufmerksam, daß Fragen, die nicht auf der Tagesordnung stünden, auch nicht vor dem Forum des Hauptausschusses zu erörtern seien.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum) begrüßt es, daß Vizekanzler Dr. Schüssel den Vertrag von Amsterdam als nützliche Etappe und guten Kompromiß bezeichnet hat, und fragt ihn, ob er je das Ansinnen geäußert habe, österreichischerseits die Unterschriftsleistung beziehungsweise die Ratifikation zu verzögern.

Die Ratifikation sei Aufgabe des Parlaments und solle daher von einem Regierungsmitglied nicht beeinflußt werden.

Vizekanzler Dr. Schüssel habe davon gesprochen, daß wegen des britischen Vetos die Verschmelzung von Europäischer Union und Westeuropäischer Union in weite Ferne gerückt sei und man sich deshalb damit abfinden müsse, daß die Sicherheit bis auf weiteres durch die NATO zu gewährleisten sei. Abgeordnete Dr. Schmidt fragt, wie der Ausdruck „sich damit abfinden müssen“ zu verstehen sei: ob dies heiße, daß Österreich in naher Zukunft wegen vermeintlicher Aussichtslosigkeit keine Vorstöße mit dem Ziel unternehmen werde, die WEU in die EU einzubeziehen, und ob Österreich direkt den Weg in die NATO anstrebe.

Es sei unmöglich, in der heutigen Hauptausschußsitzung nicht über die Affäre zu sprechen, die Vizekanzler Dr. Schüssel derzeit Österreich bereite. Dabei seien verschiedene Ebenen zu unterscheiden. Eine der Ebenen beziehe sich auf die Frage, welchen Sprachschatz ein Außenminister haben und in welchem Kreis er ihn gebrauchen dürfe.

Doch bedürfe vor allem der Umgang mit dieser Affäre näherer Erörterung. Dabei ergebe sich die Frage: Welchen Stellenwert hat die Wahrheit in unserer Gesellschaft und in unserer Politik? – Damit sei nicht nur die Wahrheit in bezug auf die Äußerung selbst gemeint, sondern es gehe auch um ein Nachdenken darüber, was es bedeute, andere Menschen – in diesem Fall Journalisten – zu Lügnern zu stempeln.

Aus der Zeit ihrer Tätigkeit in der Volksanwaltschaft ist Abgeordneter Dr. Schmidt das Wort in Erinnerung, daß die Aussage eines Polizisten nur mit mindestens drei Zeugenaussagen halbwegs aufgewogen werden könne. Es dürfe sich in Österreich nicht das Erfordernis einschleichen, gegen die Aussage eines Politikers ein entsprechend hohes Zeugenaufgebot beibringen zu müssen. Denn die Aussage eines Politikers dürfe nicht für sakrosankt gehalten werden.

Es sei unerträglich, wenn Vizekanzler Dr. Schüssel von Selbstachtung spreche und damit offenbar nur sich selbst meine, nicht aber jene Journalisten, die er im selben Atemzug zu Lügnern stemple.

Die Wahrheitsfindung werde sich zugegebenermaßen schwierig gestalten, doch wenn Vizekanzler Dr. Schüssel – entgegen früheren Ankündigungen der ÖVP-Generalsekretärin – nicht die Absicht habe, Klagen einzubringen und einen Richter entscheiden zu lassen, sei er nach seiner Bereitschaft zu fragen, die österreichischen Bürgerinnen und Bürger über die Glaubwürdigkeit abstimmen zu lassen. Diese hätten ein Anrecht darauf, und es gebe die Möglichkeit, die Glaubwürdigkeit der Positionen von Politikern aufgrund von Konfrontationen im Fernsehen beurteilen zu lassen.

Abgeordnete Dr. Schmidt fragt Vizekanzler Dr. Schüssel, ob er zu einer solchen Konfrontation bereit sei – den Journalisten müsse die gleiche Chance wie einem Politiker zur öffentlichen Darstellung ihrer Sichtweise gegeben werden – und ob er beabsichtige, sich bei den Adressaten der kolportierten Verbalinjurien sowie auch bei den bisher zu Lügnern gestempelten Journalisten zu entschuldigen, falls die entsprechende Glaubwürdigkeit nicht hergestellt werden könne.

Obmann Dr. Heinz Fischer übergibt den Vorsitz an Obmannstellvertreter Dr. Heinrich Neisser.

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP) zeigt sich darüber verwundert, daß Abgeordneter Mag. Stadler nach verspätetem Eintreffen unter Ausnutzung des öffentlichen Interesses für die EU-Beratung des Hauptausschusses seine bereits vor Tagen geäußerten Vorwürfe gegen Vizekanzler Dr. Schüssel wiederhole. Eine ähnliche Vorgangsweise sei Abgeordneter Dr. Schmidt vorzuwerfen.

Ein solches Agieren bringe keinen Gewinn für die Glaubwürdigkeit der Politik. Es sei das Thema Europäische Union, das Österreich bewege, doch statt darüber zu beraten, würden manche ein ganz anderes Thema hochstilisieren. Dies erinnere daran, daß in Österreich tatsächlich wichtige Themen schon seit Jahrhunderten immer wieder gegenüber Kabalen oder Intrigen ins Hintertreffen geraten seien.

Es sei zu erwarten, daß die Angelegenheit auch damit nicht abgeschlossen sei, sondern in den Plenarsitzungen der nächsten Woche neuerlich zur Debatte stehen werde. Derzeit sehe es danach aus, daß die Probleme der Bürger draußen für diejenigen nicht ins Gewicht fielen, die sich lieber mit einem „g’schmackigen“ Thema beschäftigten.

Abgeordnete Tichy-Schreder versteht unter Politik etwas völlig anderes und stellt klar, daß sie angesichts des von manchen, auch sogenannten – unter Anführungszeichen – „Wohlmeinenden“ an den Tag gelegten Verhaltens die steigende Politikverdrossenheit nachvollziehen könne.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) entgegnet, daß Vizekanzler Dr. Schüssel vor zwei Tagen den Außenpolitischen Ausschuß nicht über seine Absicht informiert habe, einen Kanossagang nach Frankfurt anzutreten, und dies daher nicht Gegenstand der Beratung war.

Wenn ein österreichisches Regierungsmitglied zu einem Bankdirektor ins Ausland fahren müsse, um sich „unter Männern“ über etwas auszusprechen, das es angeblich nie gesagt habe, dann sei dies für Österreich ein Problem. Wer dies nicht erkennen könne, möge zur Kenntnis nehmen, daß andere sensibler seien im Hinblick darauf, mit wem ein österreichisches Regierungsmitglied auf welcher Ebene konferieren solle.

Wenn Vizekanzler Dr. Schüssel seine persönlichen Affären mit Direktor Tietmeyer austrage, um seinem Freund Waigel beizuspringen, so sei dies nicht Angelegenheit der österreichischen Außenpolitik.

Außerdem sei mittlerweile ein neues Faktum bekanntgeworden. Der österreichische EU-Botschafter sei in Verlegenheit gebracht worden, da er zum Zeugen dafür berufen worden sei, daß der österreichische Außenminister den Präsidenten eines befreundeten Landes als „Kümmeltürken“ bezeichnet habe.

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP) weist die Vorwürfe von Abgeordnetem Mag. Stadler und Abgeordneter Dr. Schmidt zurück. Damit werde die Tagesordnung nicht eingehalten, und eine Diktion, die sich des Wortes „Kanossagang“ bediene, sei unangebracht.

Vizekanzler Dr. Schüssel sei mit seinem Besuch beim deutschen Notenbankpräsidenten Tietmeyer einem Gebot der Höflichkeit nachgekommen und habe damit in einer unterschiedlich beurteilten Angelegenheit demjenigen gegenüber, der tatsächlich Grund gehabt habe, sich beleidigt zu fühlen, die Sache klargestellt. Es sei zulässig, sich manchmal über protokollarische Erfordernisse hinwegzusetzen. Der Präsident der Deutschen Bundesbank sei nicht irgendein Bankdirektor, sondern spiele in seinem Land eine wesentliche Rolle.

Abgeordnete Rauch-Kallat erläutert, daß sie am Nachmittag des 30. Juni gegenüber der Journalistin Dr. Krawagna-Pfeifer darüber gesprochen habe, daß der Parteiobmann die notwendigen Schritte einleiten werde. Ob dies zu Klagen führen werde, sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschätzbar gewesen. Vizekanzler Dr. Schüssel habe mittlerweile die ihm notwendig erscheinenden Schritte einer Klarstellung gegenüber „Focus“ und „Standard“ in Form von Briefen gesetzt.

Im Hinblick auf den Vertrag von Amsterdam kommt Abgeordnete Rauch-Kallat auf die Antidiskriminierung, vor allem insofern sie sich auf behinderte Menschen bezieht, sowie auf den Tierschutz zu sprechen und fragt Vizekanzler Dr. Schüssel, inwieweit diese beiden Bereiche in der Schlußkonferenz neuerlich diskutiert worden seien und zu welchen Auswirkungen es dort kommen werde.

Weitere Fragen zum Tierschutz: Gibt es Ansätze, in den vier Politikbereichen, in denen der Tierschutz zu berücksichtigen ist, Richtlinien zu erarbeiten oder weitere Schritte zu unternehmen? Wenn ja: Gibt es dafür einen Zeitrahmen?

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) stellt in Abrede, daß es sich beim Umgang mit den Vorwürfen gegen Vizekanzler Dr. Schüssel um eine Privatangelegenheit handle. Vielmehr gehe es um das Ansehen Österreichs und um den österreichischen Außenminister.

Abgeordnete Dr. Petrovic besteht – da es erst kürzlich eine Debatte über „Nestbeschmutzung“ gegeben habe – darauf, diese Frage abzuhandeln. Sie fordert als österreichische Abgeordnete Auskunft darüber, welche weiteren – unter Anführungszeichen – „Klarstellungen“ im Gange seien, nachdem sie von Schweden angefordert worden seien.

Diese Angelegenheit könne nicht von der Regierung – und insbesondere nicht vom Vizekanzler – allein erledigt werden. Als zur Kontrolle berufene Abgeordnete des Parlaments will Abgeordnete Dr. Petrovic wissen, ob durch weitere Dementis die Peinlichkeit ins Grenzenlose gesteigert werde.

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche) konstatiert eine sonderbare Atmosphäre im Saal, da eine Frage offenbleibe, die alle stark bewege und auf die man – wie auch Abgeordneter Voggenhuber berichtet habe – ständig angesprochen werde.

Vizekanzler Dr. Schüssel habe behauptet, der Präsident des Europäischen Parlaments sei mit dem Ergebnis von Amsterdam zufrieden. In Wirklichkeit habe Präsident Gil-Robles erklärt, daß er sich aufgrund der Rückschritte im neuesten Vertragsentwurf Sorgen mache.

Das Aufschieben der Probleme von einer Regierungskonferenz zur anderen bringe nichts ein. In Amsterdam sei es um die Erledigung dessen gegangen, was in Maastricht nicht gelungen sei, und nun seien die Probleme neuerlich in die Zukunft verschoben worden. Die Ohnmacht einer Konferenz dürfe nicht durch Ankündigung der nächsten kaschiert werden. Wie groß die Diskrepanzen seien, zeige sich in der Einschätzung durch kundige Experten wie eben den Parlamentspräsidenten.

Die Glaubwürdigkeit des Außenministers werde durch Anschuldigungen wie die gegen Vizekanzler Dr. Schüssel erhobenen so stark in Mitleidenschaft gezogen, daß es Österreich in Zukunft schwerfallen werde, seine Glaubwürdigkeit, sein Gewicht und seine Kompetenz zu behalten.

Die gegenwärtige Atmosphäre im Saal mache eine Erklärung des Vizekanzlers unbedingt erforderlich, damit Klarheit über die weitere Vorgangsweise hergestellt werde. Auch der Koalitionspartner SPÖ sei aufgefordert, seine Sprachlosigkeit durch eine entsprechende Stellungnahme zu durchbrechen.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel bekräftigt seine Einschätzung des Vertrages von Amsterdam. Dieser stelle eine nützliche Etappe dar, und trotz aller kritischen Äußerungen beurteile auch Parlamentspräsident Gil-Robles das Ergebnis insgesamt positiv. Es stehe zu erwarten, daß das Europäische Parlament – wenn auch erst nach einer spannenden Diskussion – zustimmen werde. Das sei zwar keine konstitutive Zustimmung, aber eine wichtige Meinungsäußerung.

Vizekanzler Dr. Schüssel verneint, je gesagt zu haben, daß er die Unterschrift unter den Vertrag verweigern werde. Den Zwischenruf von Abgeordneter Dr. Schmidt, daß sie „verzögern“ gesagt habe, beantwortet Vizekanzler Dr. Schüssel damit, daß man eine Unterschrift nicht verzögern, sondern nur entweder leisten oder nicht leisten könne. Im Fernsehen habe er erklärt, daß er selbstverständlich unterschreiben werde, daß aber nach österreichischer Auffassung die Übernahme des Schengener Übereinkommens in den EU-Vertrag in Zusammenhang mit der Durchführung der Integration Österreichs stehe.

Als ÖVP-Vorsitzender erklärt Vizekanzler Dr. Schüssel, daß seine Fraktion dem Vertrag von Amsterdam erst zustimmen werde, nachdem diese Frage geklärt worden sein werde. Denn er halte es für unsinnig, in Amsterdam Irland, Dänemark und Großbritannien eine Opting-out-Klausel zuzugestehen – dazu habe Österreich nur zögernd seine Einwilligung gegeben, weil dies nicht dem Kohärenzgebot entspreche – und zugleich den Beitritt eines beitrittswilligen Landes, das bereits einige Milliarden Schilling in die Grenzsicherung investiert habe, durch die Verzögerung der Durchführung zu verhindern. Ihm sei es darum gegangen, die Durchführung des österreichischen Beitritts zum Schengener Übereinkommen an die Zustimmung des Parlaments zum EU-Vertrag zu koppeln, da ein inhaltlicher Zusammenhang bestehe. Die Ratifikation sei selbstverständlich Sache des Parlaments.

Vizekanzler Dr. Schüssel erläutert, daß er mit dem Wort „sich abfinden müssen“ eine persönliche Wertung der Tatsache vorgenommen habe, daß es auf absehbare Zeit nicht zur Verschmelzung von EU und WEU kommen werde. Für die österreichische Entscheidungsfindung habe seine Wertung keine Bedeutung, jedoch sei das Umfeld nunmehr klar. Es gelte, sich darauf einzustellen, daß die Europäisierung einer echten Verteidigungsdimension nunmehr im Rahmen der NATO-Diskussion vor sich gehen werde. Da dies Sache der heutigen NATO-Mitglieder sei, habe es mit Österreich zunächst nichts zu tun und sei es auch kein Thema für den Vertrag von Amsterdam.

Mit dem Artikel 6a sei eine weitgehende Antidiskriminierungsbestimmung aufgenommen worden. Vizekanzler Dr. Schüssel zitiert den Artikel: „Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrags kann der Rat im Rahmen der durch den Vertrag gegebenen Zuständigkeiten der Gemeinschaft auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder des Glaubens, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.“

Zusätzlich sei eine Erklärung für die Schlußakte über Personen mit einer Behinderung aufgenommen worden: „Die Konferenz kommt überein, daß die Organe der Gemeinschaft bei der Ausarbeitung von Maßnahmen nach Artikel 100a den Bedürfnissen von Personen mit einer Behinderung Rechnung trägt.“

Den Zielen des Tierschutzes werde durch ein Protokoll Rechnung getragen, in dem Tiere als „fühlende Wesen“ bezeichnet werden. Damit sei eine Grundlage dafür gegeben, den Tierschutz auf allen Ebenen der Politik einzubeziehen.

Vizekanzler Dr. Schüssel sieht keinen Anlaß, in bezug auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seinen Ausführungen vor dem Außenpolitischen Ausschuß viel Neues hinzuzufügen. Weil er habe höflich sein und die Betroffenen als Partner über seine Sichtweise aufklären wollen, habe er Bundesbank-Präsident Tietmeyer besucht und ein Telefonat mit der schwedischen Außenministerin geführt.

Präsident Tietmeyer kenne und schätze er seit vielen Jahren. Dieser sei beinahe schon so lange in der Politik tätig, wie es die Bundesrepublik Deutschland gebe. Tietmeyer habe bei Adenauer begonnen, sei später ein wichtiger Mitarbeiter von Ludwig Erhard gewesen und habe seine Dissertation unter Anleitung von Müller-Armack verfaßt. Heute nehme er entscheidenden Einfluß auf die Bundespolitik.

Vizekanzler Dr. Schüssel betont, daß er Präsident Tietmeyer als Verbündeten ansehe, da der Präsident der Deutschen Bundesbank, genauso wie die österreichischen Repräsentanten in der Europäischen Union, für einen stabilen Euro kämpfe, und stellt die Gegenfrage, welchen Grund er hätte, diesen Verbündeten zu beleidigen. Nur in der Frage der Bewertung der Bundesbank-Goldreserven sei er anderer Meinung als Tietmeyer.

Weiters habe Österreich in sachlicher Hinsicht nicht den geringsten Disput mit schwedischen Politikern gehabt. Auch Schweden habe auf höhere Umweltstandards hingearbeitet. Vor der Konferenz von Amsterdam habe es eine Diskussion über einen Vorschlag der niederländischen EU-Präsidentschaft im Gefolge einer Reihe von Zusatzwünschen verschiedener Delegationen gegeben, doch sei das überhaupt kein Grund, einen schwedischen oder dänischen Politiker zu beleidigen. – Diese Unklarheit über den betroffenen Politiker sei übrigens ein Beleg für den leichtfertigen Umgang mit der Interpretation der Geschehnisse.

Vizekanzler Dr. Schüssel faßt zusammen, daß es für ihn aus den genannten Gründen selbstverständlich gewesen sei, die schwedische Außenministerin anzurufen. Seines Wissens liege weder eine schwedische Demarche vor, noch habe Österreich zu diesem Mittel gegriffen. Es sei nur nüchterne und seriöse Information erfolgt.

In einem Zwischenruf fragt Abgeordneter Voggenhuber, ob Vizekanzler Dr. Schüssel eine Verschwörung gegen sich mutmaße, da drei eidesstattliche Erklärungen vorlägen, woraufhin Obmannstellvertreter Dr. Neisser das Glockenzeichen gibt und betont, daß Vizekanzler Dr. Schüssel am Wort sei.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel wiederholt, daß sein Telefonat mit der schwedischen Außenministerin und sein Besuch bei Präsident Tietmeyer den Zweck gehabt hätten, die Dinge ins Lot zu bringen. In guter Absicht vorgebrachte Gesten der Höflichkeit hätten sich nicht negative Kritik verdient.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum) antwortet Abgeordneter Tichy-Schreder, daß ein Versuch der Wahrheitsfindung kein Hochstilisieren bedeute und die Ursachen der Verdrossenheit der Bevölkerung anders einzuschätzen seien.

Die Bevölkerung und die Journalisten hätten das Recht, den Inhalt der Erklärungen von Vizekanzler Dr. Schüssel genauer zu erfahren. Abgeordnete Dr. Schmidt fragt ihn, ob er mit den Journalisten, insbesondere dem Redakteursrat des ORF, Kontakt aufgenommen habe oder beabsichtige, dies noch zu tun.

Der Redakteursrat habe in einer Erklärung – dabei sei zu beachten, daß er solche Erklärungen nur selten herausgebe – festgestellt, daß am Wahrnehmungsvermögen und an der Glaubwürdigkeit der Journalisten nicht zu zweifeln sei. Es stehe im Interesse Österreichs, daß zum einen sichergestellt werde, daß in einem öffentlich-rechtlichen Medium keine Lügner tätig seien, und zum anderen Vizekanzler Dr. Schüssel mit den Kritikern Kontakt aufnehme.

Abgeordnete Dr. Schmidt wiederholt, daß sie von einer Verzögerung und nicht von der Verweigerung der Unterschrift unter den EU-Vertrag gesprochen habe. Die Antwort von Vizekanzler Dr. Schüssel über den Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Schengener Übereinkommens für Österreich lasse tatsächlich auf eine Absicht zur Verzögerung der Ratifikation schließen. Deshalb möge er seine Antwort präzisieren.

Auch die Frage nach dem Verhältnis von EU und WEU habe Vizekanzler Dr. Schüssel nicht ihrem Wortlaut nach beantwortet. Die Frage laute, ob Österreich sich weiterhin dafür einsetzen werde, die WEU in die EU einzubeziehen, oder davon wegen vermeintlicher Aussichtslosigkeit Abstand nehmen werde. Falls Österreich weiterhin aktiv bleiben wolle, möge Vizekanzler Dr. Schüssel über entsprechende Schritte oder Zeitpunkte Auskunft geben.

Das Protokoll über den Tierschutz besage zwar, daß (überprüft:) „die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere in vollem Umgang Rechnung“ tragen wollten, doch folge in diesem Text nach dem Strichpunkt der bemerkenswerte Zusatz: „sie berücksichtigen hierbei die Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten insbesondere in bezug auf religiöse Riten, kulturelle Traditionen und das regionale Erbe.“

Abgeordnete Dr. Schmidt fragt, was ein solcher Zusatz für den Tierschutz faktisch bedeute.

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche) stellt fest, daß in der vorangegangenen Antwort von Vizekanzler Dr. Schüssel dessen Anmerkung über die von der Meinung des Bundesbank-Präsidenten abweichende Ansicht in bezug auf die Bewertung der Goldreserven auffällig gewesen sei. Deshalb fragt er, ob sich diese Differenz auf das von Tietmeyer berechtigterweise geforderte strenge Niederstwertprinzip beziehe.

Ein Abweichen von diesem Prinzip würde denjenigen Staaten Tür und Tor öffnen, die, weil sie mit normalen budgetären Maßnahmen die Maastricht-Kriterien nicht erfüllen könnten, zum Schwindel einer Aufwertung der Gold- oder Devisenreserven Zuflucht nähmen. Ein Schwindel sei dies, weil eine solche Aufwertung nur eine einmalige und keine dauerhafte Verbesserung der Haushaltslage zur Folge hätte. Der Katzenjammer sei unausbleiblich, wenn die Erreichung der Kriterien nicht langfristig gesichert werde.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) bezieht sich auf die Gegenfrage von Vizekanzler Dr. Schüssel, warum dieser eine Auseinandersetzung mit Bundesbank-Präsident Tietmeyer haben solle, und zitiert folgenden Satz aus dem „Standard“ vom 1. Juli: „Im Bonner Finanzministerium wird es als ‘prinzipiell durchaus erfreulich’ bezeichnet, daß sich Schüssel im Streit um die Neubewertung der Goldreserven auf Waigels Seite gestellt habe, auch ‘wenn die Wortwahl der Verteidigung ziemlich daneben war’, wie es hieß.“

Dies sei die Antwort auf die Gegenfrage. Es habe eine Auseinandersetzung gegeben, in deren Verlauf sich Vizekanzler Dr. Schüssel in der Wortwahl vergriffen habe. Nunmehr habe er Präsident Tietmeyer aufsuchen und mit ihm eine Aussprache „unter Männern“ pflegen müssen. Das Problem sei nicht, daß der Außenminister überhaupt mit dem Bundesbank-Präsidenten spricht, sondern es bestehe darin, daß er seinen Gang in diesem Zusammenhang habe antreten müssen.

Es stelle sich nun die Frage, wann Vizekanzler Dr. Schüssel in ähnlicher Sache zum schwedischen Umweltminister und zu Präsident Lukaschenko fliegen werde. Das Problem für Österreich bestehe in der Art, wie der Außenminister mit offiziellen Vertretern befreundeter Länder umgehe. Angesichts dessen könne kein Parlament – und schon gar nicht die zur Kontrolle berufene Opposition – zur Tagesordnung übergehen.

Um auf die Tagesordnung zurückzukommen, stellt Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche) fest, daß das Eintreten der Bundesregierung für den Übergang von der Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheit begrüßenswert sei. Doch sei es nur aufgrund der Einstimmigkeit gelungen, die Position Österreichs in den Fragen der Wasserressourcen und der Raumplanung durchzusetzen.

Deshalb ergebe sich die Frage an Vizekanzler Dr. Schüssel, ob er künftig an der Einstimmigkeit festhalten oder auch in solchen Fragen den Übergang zur qualifizierten Mehrheit zulassen wolle.

Es bestehe die Gefahr, daß sich das von Abgeordnetem Voggenhuber dargestellte institutionelle Loch – hie Einschränkung nationaler Rechte, hie keine Kontrolle in den Institutionen der Europäischen Union – tatsächlich auftun werde. Dem könne weder durch doppelte Mehrheit noch durch Stimmenumgewichtung entgegengewirkt werden.

Im Beschäftigungskapitel sei nur ein altes Problem auf populistische Weise neu entdeckt worden. Das Weißbuch von 1993 nenne als wichtigste Maßnahmen die Senkung der Lohnzusatzkosten, die flexible Arbeitsorganisation, den Abbau der Überreglementierungen und die Entwicklung von Teilzeitstellen. Alle diese Maßnahmen seien auf nationaler Ebene zu treffen.

Sämtliche Versuche, Maßnahmen auf europäischer Ebene durchzusetzen, seien bisher gescheitert. 1993 sei es dem Kreditprogramm zur Zinsbegünstigung im Umfang von 1 Milliarde ECU für die klein- und mittelständischen Unternehmen so ergangen, 1994 den als „größtes Beschäftigungsprogramm aller Zeiten“ angekündigten Transeuropäischen Netzen, 1995 dem Versuch der Kommission, das Recht zur Kreditaufnahme zu erlangen und damit eine Verschuldung des öffentlichen Haushalts der Europäischen Union in Kauf zu nehmen, und 1996 der Idee der Kommission, die Strukturfonds stärker für beschäftigungspolitische Maßnahmen heranzuziehen.

In den Diskussionen sei kein Punkt feststellbar gewesen, in dem es zu einer Verbesserung gekommen wäre. Deshalb sei der Kommentar richtig, demzufolge man sich von einer Regierungskonferenz, welche die Bürgernähe auf ihre Fahnen geheftet habe, etwas mehr Ehrlichkeit von seiten der Staats- und Regierungschefs habe erwarten können und nicht den Versuch, derart inhaltsleere Worthülsen als Erfolg zu verkaufen. Dies hätte auch im Rahmen des langen Statements von Vizekanzler Dr. Schüssel in der heutigen Sitzung zum Ausdruck kommen müssen.

Abgeordneter Ing. Nußbaumer fragt weiters, ob Vizekanzler Dr. Schüssel wirklich glaube, daß es europäische Beschäftigungspolitik geben könne, und welche Auswirkungen sie gegebenenfalls auf Österreich haben werde. Dabei sei an eine Neuverhandlung der Strukturfonds zu denken, deren Ergebnis darin bestehen könne, daß künftig weniger Geld von Brüssel nach Österreich zurückfließen werde. Vizekanzler Dr. Schüssel möge darlegen, auf welche Weise er sicherstellen werde, daß es nicht dazu kommt.

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) merkt zum Kultur- und Sittenbild dieser Sitzung an, daß sie – trotz aller sich über die Erfüllung der Tagesordnung hinaus ergebenden Fragen – keine Sitzung eines Untersuchungsausschusses sei. Auch wenn dieser Eindruck manchmal habe entstehen können, sei dies doch nicht der Opposition vorzuwerfen, sondern es sei eben zu einer entsprechenden Rollenverteilung gekommen, wobei aber Wahrheit und Lüge unteilbar seien.

Mit der Forderung nach Klagen werde das Problem an einen – um es drastisch zu benennen – „armen Bezirksrichter“ delegiert, der dann berufen wäre, über politische Inhalte, Wahrheiten oder Schicksale zu entscheiden. Doch werde dabei allzuleicht vergessen, daß die Bevölkerung, der Souverän, sich ihr Urteil bis zur nächsten Wahl bilden werde, so oder so.

Nicht zu verstehen seien diejenigen, die zu Ausdrücken wie „Bloßfüßiger“ oder „Kümmeltürk“ offenbar monatelang geschwiegen hätten. Äußerungen mit Ausdrücken, die im nachhinein bedauert würden, könnten jedem unterlaufen, doch komme es darauf an, entsprechend zu reagieren. Dabei gehe es nicht um den konkreten Anlaßfall, sondern um eine breitere Perspektive, da auch viele andere Politiker – verschuldet oder unverschuldet – in eine solche Lage geraten könnten.

Dies sei keine Verteidigungsrede, denn die Aufgabe der Klarstellung obliege dem Außenminister. Er müsse vor allem der Bevölkerung gegenüber glaubwürdig sein, da diese im Rahmen von Wahlen darüber richten werde.

Zu warnen sei davor, in die Routine zu verfallen, die in manchen Beteiligten – dabei sei in Richtung der Freiheitlichen zu blicken – die Jagdlust durchbrechen lasse, obwohl diese, wenn sie Verhöre durchführten, viel eher Anlaß hätten, diese im eigenen Klub oder gegenüber dem eigenen Parteivorsitzenden zu veranstalten.

Abgeordneter Dr. Cap stellt fest, daß er das Zitat über die Reaktion des deutschen Finanzministeriums, das Abgeordneter Mag. Stadler vorhin vorgelesen habe, vor Tagen schon selbst im Außenpolitischen Ausschuß verwendet habe, und schließt daran die Frage, warum Vizekanzler Dr. Schüssel, obwohl er sein Halleluja-Lob für „den Besten aller Tietmeyers“ auch schon damals habe verlauten lassen, zu diesem Zeitpunkt noch nichts über die unterschiedlichen Ansichten in der Frage der Bewertung der Goldreserven gesagt habe.

Abgeordneter Dr. Cap empfiehlt dem Vizekanzler, Vorsicht gegenüber der Bezeichnung „Verbündeter“ für Bundesbank-Präsident Tietmeyer walten zu lassen. Denn viele würden in Tietmeyer einen der seit Jahren für die negative Beschäftigungsentwicklung Hauptverantwortlichen sehen. Vizekanzler Dr. Schüssel sei nicht gezwungen, unbedingt etwas Positives über den Bundesbank-Präsidenten zu sagen, und wenn er künftig in die Lage geriete, etwas Negatives über ihn zu sagen, könnte dies damit kommentiert werden, daß Vizekanzler Dr. Schüssel seine Kritik eigentlich bereits kürzer und pointierter gesagt sowie auf den Punkt gebracht habe. Er möge sich nicht gezwungen fühlen, Tietmeyer in einer Angelegenheit zu exkulpieren, in der dieser es nicht verdiene.

Es gehe auch um eine kritische Sicht der Gestaltung der öffentlichen Meinung. Manche Meinungen, die in der Beratung zu hören gewesen seien, wären zuvor schon in der Zeitung gestanden. Mehr Kreativität und Eigenständigkeit seien wünschenswert.

Das Ansehen der Republik, der Person und der Regierung, der diese Person angehöre, verlange eine glaubwürdige Klarstellung. Dazu gehöre das Bemühen aller – unter Wahrung dessen, was Wahrheit und Lüge sei –, auch der Oppositionsparteien.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) äußert seinen Eindruck, daß in dieser Beratung die Tagesordnung eher nebensächlich sei und es vielmehr um eine persönliche Vernaderung des Vizekanzlers gehe.

Jeder Abgeordnete habe schon erlebt, daß ihn die Medien fehlinterpretiert hätten. Auffällig sei, daß die vorliegende Fehlinterpretation mit einer Verzögerung von 14 Tagen zustandegekommen sei. Wenn Klarheit bestanden hätte, wäre bereits am nächsten Tag über die Sache berichtet worden. Sonderbar sei auch, daß man sich einer ausländischen Zeitung bedient habe – offenbar, um daraus abschreiben zu können.

Wer sich Sorgen um Österreichs Image in Europa mache, habe eher in Richtung der Oppositionsparteien zu fragen, ob es nötig gewesen sei, daß der Abgeordnete Pilz Österreich in den USA als Skandalrepublik dargestellt habe. Es habe eine Reihe ungünstiger Aussagen österreichischer Oppositionsabgeordneter über Österreich in anderen Ländern gegeben.

Daß der Tierschutz erstmals in den EU-Vertrag aufgenommen worden sei, stelle einen Erfolg Vizekanzler Dr. Schüssels dar.

Es sei kein Mangel, daß – wie Abgeordneter Mag. Schweitzer beklagt habe – die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik nicht im Vertrag von Amsterdam verankert worden sei. Mit der Osterweiterung werde es zu einer Reihe von Neuerungen kommen. Zur Neugestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik würden im heurigen Sommer von der Kommission erste Vorschläge erarbeitet und danach in den Mitgliedstaaten diskutiert werden. Im Zuge der Osterweiterung werde sich die Landwirtschaft in den osteuropäischen Staaten deutlich wandeln.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel antwortet Abgeordneter Dr. Schmidt, daß sich Österreich in Übereinstimmung mit dem Vertrag weiterhin für die Einbeziehung der WEU in die EU einsetzen werde. Der entsprechende Passus finde sich in Artikel J.7 des Vertrages: „Die Union pflegt ... engere institutionelle Beziehungen zur WEU im Hinblick auf die Möglichkeit einer Integration der WEU in die Union für den Fall, daß der Europäische Rat dies beschließt.“ Somit stehe die Verschmelzung bereits jetzt im Vertrag, und rein theoretisch bestehe zum Beispiel die Möglichkeit, sie im Dezember in Luxemburg zu beschließen. Doch in der Praxis sei sie wegen des fundamentalen britischen Vetos in weite Ferne gerückt.

Die Vertragsbestimmung über den Tierschutz weise tatsächlich eine empfindliche Einschränkung auf. Die Betonung nationaler Besonderheiten und kultureller Traditionen beziehe sich vor allem auf den spanischen Stierkampf und auf manche Methoden, Tiere zu beschneiden, zu kupieren oder anders zu verändern. Wären die Eingeschränkungen nicht akzeptiert worden, so wäre es zu überhaupt keiner Bestimmung gekommen. Ein Fortschritt sei erzielt worden, und nun müsse weiter daran gearbeitet werden, auch mit Hilfe von Demonstrationen von Tierschützern, wie es sie in Amsterdam auf sehr ruhige Art gegeben habe.

In der Frage der Ein- oder Mehrstimmigkeit bedürfe es einer grundsätzlichen Entscheidung über die Position Österreichs in der Europäischen Union. Wer aktiv Veränderungen herbeiführen wolle, werde allein das Mehrstimmigkeitsprinzip für richtig halten. Wer defensiv seine Rechte und den Status quo verteidigen wolle, habe in der Einstimmigkeitsregel den besten Schutz.

In Amsterdam sei ein fragwürdiger Kompromiß geschlossen worden. In der Mehrstimmigkeit habe es kaum einen Fortschritt gegeben, da als einzige Kompetenz von substantieller Bedeutung die Forschungspolitik hinzugekommen sei.

Die Mehrstimmigkeit werde nicht dazu führen, daß jemand überrollt wird, sondern verlange die Intensivierung der Suche nach Bündnispartnern. In der gegenwärtigen Übergangsphase zahlreicher Entscheidungen auf Regierungsebene unter dem Einfluß nationaler Interessen und Vetos sei jedoch in den wichtigen Fragen vorläufig auf dem Einstimmigkeitsprinzip zu beharren.

Vizekanzler Dr. Schüssel ist der Ansicht, daß Österreich in der Frage des Wasser- und Bodenrechts auch im Falle von Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit gut abgesichert sei, da zahlreiche Mitgliedsländer aufgrund des Subsidiaritätsprinzips kein Interesse hätten, die Entscheidung darüber auf Unionsebene zu treffen.

Die Lösung der Zukunft sei in Richtung einer Mehrstimmigkeitsregel mit zusätzlichem Ausbau der Subsidiarität zu suchen.

Der Kritik des Ökonomen Streissler am Beschäftigungskapitel, in der von Worthülsen oder Wortschaum die Rede sei, stimmt Vizekanzler Dr. Schüssel nicht zu. Denn es sei unmöglich, Beschäftigungspolitik auf europäischer Ebene über Ausgabensteuerung zu betreiben. Vielmehr sei es sinnvoll, auf EU-Ebene ein Monitoring, ein Controlling sowie eine institutionalisierte Möglichkeit, voneinander zu lernen, zu installieren.

Die Beschäftigungskonferenz, die kommenden Herbst in Luxemburg stattfinden werde, solle zu einer Art Ideen-Gipfeltreffen gemacht werden, in dessen Rahmen jedes Land die Maßnahmen darstellen könne, mit denen es am erfolgreichsten gewesen sei – zum Beispiel die Niederlande mit flexibler Arbeitszeit und Teilzeit, Österreich mit der Jugendbeschäftigung oder die skandinavischen Länder mit der Deregulierung. Auf ähnliche Art solle der neue Ausschuß für Beschäftigung dazu dienen, einander Ideen oder Incentives zu vermitteln, ohne der Versuchung zur Schaffung großer, neuartiger Beschäftigungsinstrumente zu erliegen.

Was die Diskussion über seine Wortwahl betrifft, bedankt sich Vizekanzler Dr. Schüssel auch für manche kritische Bemerkung. Er nehme es gerne auf sich zuzugeben, daß er manchmal unangebrachte Emotion gezeigt habe. Einige Reaktionen wie zum Beispiel die, den Telefonhörer aufzulegen, nachdem eine Redakteurin zum vierten Mal eine Frage wiederholt habe, die nicht mit der ursprünglichen Frage in Zusammenhang gestanden sei, seien nicht richtig gewesen. Normalerweise habe er damit kein Problem.

Von niemandem aber, auch nicht von der Opposition, lasse er sich rassistischer, beleidigender oder fremdenfeindlicher Äußerungen zeihen. Solche Unterstellungen habe er klar dementiert und den tatsächlichen Sachverhalt klargestellt.

Vizekanzler Dr. Schüssel ersucht darum, die Vorfälle auch aus seiner Sicht zu betrachten. Dann zeige sich, wie ungeheuer schwierig es sei, etwas zu beweisen, das nicht stattgefunden habe. Im Falle einer Klage stünde Aussage gegen Aussage, und ein monatelanger Prozeß läge mit Sicherheit nicht im österreichischen Interesse. Daher diene es nicht den Interessen des Landes, der Handlungsfähigkeit und der Wahrheitsfindung, nunmehr mit Klagen zu reagieren.

Vizekanzler Dr. Schüssel stellt fest, daß er Journalisten nicht als Feinde betrachte, sondern als Partner, mit denen er Informationen austausche. Wenn manche das Gefühl hätten, er sei manchmal zu schnell oder er sei ang’rührt, so solle jeder sich selbst im Hinblick auf die Neigung zu solchen Reaktionen überprüfen. Normalerweise verhalte er sich nicht so, und er werde sich weiterhin in diesem Sinne bemühen.

Mit dem Redakteursrat des ORF habe er nichts zu tun, daher werde er nicht mit ihm Kontakt aufnehmen. Wenn Abgeordnete Dr. Schmidt sage, die Journalisten müßten auch Gelegenheit zur öffentlichen Darstellung ihres Standpunktes bekommen, so sei darauf zu verweisen, daß es genüge, die Zeitungen aufzuschlagen oder den Rundfunk zu hören, um zu erkennen, daß von den Darstellungsmöglichkeiten reichlich Gebrauch gemacht werde.

Da ein Antrag auf Stellungnahme nicht gestellt worden ist, schließt Obmannstellvertreter Dr. Heinrich Neisser die Debatte.

Damit ist der 1. Tagesordnungspunkt abgeschlossen.

(Es folgen die Beratungen zu den Tagesordnungspunkten 2 und 3.)

 

Schluß der Beratungen zum Tagesordnungspunkt 1: 17.07 Uhr