IV-12 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP










Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

Dienstag, 18. November 1997







Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XX. Gesetzgebungsperiode Dienstag, 18. November 1997


Tagesordnung

1. EU-Beschäftigungsgipfel

(33529/EU XX. GP, 34301/EU XX. GP, 34304/EU XX. GP, 34910/EU XX. GP)

2. Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen

(35547/EU XX. GP, 35548/EU XX. GP, 35550/EU XX. GP, 35552/EU XX. GP, 35773 bis 35777/EU XX. GP)

3. Rolle der Gemeinschaft bei der Bekämpfung des Tabakkonsums

(19924/EU XX. GP, 26441/EU XX. GP)

4. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluß der Bundesregierung betreffend Weiterbelassung des österreichischen UNDOF-Kontingents (Vorlage 97 HA)

5. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluß der Bundesregierung betreffend Weiterbelassung der österreichischen Polizeibeobachter bei United Nations International Police Task Force (UNIPTF) (Vorlage 98 HA)

6. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluß der Bundesregierung betreffend Weiterbelassung des österreichischen Kontingents bei United Nations Peace-keeping Force in Cyprus (UNFICYP) (Vorlage 99 HA)

7. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluß der Bundesregierung betreffend Weiterbelassung der österreichischen Militärbeobachter bei United Nations Observer Mission in Georgia (UNOMIG) (Vorlage 100 HA)

8. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluß der Bundesregierung betreffend Weiterbelassung der österreichischen Militärbeobachter bei United Nations Mission of Observers in Tajikistan (UNMOT) (Vorlage 101 HA)

9. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluß der Bundesregierung betreffend Weiterbelassung der österreichischen Polizeibeobachter bei United Nations Transitional Authority for Eastern Slavonia, Baranja and Western Sirmium (UNTAES) (Vorlage 102 HA)

10. Bericht des Bundesministers für Finanzen über das Ausmaß der aufgrund des Ausfuhrförderungsgesetzes 1981 übernommenen Haftungen, Haftungsinanspruchnahmen und Rückflüsse aus Haftungsübernahmen in der Zeit vom 1. April bis 30. Juni 1997 (2. Quartal 1997) (Vorlage 95 HA)

11. Antrag der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf Zustimmung zur Erlassung der Verordnung über die Untergrenzen einer großen Menge (Grenzmengen) bezüglich der Suchtgifte (Suchtgift-Grenzmengenverordnung - SGV) (Vorlage 96 HA)

12. Antrag der Bundesregierung auf Zustimmung zur Erlassung der Verordnung, mit der die Verordnung über die Anwendung des Art. 2 des Datenschutzgesetzes im Bundesbereich geändert wird (Vorlage 103 HA)

Beginn der Sitzung: 14.04 Uhr

Obmann Dr. Heinz Fischer begrüßt die versammelten Damen und Herren und eröffnet die Sitzung des Hauptausschusses.

Er weist weiters darauf hin, daß der Wunsch der Regierungsparteien bestand habe, einen weiteren Tagesordnungspunkt betreffend das Innenministerium auf die Tagesordnung zu setzen. Da diese Angelegenheit aber erst im heutigen Ministerrat verabschiedet wurde, haben die Parlamentsfraktionen der Grünen und des Liberalen Forums dagegen Einspruch erhoben. Um diesen Punkt behandeln zu können, wird eine Sitzung des Hauptausschusses für Freitag, 28.11.1997, 9 Uhr, ins Auge gefaßt. Endgültig wird darüber in der Präsidialkonferenz entschieden werden.

1. Punkt

EU-Beschäftigungsgipfel

(33529/EU, 34301/EU , 34304/EU und 34910/EU XX. GP-NR)

Abgeordneter Schieder teilt in Beantwortung der diesbezüglichen Frage von Obmann Dr. Fischer mit, daß im Vorbereitungskomitee für den 1. Tagesordnungspunkt vereinbart wurde, die Redezeit im Verhältnis 30 : 30 : 30 : 23 : 23 aufzuteilen und nicht zu überschreiten. Ferner wurde vereinbart, daß Bundeskanzler Mag. Klima von 14 Uhr bis 15 Uhr und Vizekanzler Dr. Schüssel ab 15 Uhr zur Verfügung stehen werden.

Für die Punkte 2 und 3 wurde eine Redezeit von 20 : 20 : 20 : 14 : 14 zwischen den Fraktionen vereinbart.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) hält für seine Fraktion fest, daß Interesse daran bestehe, daß Bundeskanzler Mag. Klima kurz vom gestrigen "Elefantengipfel" berichtet.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima betont zunächst, daß er sich freue, daß er und Vizekanzler Dr. Schüssel Gelegenheit hätten, in der heutigen Hauptausschußsitzung, zwei Tage vor dem wichtigen Beschäftigungsgipfel in Luxemburg, die österreichische Position zu diesem Thema zu diskutieren.

Eingangs erwähnt er, daß die Österreicherinnen und Österreicher zufrieden sein könnten, daß die Beschäftigungspolitik nun ein so zentrales europäisches Anliegen sei. Das zeige sich nicht nur in der Aufnahme des Titels "Beschäftigung" in den Vertrag, sondern vor allem darin, daß nun die Notwendigkeit erkannt werde, daß in Europa gemeinsame Anstrengungen sowohl im Rahmen der einzelnen Staaten als auch auf europäischer Ebene notwendig seien, um die inakzeptabel hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und den sozialen Zusammenhalt, der von zentraler Bedeutung für eine erfolgreiche Weiterentwicklung der EU ist, zu gewährleisten.

Die Erwartungen betreffend diesen Gipfel seien sehr hoch, die Schwierigkeiten jedoch nicht unbeträchtlich. Letzteres sei vor allem auf die unterschiedliche Arbeitsmarktsituation und die unterschiedlichen Systeme in den einzelnen Mitgliedstaaten zurückzuführen. Die meisten europäischen Staaten hätten daher diesbezüglich eine sehr vorsichtige und pragmatische Position eingenommen. Er sei dennoch überzeugt davon, daß bei diesem Sondergipfel im Zusammenhang mit der gemeinsamen Bewältigung der Beschäftigungsproblematik ein wesentlicher Schritt vorwärts gesetzt werden wird.

In den Vorschlägen der Europäischen Kommission, die in den beschäftigungspolitischen Leitlinien am 1. Oktober 1997 dargestellt wurden, würden im wesentlichen vier Hauptschwerpunkte behandelt, nämlich die Frage der Beschäftigungsfähigkeit, der Anpassungsfähigkeit, der Chancengleichheit und des Unternehmertums. Die Kommission habe weiters vorgeschlagen, daß es sogenannte globale Ziele oder Makroziele geben solle, beispielsweise die Beschäftigungsquote langfristig auf 70 Prozent und kurzfristig auf 65 Prozent anzuheben und die Arbeitslosenquote auf etwa 7 Prozent zu senken.

In Österreich sei man in Hinblick darauf nach reiflicher Überlegung zu der Auffassung gelangt, daß derartige globale Ziele viel zuwenig an Identifikationsmöglichkeit und Verpflichtung mit sich brächten. Daher vertrete man in Österreich derzeit die Meinung, daß es wirksamer sei, daß die einzelnen Mitgliedstaaten aufgrund einer fundierten Analyse beschäftigungspolitische Maßnahmen erarbeiten, welche dann als quantifizierte nationale Teilziele vorgelegt werden. Durch Aggregation könne sich auf diese Weise ein Gesamtziel der Europäischen Union herausbilden. Dieser Bottom-up-approach sei viel fundierter und biete für die einzelnen Mitgliedstaaten eine viel stärkere Identifikationsmöglichkeit mit den Maßnahmen und Zielsetzungen der EU.

Gemäß der österreichischen Position plädiere man für ein Konvergenzprogramm für Beschäftigung, das ähnlich dem Konvergenzprogramm im Bereich der Währungsunion eine periodische Vorgangsweise zur Erarbeitung und Vereinbarung von entsprechenden Maßnahmen und Zielen vorsieht, die von der Kommission auch periodisch überprüft, in den gemeinsamen Räten diskutiert und auch veröffentlicht werden sollen. Dieser Planungsprozeß werde zur Erhöhung der Beschäftigungsquote, zur Senkung der Arbeitslosenquote, zur Verbesserung der Ausbildungsmaßnahmen und zur Erhöhung der Selbständigenquote beitragen, und auf diese Weise bestehe eine viel bessere Möglichkeit zur Identifikation mit den Zielen. Diese nationalen Ziele sollten jeweils für einen Zeitraum von fünf Jahren vorgegeben werden.

Darüber hinaus müsse es selbstverständlich nationale Aktionsprogramme wie die Bereitstellung von Ausbildung und Umschulung für Arbeitslose und die Vermittlung von Berufserfahrung und die Beschäftigungsfähigkeit fördernde Maßnahmen für alle jugendlichen Arbeitslosen geben, ehe die Arbeitslosigkeit des einzelnen länger als sechs beziehungsweise zwölf Monate währt.

Die einzelnen nationalen Programme sollen zu einem gemeinsamen europäischen beschäftigungspolitischen Konvergenzprogramm führen. In diesem Zusammenhang verleiht Bundeskanzler Mag. Klima seiner Hoffnung Ausdruck, daß das diesbezügliche österreichische Positionspapier, das auch mit den Sozialpartnern besprochen wurde, Zustimmung im Bereich der Europäischen Union finden wird.

Besonders wichtig sei in Zukunft die Koordination beziehungsweise die gleichrangige Behandlung von Beschäftigungspolitik und Wirtschaftspolitik. Das bedeute im wesentlichen, daß im Rahmen der Gemeinschaftspolitik die gemeinsame Beschäftigungspolitik als ebenso wichtig betrachtet werden muß wie die gemeinsame Geldpolitik. Das gelte für Maßnahmen auf europäischer Ebene etwa betreffend besondere Unterstützung für Klein- und Mittelbetriebe, Bereitstellung von Garantieinstrumenten, Schaffung von Infrastruktur und so weiter.

In Österreich sind im Zusammenhang mit den gemeinschaftspolitischen Programmen selbstverständlich entsprechende Maßnahmen vorzusehen, etwa beschäftigungspolitische Maßnahmen und eine Vereinfachung des Unternehmerumfeldes besonders für Klein- und Mittelbetriebe.

Bundeskanzler Mag. Klima meint, daß man sich in Österreich nicht nur an den Leitlinien der Europäischen Union sehr gut orientiert habe, sondern mit diesem zusätzlichen Vorschlag eine mögliche Konsensbildung entsprechend unterstützen könne. Man müsse in den verschiedenen Bereichen der Politik, wie zum Beispiel im Bereich der Arbeitsmarktpolitik, verstärkt von passiver zu aktiver Politik übergehen und eine breite Palette von entsprechenden Instrumentarien wie diesfalls etwa Beratungs- und Vermittlungstätigkeiten, Requalifikations- und Reintegrationsprogramme, besondere Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit aufnehmen.

Auch auf die Erreichung der Chancengleichheit von Frauen auf dem Arbeitsmarkt sei ein besonderer Schwerpunkt zu setzen, wobei grundsätzliche auf eine Politik des Mainstreaming Bedacht genommen solle, was bedeutet, daß die Frage der Frauenbeschäftigung nicht als Problem einer kleinen Gruppe abgetan werden darf, sondern als wesentlicher Teil der allgemeinen Arbeitsmarktpolitik begriffen werden muß. Aus österreichischer Sicht müsse in diesem Zusammenhang besonderes Augenmerk auf Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie wie Bereitstellung von Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen und Schaffung von flexiblen Arbeitszeitmodellen im Hinblick auf Unterbrechung der Erwerbstätigkeit beziehungsweise Teilzeitarbeit gelegt werden.

Von österreichischer Seite könne man mit gutem Grund als zusätzliches Element die Bedeutung des funktionierenden sozialen Dialogs betonen, und man werde sich diesbezüglich beim kommenden Beschäftigungsgipfel auch engagieren. Denn die Bedeutung des Dialogs der Sozialpartner werde europaweit immer stärker anerkannt: Der jetzige Ratsvorsitzende Premierminister Juncker hat kürzlich vorgeschlagen, die Sozialpartner in den Mechanismus der multilateralen Überwachung der Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinien einzubeziehen. Die Sozialpartner könnten dabei nicht nur ihre traditionelle Rolle der Gestaltung einer beschäftigungsfreundlichen Lohn- und Einkommenspolitik einnehmen, sondern auch zur Ausgestaltung moderner Formen der Arbeitsorganisation und neuer Modelle der Arbeitszeitregelung beitragen. Auch in der Diskussion um die Gestaltung europäischer Mindeststandards zum Schutz der Arbeitnehmer komme den Sozialpartnern eine wichtige Bedeutung zu. Aus diesem Grund bekennt sich Österreich uneingeschränkt zur umfassenden Einbindung der Sozialpartner in die Formulierung der europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik, denn Stabilität und sozialer Dialog sind untrennbar miteinander verbunden. Es sei also ein wichtiges Ziel, die Sozialpartner auch auf europäischer Ebene mit einzubinden.

Bundeskanzler Mag. Klima betont, daß die auf europäischer Ebene vertretenen Sozialpartner repräsentativ der nationalen Sozialpartnerschaft entsprechen sollen. Heute seien in Europa nur österreichische Sozialpartner vertreten, die nicht die Klein- und Mittelbetriebe zu ihren Mitgliedern zählen; im wesentlichen sei auf europäischer Ebene nur die Industriellenvereinigung vertreten, nicht aber die Bundeswirtschaftskammer.

Bundeskanzler Mag. Klima meint dazu abschließend, daß in Luxemburg tatsächlich ein erster Schritt in Richtung Beschäftigungsunion gesetzt werden wird. Dies sei der Anfang eines Prozesses, man dürfe nicht mit Wundern rechnen, aber es sei dies ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Nach dem Jumbo-Rat in Brüssel vom 17. November stehe fest, daß das sogenannte Non-paper des Vorsitzes Kernpunkt der Beratungen beim Luxemburger Gipfel sein wird. Gemäß den Aussagen des Vorsitzenden des Rates wird die vorgesehene Methode, daß in jährlichen Ratstagungen die Überwachung der Ziele der nationalen Beschäftigungsprogramme vorgenommen werden wird, die wesentlichste Neuerung ausmachen. Diesbezüglich werde es noch eine Diskussion geben, weil sich vor allem Deutschland insbesondere gegen die Festlegung quantifizierter Makroziele ausgesprochen hat. Österreich vertrete im Hinblick darauf allerdings eine andere Position.

Ob die Leitlinien, wie vom Vorsitz vorgesehen, bereits am 15. Dezember vom Rat Arbeit und Soziales verabschiedet werden können, wurde nicht im Detail erörtert. Es zeichne sich aber ab, daß die nationalen Programme erstmals bereits beim Gipfel in Cardiff vorzulegen sein werden, und es sei positiv zu bewerten, daß die erste Auseinandersetzung mit der Zielerreichung unter dem Vorsitz Österreichs beim österreichischen Gipfel stattfinden können wird.

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche) meint, daß den Ausführungen des Bundeskanzlers nichts hinzuzufügen wäre, wenn man den Worten auch entsprechende Taten folgen ließe. Aus der Vergangenheit habe man jedoch gelernt, daß es immer wieder Versprechungen von der Regierungsseite einzelner EU-Staaten gegeben habe, die dann nicht gehalten wurden.

In Österreich sei es erst in der jüngsten Vergangenheit zu einem dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit sowie der Zahl der Minderbeschäftigten und der atypisch Beschäftigten gekommen. Gleichzeitig gebe es einen kleingeistigen Streit innerhalb der Regierung betreffend die Unterbringung der Lehrlinge, obwohl in Rust eine diesbezügliche Vereinbarung geschlossen worden war.

Abgeordneter Gaugg könne den vom Bundeskanzler geäußerten Optimismus nicht teilen, weil dieser nicht der Realität entspreche. Gerade für Österreich als Sozialstaat, der auf einigen Gebieten, etwa sozialrechtlich, als durchaus vorbildlich gilt, wird es nämlich schwierig sein, für den eigenen Bereich Verbesserungen auf EU-Ebene herbeizuführen. Wir werden zwar in einigen Bereichen als durchaus vorbildlich bezeichnet, es gebe aber auch einige Defizite. So sei zum Beispiel die Frage der Stärkung des Individualrechts der Beschäftigten zu klären. Weiters gebe es auf nationaler Ebene in Österreich keinerlei Ansätze zur Verbesserung der Beschäftigtensituation, etwa durch eine Senkung der Lohnnebenkosten oder durch die Einführung der Ökosteuer zur Senkung der Arbeitskosten.

Weiters fehlen Harmonisierungen im Sozialrecht, und die Frage des Ausbaus der Beschäftigungsmöglichkeiten sei solange nicht zu klären, als es zu keiner Harmonisierung im Steuerrecht auf EU-Ebene komme. Der kommende Beschäftigungsgipfel werde daher - wie Juncker es beschreibt - wieder nichts anderes sein als ein weiterer Literaturgipfel.

Im Vertrag seien nur wenige Verpflichtungen enthalten wie etwa die Halbierung der Zahl der vorzeitigen Schulabgänger innerhalb von fünf Jahren.

Abgeordneter Gaugg stellt daher die Frage an den Bundeskanzler, welche zusätzlichen Verpflichtungen auf EU-Ebene und welche Konsequenzen für den Fall der Nichterfüllung der eingeforderten Verpflichtungen er sich vorstellen könne. Weiters betont er, daß sich die Koalitionsparteien und die Bundesregierung selbstverständlich nicht aus der nationalen Verantwortung für die Schaffung von Arbeitsplätzen verabschieden können. Daher erwarte er sich im Anschluß an den Beschäftigungsgipfel in Luxemburg die Erarbeitung und Verabschiedung eines österreichspezifischen Beschäftigungspaketes.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP) widerlegt zunächst die Behauptung des Abgeordneten Gaugg, daß immer dann, wenn von Regierungsseite Ankündigungen im Zusammenhang mit der Beschäftigungspolitik gemacht wurden, die entsprechenden Taten ausgeblieben seien: Er erinnert daran, daß es Österreich gewesen sei, das überhaupt als erstes die Beschäftigungspolitik im Rahmen der EU verankert sehen wollte. Es habe dann lange Zeit gedauert, aber schließlich konnte dieses Beschäftigungskapitel umgesetzt und verwirklicht werden. - Das heißt, daß man den Ankündigungen sehr wohl auch Taten folgen ließ.

Weiters habe Abgeordneter Gaugg behauptet, daß in Rust zwar alle möglichen Vereinbarungen getroffen worden seien, die dann aber auch nicht verwirklicht wurden. - Abgeordneter Dr. Höchtl könne als Obmann das Unterrichtsausschusses dazu berichten, daß gemäß dieser Vereinbarung etwa das Unterrichtsministerium dafür Sorge tragen sollte, daß entsprechende Werteinheiten mit der Plangröße 5 600 für die jungen Menschen zur Verfügung gestellt werden. Konkret wurden 5 632 Schüler zusätzlich in die entsprechenden berufsbildenden Schultypen aufgenommen. Man habe also die Plangröße überschritten. Weiters wurden 291 Klassen neu geschaffen. Die Vorhaben wurden also konkret verwirklicht.

Daß insgesamt einige tausend Personen noch keine Beschäftigung gefunden haben, sei leider auch eine Tatsache, es dürfe jedoch nicht behauptet werden, daß man das konkrete Vorhaben nicht umgesetzt habe.

Man habe des öfteren über die Möglichkeiten des beschäftigungspolitischen Engagements auf EU-Ebene beraten und habe etwa den Gesichtspunkt vertreten, daß prioritär die Nationalstaaten die Kompetenz für der Beschäftigungspolitik haben sollen. Daß man sich entsprechend verhalten hat, sei auch dem Bericht des Bundeskanzlers von soeben zu entnehmen gewesen. Diese Kompetenz kann die EU nicht übernehmen, und nach österreichischem Wunsch soll diese Kompetenz auch nicht abgegeben werden. Man habe hier formuliert, daß für diesen Zweck keine zusätzlichen Mittel der einzelnen Nationalstaaten in bezug auf die EU aufgewendet werden sollen, und das wurde auch in den Vorbesprechungen zum kommenden Gipfel entsprechend verankert. Das Ergebnis der hier geführten Diskussionen hat also Niederschlag gefunden.

Selbstverständlich sollen allerdings gewisse Pilotprojekte, die aus Mitteln der verschiedenen Bereiche des EU-Budgets finanziert werden, durchgeführt werden.

Die einzelnen Staaten sollen in ihrer Beschäftigungspolitik nationale Ziele verfolgen und diesbezüglich an die EU Bericht erstatten. Seitens der EU sollen die Erreichung der national verankerten Ziele beziehungsweise die Abweichung von diesen beobachtet und im Ergebnis veröffentlicht werden. Aufgrund dieser Vorgangsweise stehen die Nationalstaaten nach Meinung des Abgeordneten Dr. Höchtl unter stärkstem Druck, ihre Ziele auch zu erreichen.

Es sei zweifellos eines der zentralen Elemente, daß neben den nationalen beschäftigungspolitischen Zielsetzungen entsprechende Rahmenbedingung zur Koordinierung innerhalb der EU geschaffen und umgesetzt werden. Abgeordneter Dr. Höchtl richtet daher die Frage an den Bundeskanzler, wie weit die Vorgespräche etwa im Bereich der Steuerharmonisierung, der Harmonisierung der Umweltstandards und der sozialen Standards - letztere nicht nur im Bereich der EU, sondern auch im Bereich der WTO - gediehen seien. In diesem Zusammenhang bestehe die Notwendigkeit, daß Österreich auf eine entsprechende Umsetzung poche, da sonst große Wettbewerbsvorteile für jene bestehen, die diese Standards nicht aufweisen.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) erwähnt zunächst, daß auch in den Amsterdamer Gipfel sehr hohe Erwartungen gesetzt worden waren. Gemäß der öffentlichen Meinung seien von diesen großen Erwartungen aber nur sehr wenige und die eigentlichen Aufgaben des Gipfels überhaupt nicht erfüllt worden.

Auch in den Luxemburger Gipfel werden jetzt wieder hohe Erwartungen gesetzt. Nachdem sie nun auch die Meldung vom inoffiziellen Treffen der Finanzminister vernommen hat, schwane ihr, daß auch die Ergebnisse dieses Gipfels den Erwartungen nicht entsprechen werden. Sie stellt daher die Frage an den Bundeskanzler, welche diesbezüglichen Gedanken man hat, wenn man an der Spitze einer Regierung steht, die beim EU-Beitrittt sehr massiv dafür geworben hat, daß man vieles aktiv einbringen könne und für vieles kämpfen werde, man dann aber sehe, daß man über die Ankündigungen nicht weit hinauskommt.

Abgeordnete Mag. Kammerlander weist insbesondere auf die Ausführungen des Bundeskanzlers betreffend die Überwachung der Erreichung der Ziele der einzelnen Staaten hin: Das sei die einzige konkrete Maßnahme, die heute von ihm genannt wurde. Alles andere seien nur Worte, und das sei zu wenig für einen Gipfel, der im Rahmen der Amsterdamer Regierungskonferenz eigens in Anbetracht der bisherigen Erfolglosigkeit auf diesem Gebiet kreiert wurde.

Bis zum Herbst sei man davon ausgegangen, daß es nicht nur nationale, sondern auch europäische Ziele geben wird, etwa die Halbierung der Zahl der Arbeitslosen. Auf einmal sei dieses Thema jedoch vom Tisch gewesen. Bei der Etablierung des Kriteriums "Beschäftigung" müsse es jedoch auf jeden Fall europaweite Quantifizierungen und Verpflichtungen geben, nicht nur nationale. In der Umsetzung und Überprüfung seien das nationale Angelegenheiten, die Festsetzung der quantifizierbaren Ziele sollte nach Meinung der Grünen allerdings sehr wohl auf europäischer Ebene erfolgen.

Es gebe nun starken Druck etwa von seiten der Deutschen, die Zielfestsetzung und -umsetzung den einzelnen Staaten zu überlassen. Wenn man diesem Druck jetzt nachgibt, werde man jedoch die Ziele, die auch bei der Amsterdamer Konferenz betreffend die Festlegung von europaweiten Vorhaben formuliert wurden, nicht erreichen können.

Die Grünen haben vor etwa zwei Wochen einen Beschäftigungsgipfel abgehalten, auf welchem Ratspräsident Juncker seine Auffassungen noch einmal dargelegt hat. Er gehe davon aus - und das habe der Bundeskanzler jetzt nicht erwähnt -, daß es ein Bündel von entsprechenden Maßnahmen geben müsse, damit diese überhaupt greifen. Auch die Steuerharmonisierung habe Juncker ausführlich behandelt: Es gehe nicht nur um Energiebesteuerung, eine europaweite Ökosteuer oder die Besteuerung von Kapital, eine Harmonisierung könne vielmehr dann herbeigeführt werden, wenn auch eine Besteuerung von Betrieben vorgenommen wird und es zu einer einheitlichen Körperschaftsteuer kommt. Nur dann könne das Bündel von beschäftigungspolitischen Maßnahmen wirklich umgesetzt werden.

Überdies forderte Juncker ganz klar eine Art Konvergenzkriterium für Beschäftigung, ähnlich wie bei der Währungsunion. Derselbe Aufwand sei auch auf diesem Gebiet gerechtfertigt. Außerdem werde es notwendig sein, auch Regelungen betreffend einen europäischen Mindestlohn und Kündigungsschutz zu schaffen, ferner müsse es zu Regelungen auf dem Gebiet der Teilzeitarbeit kommen.

Auch betreffend aktive Arbeitsplatzmaßnahmen wie Beratung und Integration gehe Juncker weiter, indem er sagt, daß es zu einer Senkung des Mehrwertsteuersatzes kommen muß, damit wirklich Arbeitsplätze geschaffen werden können und ein dritter Sektor aufgebaut werden kann.

Deshalb habe sie einen Antrag auf Stellungnahme eingebracht, in welchem man sich sehr streng an Junckers Ausführungen gehalten hat.

Abschließend stellt Abgeordnete Mag. Kammerlander die Frage an den Bundeskanzler, ob er die Vorschläge Junckers, die auch von den Grünen in einem Antrag formuliert wurden, unterstützen und dafür eintreten werde. Sehe er es auch so, daß entsprechende Maßnahmen nur in einem Bündel, wie von ihr soeben ausgeführt, realisiert werden können?

Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ) hält fest, daß Abgeordnete Pollet-Kammerlander im ersten Teil ihrer Wortmeldung dargestellt habe, was alles auf europäischer Ebene nicht möglich ist, vor allem auch aufgrund der Weigerung der Deutschen, gemeinsame Ziele zu quantifizieren. In diesem Punkt habe sie einen Zusammenhang zur österreichischen Bundesregierung hergestellt. Dann sei sie auf die Vorschläge von seiten der Kommission eingegangen, die auch von Ratspräsidenten Juncker sehr stark vertreten werden und habe das in einen scheinbaren Widerspruch zur Haltung der österreichischen Bundesregierung gebracht.

Abgeordneter Dr. Gusenbauer meint dazu, daß diese Art der Darstellung zwar als oppositionelle Methode ganz hübsch sein mag, allerdings nicht der Realität der Handlungsweise der österreichischen Bundesregierung entspreche. Denn die Frage der Beschäftigung sei in der Europäischen Union sozusagen von der österreichischen Bundesregierung erfunden worden. Nach monatelangem Drängen - vor dem französischen Wahlerfolg weniger unterstützt als danach - sei es der österreichischen Bundesregierung gelungen, die Frage der Beschäftigung auf dieser Ebene aufs Tapet zu bringen, was bis zu den französischen Wahlen als unrealistisch angesehen worden war, letztendlich aber dazu geführt hat, daß die Beschäftigung in Amsterdam in den Vertrag aufgenommen wurde.

Weiters habe die österreichische Bundesregierung im Gefolge des Amsterdamer Gipfels dafür plädiert, daß es in Luxemburg zur Beratung weitergehender Maßnahmen kommen müsse. Auch das müsse beachtet werden, wenn man schon über gute Vorschläge auf europäischer Ebene spricht. So sei etwa der österreichische Finanzminister im ECOFIN-Rat allein auf weiter Flur bei der Verteidigung des Vorschlages der Kommission gestanden. Die Österreicher haben sich für diese Zielsetzungen auf die Schienen geworfen. - Es sei daher kein sehr faires Verhalten, wenn man jetzt den Eindruck zu erwecken versuche, daß es in Österreich eine mangelnde Kampfbereitschaft für diese Ziele gebe.

Die österreichische Bundesregierung habe beim EU-Beitritt dargestellt, wofür sie in der Europäischen Union eintreten wird, und sie kämpfe nun nachweislich um diese Ziele. In einer Union der 15 könne es aber klarerweise aufgrund des Wirkens eines einzelnen Staates keine Erfolgsgarantie für die Verwirklichung der Ziele geben. Daher müsse man sich im Zusammenhang mit dem Luxemburger Gipfel, nachdem man weiß, wie sich einzelne Staaten verhalten werden, die Frage stellen, was unter Umständen erreicht werden kann. Darauf habe sich der Bericht des Bundeskanzlers in erster Linie bezogen.

Daß man mit den Aussichten nicht 100prozentig zufrieden sein könne, weil Österreich bedeutend weitergehende Vorstellungen formuliert haben, sei klar. Gleichzeitig müsse man aber auch das Ganze in einem prozeßartigen Charakter sehen. Es bestehe eine Heterogenität nicht nur politischer Auffassungen, sondern auch der sozialen und wirtschaftspolitischen Situation der einzelnen Staaten in Europa. Man dürfe nicht davon ausgehen, daß ausschließlich Österreich nicht recht habe, während alle anderen fundamental irrten. Österreich könne zwar den Nachweis erbringen, daß seine Beschäftigungspolitik in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten bedeutend bessere Ergebnisse gebracht hat als die anderer Länder, dennoch können Diskussionen, die anderswo geführt werden, nicht grundsätzlich vom Tisch gewischt werden.

So wurde etwa in Großbritannien bei relativ hohem Wachstum zwar Beschäftigung geschaffen, trotzdem ist die Arbeitslosigkeit dort angestiegen. All österreichischen Vorschläge betreffend die Erhöhung des Wachstums in Europa seien also etwa auf England nicht anwendbar, da dies dort nicht unbedingt zu einem Anstieg der Beschäftigung führt. In Kontinentaleuropa liege der Grund für die Arbeitslosigkeit hauptsächlich in der Wachstumsschwäche der letzten Jahre. Daher diskutiere man hier die Ankurbelung des Wachstums, um auf diese Weise auch eine bessere Beschäftigungssituation zu schaffen. Das treffe auf Großbritannien nicht zu. Aufgrund der unterschiedlichen Realitäten komme es daher auch zu unterschiedlichen politischen Positionierungen.

In Anbetracht dessen sei es verständlich, daß diese Fragen nicht einfach auf einen einheitlichen Blueprint für Europa zu bringen sind. Abgeordneter Dr. Gusenbauer hält dazu fest, daß es auch ihm selbstverständlich lieber wäre, wenn man sich in der Europäischen Union auf diesem Gebiet auf quantifizierbare Zielsetzungen in der Qualität eines Konvergenzkriteriums einigen können hätte, denn auch hinsichtlich der Erfüllung der Maastricht-Kriterien, die kaum jemand für möglich gehalten hat, sei es in letzter Zeit zu einer erstaunlichen Konvergenz gekommen. Dem halte jedoch zum Beispiel die englische Regierung entgegen, daß die Abgabe von Garantien für sinkende Arbeitslosigkeit nicht möglich sei, sondern nur die Schaffung von entsprechenden Rahmenbedingungen. Dieser Ansatz müsse nach Auffassung des Abgeordneten Dr. Gusenbauer zu einem gewissen Maß akzeptiert werden, wobei er einschränkend meint, daß man sich zumindest auf eine Steigerung der Beschäftigtenquote einigen hätte können.

Außerdem bestehe bei der deutschen Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Angst, daß Beschäftigungsprogramme auf Ebene der Europäischen Union dazu führen, daß Nettozahler in noch stärkerem Ausmaß zur Kasse gebeten werden. Auch das sei eine diskussionswürdige Position.

Die politische Linie sei in diesem Zusammenhang völlig klar: Nach Meinung des Abgeordneten Dr. Gusenbauer werde Luxemburg nicht die beschäftigungspolitische Finalität der Europäische Union bringen, es werde aber ein Etappenziel und einen weiteren Schritt darstellen, wobei man darauf hoffe, daß die Gipfeldynamik dazu führt, daß die Vereinbarungen in einzelnen Bereichen etwas konkreter gefaßt werden können, als das bei der gestrigen Jumbo-Runde zum Ausdruck gekommen ist.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum) bemerkt in unmittelbarem Anschluß an die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Gusenbauer, daß er es für relativ kühn halte, wenn dieser behauptet, daß die Frage der Beschäftigung in der Europäischen Union von der österreichischen Bundesregierung erfunden worden sei. Diese Problematik sei in der Europäischen Union schon bekannt gewesen. Österreich sei natürlich nicht gegen entsprechende Maßnahmen gewesen, aber so, wie Abgeordneter Dr. Gusenbauer es jetzt gebracht habe, könne man es nicht darstellen.

Die Problematik sei in allen Mitgliedstaaten bekannt, wenn sie auch unterschiedliche Zugänge zu dieser Frage haben. Über die verschiedenen Lösungsansätze könne man selbstverständlich streiten, und es sei klar, daß sich dieses Problem nicht von selbst lösen wird, wie manche vielleicht meinen.

Weiters meint Abgeordneter Dr. Kier zu Abgeordnetem Dr. Gusenbauer, daß man die Maastricht-Kriterien zu dem Zeitpunkt, als sie eingeführt wurden, nicht für unerfüllbar hielt, sondern damals guten Grund zu der Annahme hatte, daß sie alle annähernd erfüllen können werden. Später habe sich jedoch herausgestellt, daß die kommende Wirtschaftsentwicklung falsch eingeschätzt worden war.

Im Lichte dessen müsse man daher bei der Diskussion der Kriterien im Rahmen der Beschäftigungspolitik stark darauf achten, daß jetzt nicht Kriterien festgelegt werden, die von allen möglichst leicht erfüllt werden können, die aber unter Umständen aus sozialpolitischer Sicht sehr unsympathisch sind, weil hohe Arbeitslosenzahlen toleriert werden müssen.

Andererseits sei die Frage der Sanktionierung ein zentraler Punkt. Denn wenn auch noch so gut gemeinte und auch relativ leicht erreichbare Kriterien festgelegt werden, jedoch keine Möglichkeit besteht, deren Erfüllung tatsächlich sozusagen klagbar zu stellen, werde es zu Problemen kommen. Das sei auch der signifikante Unterschied zu den Maastricht-Kriterien: Bei diesen könne nämlich entschieden werden, ob sie erreicht wurden oder nicht. Im Zusammenhang mit der Beschäftigung sei dies jedoch nicht möglich. Kriterien, für deren Nichteinhaltung es keine Sanktionsmöglichkeit gibt, seien aber bloß Deklarationen.

Deklarationen gebe es im Rahmen der EU allerdings schon einige, etwa das Weißbuch von 1993 oder den Maßnahmenkatalog aus dem Jahr 1994. Darin sei alles Bedenkenswerte in trefflichen Worten zusammengestellt. Es wüßten also alle schon längst, was zu tun wäre. Nun gehe es um die Erörterung, warum vieles davon nicht umgesetzt wurde, und Österreich als relativ junges Mitglied mit einer relativ hohen Performance könnte - bei aller gebotenen diplomatischen Höflichkeit - gegebenenfalls etwas vorlauter argumentieren.

Unter den vorbildlichen Aspekten der österreichischen Arbeitsmarktpolitik sind allerdings nur zwei positiv anerkannt, nämlich das duale Ausbildungswesen und die Arbeitsstiftungen, nicht jedoch Sozialpartnerschaft in struktureller Hinsicht. Daß es im beschäftigungspolitischen Bereich besser ist, sozialpartnerschaftliche Gespräche zu führen als mit Kampfmaßnahmen zu operieren, sei nämlich in Europa inzwischen Common sense und könne nicht mehr als österreichische Erfindung proklamiert werden, vielmehr habe Österreich in diesem Bereich derzeit eher einen Umgangsreformbedarf.

Daher wurde vom Liberalen Forum auch ein Antrag auf Stellungnahme eingebracht, in welchem insbesondere auch darauf hingewiesen wird, daß all das, was jetzt als Neuheit bezeichnet wird, schon zu wiederholten Malen formuliert worden ist.

Insbesondere erwähnt Abgeordneter Dr. Kier in diesem Zusammenhang die Frage der Mindestlöhne: Diese Frage dürfe keinen plakativen Charakter bekommen. In diesem Bereich wird seiner Meinung nach eine Reform der Sozialsysteme insgesamt angegangen werden müssen. Das Europäische Parlament habe diesbezüglich bereits eine Resolution gefaßt, die im Antrag des Liberalen Forums bewußt zitiert wird.

Abgeordneter Dr. Kier betont, daß Mindestlohnbegriffe nicht diskutiert werden können, ohne daß man sie auf die Arbeitsstunde bezieht. Denn wenn man den Mindestlohnbegriff auf die Vollbeschäftigung beziehe, könne man dem Phänomen Teilzeitarbeit nicht gerecht werden. Im übrigen bestünde eine diesbezügliche Sanktionsmöglichkeit, wenn man sich entschließen könnte, europaweit durchzusetzen, daß Länder, die ihren Arbeitsmarkt nicht in eine positive Entwicklung bringen können, verpflichtet werden, sich denjenigen, die dadurch zu kurz kommen, stärker durch soziale Transfers zuzuwenden. Auch wenn dies schwer umzusetzen sei, müsse man aber zumindest einmal in den Raum stellen, daß diejenige regionale Wirtschaftspolitik, die auf dem Sektor der Beschäftigungspolitik versagt, zur Zahllast für den einzelnen wird. Würde man sich mit den Rechtsansprüchen des Individuums auf soziale Sicherheit beschäftigen, dann könnte man erkennen, daß das ein Schlüssel für den Einbau von Sanktionen wäre.

Abgeordneter Dr. Kier bittet daher alle, den von den Liberalen eingebrachten Antrag in diesem Lichte zu studieren, ob er für sie nicht doch teilweise oder zu Gänze zustimmungsfähig ist.

Obmann Dr. Heinz Fischer begrüßt den nunmehr erschienenen Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel herzlich.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima verleiht zunächst seiner Enttäuschung Ausdruck, daß die vergangene Stunde nicht dazu genutzt wurde, den Vorschlag im österreichischen Positionspapier zu diskutieren, der sich tatsächlich vom Vorschlag der Kommission abhebe.

Die Kommission hat Globalziele vorgeschlagen, und er habe in seinem einleitenden Statement zu begründen versucht, warum Österreich der Auffassung ist, daß es vernünftiger sei, daß jeder Staat beschäftigungspolitische Maßnahmen erarbeitet und Teilziele quantifiziert, statt daß globale Zahlen auf Unionsebene festgelegt werden. Es müsse sich jedes Land verpflichten, ein Bündel von Maßnahmen fundiert auszuarbeiten und nationale Ziele festzulegen. Aggregiert stellen diese Ziele dann ein gesamteuropäisches Ziel dar.

Bundeskanzler Mag. Klima meint, daß diese Annäherung viel besser und pragmatischer sei als die Festlegung irgendeiner Globalzahl. Er halte den diesbezüglichen Vorschlag Österreichs für einen sehr intelligenten Vorschlag und bedauere es, daß hier nicht über dieses Fundament diskutiert werden kann.

An Abgeordneten Gaugg und Abgeordnete Mag. Kammerlander gewendet stellt er fest, daß sie zutiefst unrecht haben, wenn sie jetzt so tun, also ob nichts geschähe. Vor einem dreiviertel Jahr hätte sich niemand vorstellen können, daß es einen Konvergenzmechanismus für Beschäftigung und ein periodisches Überprüfen von geforderten Maßnahmen auf Ebene des gemeinsamen Rates geben würde. Heute stellt sich heraus, daß das ein möglicher Weg ist. Bundeskanzler Mag. Klima bittet daher, bei aller Polarisierung doch auch zu sehen, was auf diesem Gebiet erreicht wurde. Dies seien Schritte in die richtige Richtung.

Zum Thema Lehrlinge bemerkt er zu Abgeordnetem Gaugg, daß die Bundesregierung dieses Thema am heutigen Tag sehr ausführlich im Ministerrat diskutiert habe. Jedes Regierungsmitglied bekenne sich zu dem in Rust beschlossenen Satz, daß jede und jeder fünfzehnjährige Ausbildungswillige einen Ausbildungsplatz zu bekommen hat. Damals habe man die Zahl der zusätzlichen Ausbildungsplätze auf etwa 10 000 geschätzt, und es wurde eine Reihe von sehr konkreten Maßnahmen erfolgreich umgesetzt, mit welchen in der Zwischenzeit mehr als 10 000 Ausbildungsplätze sichergestellt wurden. Dies sei den Unternehmern wie auch Bürgermeistern und Landeshauptleuten zu verdanken, die auch im öffentlichen Dienst mehr Lehrstellen geschaffen haben, weiters sei die Erreichung dieser Zahl auf die Möglichkeiten, die überbetriebliche Lehrwerkstätten bieten, zurückzuführen. Das erste Mal seit zwanzig Jahren wurde bei der Lehrlingsausbildung eine Trendumkehr erreicht. Das gesteckte Ziel sei also in einem hohen Maß erreicht worden.

Man könne an diesem Punkt das Argument bringen, daß sich 5 500 Jugendliche nach dem AMS angemeldet haben. - Das AMS werde jetzt sehr sorgfältig überprüft. Es umfaßt nicht nur Fünfzehnjährige, sondern auch Sechzehn- bis Achtzehnjährige, die etwa ihren Ausbildungsplatz wechseln wollen. Insgesamt werde jedoch auf diesem Gebiet, angefangen von der Schule bis zu den Unternehmen und der öffentlichen Hand, durch gemeinsame Anstrengungen sehr viel erreicht.

Man habe beschlossen, daß Bundesministerin Hostasch, Bundesministerin Gehrer, Bundesminister Dr. Farnleitner und Bundesminister Edlinger bis Ende Jänner 1998 ein Programm vorlegen sollen, wie im Sommer des kommenden Jahres mit der Frage der Lehrlingsausbildung strukturell positiver umgegangen werden kann. Denn auch das Fördersystem sei seiner Meinung nach derzeit ungerecht und müsse systematisch auf eine neue Basis gestellt werden.

Insgesamt stellt Bundeskanzler Mag. Klima fest, daß die Bundesregierung ihre diesbezüglichen Vorhaben entgegen dem europäischen Trend und dem seit 20 Jahren unveränderten österreichischen Trend umsetzen konnte. Es sei dies ein massiver Erfolg gewesen, und man werde diese Gelegenheit und Erfahrungen nutzen, damit im nächsten Jahr nicht mehr eine derartige nationale Kraftanstrengung für die Erreichung derselben Ziele notwendig ist.

Zu der Frage nach der Harmonisierung im Steuerrecht führt Bundeskanzler Mag. Klima aus, daß dies selbstverständlich gemeinsam mit einer verstärkten Koordination der europäischen Normungs- und Forschungspolitik, einer Stärkung der europäischen Außenwirtschaftspolitik und dem Nutzen der Europäischen Währungsunion ein ganz zentrales Thema sei, und zwar auf zweifacher Ebene.

Er habe erstens vor wenigen Tagen ein Gespräch mit Karel van Miert, dem Wettbewerbskommissar der Europäischen Union, gehabt, wobei er erreichen konnte, daß in Zukunft die Frage von unerlaubten Beihilfen verstärkt auch in einen Zusammenhang mit dem Steuersystem gestellt werden wird. Wenn einzelne Staaten sektoral besondere Steuerbegünstigungen geben, wird das künftig als unerlaubte Beihilfe betrachtet werden. Dieser Problematik wird verstärkt begegnet werden, um einen ruinösen Steuerwettbewerb in der Europäischen Union hintanzuhalten.

Zweitens habe er mit Kommissar Monti eine schrittweise Harmonisierung des Steuersystems erörtert. Im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer sei es wichtig, daß auch das Ursprungslandprinzip in der Mehrwertsteuerrichtlinie umgesetzt wird. Auch betreffend Senkung der Mehrwertsteuersätze im dienstleistungsintensiven Bereich werde man Schritte setzen: Bundesminister Edlinger und Bundesminister Dr. Farnleitner wurden ersucht, dieses Thema gemeinsam mit den Untergruppen der Steuerreformkommission anzusprechen.

Betreffend WTO-Standards halte er es für unbedingt notwendig, daß die arbeitsrechtlichen Mindeststandards im Bereich der WTO umgesetzt werden können. Allerdings bedürfe es auch unter den mehr als 100 Signatarstaaten des Welthandelsabkommens einer gemeinsamen Akzeptanz. Es sei den österreichischen Politikern aber Gott sei Dank gelungen, die europäische Politik auch auf diese Ebene zu heben. Europa vertritt nun die Miteinbeziehung von sozialen Standards und Umweltstandards in das Welthandelsabkommen. Es gebe allerdings viele Staaten, die dagegen Widerstand leisten.

Die sozialen Mindeststandards wurden mit der Annahme des Sozialprotokolls auch durch Groß-britannien EU-weit zu gemeinsamem Recht.

Zu Abgeordneter Mag. Kammerlander stellt er fest, daß, wenn Präsident Juncker die Vorschläge einbringt, die sie zitiert habe, Österreich diese unterstützen werde. Das Non-paper der Präsidentschaft sehe jetzt allerdings leider anders aus als das, was Kollege Juncker gemäß Zeitungsberichten angeblich gesagt habe.

Gewiß sei jedenfalls, daß sich Österreich nicht nur in der Vergangenheit als Vorreiter für mehr Beschäftigung, bessere Ausbildung, bessere Qualifikation, bessere Chancengleichheit, mehr Klein- und Mittelbetriebe und einen besseren sozialen Zusammenhalt in Europa eingesetzt hat, sondern auch in bezug auf den kommenden Gipfel und bei den nächsten Schritten einsetzen wird. - Er hoffe, daß zumindest das von der Opposition akzeptiert wird.

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP) stellt an den Bundeskanzler gewendet, der soeben das Ausschußlokal verläßt, fest, daß es auf europäischer Ebene auch die Organisation "Eurochambre" gibt, die sehr wohl "a new approach for a better employment policy" vor den gemeinsamen Kammern Europas vorgebracht hat. Auch für die Klein- und Mittelbetriebe gebe es also ein Programm für zukünftige Beschäftigung.

Abgeordneten Dr. Kier, der gemeint hat, die Frage der Beschäftigung in der Europäischen Union sei nicht von der österreichischen Bundesregierung erfunden worden, fragt sie, ob er nicht auch positiv über die Aktivitäten der Bundesregierung urteilen und erkennen könne, daß sich die Bundesregierung gemeinsam mit anderen auf europäischer Ebene dafür stark gemacht hat, daß das Kapitel "Beschäftigung" auf die europäische Tagesordnung gesetzt wird. Natürlich habe es auch vorher schon verschiedene Papiere gegeben, wichtig sei aber, daß man diese Thematik nunmehr zu einem gemeinsamen Anliegen macht und unter diesem Gesichtspunkt auch eine sogenannte Gipfelkonferenz abhält.

Für ihre Begriffe trage das Erklimmen eines Gipfels stets zur Klärung des Geistes bei. Man könne sich von einem solchen Gipfeltreffen nicht alles erwarten. Wichtig sei, daß die Staaten der Europäischen Union auf diesem Gebiet zunächst einmal voneinander lernen. Denn es gibt verschiedene Möglichkeiten der Beschäftigungspolitik, wie sie in verschiedenen Staaten bereits betrieben wird, und dazu, daß man sich nunmehr darüber verständigt, habe Österreich beigetragen.

Man dürfe diesen Gipfel und dessen Ergebnisse nicht einengend betrachten. Bei Durchsicht der Anträge der Oppositionsparteien - die einander übrigens in manchen Punkten widersprechen - habe sie unterschiedliche Auffassungen feststellen können, und solche unterschiedlichen Auffassungen gebe es auch bei den europäischen Staaten. Darum halte sie zu diesem Zeitpunkt nichts von der Abgabe einer Stellungnahme betreffend konkrete Vorgaben. Man sollte jetzt für Anregungen offen sein.

Abgeordneter Dr. Kier habe immer wieder von Sanktionen gesprochen: Darin liege nach Auffassung der Abgeordneten Tichy-Schreder das Grundproblem Europas. Man müsse einmal lernen, zueinander Vertrauen zu fassen, und dürfe nicht immer gleich Sanktionen setzen. Die Staaten sollten darum bemüht sein, in einer Atmosphäre des Vertrauens gemeinsam ihre Ziele zu erreichen. Dieser Prozeß sei bereits nach Maastricht und Amsterdam in Gang gekommen und müsse fortgesetzt werden. Sie sei überzeugt, daß bei einer gegenseitigen Abstimmung der Möglichkeiten und Ziele der Beschäftigungspolitik auch gemeinsame Ziele formuliert werden können. Selbstverständlich müsse man zunächst die nationalen Ziele festlegen. Aber auch dabei könne man voneinander lernen, und man dürfe nicht nur die ganz großen Ziele im Auge haben, sondern müsse darum bemüht sein, Schritt für Schritt etwas zu erreichen. Denn nur so könne man Maßnahmen und Ziele internalisieren und übernehmen.

Man müsse sich jetzt um die gemeinsame Wirtschaftspolitik, zu der auch die Beschäftigungspolitik gehört, bemühen. Dazu sei es notwendig, daß verschiedene Maßnahmen gesetzt werden. Es freue sie, daß in den Papieren der Kommission insbesondere auf die selbständige Existenz hingewiesen wird, daß ein großes Beschäftigungspotential für Klein- und Mittelbetriebe besteht, das auch noch zu steigern ist, indem entsprechende Maßnahmen wie Entbürokratisierung und Flexibilisierung für die Ermöglichung von mehr Beschäftigung getroffen werden.

Sie erwarte sich von diesem Beschäftigungsgipfel, daß man noch mehr Informationen von anderen Ländern betreffend deren Beschäftigungspolitik bekommen werde, um diese auch für das eigene Land nützen zu können. Österreich hat die zweitniedrigste Arbeitslosenrate im Rahmen der Europäischen Union, und die Wachstumsziffern steigen. Einiges sei schon erreicht worden wie etwa die Senkung der Inflationsrate oder die Senkung der Zinssätze. Jetzt müsse man herausfinden, wie man die steigenden Wachstumsziffern auch in mehr Beschäftigung ummünzen kann. Sie erwarte sich von diesem Gipfel neue Lösungsansätze. Man solle in dieser Hinsicht auf Europa vertrauen.

Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche) stellt fest, daß das, was Abgeordnete Tichy-Schreder soeben von sich gegeben hat, für die Diskussion nicht sehr förderlich sei. Denn die Tatsache, daß die Arbeitslosenrate in Österreich nur 4 Prozent beträgt, während sie sich in der EU auf etwa 11 Prozent beläuft, sei überhaupt nicht aussagekräftig: Die EU habe seit 1994/1995 eine Stabilität erreicht, in Österreich bewege sich die Arbeitslosenrate hingegen nach oben. Das Verhältnis ist also schlechter geworden, und das sei der entscheidende Punkt.

Es werden jetzt große Ziele angegeben, es werden viele Worte gesprochen, es gebe aber wenig Konkretes. Am vergangenen Sonntag hat Staatssekretär Ruttenstorfer gesagt, daß - entgegen früheren Prognosen - die Währungsunion keine neuen Arbeitsplätze bringen wird. Im Weißbuch, das vor dem Beitritt Österreichs vorlag, wurden bereits Fragen der Beschäftigung und des Wachstums behandelt, die jetzt als Maßnahmen in den Richtlinien wieder aufscheinen. Seit dem Essener Beschluß 1994 haben die nationalen Regierungen dem Rat entsprechende Beschäftigungsprogramme vorzulegen.

Wenn man heute diskutiert, warum die Beschäftigungspolitik nicht in die Konvergenzkriterien aufgenommen wurde, dann müßte man die Europäische Volkspartei fragen: Denn diese habe im Europäischen Parlament immer wieder darauf hingewiesen, daß dann die Währungsunion überhaupt nicht machbar wäre, weil die Staaten die entsprechenden Konvergenzkriterien nur über die Beschäftigungspolitik erreichen können.

Bundeskanzler Mag. Klima habe gesagt, daß nun ein Dialog der Sozialpartner aufgebaut werden soll und daß nur die Industriellenvereinigung in Brüssel vertreten sei, nicht aber die Bundeswirtschaftskammer: Der Grund dafür sei, daß dort keine Organisationen mit Pflichtmitgliedschaft auftreten können. Daher werde es einen Dialog mit der Bundeswirtschaftskammer in Brüssel nicht geben. Man müsse sich also in Österreich auf Regierungsseite überlegen, ob man die Pflichtmitgliedschaft der Kammern nicht abschaffen soll, um in Brüssel am sozialen Dialog teilhaben zu können.

Bei den Beschäftigungsprogrammen handle es sich ausschließlich um Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, denn nur die Wirtschaft könne letztendlich die Arbeitsplätze schaffen. Gesamteuropäisch gesehen müsse die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft gegenüber den Blöcken in Nordamerika und Asien gestärkt werden. Unter diesem Aspekt müsse das Papier betrachtet werden.

So müsse beispielsweise das Qualifikationsdefizit in den einzelnen Ländern und auch in Österreich wettgemacht werden. Es gebe hier jedoch keine Reformansätze zur Effizienzsteigerung durch bessere Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Auch müssen flexible Beschäftigungsformen geschaffen werden. In Österreich gebe es jedoch derzeit in diesem Bereich eine sehr schleppende Behandlung der Materie. Außerdem müsse es zu einer Flexibilität der Lohn- und Gehaltspolitik kommen. Derzeit bestehen jedoch starre Fronten wie eh und je.

Abgeordnete Ing. Nußbaumer stellt in diesem Zusammenhang fest, daß er sich nicht zu der heute in der "Presse" zitierten Aussage von Vizekanzler Dr. Schüssel verstehe, daß Menschen gegebenenfalls unter dem Kollektivvertrag arbeiten sollen. - Das sei nicht der richtige Weg. Der richtige Weg sei vielmehr eine Reduktion der Prozentsätze der Lohnnebenkosten und der Steuer- und Abgabenquote.

Für eine stärkere Forcierung der Technologieforschung müßten die entsprechenden Mittel bereitgestellt werden, was derzeit nicht der Fall sei. Ferner werde die leichtere Gründung und Führung von Unternehmen durch die neue Gewerbeordnung nur in ganz wenigen Ausnahmen ermöglicht, am Grundsätzlichen sei jedoch nichts geändert worden.

Abgeordneten Ing. Nußbaumer stellt die Fragen, welche nationalen Ziele beim Beschäftigungsgipfel eingebracht werden sollen, welche wichtigen Punkte von allen 15 Staaten - soweit jetzt erkennbar - voraussichtlich mitgetragen werden, welche Maßnahmen aus den Beschäftigungsprogrammen europaweit, aber auch in Österreich voraussichtlich ergriffen werden und greifen werden und welche Überprüfung der Einhaltung der Richtlinien vorgesehen ist.

Annemarie Reitsamer (SPÖ) bemerkt, daß es auch sie sehr gestört habe, daß die Situation von der Opposition jetzt so dargestellt wird, als ob Österreich keinerlei Verdienste im Zusammenhang mit der europaweiten Aufnahme des Themas Beschäftigung hätte. Als Sozialsprecherin habe sie in Brüssel verfolgen können, wie um das Beschäftigungskapitel gefeilscht wurde, und Österreich habe einiges zum Gelingen beigetragen.

Zu Dr. Kier bemerkt Abgeordnete Reitsamer, daß sie in Anbetracht dessen nicht verstehe, warum man dann immer versucht, Österreichs Verdienste zu schmälern und das Land madig zu machen.

Sie habe der Mitteilung der Kommission betreffend die beschäftigungspolitischen Maßnahmen entnehmen können, in welchen Bereichen sich die Sozialpartner stark machen könnten, und bereits vor dem EU-Beitritt Österreichs sei von den anderen Staaten immer wieder betont worden, wie vorbildlich hier die Sozialpartnerschaft funktioniere. Sie meint daher, daß es jetzt nicht notwendig sein werde, mit der Zwangsmitgliedschaft aufzuräumen, um die Sozialpartner gleichberechtigt wie in Österreich auch auf internationaler Ebene einzubringen. Die vorliegenden Papiere seien ein Beweis dafür.

Im Hinblick auf die Behauptung, daß sich in bezug auf geringfügige Beschäftigung nichts bewegt habe, erinnert Abgeordnete Reitsamer an das zuletzt beschlossene Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz. Auch in Deutschland habe man erkannt, daß man von Österreich diesbezüglich etwas lernen könnte. - Auch in diesem Bereich habe man also beim kommenden Gipfel viel einzubringen. Umgekehrt könne man aber selbstverständlich von den anderen auch sehr viel lernen.

Im Zusammenhang mit der Harmonisierung der Steuersysteme und Sozialabgaben dürfe man sich selbstverständlich nicht an Staaten orientieren, die ein weniger beschäftigungsfreundliches Steuer- oder Sozialsystem haben. Das müsse genau geprüft werden. Für sie sei das Wort "Harmonisierung" allein zuwenig aussagekräftig. Sie vermisse in allen Papieren, daß von Arbeitszeitverkürzung überhaupt nicht mehr die Rede ist. Obwohl man wisse, daß ein Viertel der Beschäftigten nahezu das Doppelte produzieren kann, setze man sich mit dem Thema Arbeitszeitverkürzung überhaupt nicht mehr auseinander. Auch das müsse auf internationaler Ebene diskutiert werden.

Bundeskanzler Mag. Klima habe gesagt, daß das Non-paper des gestrigen Jumbo-Rates die Diskussionsgrundlage für den Gipfel sein werde. Abgeordnete Reitsamer äußert dazu die Meinung, daß auch das österreichische Positionspapier beim Gipfel mit Nachdruck vorgetragen werden sollte, denn sonst wäre nicht einzusehen, warum sich der heutige Hauptausschuß so intensiv damit auseinandersetzt.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) bemerkt, daß sie den Damen und Herren der Koalitionsparteien wahrlich bescheinigen könne, daß sie sich erfolgreich von der "Vollbeschäftigung" zur "hohen Beschäftigung" bewegen. - Man könne nicht ganz leugnen, daß etwas geschehen sei, wenn aber kritisiert wird, hebe immer sofort ein großes Wehklagen an, daß man überhaupt wage, etwas zu kritisieren.

Abgeordnete Tichy-Schreder habe von der Widersprüchlichkeit der Papiere der Oppositionsparteien gesprochen, was sie verwundere, denn sie sehe nur einen Widerspruch: In den Anträgen der Liberalen und der Freiheitlichen sei von Flexibilisierung als einer der arbeitsplatzschaffenden Maßnahmen die Rede. Diese Formulierung - insbesondere im freiheitlichen Antrag - könne sie in diesem Zusammenhang und ohne weitere Erläuterungen nicht gelten lassen. Die anderen Forderungen könne sie aber unterstützen, da sie zwar etwas anders formuliert, aber durchaus im Sinne der Forderungen der Grünen seien.

Den einen oder anderen Satz aus dem Antrag der Liberalen könne sie geradezu enthusiastisch unterstreichen, zum Beispiel die Forderung betreffend die Evaluierung der Ausgaben für den Struktur- und Kohäsionsfonds. Der kritikfreien Umsetzung des Weißbuches stimme sie jedoch nicht zu, ebenso stimme sie den Maßnahmen nicht zu, die in Richtung einer weiteren Deregulierung beziehungsweise Liberalisierung gehen. - Die Widersprüche seien also nicht so groß, wie Abgeordnete Tichy-Schreder es dargestellt hat.

Die Arbeitslosenrate sei auch deswegen ein untauglicher Ausgangspunkt, weil viele arbeitslose Frauen aufgrund verschiedener Kriterien in dieser Rate gar nicht aufscheinen.

Weiters bemerkt Abgeordnete Mag. Kammerlander, daß Sie zwar verstehe, daß der Bundeskanzler und der Vizekanzler nicht immer bei den Hauptausschußsitzungen anwesend können, daß im Sinne eines kontinuierlichen Dialoges eine länger dauernde Anwesenheit jedes einzelnen aber doch sinnvoll wäre. Denn nun müsse sie ihre Ausführungen anders anlegen, weil jetzt der Vizekanzler der Ansprechpartner ist, der die Darstellungen des Bundeskanzlers ja nicht gehört hat.

Nach ihrem Verständnis habe Bundeskanzler Mag. Klima gesagt, Österreich würde die Vorschläge von Juncker unterstützten, wenn sie so eingebracht werden, wie sie darüber berichtet hat. - Wenn dem so sei, handle es sich bei dem Antrag der Grünen ja gar nicht mehr um einen Oppositionsantrag, sondern um eine offensichtlich sehr tragfähige Meinung!

Aufgrund der angeführten Tatsachen habe sie einige Fragen:

Zu ihrem Bedauern sei von der Sozialunion überhaupt nicht mehr die Rede. Für ihre Begriffe sei jedoch die Festlegung von sozialen Mindestregeln zur Absicherung notwendig, vor allem weil in letzter Zeit die Forderung nach Flexibilisierung immer wieder gestellt wird. Eine Flexibilisierung ohne soziale Mindeststandards sei ihrer Meinung nach jedoch kein taugliches Mittel der Arbeitsplatzbeschaffung und Beschäftigungspolitik. Daher sei die Frage an die Bundesregierung zu stellen, wie diese zu der tatsächlichen Schaffung und Umsetzung einer Sozialunion steht.

Weiters betont Abgeordnete Mag. Kammerlander, daß die Grünen nie von einem europäischen Mindestlohn gesprochen haben, weil sie wissen, daß ein solcher nicht auf die gleiche Weise zu schaffen wäre wie auf nationaler Ebene, sondern von Mindestregelungen für einen Mindestlohn. Davon habe auch Ratspräsident Juncker gesprochen, und sie schließe sich ihm in diesem Punkt voll an. Dies müsse aber mit einer Vollbeschäftigung neuen Typs einhergehen. Das heißt: Es muß und wird zu einer Arbeitszeitverkürzung kommen, und diese tatsächliche Verkürzung der Arbeitszeit wird dann die Vorgabe für die Vollbeschäftigung des neuen Typs sein. Abgeordnete Mag. Kammerlander stellt die Frage an die Bundesregierung, wie diese dazu steht.

Zur Festsetzung von nationalen beschäftigungspolitischen Zielen und zur Überprüfbarkeit der Erreichung dieser Ziele resümiert sie, daß Bundeskanzler Mag. Klima gesagt habe, daß die Aggregation der nationalen Ziele und Maßnahmen das europäische Ziel ergibt. - Das allein sei ihr deswegen zuwenig, weil ihrer Meinung nach auch in dieser Hinsicht eine Mindestregelung eingezogen werden müßte. Es könne nicht jeder Staat für sich einen Maßnahmenkatalog festsetzen, ohne sich an ein Mindesterfordernis halten zu müssen. Unter letzteren Umständen würden die Grünen diesem Vorschlag zustimmen, das sei aus den Darstellungen des Bundeskanzlers aber nicht klar hervorgegangen.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche) stellt fest, daß es grundsätzlich Diskussionstatbestand sei, daß 1993 das Weißbuch verfaßt wurde, und danach die Konferenzen von Amsterdam und Essen stattfanden. Die unselige Frage nach der Vaterschaft der einzelnen Ideen und Vorschläge erübrige sich daher. Daß Österreich ab seinem Beitritt ebenfalls einige Vorschläge betreffend Arbeitsmarkt und Beschäftigungspolitik beigetragen hat, solle nicht bestritten werden. Aufgrund der vorliegenden Daten müsse die Regierung jedoch zur Kenntnis nehmen, daß auch sie nicht sozusagen die Weisen an der Quelle waren.

In der Diskussion seien die Behinderten noch nicht erwähnt worden, die immerhin einen Anteil von 17 Prozent an der arbeitsfähigen Bevölkerung innerhalb der EU haben, wobei 50 Prozent davon erst durch ihre Arbeit zur Behinderung kamen, nämlich durch Arbeitsunfälle oder durch Erkrankungen, die in ursächlichem Zusammenhang mit der Erbringung der jeweiligen Arbeitsleistung stehen.

Abgeordneter Mag. Haupt stellt an Vizekanzler Dr. Schüssel die Frage, inwieweit die im Kommissionspapier formulierten Forderungen nach besserer Beschäftigung der Behinderten in Europa auf dem kommenden Gipfel erfolgreich umgesetzt werden können, vor allem in Anbetracht dessen, daß sinkende Quoten auf dem Arbeitsmarkt für die Behinderten eine schlechte Zukunftsoption darstellen. Denn bei sinkenden Beschäftigtenzahlen in Europa und einer Quotenregelung, wie sie von vielen Staaten propagiert wird, sei zu befürchten, daß die Zahl von 44 Prozent Behinderten, die heute europaweit im Arbeitsprozeß stehen, in Zukunft noch weiter absinken wird.

Dazu stellt Abgeordneter Mag. Haupt die Frage, welche Vorstellungen Österreich in diesem Zusammenhang einbringen und ob man sich für diese Frage stark machen wird. Denn in Österreich sei für die Behindertenbeschäftigung noch einiges zu tun, auch wenn bereits darauf hingewiesen wurde, daß im Dienstleistungssektor bei einer verbesserten Ausbildung der Behinderten einiges zu lukrieren wäre.

Im Zusammenhang mit der Kritik der Abgeordneten Mag. Kammerlander am Antrag der Freiheitlichen regt Abgeordneter Mag. Haupt an, daß man sich den Bericht der Kommission auf Seite 19 ansehen möge: Dort ist davon die Rede, daß kein ursächlicher Zusammenhang zwischen regulativem Schutz des Arbeitsplatzes und Flexibilität in den einzelnen Ländern - expressis verbis in Spanien, Finnland und Belgien - bestehe. Der Begriff der Flexibilität sollte sicherlich umfassend diskutiert werden, es sollte aber auch allen bewußt sein, daß strenge Regelungen zum Arbeitsplatzschutz nicht unbedingt auch bedeuten müssen, daß Flexibilität nicht möglich ist. Die Ergebnisse innerhalb der Europäischen Union seit 1993 zeigen ein signifikantes Auseinanderdriften zwischen Staaten mit strengen Regulativen zum Arbeitnehmerschutz und Staaten mit einer Bereitschaft zur erhöhten Flexibilisierung. In Ländern, die passive Arbeitsmarktförderungsmittel anwenden, sei es nicht zu einer Erhöhung der Beschäftigtenzahlen gekommen, in Ländern mit aktiver Arbeitsmarktpolitik wie etwa Dänemark sei es hingegen zu einer Trendumkehr der Beschäftigtenzahlen gekommen. - Abgeordneter Mag. Haupt bittet, das bei der Kritik an der diesbezüglichen Formulierung im Antrag der Freiheitlichen zu beachten.

Zum Vorschlag des Liberalen Forums merkt Abgeordneter Mag. Haupt an, daß ihm der letzte Punkt betreffend die Änderungen im Agrarsektor nicht gefalle und nicht unterstützenswert erscheine, weil dies im Hinblick auf die Gegebenheiten der österreichischen Landwirtschaft schlichtweg das Aus bäuerlicher Betriebe in Extremlagen bedeuten würde. Die übrigen Punkte seien in großen Zügen den Anträgen der anderen Oppositionsparteien ähnlich. Er glaube daher, daß die Oppositionsparteien zwar aus gutem Grund unterschiedliche Papiere vorgelegt haben, jedoch durchaus in der Lage sein sollten, zumindest in den Kernpunkten eine gemeinsame Vorgangsweise zu formulieren.

An Vizekanzler Dr. Schüssel richtet Abgeordneter Mag. Haupt die Bitte, seine Aussage betreffend die Beschäftigung unter dem Kollektivvertrag, die in der heutigen "Presse" zitiert wurde und die Abgeordneter Ing. Nußbaumer schon erwähnt habe, von sich aus und vom Standpunkt der Bundesregierung aus zu präzisieren: Inwieweit handelt es sich hiebei um seine eigenen Ideen, und wird die Bundesregierung diese Linie in Luxemburg vertreten? Denn einerseits bemühe man sich um die Schaffung von Mindeststandards und die Einbindung der Sozialpartner, dem stehe jedoch eine Beschäftigung unter dem Kollektivvertrag diametral gegenüber, und ein Unterschreiten der Kollektivverträge gegen die Sozialpartner sei nicht denkbar.

Außerdem sei es evident, daß die Bundesrepublik Deutschland der stärkste Bremser bei dem Luxemburger Gipfel sein wird. Abgeordneter Mag. Haupt richtet die Frage an den Vizekanzler, ob er sich vorstellen könne, daß ähnlich wie beim Maastricht-Vertrag, bei dem Dänemark und England ein Opting out für einige Punkte gegeben wurde, diesmal die übrigen 14 EU-Staaten für Deutschland aufgrund seiner zögerlichen Haltung in dem einen oder anderen Punkt ein Opting out beschließen. Diese Maßnahme sollte in Anbetracht dessen, daß sich nur ein einziges Land mit Bestemm gegen die Gesamtmaterie stellt, doch wenigstens überlegt und mit in Diskussion gebracht werden!

Abschließend richtet Abgeordneter Mag. Haupt die Frage an Vizekanzler Dr. Schüssel, inwieweit sich die österreichische Bundesregierung auf dem Luxemburger Gipfel dafür stark machen wird, daß den Arbeitskriterien nunmehr zumindest eine Gleichrangigkeit gegenüber den anderen Konvergenzkriterien eingeräumt wird, und wie er eine diesbezügliche Unterstützung durch die anderen EU-Partner beurteile.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum) bittet zunächst, Abgeordneter Tichy-Schreder, die derzeit nicht anwesend ist, folgendes auszurichten: Die Liberalen rufen nicht nach Sanktionen, wenn sie argumentieren, daß man, wenn zum Beispiel Mindeststandards im Bereich der Beschäftigungspolitik festgesetzt werden, aber keine Sanktionsmöglichkeit bestehen, auf das bloße Vertrauen angewiesen sei, daß die Bereitschaft beziehungsweise die Fähigkeit zur Einhaltung der vereinbarten Standards besteht. Es sei daher unredlich, wenn Abgeordnete Tichy-Schreder meint, daß man doch mehr Vertrauen haben sollte.

Er habe außerordentlich viel Vertrauen, seiner Meinung nach sei es diesfalls aber angemessener, sich gemäß dem alten Sprichwort "Glaube an das Gute im Menschen, aber verlasse dich auf das Schlechte" zu verhalten. Man müsse nämlich wirklich darauf achten, daß bei der Bevölkerung nicht der Anschein erweckt wird, daß gemeinsam etwas beschlossen wurde, was durchsetzbar ist, wenn die Umsetzung davon abhängt, wie effizient der einzelne Mitgliedstaat letztendlich vorgeht. Außerdem müsse auch darauf geachtet werden, daß es dann nicht zu Ausreden kommt und argumentiert wird, daß man die eine oder andere Maßnahme ohnedies umsetzen wollte, sich aber bei den EU-Räten nicht durchsetzen konnte. Sonst würden man nämlich möglicherweise letztlich in der Doppelfalle sitzen, daß einerseits Erwartungshaltungen aufgebaut werden, die nicht erfüllbar sind, daß man andererseits aber den Widerstand der EU als Ausrede benutzt. - Da Abgeordnete Tichy-Schreder viel zu sachkundig sei, um das nicht auch zu wissen, nimmt Abgeordneter Dr. Kier an, daß sie das vermutlich bewußt mißverstanden habe. Selbstverständlich seien derartige Maßnahmen Schritt für Schritt umzusetzen und nicht auf einmal.

Zu Abgeordneter Reitsamer bemerkt Abgeordneter Dr. Kier, daß er zur Kenntnis nehme, daß sie der Auffassung ist, daß man immer, wenn man an der österreichischen Bundesregierung Kritik übt, dieses Land madig macht. Er sei jedoch der Meinung, daß man die österreichische Bundesregierung nicht mit dem Land gleichsetzen sollte. Die Bundesregierung vertritt zwar das Land, so gut sie halt kann, aber sie ist nicht das Land. Selbst wenn er die Bundesregierung madig machte - was er seiner Meinung aber nicht tue -, mache er noch lange nicht Österreich madig. Auf diese Unterscheidung lege er Wert: Die Bundesregierung ist nicht Österreich. Er bittet Abgeordnete Reitsamer, darüber nachzudenken.

Die Frage, was "Arbeitszeitverkürzung" bedeutet, sollte offen ausgesprochen werden. Manche Menschen meinen, man sollte die Arbeitszeit linear verkürzen, gleichzeitig aber auch Mindeststandards auf der Lohnseite setzen: Das sei ein Lösungsweg, der sich aber in sich selbst begrenzt, denn die Arbeitszeiten können nicht beliebig linear verkürzt werden, ohne daß das Folgen auf die Lohnhöhe hat. Daher müssen Systeme entwickelt werden, in denen beides parallel möglich ist und die Menschen trotzdem leben können. Auf diesen Aspekt der Resolution des Europäischen Parlaments habe er bereits hingewiesen, und er werde immer wieder darauf hinweisen.

Flexible Arbeitszeitgestaltung sei jedoch etwas anderes. Sie hat verkürzenden Charakter, geht aber ausschließlich parallel mit der Lohnentwicklung einher. Diesfalls sei eine sozialpolitische Flankierung beziehungsweise Absicherung unverzichtbar, und da die Konstruktionen der Europäischen Union eher der zuletzt genannten Art der Flexibilisierung entsprechen und das die gelebte Wirklichkeit sein werde, seien sozialpolitische Maßnahmen zweifelsohne ganz dringend vonnöten.

Man solle diese beiden Arten der Flexibilisierung der Arbeitszeit nicht auch auf europäischer Ebene miteinander verwechseln. Daher sei es im ein Anliegen, daß sich die Bundesregierung bei den Räten für eine Verknüpfung von Beschäftigungsquoten und Arbeitslosenraten extrem stark macht. Denn diese Zahlen seien nur in der Zusammenschau aussagekräftig. Sonst werde die eine Zahl nur dafür verwendet, die andere zu schönen, und das sei nicht wünschenswert.

Den Kollegen von den Oppositionsparteien, die gemeint haben, daß ihre Anträge in den Kernaussagen annähernd deckungsgleich sind, stimmt er weitgehend zu. In Anbetracht dessen sollte sich die Bundesregierung einmal die Frage stellen, was es bedeutet, wenn von drei verschiedenen Fraktionen außerordentlich ähnliche Papiere erarbeitet werden, die nur mit der Position der Bundesregierung nicht übereinstimmen. Abgeordneter Dr. Kier gibt zu bedenken, daß das doch kein Zufall sein könne. Der Grund dafür liege in der Sache. Daher meint er, daß der eine oder andere Punkt aus den vorliegenden Anträgen für die Bundesregierung durchaus übernahmsfähig wäre, ohne daß ein Beschluß gefaßt werden muß. Die Bundesregierung möge davon wirklich Gebrauch machen, indem sie die Vorschläge übernimmt. Schon dafür würde man dankbar sein!

Ing. Mag Erich L. Schreiner (Freiheitliche) befragt Vizekanzler Dr. Schüssel zu seiner Meinung über die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen, in denen sehr ausführlich und klar von einer neuen Kultur des Unternehmertums die Rede ist. Darin heißt es, daß es zu einer Erleichterung der Gründung und Führungen von Unternehmen "durch klare, dauerhafte und berechenbare Vorschriften" kommen soll. - Er könne diesen Satz nur unterstreichen. Er ersucht den Vizekanzler, dem die österreichische Realität gegenüberzustellen, und fragt ihn, ob er es in Anbetracht dieser für das Unternehmertum so wichtigen Formulierungen noch weiter haltbar finde, daß es in Österreich sehr unübersichtliche Regelungen bei den Werkverträgen gibt, bei denen sich selbst Fachleute zugegebenermaßen nicht genau auskennen. Sind Vorschriften wirklich berechenbar, wenn es noch immer rückwirkende Regelungen in den Steuergesetzen gibt?

Ferner fragt Abgeordneter Mag. Schreiner Vizekanzler Dr. Schüssel, ob er meint, daß das Selbständigmachen wirklich einfach gemacht wird, wenn man im Schnitt 200 Tage zur Eröffnung eines Klein- oder Mittelbetriebes braucht.

An Abgeordnete Tichy-Schreder stellt er die Frage, ob sie wirklich meint daß es den Weg zur Selbständigkeit erleichtert, wenn ein Arbeitnehmer, der zum Unternehmer wird, sofort hohen Summen an Einverleibungsgebühren oder Prüfungsgebühren entrichten muß. Einen Risikokapitalmarkt gebe es in Österreich derzeit für Klein- und Mittelbetriebe nicht.

Man müsse sich tatsächlich Gedanken über eine neue Kultur des Unternehmertums machen. Daher ersucht Abgeordneter Mag. Schreiner den Vizekanzler noch einmal, zu den jetzt aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen, denn es werde darüber zwar immer sehr positiv gesprochen, die Realität in Österreich sei aber leider eine ganz andere.

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel bemerkt zunächst, daß das, was jetzt von der Präsidentschaft vorgelegt wird und sich nach den jüngsten Diskussionen - wobei er aus der Sicht der Europäischen Volkspartei spreche - auch auf Regierungsebene, im gestrigen ECOFIN-Rat und auf Außenministerebene abzeichnet, 100prozentig dem entspreche, was er für richtig hält. Er habe große Probleme mit dem ursprünglichen Kommissionsansatz gehabt, mit dem quantifizierbare globale Ziele vorgegeben werden sollten. Es habe tatsächlich Versuche gegeben, in diesem Bereich quasi ein Gemeinschaftsrecht im Vertrag zu verankern. Dagegen habe man sich von österreichischer Seite massiv gewehrt. Die Arbeitsmarktpolitik in Österreich sei äußerst erfolgreich, und diese wolle man sich nicht nehmen lassen. Die österreichische Regierung bestehe darauf, daß diese in der nationalen Kompetenz bleibt und daß sich die Europäische Union nicht quasi zentralistisch eine Kompetenz arrogiert, die ihr nicht zusteht. Hier bestehe man auf Subsidiarität, Föderalismus und die Setzung nationaler Prioritäten.

Seiner Auffassung nach könne man mit der jetzt gefundenen Lösung, die auch dem entspricht, was - insbesondere auch von ihm - vergangene Woche in die innerösterreichische Diskussion eingebracht wurde, nicht nur gut leben, sondern sogar sehr gut leben. Es sei dies seiner Einschätzung nach der einzige Ansatz, um zu einer tatsächlichen Verbesserung der Situation zu kommen.

Das bedeute nicht, daß Österreich jetzt bei den Zielen leisetreten werde. In dem schon erwähnten Bottom-up-Prozeß, also dem gemeinsamen Von-unten-Aufbauen mit allen im Wirtschaftsprozeß Stehenden, können wirklich alle Möglichkeiten und Nischen zur Verbesserung der Beschäftigung ausgelotet werden. Es bestehe seines Erachtens überhaupt keine Veranlassung dazu, sich dem Problem ununterbrochen defensiv anzunähern. Die Zahl von 18 Millionen Arbeitslosen in Europa sollte eher zu einem offensiven Beschäftigungskonzept und Wirtschaftsmodell veranlassen, zumal Österreich einiges einzubringen hat, denn Österreich ist nach Luxemburg immerhin das zweitbeste Land im Bereich der Beschäftigungspolitik. Von einer Beschäftigungsziffer von 95 Prozent können andere, vor allem größere Staaten nur träumen. Gegenüber dem Vorjahr wurde die Zahl der Beschäftigten um 12 000 gesteigert, was ein beträchtlicher Fortschritt sei. Auf dem Gebiet der Jugendbeschäftigung ist Österreich der Staat mit der höchsten Beschäftigungsquote und der niedrigsten Arbeitslosenrate, vor allem durch das exzellente hochqualitative System der dualen Ausbildung.

Man gehe also sehr gut vorbereitet in diesen Gipfel, das österreichische Modell sei zum echten Exportartikel geworden, auch die Einbindung der Sozialpartner habe blendend funktioniert, es wurde ein akkordiertes Programm vorgelegt, das der Bundeskanzler und er in Luxemburg engagiert vertreten werden.

Er sei sehr froh, daß Ansätze, die auf eine zentralistische europäische Steuerung angelegt waren, nun weg vom Fenster seien.

Aufbauend auf diesen Start sollen jetzt nationale Aktionspläne entwickelt werden. Diese werden beim Gipfel in Cardiff vorgelegt werden und sollen dann einer ähnlichen Überprüfung unterzogen werden wie die monetären Konvergenzkriterien. In einem Jahr beim Gipfel in Wien wird diese Überprüfung der nationalen Aktionspläne stattfinden.

Vizekanzler Dr. Schüssel warnt allerdings davor, jetzt zu glauben, daß all das eine Angelegenheit sei, die innerhalb von wenigen Wochen oder Monaten zu greifen beginnt. Keine einzige Regierung könne auch nur einen einzigen Arbeitsplatz versprechen. In vielen Diskussionsbeiträgen wurde der Eindruck erweckt, als ob die Regierungen die Arbeitsplätze schaffen könnten. Das sei nicht wahr. Die Regierung könne lediglich erfolgreiche Unternehmungen, vor allem den Mittelstand, so motivieren, daß dort Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden.

Vizekanzler Dr. Schüssel widerspricht in Beantwortung der an ihn gestellten Fragen zunächst Abgeordnetem Ing. Nußbaumer ganz entschieden, der gesagt hat, daß ihm vorigen Sonntag klargeworden sei, daß durch die Währungsunion, also den Euro, keine Arbeitsplätze geschaffen werden können: Die Währungsparitäten seien sogar sehr entscheidend für die Sicherung bestehender und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Seiner Erachtens sei eines der wichtigsten europäischen Instrumente, um Arbeitsplätze abzusichern und auch neue zu schaffen, eine vernünftige, berechenbare, stabile Währungspolitik.

Außerdem solle man nicht immer so tun, als ob uns die Arbeit ausginge: Laut jüngstem Entwicklungsbericht der Weltbank gibt es in den sogenannten Schwellenländern eine Verdoppelung des Wirtschaftswachstums von rund 2,6 Prozent im letzen Jahrzehnt auf 5,4 Prozent im nächsten Jahrzehnt ab 1997. Der Anteil der Exporte der alten Marktwirtschaften in diese Länder steigt von 25 Prozent auf 40 Prozent. - Auf diesem Gebiet liegen die Beschäftigungschancen.

Im Non-paper der Präsidentschaft werden außerdem Strukturreformen der Arbeitsmärkte in Europa eingemahnt. Auch auf diesem Gebiet sei einiges zu leisten, was teilweise auch schmerzhaft sein würde, weil in diesem Bereich nicht alles gut abgefedert werden und wohl ausgewogen sein kann. Wer aber insgesamt will, daß bürokratische Hürden beseitigt werden, muß auch zu deren Abbau bereit sein und auch dazu, das Vertrauensprinzip in der Wirtschaftspolitik stärker denn je walten zu lassen.

Er selbst sei dafür, darüber zu diskutieren, wie die Balance auf diesem Gebiet aussehen soll: Aber man könne nicht einerseits darüber klagen, daß es heute unmöglich ist, Minderqualifizierte unterzubringen, andererseits aber beanstanden, daß Einstiegshilfen unter dem Kollektivvertrag verlangt werden. - Die diesbezügliche Aussage habe er nicht als Außenminister getroffen, sondern bei einer Enquete der ÖVP, und im übrigen sei diese Idee gar nicht so unvernünftig und schon gar nicht unsozial. Er bittet, in diesem Zusammenhang darüber nachzudenken, warum andere Volkswirtschaften in beachtlichem Ausmaß zusätzliche Jobs schaffen konnten und welche Instrumente sie dafür verwendet haben. Man müsse der Realität ins Auge blicken und zur Kenntnis nehmen, daß es in unserer Gesellschaft nicht nur Superqualifizierte gibt. Aus sozialen Gründen habe man daher die Verpflichtung, Arbeitsmöglichkeiten für eine gewisse Schicht von Jugendlichen und ungelernten Arbeitskräfte zu schaffen. - Dieses Thema sei im Kommissionsbericht sehr vernünftig und differenziert angesprochen, das sollte man durchaus annehmen.

Zu Abgeordnetem Mag. Haupt stellt Vizekanzler Dr. Schüssel fest, daß die Österreicher in einem Kapitel des Berichtes der Kommission als beispielhaft auf dem Gebiet der Behindertenbeschäftigung genannt werden. Die hier gewählte Form der Projektunterstützung, der Fortbildungsmaßnahmen in geschützten Werkstätten und der Karriereplanung behinderter Jugendlicher wird als besonders geglückt bezeichnet.

Vizekanzler Dr. Schüssel betont, daß er besonderen Wert darauf legt, daß kein Gegensatz zwischen Stabilitätspolitik einerseits und Beschäftigungsverantwortung andererseits konstruiert wird. Denn gerade Österreich sei ein gutes Beispiel dafür, daß beides sehr wohl kombiniert werden kann.

Zum Qualifikationsdefizit, das Abgeordneter Nußbaumer beklagt hat, weist Vizekanzler Dr. Schüssel darauf hin, daß in Österreich trotz der Sparbudgets gerade für die Bildungsressorts 7 Milliarden Schilling mehr zur Verfügung gestellt werden und zusätzlich noch 5 Milliarden für entsprechende bauliche Sanierungsmaßnahmen. - Das könne man wirklich als Qualifikationsoffensivepotential bezeichnen!

Weiters betont er, daß die neue Unternehmenskultur von ihm nachhaltig unterstützt wird. Die neue Gewerbeordnung habe auf diesem Gebiet tatsächlich neue Meilensteine gesetzt. Es gehöre bereits der Geschichte an, daß man für eine Betriebsgründung 200 Tage braucht: Mittlerweile konnte dieser Zeitraum in den Bundesländern auf drei Monate reduziert werden. Durch die neue Gewerbeordnung werden massive Deregulierungen und Flexibilisierungen ermöglicht. Das Gründungssparen wurde durchgesetzt, Risikokapitalfonds wurden umgesetzt, es werden neue Kreditfazilitäten ermöglicht. Daher steigt die Zahl der Neugründungen auch signifikant an. In Anbetracht dessen, daß es in Österreich vor zehn Jahren um 50 000 Betriebe netto weniger gab, könne man wohl von einer Gründeroffensive sprechen.

Die Prozedur der Einbringung nationaler Ziele werde erst in Luxemburg beschlossen werden, daher werde man logischerweise erst nach Luxemburg mit den Sozialpartnern und den Wirtschaftsforschern Strategien erarbeiten können.

Gegenüber Abgeordneter Mag. Kammerlander äußert Vizekanzler Dr. Schüssel bezüglich Sozialunion seine Befürchtung, daß eine durchgeführte Sozialunion mit EU-weiten Standards Österreich überhaupt nichts bringen werde. Er unterstütze diesen Gedanken vollinhaltlich, es werde aber seiner Meinung nach bestenfalls zur Einführung von Mindeststandards kommen, und das werde bestimmt nicht zu einer Verbesserung der Lage in Österreich führen, da Österreich sehr hohe Standards habe.

Mit Arbeitszeitverkürzungen habe er überhaupt kein Problem, sofern sie auf Betriebs­ beziehungsweise Branchenebene von den Tarifpartnern vereinbart werden. Als gemeinsame Position der Bundesregierung wird jedoch eine nationale Arbeitszeitverkürzung per Gesetz abgelehnt.

Ein Opting out Deutschlands sei aufgrund des Amsterdamer Vertrages nicht möglich, es müsse sich jeder Mitgliedstaat an den diesbezüglichen Beschlüssen beteiligen. Außerdem wäre es auch nicht klug, dem größten Staat ein Opting out zu erteilen. Das wäre auch rechtlich gar nicht möglich.

Daß man Stabilitätspolitik ebenso ernst nehme wie Beschäftigungspolitik, stehe außer Streit.

Abschließend äußert Vizekanzler Dr. Schüssel die Meinung, daß der Euro eine massive Verbesserung für die Risikokapitalbildung - gerade für mittelständische Unternehmen - bringen wird. In Europa gebe es derzeit 32 Börsen und 14 verschiedene Währungen, während es in den USA insgesamt acht Börseplätze gibt. Mit der Einführung des Euro werde es zu einer eindeutigen Verbesserung der Börselandschaft kommen. (Obmannstellvertreter Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Vor einem Jahr wurde in Brüssel das Pendant zur amerikanischen Technologiebörse gegründet, und man habe damit einen Bombenerfolg erzielt. Österreich ist bei dieser Börse auch vertreten, und bekommt über die Beteiligungsfonds auch im Technologiebereich jenen Rückenwind, der bisher schmerzlich vermißt wurde. Die Amerikaner sehen in Europa unter diesem Gesichtspunkt den kommenden Markt. Das sei die Bestätigung dafür, daß man mit dem Gesamtprojekt Euro, der Binnenmarktvollendung, der Vernetzung der Börsen und der Mittelstandsfinanzierung richtig liege.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) stellt zu den Ausführungen des Vizekanzlers betreffend die Beschäftigung von Minderqualifizierten gegebenenfalls auch unter dem Kollektivvertrag fest, daß gerade in diesem Punkt ein großer Trugschluß gezogen werde: Als Ausgleich der Wechselkurse werde dann nämlich das Lohndumping einsetzen.

Es werde von der Kommission beklagt, daß die fehlende beziehungsweise geringe Qualifikation einer der Hauptgründe für die hohe Arbeitslosigkeit sei. Es sei daher der falsche Ansatz, wenn der Vizekanzler sagt, daß man eben zur Kenntnis nehmen müsse, daß es nicht nur Superqualifizierte in einer Gesellschaft gibt. Denn es werde allgemein der Standpunkt vertreten, daß es zu einer höheren Qualifikation kommen muß, wobei Abgeordneter Mag. Kammerlander betont, daß sie darunter eine ständige Ausbildung und Fortbildung auch der Fertigkeiten versteht.

Ganz entschieden spreche sie sich jedenfalls gegen die Aussage von Dr. Schüssel - in welcher seiner Funktionen er diese auch getroffen haben möge - aus, daß man unter Umständen unter den Kollektivvertrag gehen soll. Denn damit öffne man dem Lohndumping Tür und Tor.

Obmannstellvertreter Dr. Heinrich Neisser schließt nun die Diskussion und gelangt zur Abstimmung über die drei vorliegenden Anträge auf Stellungnahme betreffend den EU-Beschäftigungsgipfel.

Zunächst wird über den Antrag der Abgeordneten Mag. Kammerlander abgestimmt. - Der Antrag bleibt in der Minderheit.

Sodann wird über den Antrag des Abgeordneten Dr. Kier zum selben Thema abgestimmt. - Dieser Antrag bleibt ebenfalls in der Minderheit.

Schließlich wird über den Antrag der Abgeordneten Mag. Haupt, Gaugg, Dolinschek, ebenfalls zum selben Thema, abgestimmt. - Auch dieser Antrag bleibt in der Minderheit.

2. Punkt

Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen

(35547/EU, 35548/EU, 35550/EU, 35552/EU, 35773 bis 35777/EU XX. GP-NR)

In einer einleitenden Stellungnahme berichtet Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner zunächst über die Änderungen, die sich seit der letzten Hauptausschußsitzung in diesem Zusammenhang ergeben haben:

In der Frage der Berichtspflicht der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament und an die Mitgliedstaaten habe es eine deutliche Differenzierung gegeben. Gemäß dem jetzigen Entwurf muß ein Bericht alle fünf Jahre, ein Bericht alle zwei Jahre und ein Bericht jährlich erstattet werden.

Außerdem hat Dänemark einen erneuten Vorstoß in Richtung Patientenrechte gemacht, wurde aber außer von Österreich von keinem Staat unterstützt. Österreichischerseits habe man sich entschlossen, diesen Punkt weiterzuverfolgen und diesbezüglich auch mit der Gesundheitsministerin Kontakt zu pflegen.

Der jetzt vorliegende Entwurf wird voraussichtlich in der nächsten Ratssitzung ohne größere Dispute über die Bühne gehen. Er sei gerne bereit, den einen oder anderen Punkt zu den Wünschen, die an das Verhandlungsteam herangetragen werden, noch zu verdeutlichen.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) stellt zunächst fest, daß es für die Freiheitlichen und vermutlich für alle Oppositionsparteien etwas befremdlich war, daß nach der ersten Sitzung des Sonderausschusses für Gentechnologie seitens der Vorsitzenden bereits festgestellt wurde, daß sie - obwohl in der nächsten Zeit noch weitere Sitzungen dieses Ausschusses folgen werden, bei welchen weitere Experten aus dem In- und Ausland angehört werden und Fragen der Abgeordneten beantwortet werden sollen - dem diesbezüglichen Richtlinienentwurf ohne Wenn und Aber zustimmen wird. Dabei habe sie nicht berücksichtigt, daß es in weiteren Sitzungen voraussichtlich noch zu neuen Ergebnissen kommen wird.

Dem schließe sich nun auch Bundesminister Dr. Farnleitner an, wenn er, obwohl die Opposition heute weitere Anträge zur Abstimmung eingebracht hat, sagt, daß der vorliegende Entwurf nun rasch umgesetzt werden wird.

Abgeordneter Mag. Schweitzer bringt deutlich zum Ausdruck, daß er als Angehöriger einer Oppositionspartei dieses Verhalten als gewaltigen Affront empfinde. Wenn seitens der Regierung und der Regierungsparteien kein Interesse an der Meinung der in den Sonderausschuß geladenen Experten bestehe, dann möge man die Opposition das wissen lassen, denn dann könne man sich die dafür aufzuwendende Zeit sparen.

Im vorliegenden Richtlinienentwurf sei man von der bisherigen Systematik der Gegenüberstellung der jeweiligen Texte abgegangen. Die Möglichkeit des Patents auf Leben sei im vorliegenden Entwurf seiner Meinung nach jedenfalls nach wie vor enthalten. In Artikel 3 Abs. 2 sei eindeutig das Stoffpatent verankert. Weiters sei in Artikel 4 Abs. 2 und 3 die Patentierung von pflanzlichen und tierischen Individuen und deren Bestandteilen weiterhin verankert. In Artikel 5 Abs. 2 und 3 sei außerdem die gewerbliche Anwendung patentierbarer menschlicher Substanzen enthalten.

Dieser Entwurf enthalte also nach wie vor Bestimmungen, die den Forderungen des Gentechnik-Volksbegehrens widersprechen. Daher lehnen die Freiheitlichen diesen Entwurf ab.

Abgeordneter Mag. Schweitzer ersucht Bundesminister Dr. Farnleitner, seine Zustimmung zu dieser Richtlinie zu argumentieren, und zwar in Anbetracht dessen, daß die 1,2 Millionen Unterschriften des Volksbegehrens zu einer Behandlung im Parlament führten und diese Beratungen noch lange nicht abgeschlossen sind.

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP) hält fest, daß die Entwürfe der Biopatentrichtlinie seit langem verhandelt werden und die dazu eingebrachten Abänderungsanträge des Europäischen Parlaments nunmehr entsprechend eingearbeitet wurden. Das Europäische Parlament hat also wesentliche Verbesserungen erreicht, woran man dessen zunehmende Bedeutung erkennen könne.

Diese Richtlinie wurde hier im Besonderen Ausschuß für Gentechnologie behandelt, es fanden Diskussionen mit sehr vielen Experten aus dem In- und Ausland statt, von ihrer Fraktion wurde eine Reihe von Informationen eingeholt, und man habe sich sehr ausführlich damit auseinandergesetzt. Insofern treffe die Darstellung des Abgeordneten Mag. Schweitzer nicht zu. Sie habe in der nach der letzten Ausschußsitzung des Besonderen Ausschusses für Gentechnologie abgehaltenen Pressekonferenz in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende sachlich über die verschiedenen Positionen berichtet. Nach den Stellungnahmen der vier anderen Fraktionen habe sie die Position der ÖVP präsentiert und als Fraktionssprecherin festgehalten, daß die ÖVP nach den Vorberatungen und Beratungen im Ausschuß fraktionell zu der Überzeugung gekommen ist, daß sie der zu diesem Zeitpunkt aufliegenden Fassung der Richtlinie im großen und ganzen zustimmen könne und werde.

Der vorliegende Entwurf stelle nämlich eine ganz wesentliche Verbesserung der derzeit geltenden Rechtslage dar. Diese Richtlinie würde sehr wohl eine Einschränkung der derzeit bestehenden Möglichkeiten und eine Verbesserung der geltenden Rechtslage bedeuten. Weiters würde es zu einer Harmonisierung in einem Bereich kommen, der auch international von Bedeutung ist. Außerdem käme es zu mehr Rechtssicherheit für die Betroffenen, also für Forschung und Wirtschaft, und letztlich auch für den Forschungs­ und Wirtschaftsstandort Österreich, und zwar in einem Bereich, in dem Europa ohnedies gegenüber den Vereinigten Staaten und gegenüber Japan ins Hintertreffen geraten sei.

Eine Ablehnung dieser Richtlinie, wie sie die Opposition vorschlägt, würde mit großer Wahrscheinlichkeit nichts am Beschluß der Europäischen Kommission ändern, weil voraussichtlich eine Mehrheit dafür gefunden werden wird. Eine Ablehnung würde bedeuten, daß Österreich sich vom Forschungsstandort Europa abkoppelt. Unternehmen, die derzeit in Österreich tätig sind, würden ihre Tätigkeit hier mit großer Wahrscheinlichkeit aufgeben, wodurch insgesamt rund 5 000 Arbeitsplätze verlorengehen würden, zum Beispiel bei der Biochemie Kundl. Außerdem würden Unternehmen aus diesem Bereich Österreich als Standort gar nicht mehr in Erwägung ziehen, entsprechende Arbeitsplätze würden also gar nicht in Österreich entstehen, sondern anderswo. Ebenso hätten junge österreichische Forscher in Hinkunft keine Möglichkeit, ihre Forschung in Österreich zu betreiben.

Damit würde Österreich in weiterer Folge auch von einem Mitspracherecht auf diesem Gebiet abgekoppelt werden. Abgeordnete Rauch-Kallat meint daher, daß es auf einem so sensiblen und heiklen Gebiet wie der Gentechnologie sehr wichtig sei, daß Österreich weiterhin mitreden könne, gerade um unerwünschte Entwicklungen hintanhalten zu können.

Mit der Biopatentrichtlinie käme es zu einer Verbesserung der gegenwärtigen Situation. Man habe Wert darauf gelegt, daß einige wesentliche Punkte berücksichtigt werden, wie zum Beispiel der Ausschluß der Patentierbarkeit von Verfahren zur Schaffung menschlicher Lebewesen durch Klonen, der Ausschluß von Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des Menschen oder der Ausschluß von Verfahren, in denen menschliche Embryonen verwendet werden. Diese Punkte sind berücksichtigt worden.

Im Arzneimittelbereich und bei der Tumortherapie können jedoch Verfahren angewendet werden, die den Menschen Heilung oder zumindest eine Verbesserung ihrer Lebenssituation bringen. Das wird in Hinkunft möglich sein.

Wichtig ist dabei die laufende Kontrolle und Evaluierung, um gegebenenfalls sehr rasch auf Entwicklungen in diesem Bereich reagieren und die entsprechende Richtlinie rasch ändern zu können. Auch die ethischen Aspekte sollen permanent durch einen Ethikausschuß überprüft werden.

Auch bei der Berichtspflicht konnte Österreich eine wesentliche Verbesserung erreichen. Die ursprünglich fünfjährige Berichtspflicht wurde - aufgrund österreichischer Intervention - nun auf eine einjährige Berichterstattungspflicht herabgesetzt. Abgeordnete Rauch-Kallat dankt in diesem Zusammenhang den zuständigen Beamten und dem Bundesminister ganz besonders, daß sie sich dafür eingesetzt haben.

Dieser Berichtsprozeß müsse in ganz wesentlichen Aspekten vorgenommen werden, und man habe gemeinsam mit dem Koalitionspartner einen diesbezüglichen Antrag auf Stellungnahme erarbeitet und eingebracht, in welchem der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheit ersucht wird, daß er diese wichtigen Aspekte auch in Form einer Protokollerklärung im Zuge der Beratungen beim Binnenministerrat am 27. November vorträgt. Damit kann sichergestellt werden, daß mögliche unerwünschte Entwicklungen, die derzeit noch niemand absehen kann, hintangehalten und sofort korrigiert werden können.

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ) hält fest, daß er mit dem gemeinsam mit Abgeordneter Rauch-Kallat eingebrachten Antrag vor allem eine Verbesserung der Situation, wie sie sich am Ende der vergangenen Sonderausschußsitzung darstellte, bezwecke. Er stellt für seine Fraktion fest, daß die Zeit seit der letzten Sitzung bis zum heutigen Tage für interne Beratungen und Informationsgespräche genützt wurde, bei welchen noch einiges in Erfahrung gebracht werden konnte.

Abgeordneter Gradwohl stellt die im Antrag genannten Aspekte aus der Sichtweise der sozialdemokratischen Fraktion dar: Einerseits werden durch diese Richtlinie europaweit klare Regelungen geschaffen, wenn diese auch noch nicht ganz dem entsprechen, was man sich hier vielleicht insgeheim gewünscht hätte. Der soeben eingebrachte Antrag solle diesbezüglich verstärkend wirken, und es soll damit auch für die Zukunft festgehalten werden, daß in bezug auf bestimmte in dieser Richtlinie vorgesehene Maßnahmen, die gegen die Interessen der Republik Österreich gerichtet sind, gegebenenfalls raschest entsprechende Änderungen herbeigeführt werden können.

Abgeordneter Gradwohl weist darauf hin, daß es Abgeordneter Dr. Maria Berger als Berichterstatterin im Europäischen Parlament gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen gelungen ist, noch einige Maßnahmen in den vorliegenden Kommissionsentwurf einzubringen.

In der Regelung, die jetzt zur Beschlußfassung vorliegt, finde man durchaus eine Möglichkeit vor, nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch innerhalb der Europäischen Union den entsprechenden Schutz von Lebewesen zu gewährleisten, andererseits aber auch den Erfindern die Rechte einzuräumen, daß deren Erfindungen verwertet werden können.

Im vorliegenden Antrag der Koalitionsparteien wird auch Bezug auf die Auswirkungen der Patentierung von biologischen Erfindungen auf indigene Völker und auf die dritte Welt insgesamt genommen, denn dieser Aspekt wird in Zukunft in Hinblick auf die vorliegende Richtlinie beziehungsweise auf weitere Richtlinien von Bedeutung sein.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) stellt fest, daß die Oppositionsparteien den vorliegenden Richtlinienentwurf insbesondere deshalb ablehnen, weil damit letztlich die Patentierbarkeit von Genen von Pflanzen, Tieren und unter bestimmten Voraussetzungen auch von Menschen nach wie vor möglich ist.

Die Debatte um Patentierbarkeit von Lebewesen habe mittlerweile zu einer Ausweitung der Patentdebatte auf den medizinischen Bereich schlechthin geführt und auf diese Weise gleichsam einen Fluch nach sich gezogen: Man habe nun bei gewissen Arzneimitteln, die für einen anderen Zweck entwickelt wurden, entdeckt, daß diese in bezug auf andere Leiden segensreich eingesetzt werden können. Die Ärzte, die diese Entdeckung gemacht haben, aber nicht an der Entwicklung des Präparates beteiligt waren, streben jetzt selbstverständlich eine Patentierbarkeit an. Man könne also davon sprechen, daß die gesamte Patentdebatte geeignet ist, in Zukunft Menschenleben zu kosten. - Diese Befürchtung besteht nicht nur bei den Grünen, sondern zum Beispiel auch bei der Kommission für Öffentlichkeitsarbeit und ethische Fragen der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik. Diese Gesellschaft bezieht sich auf mehrere unterstützende Erklärungen, deren Unterzeichner fast ausschließlich Ärzte sind, die sich strikt gegen die Patentierbarkeit des menschlichen Genoms aussprechen, da sie pro futuro eine Behinderung der diagnostischen und medizinischen Entwicklung befürchten, weil durch ein anhängiges Patentverfahren auch die Weiterentwicklung von Präparaten behindert wird und sohin Menschenleben gefährdet werden könnten.

Die Oppositionsparteien haben daher einen gemeinsamen Antrag eingebracht, daß der Hauptausschuß beschließen möge, daß der zuständige Bundesminister im Ministerrat der EU die derzeitige Vorlage zur Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen ablehnen möge.

Den Entwurf im Antrag der Koalitionsparteien hält Abgeordnete Dr. Petrovic für ungeeignet, denn durch eine nochmalige Formulierung des Textes der Richtlinie in einem Antrag werde dieser nicht besser.

Das Argument der Sicherung der Arbeitsplätze hält sie für absolut nicht stichhaltig, denn das Argument "Wenn wir es nicht tun, tut es jemand anderer" sei geeignet, jede Art von nationaler Politik letztlich ad absurdum zu führen. Sie frage sich in diesem Zusammenhang, was aus dem Versprechen geworden sei, daß Österreich auf diesem Gebiet eine Vorreiterrolle einnehmen werde. Das habe man offensichtlich vergessen. Denn hinsichtlich des Ausschlusses der Patentierbarkeit von Lebewesen gab es wirklich einen auch die Regierungsparteien umfassenden Konsens, von dem man sich jetzt aber offenbar distanziert hat.

Abgeordnete Rauch Kallat habe im Zusammenhang mit Arbeitsplatzsicherung auf diesem Gebiet die Biochemie Kundl angesprochen: Abgeordnete Dr. Petrovic hält dem entgegen, daß sie es für eine europäische Arroganz und eine nicht verantwortbare Praxis halte, daß in Österreich etwas hergestellt werde, was hier - mit gutem Grund - nicht eingesetzt werden dürfe, sondern nur Exportzwecken diene, weil die medizinischen Risken nicht abschätzbar seien.

Im Zusammenhang mit den Chancen junger Gentechnikerinnen und Gentechniker meint Abgeordnete Dr. Petrovic, daß ihr viele Bereiche einfallen, in denen das diesbezügliche Wissen sinnvoll eingesetzt werden kann, also etwa die Dokumentation alter Tier- und Pflanzenarten und somit die Bewahrung eines genetischen Reichtums.

Abgeordnete Dr. Petrovic stellt daher noch einmal die Frage, ob es in bezug auf den dänischen Abänderungsantrag Nummer 76 irgendeine Art von Weisung beziehungsweise einen Weisungsvorschlag seitens des österreichischen Wirtschaftsministeriums oder des Österreichischen Patentamtes gegeben hat, daß Österreich diesen dänischen Vorschlag nicht mitträgt. Für den Fall, daß diese Vermutung zutrifft, bittet sie um eine begründende Beurteilung dieser Vorgangsweise. Denn gerade Dänemark habe die österreichischen Bemühungen etwa in Sachen Genmais stark unterstützt, und es sei nicht fair, ein ökologisch motiviertes Volk auf diese Weise zu brüskieren.

Abschließend stellt Abgeordnete Dr. Petrovic fest, daß sie es für ganz verheerend hält, daß nun die Möglichkeit besteht, unter bestimmten Voraussetzungen menschliche Gene zu patentieren. Ethisch und moralisch werde auf diesem Gebiet jeder Boden einer vernünftigen Debatte verlassen. Die einzuführenden Regelungen dienen ausschließlich den Interessen einer profitorientierten Pharmaindustrie. Das Argument der Arbeitsplatzsicherung könne sie in Anbetracht der geäußerten ethischen Bedenken von maßgeblichen Stellen - die aus pseudoökonomischen Interessen in den Wind geschlagen wurden -, insbesondere wenn dieses von einer angeblich christlichen Partei kommt, nur wundern.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum) stellt im Anschluß an die inhaltliche Diskussion im letzten Gentechnik-Ausschuß fest, daß man dabei zu dem Schluß gekommen ist, daß die Richtlinie zwar eine Harmonisierung der nationalen Patentrechte bringen wird, daß aber auch inhaltlich einige Möglichkeiten offenstehen. Nun müsse man sich die Frage stellen, was man in diesen Prozeß einbringen wolle, denn Harmonisierung bedeute nicht, daß man jetzt jedes Gestaltungsspielraumes beraubt sei.

Daß im Bereich des Klonens das Attribut "reproduktiv" herausgenommen wird - und das sei gemäß der ihm vorliegenden Unterlage 35777/EU XX. GP der Fall -, sei nach seinem Dafürhalten richtig. Es ist jetzt nicht mehr von reproduktivem Klonen, sondern nur mehr von Klonen die Rede.

In diesem Punkt tue sich nun ein Spannungsverhältnis zum Antrag der Koalition auf, wobei es sich aber vermutlich nur um ein Versehen handle: Denn wenn grundsätzlich patentiert werden kann, dann bedeutet das, daß alles, was eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet, auch sehr eng zu interpretieren ist. Und wenn der Grundsatz besteht, daß zum Beispiel im Bereich des menschlichen Lebens Patente möglich sein sollen, dann bedeutet der erste Punkt des Antrages der Regierungspartien, daß durch den Ausschluß der Patentierbarkeit von Verfahren zur Schaffung menschlicher Lebewesen durch Klonen nur jene Verfahren vom Grundsatz der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind, die die Schaffung menschlicher Lebewesen durch Klonen zum Zweck haben. Es wäre aber durchaus auch denkbar, daß im Laufe der Zeit auch andere Verfahren entwickelt werden, mit welchen es letztlich zu einer Schaffung von menschlichen Lebewesen kommen kann, und das wäre dann von dieser Ausnahme nicht erfaßt. - Dieser Effekt sei von den Oppositionsparteien und vermutlich auch von den Regierungspartien nicht erwünscht. Daran zeige sich aber, wie diffizil auch gutgemeinte Änderungen in diesem Zusammenhang sein können.

Außerdem habe ihn irritiert, daß in dem genannten Dokument die Änderungen zwar teilweise unterstrichen sind, in Artikel 2 Abs. 2 aber das Wort "vollständig" eingefügt, jedoch nicht unterstrichen wurde. Die jetzige Formulierung bedeute letztlich, daß die Zahl der Verfahren, die im wesentlichen als biologisch zu bezeichnen sind, drastisch reduziert wird. In der zuletzt verhandelten Fassung des Entwurfes habe diese Passage folgenden Wortlaut gehabt: "Ein Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren ist im wesentlichen biologisch, wenn es auf Kreuzung und Selektion beruht." Jetzt habe diese Passage hingegen folgenden Wortlaut: "Ein Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren ist im wesentlichen biologisch, wenn es vollständig auf natürlichen Phänomenen wie der Kreuzung und Selektion beruht." - Damit sei, wie gesagt, klar, daß die Zahl jener Verfahren, die im wesentlichen als biologisch zu bezeichnen, drastisch eingeschränkt wird, und das bedeute andererseits, daß die Möglichkeit der Patentierung ausgeweitet wird.

Abgeordneter Mag. Barmüller meint, daß es notwendig sein wird, daß man hier im Ausschuß zur Formulierung einer Kompromißposition kommt.

Er bittet, wenn in diesem Zusammenhang von einer Abkoppelung von Forschung und Entwicklung gesprochen wird, das differenzierter zu argumentieren. Denn bereits im vergangenen Ausschuß seien die Oppositionsparteien bereit gewesen, die Grenzen des Patents auf Leben auszuloten. Er habe im Zuge der Diskussion im Gentechnik-Ausschuß den Eindruck gehabt, daß in bezug auf das Stoffpatent auf Gene nicht schlüssig argumentiert werden konnte, daß dieses eine unbedingt notwendige Voraussetzung für die Verwertbarkeit von diesbezüglichem neuen Wissen ist. Außerdem gehe es beim Patent nicht darum, daß etwas verwertet werden kann, sondern daß aufgrund des Patents als Rechtsfigur Dritten eine gewerbliche oder industrielle Nutzung untersagt werden kann.

Abgeordneter Mag. Barmüller meint, daß er das Argument der Abgeordneten Dr. Petrovic betreffend die Entdeckung der Wirkung eines Medikaments in einem anderen Bereich anders bringen würde: Das Erstpatent könne dazu dienen, jene, die in zweiter Linie etwas Neues gefunden haben, vom Schutz ihres geistiges Eigentums sogar auszuschließen! - Dieses Instrument sei also zweischneidig. Man müsse sich daher die Frage stellen, ob die Sicherung geistigen Eigentums nicht auch mit einer anderen Rechtsfigur als dem Patent möglich ist.

Abschließend meint Abgeordneter Mag. Barmüller, daß er nicht verstehe, daß, wenn es aus Sicht der Koalitionsparteien schon unbedingt ein Stoffpatent geben muß, nicht zumindest in der Patentanmeldung nachgewiesen werden muß, daß jene Person, von der die Gene stammen, die Einwilligung zu deren Entnahme und gewerblicher Verwertung gegeben hat. - Gerade für europäische Dimensionen wäre es angemessen, daß auch dieser Aspekt berücksichtigt wird. Er stellt daher die Frage, warum es nicht möglich ist, daß von österreichischer Seite dieses Einwilligungserfordernis vehement eingemahnt wird, bevor österreichischerseits dieser Richtlinie zugestimmt werde.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche) betont im Anschluß an die Ausführungen des Abgeordneten Mag. Barmüller, daß für ihn in Anbetracht dessen, daß die österreichische Rechtslage bei Organentnahmen tatsächlich anders ist, die Haltung der österreichischen Vertreter auf europäischer Ebene vollkommen unverständlich sei, weil die Interessen der österreichischen Bürger diesfalls wirklich nicht berücksichtigt werden. Es sei daher dringend notwendig, daß Österreich aufgrund seiner innerstaatlichen Rechtslage in der Frage der Organentnahme eine Präzisierung verlangt, um die Rechte der österreichischen Staatsbürger im Hinblick auf das diesbezügliche internationale Recht entsprechend abzusichern.

Die Formulierung im Positionspapier 35774 betreffend Artikel 6 Abs. 2 der 24aa-Erwägung, welche die Nutzung von Embryonen zum Gegenstand hat, sei äußerst fragwürdig: Es sollte zu denken geben, daß sogar das EPA mitteilt, daß eine Abgrenzung zwischen tierischen und menschlichen Embryonen äußerst schwierig ist und daß bereits Patente im Zusammenhang mit Embryos vorliegen.

Abgeordneter Mag. Haupt stellt die Frage in den Raum, inwiefern in dieser neuen Formulierung die öffentliche Ordnung und die guten Sitten Berücksichtigung finden. Abgeordnete Rauch-Kallat möge in diesem Zusammenhang selbst beurteilen, ob es für eine christliche Partei ein Fortschritt ist, wenn es voraussichtlich dazu kommen wird, daß etwa ein Drittel der weiblichen Embryonen nach diagnostischen Tests bezüglich Mammakarzinome abgetrieben werden. Für seine Fraktion stelle das keinen Fortschritt dar. Daher lehne er die Formulierungsvorschläge in dem genannten Positionspapier aus ethischen Gründen ab. Er bittet den Bundesminister zu präzisieren, wie er zu diesen Vorschlägen steht.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) hält für Abgeordnete, die Mitglieder des Hauptausschusses sind, nicht aber im vergangenen Gentechnik-Sonderausschuß vertreten waren, den Ausführungen der Abgeordneter Rauch, die seiner Meinung nach in erster Linie von ökonomischen Überlegungen geleitet waren, einige Punkte entgegen:

Mit dem vorliegenden Richtlinienentwurf, der anscheinend jetzt mit einem Doppelbeschluß verabschiedet werden soll - denn der Antrag der Regierungsparteien sei nichts anderes als eine Abschreibübung, in welcher nur die Kapitel etwas durcheinandergebracht wurden -, sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß das patentiert werden kann, was niemand erfinden kann, nämlich Lebewesen und ihre genetischen Grundlagen. Es sollte noch einmal diskutiert werden, ob man darüber wirklich ganz einfach hinweggehen kann. Denn auf diese Weise werden genetische Informationen zum geistigen Eigentum der Gentechniker und das Leben zum handelbaren Produkt. - Abgeordneter Mag. Schweitzer stellt fest, daß das, was für die ÖVP offenbar so erstrebenswert ist, absolut nicht in Ordnung sei.

Für den Lebensmittelmarkt, für den Verbraucherschutz und vor allem für die Landwirtschaft in Österreich werden dadurch Probleme entstehen, die in einer Stellungnahme von Dr. Christoph Then, der als Experte im Sonderausschuß geladen war, gut zusammengefaßt sind: "Durch Patentierung von gentechnisch verändertem Saatgut würde ein Prozeß der Wettbewerbsverzerrung in Gang gesetzt, der zu einer weitgehenden Verdrängung von konventionellem Saatgut führen würde. Da für konventionelle Pflanzenzüchtungen kein derartiges starkes Schutzrecht zur Verfügung steht, das sie entsprechend ökonomisch interessant machen würde, wird in Zukunft jeder Züchter nach den Patenten greifen und damit zur Gentechnik." - Auf diese Weise werden Patente zu einem strategischen Element der Marktsicherung auch im Bereich des Saatgutmarktes, und aufgrund dieser Entwicklung wird aus der Möglichkeit, Gentechnik zu betreiben, ein wirtschaftlicher Zwang.

Nach Meinung des Abgeordneten Mag. Schweitzer müsse auch darüber diskutiert werden, ob dieses Opfer in Hinblick auf ökonomische Überlegungen wirklich gebracht werden soll.

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP) meint, daß man bei der Behandlung einer so wichtigen, verantwortungsvollen Aufgabe gut beraten wäre, den anderen nicht von Haus aus nur Profitinteressen oder Populismus zu unterstellen. Man sollte den anderen vielmehr ihre Überzeugungen zubilligen, aufgrund welcher sie zu einer entsprechenden Position gelangt sind.

Diejenigen, die die Richtlinie ablehnen, seien der Meinung, daß das der einzige verantwortungsvolle Weg ist, das Problem zu lösen. Seine Fraktion ist der Auffassung, daß das der falsche Weg ist, weil eine ganze Reihe von wesentlichen Sicherheiten geschaffen werden konnte, die es ohne diese Regelung nicht geben würde.

Abgeordnete Dr. Petrovic habe sich darüber verwundert gezeigt, daß man diesen Dingen als christliche Partei zustimmen könne. - Abgeordneter DDr. König verweist darauf, daß die Europäische Volkspartei im Europarat gegen den Ministerrat das Verbot der Keimbahntherapie durchgesetzt hat. Jetzt werde das Klonen verboten, und zwar in einer Konvention, die, weit über die EU hinausreichend, in ganz Europa wirkt. Wesentlich sei, daß nun eine Regelung geschaffen wird, durch die nicht nur in Österreich sichergestellt wird, daß es einen verantwortungsbewußten Umgang mit den Möglichkeiten der Wissenschaft gibt und daß entsprechende Grenzen gesetzt werden. Und diese Grenzen sind auf Initiative der EVP im Europarat gesetzt worden und wurden im Europäischen Parlament nach sehr eingehenden Verhandlungen von den großen Parteien beschlossen. 65 Anträge von 66 haben Eingang in den Kommissionsbericht gefunden und werden voraussichtlich auch seitens des Rates angenommen werden: Das sei ein Beweis dafür, daß man mit großer Verantwortlichkeit an die Sache herangegangen ist.

Zu den Ausführungen des Abgeordneten Mag. Barmüller im Hinblick auf den ersten Punkt des Antrages der Koalitionsparteien hält Abgeordneter DDr. König fest, daß demgemäß zwar Tiere und Pflanzen geklont werden können, es aber keine Patentmöglichkeit für die Schaffung menschlichen Lebens durch Klonen geben sollte. - Es handle sich hiebei um eine ziemlich prägnant formulierte Forderung an den europäischen Gesetzgeber und nicht um einen Gesetzestext.

Bei den Beratungen im Europarat sei das Problem aufgetreten, daß in Großbritannien Embryonen ausdrücklich für gentechnische Zwecke herangezogen werden dürfen. Daher konnte ein diesbezügliches universelles Verbot in der Konvention des Europarates nicht erreicht werden. In die jetzige Regelung sei jedoch auch Großbritannien mit einbezogen: Patentierfähigkeit liegt nur vor, wenn es dem Schutz des Embryos dient, und das sei eine Einschränkung. - Es konnte also eine wesentliche Änderung erreicht werden.

Abgeordneter DDr. König bemerkt, daß er nicht verstehe, warum der Einsatz von Genen für konkrete Verfahren - vor allem im medizinischen Bereich - und deren Patentierbarkeit unverantwortlich sein sollen. Denn nur dadurch können gewisse Krankheiten überhaupt geheilt werden, und das sei eine sehr segensreiche Entwicklung.

Die Tatsache, daß in Europa ein einheitliches Patentrecht geschaffen wird, biete die einzige Möglichkeit, Drittlandpatente zu prüfen. Sonst würde man in Europa von Produkten aus Amerika und Asien überschwemmt werden. Dieser enorme Sicherheitsfaktor wäre ohne eine diesbezügliche Patentrichtlinie nicht möglich.

Daß man Entdeckungen von der Patentierung ausschließt, sei nach Meinung des Abgeordneten DDr. König völlig richtig. Wenn man entdeckt, daß Aspirin auch andere medizinische Wirkungen hat, sei das keine Erfindung und daher nicht patentierbar. Patentfähig sei diesfalls nur die Verwendung von Genen für ganz bestimmte Verfahren, die einem ganz bestimmten Zweck dienen, und das sei für die Medizin eine segensreiche Entwicklung. Und diese Entwicklung könne nur stattfinden, wenn durch den Patentschutz sichergestellt wird, daß die in eine Erfindung investierten Anstrengungen auch entsprechend honoriert werden.

Für die Landwirtschaft sei ausdrücklich sowohl im tierischen wie im pflanzlichen Bereich eine Ausnahme vorgesehen, und es wurde auch das Übereinkommen zur Wahrung der biologischen Vielfalt geschlossen.

Zusammenfassend stellt Abgeordneter DDr. König fest, daß man bei aller Unterschiedlichkeit der Standpunkte die Haltung und Position des anderen anerkennen sollte. In diesem Sinne bittet er, seiner Fraktion zuzugestehen, daß sie nicht aus Populismus, sondern aus Überzeugung so handelt. In seiner Fraktion sei man genauso der Auffassung, der Verantwortung gegenüber den Menschen zu entsprechen, wie andere durch ihre Ablehnung.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) merkt zu den Ausführungen des Abgeordneten DDr. König betreffend die - angeblich - segensreiche Entwicklung für die Medizin an, daß sich die weltweit renommiertesten Vereinigungen von Ärztinnen und Ärzten ganz massiv gegen eine Patentierbarkeit menschlicher Gene, die in dieser Richtlinie unter bestimmten Voraussetzungen sehr wohl vorhanden sei, ohne jede Ausnahme aussprechen. Man könne in diesem Zusammenhang ethisch-moralisch argumentieren, man könne aber auch aus dem Auftrag von Ärzten her argumentieren: Denn wenn ein sehr seltenes menschliches Gen zur Grundlage eines pharmazeutischen Prozesses zur Entwicklung eines Medikamentes gemacht wird, dann kann eine Firma, die die Verwertbarkeit dieses Gens innehat, einer anderen Firma den Zugang dazu verwehren. Daher können, ausschließlich aus Gründen der ökonomischen Verwertbarkeit, unter Umständen sehr wohl Menschenleben aufs Spiel gesetzt werden, und das könne sie nicht akzeptieren.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner stellt zu der soeben geführten Debatte fest, daß er früher innerhalb der katholischen Kirche im Laienleben führende Funktionen innegehabt und sich zu dieser Thematik regelmäßig mit namhaften Forschern und Sozialethikern auseinandergesetzt habe. Dabei sei er zu der Grundüberzeugung gekommen, daß er mit denjenigen, die diesbezüglich eine ablehnende Haltung einnehmen, außer der Angst nichts gemein hat. Die genannten Ethiker hätten den Standpunkt vertreten, daß man jeden vom Menschen verursachten technischen Fortschritt hautnah begleitend untersuchen muß. Daher sei es auch das Bestreben seiner Vertreter in den Verhandlungen gewesen, zu bewirken, daß stets solche begleitenden Untersuchungen angestellt werden.

Man habe in Anbetracht der ständigen Patentanmeldungen betreffend Gene aus dem europäischen Raum in Österreich darauf geachtet, daß das Gen nur im Hinblick auf die gewerbliche Verwendung eines Verfahrens schützbar ist, daß jedoch ein Gen per se nicht patentiert werden kann.

Außerdem können trotz des Bestehens der Richtlinie in der österreichischen Gesetzgebung der eine oder andere Punkt, bei welchem ein Prüfvorbehalt angemeldet worden sei, durchaus noch ausgelotet werden.

Innerhalb der Biotechnologie gebe es derzeit weltweit einen Erfindungswettlauf, in welchem Positionen auf Jahrzehnte abgesteckt werden, daher gebe es in diesem Zusammenhang selbstverständlich auch eine wirtschaftliche Komponente, und Österreich könne sich von dieser Entwicklung nicht quasi unter dem Motto "Andere erfinden neue Technologien, und wir liefern die Ethik für den Nichtgebrauch" abkoppeln. Wichtig sei daher: Dabeisein, ernst genommen werden, die begleitenden Kontrollmechanismen wahrnehmen.

Im übrigen habe Österreich Dänemark in seinem Vorstoß als einziges Land unterstützt, man sei miteinander untergegangen.

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche) stellt fest, daß er sich in Anbetracht der bereits lange währenden Debatte über die Patentierbarkeit über den Kurs der Regierungsparteien wundere: Vor dem Gentechnik-Volksbegehren war von nahezu allen Vertretern der Regierungsparteien zu hören, daß zumindest die Forderung "kein Patent auf Leben" unbestritten ist. In der Zwischenzeit habe man auch die Meinungen insbesondere von renommierten Vereinigungen von Ärzten innerhalb und außerhalb Europas zu diesem Thema gehört, die alle geschlossen und ausnahmslos gegen die Patentierbarkeit von menschlichen Genen auftreten. Wenn jetzt die österreichischen und auch die Regierungsparteien der übrigen europäischen Staaten einen völlig anderen Weg gehen, indem eine Richtlinie vorgelegt wird, die von den genannten Empfehlungen völlig abgeht, könne er sich das nur damit erklären, daß nun ausschließlich wirtschaftliche Aspekte, die in die Hunderte Milliarden Schilling gehen, eine Rolle spielen. In Anbetracht dessen lasse man alle Vernunft beiseite, um großen Konzernen Milliardengeschäfte zu ermöglichen. Das sei nach dem Dafürhalten des Abgeordneten Dr. Pumberger als Mediziner und Politiker gänzlich unverständlich.

Bei der dritten Vorlage des Entwurfes handle es sich nur mehr um einen Grundkonsens, und von einem einheitlichen Patentrecht in Europa, in welchem die Meinungen aller 15 Mitgliedstaaten vereinigt sind, wie es Abgeordneter DDr. König bezeichnet hat, könne nicht die Rede sein. Die Richtlinie sei gespickt mit zahlreichen Ausnahmen, aufgrund welcher viele Möglichkeiten offenbleiben.

Diesen Weg gehe man in Österreich nach einem Volksbegehren, daß von 1,2 Millionen Menschen unterschrieben wurde. Bei dem Gentechnik-Sonderausschuß werde nun eine Linie vertreten, die nicht als Mitreden, wie Obfrau Rauch-Kallat - wobei er sich kompetentere Vorsitzende vorstellen könnte - gesagt hat, sondern als Mitschwimmen bezeichnet werden müsse. Man habe von österreichischer Seite nicht wirklich etwas eingebracht, der Gentechnik-Sonderausschuß sei ein Verzögerungsausschuß, und diejenigen, die das Volksbegehren initiiert und unterschrieben haben, werden enttäuscht sein und entsprechende Konsequenzen ziehen.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum) meint, daß man innerhalb Europas sehr wohl etwas bewegen kann. Er halte daher das Argument von Bundesminister Dr. Farnleitner, daß eine Ablehnung auf europäischer Ebene keinen Sinn hat, für nicht stichhaltig. Seiner Meinung nach muß eine Richtlinie, wenn sie auf europäischer Ebene beschlossen wird, umgesetzt werden, seiner Auffassung nach müsse man jedoch nicht schon von vornherein w. o. geben.

Die Verpflichtung zur Umsetzung von Richtlinien sei kein Argument, nicht auch jetzt noch zu versuchen, inhaltlich etwas zu bewegen. Wenn man das politisch aber gar nicht wolle, erübrige sich allerdings die Diskussion.

Bei der gewerblichen Herstellung von Basenpaaren handle es sich de facto um die Herstellung einer Substanz, die im menschlichen Körper produziert wird, und dafür beantrage man ein Patent, also ein Ausschlußrecht für Dritte, dieses gewerblich oder industriell zu verwerten. Das dürfe nicht übersehen werden. Gene an sich sind nicht patentierbar, wenn ein Gen jedoch in einem Verfahren hergestellt werden kann, ist dieses Basenpaar in seiner konkreten Wirkung patentierbar, obwohl es rein chemisch mit dem betreffenden Gen identisch ist. Wenn es Wissenschaftern nun gelänge, das ganze Genom in einem Verfahren herzustellen, dann müßte analog dazu auch das Genom patentierbar sein. Dabei handle es sich aber bereits um die Herstellung eines Menschen in einem Verfahren.

Es müsse daher für die Patentierung zumindest die Einwilligung desjenigen, von dem das Gen entnommen wurde, Bedingung sein. Wenn nicht einmal das möglich ist, dann müsse man zur Kenntnis nehmen, daß wirtschaftliche Interessen eindeutig über Ethik und Menschenrechte die Oberhand gewonnen haben.

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ) stellt fest, daß es bei dieser Diskussion auch um Zukunftsaspekte der Gesellschaft gehe und Patente immer etwas mit Zukunftsgestaltung zu tun hätten, und zwar in doppelter Hinsicht: Patente bedeuten in der wissenschaftlichen Forschung Offenheit und bilden die Voraussetzung für diese, insbesondere im naturwissenschaftlichen Bereich. In diesem Sinne können Patente nicht als etwas Sachfremdes und Gefährliches gesehen werden. Durch das Patentverfahren komme es zu einem gesellschaftspolitischen Abwägungsprozeß, und diesfalls gehe es um eine Schlüsselfrage der europäischen Forschungspolitik. Im übrigen gebe es auch innerhalb der einzelnen politischen Richtungen europaweit unterschiedliche Positionen zu diesem Thema: So gebe es etwa bei den Grünen die Fundamentalisten einerseits und die Realos andererseits.

Abgeordneter Dr. Nowotny verweist Abgeordneten Mag. Barmüller im Zusammenhang mit der Unterscheidung von Entdeckung und Erfindung auf einen Artikel in der neuesten Nummer der Zeitschrift "profil" von Robert Buchacher, einem der profiliertesten Wissenschaftsjournalisten in Österreich, der betont, daß patentfähig nur eine technische Neuerung ist, die nicht naheliegend, aber nachvollziehbar und gewerblich verwertbar ist. - Daher treffen die geäußerten Befürchtungen nicht zu, weil ohne die genannten Voraussetzungen gar kein Patent erteilt werden kann. Denn erst wenn ein neues Verfahren entwickelt wird, wie ein Gen gewonnen oder in eine Zelle eingeschleust werden kann, liegt Patentfähigkeit vor. Es sei daher eine Frage der intellektuellen Redlichkeit, sich auch in diesem Zusammenhang auf die Grundlagen des Patentwesens zu besinnen.

Das Gesagte gelte für die europäische Ebene, und es stelle sich nun die Frage, wie man sich auf der österreichischen Ebene diesen europäischen Entwicklungen stelle. In diesem Zusammenhang warnt Abgeordneter Dr. Nowotny vor einer Verwechslung der Vorreiterrolle und des Abkoppelns. Die bestehenden materiellen Möglichkeiten müßten genau unterschieden werden: In den Bereichen, in denen keine Notwendigkeit bestehe, mit großen Märkten in Konkurrenz zu treten, gebe es einen weitgehend autonomen Spielraum. In den Bereichen, in denen man auch auf anderen Märkten agieren müssen, würde ein Abkoppeln bedeuten, daß Österreich sich aus der Entwicklung insgesamt ausklinke, was äußerst gefährlich und von niemandem vertretbar sei.

Die Wissenschaft sei stets in Bewegung, und dieses dynamische Element müsse berücksichtigt werden. Im Hinblick darauf weist Abgeordneter Dr. Nowotny auf die Berichtspflicht hin. Das, was jetzt auf EU-Ebene mitgetragen wird, ist daher keine Festschreibung auf alle Zeiten, sondern nur der jetzige Stand des besten Wissens, der dynamisch fortentwickelt werden muß. Eine Entwicklung stoppen und etwas verbieten sei nicht dynamisch, man müsse vielmehr Lernprozesse mitmachen. Daher sei die Festlegung der Berichtspflicht ein vernünftiger Weg, der einen Kompromiß zwischen den verschiedenen Anforderungen darstellt.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche) hält Abgeordnetem Dr. Nowotny entgegen, daß es sich hiebei nicht um einen ungeahnten Fortschritt im Sinne der Transparenz handle. Das Gegenteil sei der Fall: Das Patentrecht auf diesem Gebiet wurde von den USA eingeführt, um sich aufgrund ihrer Wirtschaftsmacht international die entsprechenden Durchsetzungs- und Sanktionsmöglichkeiten zu sichern. Auf diese Weise haben die USA das Grundwissen im pharmazeutisch-wissenschaftlichen Bereich der Medizin indigener Völker beinhart lukriert und für sich unter Patentschutz gestellt, um von der wirtschaftlichen Verwertbarkeit profitieren zu können.

Wenn man nunmehr in Europa die Grundkenntnisse und genetischen Ressourcen, die als Verdienst der dritten und vierten Welt vorhanden sind, auf die gleiche Weise unter Patentschutz stelle, um diese wirtschaftlich nutzen zu können, dann sollte man das offen zugeben und nicht mit dem Deckmäntelchen des wissenschaftlichen Fortschritts verbrämen. Abgeordneter Mag. Haupt stellt fest, daß die entsprechenden Stellungnahmen eine eindeutige Sprache sprechen und er sich daher nicht durch Pseudoargumente blenden lasse.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) bemerkt zu Abgeordnetem Dr. Nowotny, daß es ihrer Meinung nach nicht im Sinne einer konstruktiven Debatte sei, wenn er bewußt Dinge wider besseres Wissen verdrehe. Das sei auch keine Unterstellung, denn man spreche hier nicht über Verbote: Im Gentechnik-Volksbegehren, das von den Grünen massiv unterstützt wurde, habe man sich ganz bewußt auf die Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung und nicht auf den Bereich der Medizin bezogen. Die österreichischen Grünen vertreten also eine etwas andere Position als die deutschen Grünen, die auch den Bereich der Medizin restriktiv mit einbeziehen. Abgeordnete Dr. Petrovic bittet in dieser Hinsicht um etwas mehr Korrektheit.

Außerdem gehe es in diesem Zusammenhang um Patentierbarkeit, und nicht um Forschungsverbote im Grundlagenbereich. Abgeordneter Dr. Nowotny habe also eine verbale Verdrehung vorgenommen und dem Ansatz der Grünen einen ganz anderen Tenor unterstellt. Die Grünen wollen eine Regelung, jedoch keine Patentierbarkeit von Genen von Lebewesen, die sehr wohl unter gewissen Voraussetzungen möglich sei. Es gehe nicht um Verbote, sondern um gewisse Einschränkungen der Patentierbarkeit.

Obmannstellvertreter Dr. Heinrich Neisser schließt nun die Diskussion und gelangt zur Abstimmung über die zwei vorliegenden Anträge auf Stellungnahme.

Zunächst wird über den Antrag der Abgeordneten Rauch-Kallat, Gradwohl und Genossen betreffend die Richtlinie zum Schutz biotechnologischer Erfindungen abgestimmt. - Der Antrag wird mehrheitlich angenommen.

Sodann wird über den Antrag der Abgeordneten Dr. Petrovic, Mag. Schweitzer und Mag. Barmüller auf Stellungnahme zum selben Thema abgestimmt. - Dieser Antrag bleibt in der Minderheit.

3. Punkt

Rolle der Gemeinschaft bei der Bekämpfung des Tabakkonsums

(19924/EU XX. GP, 26441/EU XX. GP-NR)

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch stellt zunächst fest, daß sie als Gesundheitsministerin jede Maßnahme begrüßt, die zur Eindämmung des Tabakkonsums führt. Sie sehe gegenwärtig jedoch keine Chance zu einer weitergehenden Beschränkung der Werbung, als sie derzeit im Tabakgesetz festgeschrieben ist, da diesbezügliche Untersuchungen ergeben haben, daß eine weitere Restriktion der Werbung keine Mehrheit finden würde.

Die Bemühungen um eine entsprechende Richtlinie reichen in die achtziger Jahre zurück. Schon damals wurde ein die Beschränkung der Presse­ und Plakatwerbung für Tabakkonsum betreffender Vorschlag der Kommission vorgelegt, der aber als zu wenig weitgehend erachtet wurde. 1992 wurde seitens der Kommission neuerlich ein Entwurf vorgelegt, der ein vollständiges Verbot der Werbung für Tabakwaren enthielt und sich auf direkte und indirekte Werbung und Sponsoring bezog. Da dieser Entwurf insbesondere auf den Widerstand Deutschlands, der Niederlande und zunächst auch Großbritanniens stieß, wurden während der deutschen, der spanischen und der italienische Ratspräsidentschaft Kompromißvorschläge vorgelegt, die jedoch im wesentlichen lediglich Mindeststandards vorgaben und den grenzüberschreitenden Verkehr von Tabakwerbung enthaltenden Printmedien regelten. Österreich vertrat aufgrund seiner im Tabakgesetz festgeschriebenen Rechtssituation zur Frage der Werbebeschränkung die Auffassung, daß derartige Kompromißvorschläge als Minimallösungen zu werten seien und die europäische Rechtsetzung im Sinne eines gemeinschaftlichen, an gesundheits- und präventivpolitischen Zielen orientierten Vorgehens im Bereich der Tabakwerbung keine Determinierungen, vor allem auch in inhaltlicher Hinsicht, anstreben solle.

Der nunmehr in den vergangenen Monaten unter dem luxemburgischen Vorsitz diskutierte Kompromißvorschlag, an dem nun auch die Kommission aktiv mitgearbeitet hat, basiere grundsätzlich auf dem gänzlichen Verbotsansatz. Gegen diesen Kompromißvorschlag treten Deutschland, Griechenland, Dänemark, die Niederlande und Österreich auf. Das Vereinigte Königreich schien diesen Vorschlag zunächst zu befürworten, diese positive Einstellung geriet jedoch aufgrund der Frage des Formel-1-Sponsorings wieder ins Wanken. In Großbritannien plädiert man nun dafür, den Weg der weltweiten Selbstbeschränkung zu gehen. Dieser Vorschlag wird jedoch von den meisten Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission explizit abgelehnt beziehungsweise vorbehaltlich behandelt und nur von Deutschland ausdrücklich unterstützt.

Für Österreich ergibt sich auch durch eine mögliche Ausklammerung der Werbung im Sport und des Formel-1-Sponsorings keine Änderung in der bisherigen Haltung. Österreich hat sich bei der letzten Ratsarbeitsgruppensitzung Mitte Oktober zu Wort gemeldet: In Anbetracht unserer nationalen Gesetzgebung, bei welcher ein anderer Zugang zur Lösung der mit dem Tabakkonsum zusammenhängenden Problemstellung besteht, wurde eine Zustimmung zum vorliegenden Kompromißvorschlag der luxemburgischen Präsidentschaft, der von einem gänzlichen Verbot der Werbung ausgeht, als derzeit nicht möglich dargestellt.

Es sei daher zweckmäßig, die weiteren Diskussionen der europäischen Staaten auf nationaler Ebene zu verfolgen.

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche) meint, daß es bei den vorliegenden Unterlagen um eine an und für sich ganz gute und zu befürwortende Thematik geht, denn durch Prävention beim Nikotinkonsum könne die häufigste vermeidbare Krebsursache ausgeschaltet und die Volksgesundheit deutlich verbessert werden.

Zu kritisieren sei an den Unterlagen allerdings, daß man dabei die Behandlung von drei Themen zu vermeiden versucht: die Werbungsfrage, die Förderungsfrage für den Tabakanbau und die Frage der Besteuerung der Tabakprodukte in den einzelnen Mitgliedstaaten.

Am 4. Dezember werden die EU-Gesundheitsminister zusammentreten und ein Tabakwerbeverbot fordern. Kommissar Fischler habe aber bereits anklingen lassen, daß das politisch nicht durchsetzbar sein wird.

Der Grund dafür sei unter anderem, daß die Europäische Union pro Hektar 60 000 S an Förderung für den Tabakanbau bezahlt, wobei 50 Prozent davon Griechenland erhält. Diese Tabake sind auf europäischem Boden allerdings nicht absetzbar, daher wird zusätzlich noch der Export in Länder außerhalb der EU gefördert. Das sei eine Förderabsurdität sondergleichen! - Wenn die EU daher diesbezüglich glaubhaft agieren und eine konstruktive Tabakpolitik betreiben will, dann dürfen zunächst einmal keine Förderungen für den Tabakanbau in europäischen Staaten mehr bewilligt werden.

Bei der Werbung überwiegen die Wirtschaftsinteressen deutlich die Interessen der Gesundheitspolitik, denn sonst würde die EU sich um das Werbeverbot nicht so herumdrücken. Er selbst habe bei der österreichischen nationalen Tabakgesetzgebung die Regelungen betreffend die Werbung kritisiert, weil für die österreichische Tabakproduktion und den österreichischen Arbeitsmarkt große Nachteile erwachsen, wenn Österreich als Einzelstaat innerhalb der EU restriktive Werbeverbote setzt. Ein entsprechendes gemeinsames Vorgehen, also ein generelles Werbeverbot in allen europäischen Staaten, wäre jedoch sinnvoll.

Innerhalb der EU werden 1 000 Zigaretten in Griechenland mit 39 ECU, in Dänemark jedoch mit 186 ECU besteuert werden. Daher müsse es auf diesem Gebiet auch zu einer Steuerharmonisierung kommen.

Abgeordneter Dr. Pumberger bringt daher einen Antrag auf Stellungnahme ein, gemäß welchem die zuständigen Bundesminister ersucht werden, in den zuständigen EU-Gremien für folgende Maßnahmen zur Bekämpfung des Tabakkonsums einzutreten: 1. Harmonisierung der Besteuerung von Tabakerzeugnissen auf dem europäischen Durchschnittsniveau, 2. europaweites Werbeverbot für Tabakerzeugnisse, 3. Umlenkung der für den Tabakanbau gewährten Förderungsmittel zur Finanzierung wirksamer Entwöhnungsmaßnahmen.

Die Freiheitlichen werden, weil diese drei Kernpunkte umgangen werden, den zwei vorliegenden Berichten nicht zustimmen.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) ersucht Bundesministerin Hostasch, da die Grünen den internationalen Medien entnommen haben, daß Österreich zu jenen Ländern gehört, die gegen ein Tabakwerbeverbot sind, diese Haltung zu begründen.

Weiters bittet sie, zu erläutern, welche Auswirkung ein solches Verbot zum Beispiel auf den Österreichring in der Steiermark hätte.

Außerdem bittet Abgeordnete Mag. Kammerlander die Bundesministerin, anzuführen, welche Maßnahmen aus den vorliegenden Unterlagen Österreich unterstützt.

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP) stellt im Zusammenhang mit der Beantwortung der Anfrage des Abgeordneten Dr. Rasinger durch die Bundesministerin zu diesem Thema fest, daß er deren Aussage unterstreiche, daß der Schwerpunkt beim Schutz von Kindern und Jugendlichen und bei der diesbezüglichen Prävention liegen muß, dann das sei am sinnvollsten und wirkungsvollsten.

Er teile aber auch die Meinung der Bundesministerin, daß man dennoch keine Ausgrenzung der Raucher vornehmen dürfe, denn das Rauchen sei nicht mit Drogensucht gleichzusetzen. Denn abgesehen davon, daß bekannt ist, daß Rauchen karzinogen ist, sei es unerträglich, daß man Erwachsene zu ihrem Glück zwingen wolle. Es sei wohl sinnvoll, die anderen zu schützen, etwa am Arbeitsplatz, man dürfe aber den einzelnen nicht bevormunden.

Abgeordneter DDr. König stellt dazu fest, daß er aus gesundheitlichen Bedenken selbst kein Raucher sei, daß er sich aber nicht anmaße, einem anderen vorzuschreiben, was er tut. Daher sei seiner Meinung nach Werbung für leichte Tabakwaren viel wirkungsvoller.

Eine Verteuerung wäre nur dann sinnvoll, wenn es zu einer Harmonisierung kommt. Da dies nicht zu erwarten sei, könne seine Fraktion dem Antrag der Freiheitlichen nicht zustimmen.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch verweist zu der Frage nach ihrer Position, die sie bei dem Treffen der EU-Gesundheitsminister einbringen wird, auf ihre einleitenden Worte, daß sie sich auf die nationale Gesetzgebung beziehe und daher der Meinung sei, daß ein gänzliches Werbeverbot nicht anzustreben ist.

In Hinblick auf die Frage nach Maßnahmen zur Gesundheitsförderung insgesamt verweist sei darauf, daß man im nächstem Jahr eine auf drei Jahre terminisierte Kampagne gestartet werden wird, deren Zielgruppe die Kids sind, die eine besonders gefährdete Gruppe darstellen. Man wolle versuchen, ein Antirauchverhalten zu propagieren, um damit den Einstieg in das Rauchen bereits im Ansatz zu unterbinden. (Obmannstellvertreter Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Darüber hinaus werde man dem Parlament eine Gesetzesvorlage betreffend die Einführung eines mit 100 Millionen dotierten Budgets für gesundheitsfördernde Maßnahmen zuleiten, welches über den Fonds "Gesundes Österreich" verwaltet und für die verschiedensten Formen der Gesundheitsaufklärung eingesetzt werden soll.

Zur Frage der Besteuerung stellt Bundesministerin Hostasch fest, daß sie sich aus der Sicht des Finanzressorts nicht äußern, sondern nur festhalten könne, daß Tabakprodukte in Österreich zu den hochpreisigen Produkten gehören. Sie meine persönlich, daß eine Steuerung über den Preis zu den wirksamen Methoden beim Tabakkonsum gehört.

Obmannstellvertreter MMag. Dr. Willi Brauneder schließt die Debatte und führt die Abstimmung über den vorliegenden Antrag auf Stellungnahme gemäß § 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Dr. Pumberger, Mag. Haupt und Kollegen betreffend Maßnahmen der Gemeinschaft bei der Bekämpfung des Tabakkonsums durch. - Der Antrag bleibt in der Minderheit und ist daher abgelehnt.

Somit sind die Tagesordnungspunkte betreffend EU-Angelegenheiten erledigt.

(Es folgen die Beratungen über die Tagesordnungspunkte 4 bis 12.)

Schluß der Beratungen zu EU-Angelegenheiten: 18.03 Uhr


Österreichische Staatsdruckerei: 75 1487