IV-14 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Dienstag, 10. März 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier


Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XX. Gesetzgebungsperiode                             Dienstag, 10. März 1998

Tagesordnung

1. Antrag des Bundesministers für Finanzen auf Zustimmung zur Erlassung der Verordnung, mit der die Ausfuhrförderungsverordnung 1981 geändert wird (Vorlage 113 HA)

2. Bericht des Bundesministers für Finanzen über das Ausmaß der auf Grund des Ausfuhrförderungsgesetzes 1981 übernommenen Haftungen, Haftungsinanspruchnahmen und Rückflüsse aus Haftungsinanspruchnah­men in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1997 (4. Quartal 1997) (Vorlage 117 HA)

3. Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Josef Höchtl, DDr. Erwin Niederwieser, Ute Apfelbeck, Mag. Doris Kammerlander und Genossen auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 98 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema ”Sekten und Psychokulte” (Vorlage 122 HA)

4. Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 98 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema ”Einführung des Minder­heitsvotums am Verfassungsgerichtshof” (Vorlage 123 HA)

5. Bericht der Bundesregierung gemäß § 11 des Bundesgesetzes über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik 1984 für das Finanz­jahr 1997 (Vorlage 115 HA)

6. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustim­mung zum Beschluß der Bundesregierung betreffend Entsendung eines österreichischen Truppenkontingents im Rahmen der Mission der Vereinten Nationen für das Referendum in der Westsahara (MINURSO) (Vorlage 116 HA)

7. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustim­mung zum Beschluß der Bundesregierung betreffend Entsendung eines ”Implementation Support Officer” zur Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Bosnien und Herzegowina (Vorlage 118 HA)

8. Antrag der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf Zu­stimmung zur Erlassung der Verordnung, mit der der Beitragssatz nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz festgesetzt wird (Vorlage 121 HA)

9. Unterrichtung über die Nominierung der österreichischen Mitglieder und Stellvertretenden Mitglieder des Ausschusses der Regionen gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG (Vorlage 120 HA)

10. Schreiben der Europäischen Kommission betreffend den Entwurf für ein Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Güter- und Personenver­kehr auf Schiene und Straße (42586/EU XX. GP)

11. Bericht des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 23. Mai 1997 zum Thema: ”Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge” (42587/EU XX. GP)

 

Beginn der Sitzung: 16.46 Uhr

(Nach Behandlung der Tagesordnungspunkte 1 bis 9 beginnen die Beratungen des Hauptaus­schusses zu EU-Angelegenheiten um 16.46 Uhr.)

10. Punkt

Schreiben der Europäischen Kommission betreffend den Entwurf für ein Abkommen zwi­schen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Straße (42586/EU XX. GP)

11. Punkt

Bericht des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 23. Mai 1997 zum Thema: ”Erhe­bung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutz­fahrzeuge” (42587/EU XX. GP)

Obmann Dr. Heinz Fischer verweist darauf, daß der Hauptausschuß zu den Tagesordnungs­punkten 10 und 11 in seiner Eigenschaft als Mitwirkungsorgan der Europäischen Union tagt. Er fragt, ob es eine Vereinbarung der Fraktionen darüber gebe, diese Beratung nach den üblichen Redezeitkontingenten im Verlauf von maximal zwei Stunden durchzuführen.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) erinnert an eine nicht protokollierte Vereinbarung aus der Präsidialkonferenz über eine Obergrenze von zwei Stunden und eine damit verbundene Ab­sichtserklärung, in einer Stunde fertig zu werden.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem legt in einleitenden Aus­führungen dar, in welchem Rahmen die Tätigkeit der Bundesregierung zu den nunmehr zur De­batte stehenden Punkten vor sich gehen soll. Insbesondere verweist er auf die Stellungnahme des Hauptausschusses vom 13. Juni 1997 und die darin enthaltenen klaren Vorgaben für den Standpunkt, den die österreichische Bundesregierung im Zusammenhang mit den Verhandlun­gen über den Abschluß eines Transitvertrages zwischen der Europäischen Union und der Schweiz zu beziehen habe.

Diese Vorgaben seien zur Absicherung der österreichischen und speziell der tirolerischen Posi­tion nach wie vor verbindlich. Ihnen zufolge bestehe das Ziel der österreichischen Bemühungen nach wie vor darin, möglichst rasch für einen Abschluß des Abkommens mit der Schweiz zu sorgen und darauf zu achten, daß das Vertragspaket als Ganzes verwirklicht wird. Denn nur da­durch könne die Einstimmigkeit bei der Beschlußfassung im Allgemeinen Rat sichergestellt werden.

Weiters sei Österreich bestrebt, das Prinzip zu wahren, daß ein EU-Mitgliedstaat nicht schlech­ter als ein Drittstaat gestellt wird. Dies sei unter anderem ein Grund dafür gewesen, daß sich be­reits im letzten Verkehrsministerrat im Dezember 1997 alle Teilnehmer nach sehr ausführlichen Diskussionen für das Prinzip der Infrastrukturkosten-Orientierung von Mautgebühren eingesetzt hätten, und zwar nicht nur im Zusammenhang mit der Wegekostenrichtlinie innerhalb der EU, sondern auch in bezug auf die Schweiz.

Drittens habe der Hauptausschuß im Juni 1997 der Bundesregierung aufgetragen, für ein aus­reichendes Transitkontingent für 40-Tonnen-LKW zu sorgen. Damals sei ein Anfangskontingent von 70 000 LKW dieser Dimension für den Transit durch die Schweiz in Aussicht genommen worden, dem stünde nunmehr als Ergebnis der Verhandlungen zwischen EU-Kommissar Kinnock und dem schweizerischen Bundesrat Leuenberger ein Kontingent von 120 000 solcher LKW gegenüber. Auch dieses bessere Ergebnis sei aus österreichischer Sicht zwar nicht aus­reichend, aber die volle Liberalisierung sei im ersten Schritt nicht erreichbar. Dies sei insofern verständlich, als auch Österreich – wäre es in der Position der Schweiz – ein solches Zuge­ständnis nicht machen könnte.

In bezug auf die Wegekostenrichtlinie stellt Bundesminister Dr. Einem fest, daß nach wie vor das Ziel angestrebt werde, auf der Grundlage des Grünbuches der Europäischen Kommission über faire und effiziente Preise im Verkehr zu einer entsprechenden Vereinbarung zu gelangen. Es mangle jedoch weiterhin an Übereinstimmung unter den 15 Mitgliedstaaten.

In den Verhandlungen sei dem parlamentarischen Auftrag weiters dadurch Rechnung getragen worden, daß im Ergebnis nunmehr für die Brenner Autobahn eine Durchschnittsmaut vorgese­hen sei, die es erlaube, die heute bestehende starke Differenzierung hinsichtlich Tag- und Nachtmaut sowie hinsichtlich unterschiedlicher Qualitätsklassen in vollem Umfang aufrechtzuer­halten.

Somit hätten alle aufgetragenen Grundsätze Beachtung gefunden, und das heute zur Diskus­sion stehende Konzept sei als das relativ beste unter den erreichbaren zu betrachten. Ein Schei­tern der Paketlösung sei mit dem Risiko verbunden, allenfalls eine beträchtliche Reduktion der Brenner-Maut hinnehmen und umfangreiche Schadenersatzzahlungen an Frächter leisten zu müssen sowie keinen Ansatzpunkt dafür zu haben, das österreichische Hauptziel dieser Ver­handlungen zu erreichen: den Umwegverkehr, der gegenwärtig durch Österreich flutet, obwohl er nicht nach Österreich gehöre, in nachvollziehbarem, meßbarem Umfang von den Straßen Tirols zurück in die Schweiz und auf die Schiene zu verlagern. (Obmannstellvertreter Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche) äußert sein Befremden über Verzögerungen bei der Übermittlung von Dokumenten. Das Dokument 42587/EU, datiert mit 23. Mai 1997, sei mit Datum vom 27. Februar 1998 ins Parlament gelangt. In bezug auf das Dokument 42586/EU wiederum sei festzustellen, daß die Anhänge, obwohl Bestandteil des Abkommens, dem über­mittelten Dokument nicht angeschlossen seien, sodaß die freiheitliche Fraktion – für die Regie­rungsfraktionen verhalte es sich möglicherweise anders – über deren Inhalt nicht Bescheid wissen könne.

Außerdem habe die APA in den letzten beiden Tagen darüber berichtet, daß der Bundesminister für Verkehr derzeit ein sogenanntes ”Positionspapier” vorbereite, das in der Tagung am 17. März 1998 dem EU-Verkehrsministerrat vorgelegt werden solle. Auch dieses Schriftstück sei den Abgeordneten nicht bekanntgemacht worden, obwohl an dessen Kenntnis großes Interesse bestehe. Daher ersucht Abgeordneter Rosenstingl den Bundesminister um nähere Auskunft über einen entsprechenden Kompromißvorschlag, von dem auch der österreichische EU-Bot­schafter Scheich gesprochen habe.

Abgeordneter Rosenstingl verweist auf die wiederholt geäußerten Bedenken der Freiheitlichen gegen die Verknüpfung der Wegekostenrichtlinie mit dem Konzept der ”sensiblen Zonen”, da nicht alle Transitrouten durch Österreich davon erfaßt würden. So seien die Tauern- und die Pyhrn-Strecken ebensowenig inbegriffen wie die betroffenen Bereiche im Osten Österreichs, beispielsweise die Südosttangente.

Zu dem Abkommen mit der Schweiz weist Abgeordneter Rosenstingl darauf hin, daß dieses in einem Volksentscheid der Schweizer auch abgelehnt werden könnte. Aber selbst wenn es ange­nommen wird, werde nicht Österreich, sondern die Schweiz davon begünstigt werden. Ein er­höhtes Transitaufkommen in Österreich werde die Folge sein. Ohne wesentliche Verbesserun­gen sei es für Österreich daher ratsam, in der Europäischen Union gegen dieses Abkommen zu stimmen.

Bundesminister Dr. Einem selbst habe noch am 8. Februar 1998 in der ORF-”Pressestunde” davon gesprochen, daß die Drohung mit einem Veto der Hebel sei, mit dem Österreich auf die Erreichung seiner Ziele hinwirken könne. Mittlerweile sei es offenbar zu einer Aufweichung des Standpunktes gekommen, da nur noch von diesem nicht näher bekannten ”Positionspapier” für die Tagung am 17. März die Rede sei.

Aus österreichischer Sicht müsse das gesamte Transitaufkommen, also auch der Osttransit, im Konzept der ”sensiblen Zonen” Berücksichtigung finden. Dies sei derzeit nicht der Fall. Öster­reich müsse Ausschau nach geeigneten Schutzmaßnahmen halten, um seine Ziele zu errei­chen. Es gelte auch, Vorsorge gegen die drohende EU-Klage wegen der Brenner-Maut zu tref­fen. Daher hätten die Freiheitlichen zwei Anträge auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG vorbereitet, die jeweils die Wegekostenrichtlinie betreffen.

In dem einen Antrag der Abgeordneten Rosenstingl und Kollegen geht es darum, daß der Hauptausschuß folgendes beschließen wolle: ”Der zuständige Bundesminister wird aufgefordert, im Zuge der Verhandlungen über das Abkommen zwischen der EU und der Schweiz über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Straße und die Wegekostenrichtlinie dafür zu sorgen, daß Österreich insgesamt in den Genuß eines erhöhten Schutzes vor dem Transitver­kehr kommt, wie dies auch im Transitvertrag durch dessen Gültigkeitsbereich vorgesehen war.”

Zum zweiten gehe es um konkrete Maßnahmen gegen die möglich gewordene Aufhebung der Brenner-Maut, sodaß die Abgeordneten Rosenstingl und Kollegen den Antrag stellen, daß der Hauptausschuß folgendes beschließen wolle: ”Der zuständige Bundesminister wird aufgefordert, den zuständigen Organen der EU den Standpunkt darzulegen, daß Österreich sich genötigt sieht, umfangreiche Bauarbeiten (Einhausungen und Trassenverlegung in den Berg, wie dies im Bereich der Unterinntal-Bahntrasse vorgesehen ist) im Bereich der Brenner Autobahn zum Schutz der Anrainer und der Umwelt zu beginnen, falls es nicht möglich sein sollte, eine deut­liche Reduktion des Transitverkehrs auf dieser Strecke durch entsprechende Gestaltung der Mautgebühren zu erzielen.”

Wenn Österreich entsprechend dieser Ankündigung gegenüber der EU vorgehe – technisch sei dies denkbar und möglich –, dann biete sich eine Möglichkeit zur Abwendung dieser EU-Klage. Deshalb sei Österreich gut beraten, entsprechende Maßnahmen gegen die ”österreichfeind­lichen Vorhaben” der EU zu ergreifen.

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ) gibt seiner Ansicht Ausdruck, daß das in Österreich von allen Fraktionen gemeinsam getragene Ziel darin bestehe, den in einiger Zeit auslaufenden Transitvertrag mehr oder weniger fortzusetzen. Da dieses Ziel nicht in vollem Umfang umgesetzt werden könne, gehe es jetzt darum, geeignete Kompromisse einzugehen und Wege zu einer dem Transitvertrag möglichst ähnlichen Lösung zu finden, um dessen qualitative Elemente in einen neuen Vertrag überzuführen. In dieser Lage biete sich das Abkommen mit der Schweiz als eine Art Hebel an.

Als wichtige Bestandteile einer allfälligen Übereinkunft seien insbesondere das Prinzip der Durchschnittsbemautung, die Orientierung nach den Infrastrukturkosten und eine Tag-und-Nacht-Differenzierung der Mautgebühren zu nennen. Entscheidend komme es darauf an, die Reduktion allen vorhandenen Umwegverkehrs und die Vermeidung jeglichen zukünftigen Um­wegverkehrs vertraglich festzuhalten.

Wünschenswert für Österreich sei ein schrittweiser Abbau des Umwegtransits bis zum Jahr 2004 im Rahmen der neuen ”Eurovignette”-Richtlinie, damit von 2005 an hierzulande de facto kein Umwegverkehr mehr zu verzeichnen wäre. Wenn dann im Zwei-Jahres-Rhythmus überprüft werden könnte, ob entsprechende Fortschritte erzielt worden sind, und überdies die Möglichkeit einer nationalen Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeit gegeben wäre, so wäre ein solcher Vertrag als akzeptables Ergebnis zu betrachten.

Denn die Alternative dazu sehe folgendermaßen aus: Es werde zu Forderungen der Frächter kommen, die EU-Klage gegen die Brenner-Maut werde nicht zurückgezogen werden, und von 2003 an werde der Transitverkehr voll durch Österreich ”donnern”. Die Zuwachszahlen seien enorm hoch: 1997 habe der Umwegtransit 20 Millionen Tonnen betragen, sodaß ein Zuwachs im Ausmaß von 5 Prozent gleich einer Erhöhung um 1 Million Tonnen ist. Bei den 3,5 Millionen Tonnen Transitverkehr in der Schweiz hingegen wirke sich der Zuwachs von 12 Prozent nur als Erhöhung um 400 000 Tonnen aus. Eine solche Alternative sei nicht akzeptabel.

Der Bundesminister benötige zum Erzielen einer annehmbaren Lösung einen Verhandlungs­spielraum, sodaß von einem Auftrag des Parlaments, der die gebotene Flexibilität einschränken würde, abzuraten sei.

Das Anliegen im ersten der zwei freiheitlichen Anträge, daß Österreich ”in den Genuß eines er­höhten Schutzes vor dem Transitverkehr kommt”, finde ohnehin allgemeine Zustimmung und sei de facto als Element der Verhandlungen integriert. Die Forderung des zweiten Antrages – In­vestitionen zum Schutz der Anrainer und der Umwelt und Reduktion des Transitverkehrs durch entsprechende Gestaltung der Mautgebühren – sei ebenfalls bereits Bestandteil der Verhand­lungen. Nach Einräumung der Durchschnittsmaut werde es möglich sein, nach Tag- und Nacht­fahrten sowie nach Euroklassen zu unterscheiden.

Zu der Forderung in dem Antrag der Grünen nach dauernder Einhebung einer Maut auf den Transitstrecken unter Berücksichtigung der externen Kosten merkt Abgeordneter Parnigoni an, daß die Überlegungen des Bundesministers darüber sogar hinausgingen. Berechtigt sei die For­derung nach einem Gesamtkonzept zur dauerhaften Reduktion des alpenquerenden Straßen­güterverkehrs, und diese gehöre bereits zur österreichischen Verhandlungsposition.

Es werde daher de facto zu einer Verlängerung des österreichischen Transitvertrages kommen, verbunden mit einem zweijährigen Überprüfungszeitraum sowie Möglichkeiten für nationale Steuerungsmaßnahmen. Dies sei als außerordentlich gutes Verhandlungsergebnis zu betrach­ten.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche) gibt seiner Ansicht Ausdruck, daß Bundes­minister Dr. Einem mit der zögerlichen Übermittlung von Unterlagen aus seinem Ressort den Art. 23e Abs. 1 B-VG negiert habe. Das Dokument 39424/EU, Ratstagung Verkehr vom 9. Okto­ber 1997, sei mit 16. Jänner 1998 ins Parlament gelangt, daher sei die auf ”rasch und sofort” lautende Verfassungsforderung nicht erfüllt worden. Extrem sei die Verzögerung im Fall des Dokumentes 42587/EU – mit dem Ausfertigungsdatum 23. Mai 1997 und dem Einlaufdatum 27. Februar 1998 – gewesen. Ein so langer Fristenlauf werde nicht einmal mehr von der Post für einen ”Langsam-Brief” hingenommen.

Bundesminister Dr. Einem sei daher gefordert, die Beamtenschaft seines Ressorts sofort zu ver­anlassen, diese Mißstände abzustellen. Es könne den Parlamentariern – insbesondere unter dem Aspekt partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit der Regierung – nicht zugemutet werden, so lange warten oder Dokumente über die eigene Fraktion im Europäischen Parlament be­schaffen zu müssen.

In bezug auf die Verlagerung des Transitverkehrs von der Straße auf die Schiene gebe es jetzt offenbar ein vom österreichischen EU-Botschafter Scheich in der ”Neuen Zürcher Zeitung” vom 5. März 1998 erwähntes, den Abgeordneten noch nicht vorliegendes ”Kompromißpapier”, in dem der Schweiz die Möglichkeit eingeräumt werde, bei Unterschreitung einer Auslastung von 66 Prozent im Schienentransitverkehr entsprechende Retorsionsmaßnahmen auf dem Mautsek­tor durchzuführen.

Daher stelle sich die Frage, inwieweit Bundesminister Dr. Einem in den Verhandlungen auf ähn­liche Möglichkeiten für die Österreichischen Bundesbahnen hingewirkt habe, und zwar nicht nur auf der Brenner-Strecke, sondern auch im Süden und Osten Österreichs. Österreich benötige einen Spielraum, ähnlich ”hervorragende” Maßnahmen ergreifen zu können, um die Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Eisenbahn auch hierzulande umsetzen zu können.

Abgeordneter Mag. Haupt äußert sich seinem Vorredner gegenüber insofern dankbar, als der Abgeordnete Parnigoni den Anträgen der Freiheitlichen bescheinigt habe, daß deren Erfüllung vorstellbar sei und die darin vorgesehenen Maßnahmen nicht den österreichischen Interessen entgegenstünden. Denn in anderen Ausschußsitzungen sei noch von gegenteiligen Einschät­zungen die Rede gewesen. Daß diese Anträge, wie zu erwarten sei, trotzdem keine Zustimmung finden werden, sei daher umso weniger nachvollziehbar.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne) konzediert Bundesminister Dr. Einem, daß ihm in den Verhandlungen die Hände gebunden seien, da Österreich jetzt als EU-Mitglied unter dem Umwegtransit zu leiden habe. In den laufenden Verhandlungen über den Transitvertrag mit der Schweiz biete sich jedoch aufgrund der erforderlichen österreichische Zustimmung eine ein­malige Chance zur Verbesserung.

Vor diesem Hintergrund sei das von Bundesminister Dr. Einem dargestellte Ziel einer reinen Reduktion des Umwegtransits durch Rückverlagerung in die Schweiz zuwenig. Den Grünen komme es vielmehr darauf an – und dies solle auch das Ziel anderer Parteien sein –, insgesamt eine Reduktion des Güter- und Transitverkehrs auf der Straße zu erreichen. Darauf sei bisher nicht ausreichend hingearbeitet worden. Beispielsweise habe es die österreichische Seite bisher verabsäumt, im Rahmen der Verhandlungen über die Alpenkonvention Bündnispartner für dieses Ziel zu suchen, sodaß in dieser Konvention noch immer kein Verkehrsprotokoll enthalten sei. Österreich hätte überdies der Schweiz den Rücken stärken sollen, um noch strengere Regelungen zu bewirken.

Zu wenig seien bisher die Transitverkehrswege abseits des Brenners berücksichtigt worden, zum Beispiel der Güterverkehr auf der Tauern Autobahn und der künftige Ost-West-Transitver­kehr, insbesondere nach einer EU-Osterweiterung.

Immerhin seien Zugeständnisse im Zusammenhang mit der ”Eurovignette” erreicht worden, und das Anstreben einer Gesamtlösung im Sinne einer Verlängerung des Transitvertrages sei eben­falls positiv zu vermerken. Für die Zeit nach 2003 müsse bereits jetzt entweder durch Verringe­rung der Anzahl der Durchfuhren oder durch Beibehaltung der Ökopunkteregelung Vorsorge getroffen werden. Letztere habe jedoch den Nachteil, daß sie nur auf die Schadstoffmenge bezogen sei und daher ein zahlenmäßiger Zuwachs nicht verhindert werden könne.

Abgeordnete Dr. Moser erläutert nun im einzelnen ihren Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG betreffend nachhaltige Reduktion des alpenquerenden Straßengüter­transits, dem zufolge der Hauptausschuß beschließen wolle: ”Der/die zuständige Bundesmi­nister/in möge dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweize­rischen Eidgenossenschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Straße nur unter folgenden Voraussetzungen zustimmen: 1. Wenn Österreich auf den Transitstrecken auf Dauer eine Maut einheben darf, die keinen Umwegtransit anzieht und die vollen externen ökolo­gischen und sozialen Kosten berücksichtigt. 2. Die EU-Kommission sich dazu verpflichtet, inner­halb von sechs Monaten ein Gesamtkonzept mit konkret terminisierten Maßnahmen zur dauer­haften Reduktion des alpenquerenden Straßengüterverkehrs vorzulegen. Diese Reduktion soll sowohl die Zahl der LKW-Fahrten wie auch die Schadstoff- und Lärmbelastung betreffen.”

Im Gegensatz zu der vom Abgeordneten Parnigoni geäußerten Ansicht gehe dieser Antrag im ersten Punkt über die Verhandlungsposition des Bundesministers hinaus. Die Arbeiterkammer habe zu Recht darauf hingewiesen, daß die Ruhezeiten für LKW-Fahrer verstärkt Beachtung finden müßten und als Kostenargument ins Treffen zu führen seien. Es gehe darum, daß Kostenwahrheit erreicht und der Druck zugunsten des die Ruhephasen begünstigenden kombi­nierten Güterverkehrs erhöht wird.

Zum zweiten Punkt sei anzumerken, daß die Europäische Union den sensiblen Alpenraum zwar als sehr schützenswert erachte, jedoch in ihren Richtlinien und Verordnungen den Grün- und Weißbüchern beträchtlich hinterherhinke.

Es sei bedauerlich, daß ein Entschließungsantrag der Grünen im Europäischen Parlament, in dem genau jene Elemente enthalten gewesen seien, die jetzt als ein aus österreichischer Sicht positives Verhandlungsergebnis dargestellt worden seien, auch von den Abgeordneten der österreichischen Regierungsfraktionen abgelehnt worden sei.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum) fragt Bundesminister Dr. Einem, ob im Zuge der Bestrebungen, die Gebühren anzugleichen, die Klage wegen der Brenner-Maut vor dem Europäischen Gerichtshof gegenstandslos geworden sei.

Ausgehend von der Überlegung, daß die Mauthöhe entscheidenden Einfluß auf das Ausmaß des Umwegtransits ausübt – sodaß, nebenbei bemerkt, die vorgelegten Anträge der Freiheit­lichen und der Grünen inhaltlich nicht ausreichend bestimmt seien –, fragt Abgeordneter Mag. Barmüller den Bundesminister, ob gewährleistet sei, daß künftig eine ähnlich hohe Maut in der Schweiz und in Österreich eingehoben werden kann, und ob es einen Spielraum für Preis­differenzen gebe, ohne daß es neuerlich zu Umwegtransit kommt.

Eine weitere Frage richtet sich darauf, ob es zutreffe, daß die EU in bezug auf die in Artikel 7 Abs. 2 des Abkommensentwurfes genannte Übergangszeit von zwei Jahren für die Anpassung technischer Normen einen Vorbehalt angemeldet habe.

Im Hinblick auf Artikel 44 des Entwurfes – Umweltnormen für Nutzfahrzeuge – fragt Abgeord­neter Mag. Barmüller nach einer eventuell damit verbundenen neuen Sichtweise. Weiters möchte er wissen, was es mit der ”nicht gut klingenden” sogenannten ”Guillotine-Klausel mit Schonfrist” im Zuge der Befristung in Artikel 58 auf sich habe und welcher Bezugsrahmen für die in Artikel 59 festgelegte Kündigungsklausel Gültigkeit habe.

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP) stimmt Bundesminister Dr. Einem darin zu, daß es als Erfolg für Österreich zu werten sei, wenn die Forderungen der Stellungnahme des Hauptausschusses vom 13. Juni 1997 im wesentlichen erfüllt werden.

Dem Abgeordneten Parnigoni und der Abgeordneten Dr. Moser sei darin recht zu geben, daß sich nunmehr eine für Österreich einmalig günstige Lage ergeben habe, weil die EU gezwungen sei, mit der Schweiz zu einem Vertragsabschluß zu kommen und aufgrund der erforderlichen Einstimmigkeit dabei die Position Österreichs berücksichtigen müsse. Dieses ”Mondfenster” müsse Österreich nützen, insbesondere da es nicht einmal dort Verbündete finde, wo sie theo­retisch zu erwarten gewesen wären, nämlich auf seiten der ebenfalls vom Umwegverkehr betrof­fenen Franzosen.

Es sei daher ein beachtlicher Erfolg der österreichischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament in den großen Fraktionen gewesen, daß die Mehrheit der EU-Parlamentarier auf die besondere Sensibilität des Alpenverkehrs aufmerksam gemacht worden sei und erkannt habe, daß sich angesichts der damit verbundenen Probleme eine Einheitslösung verbiete. Darauf seien insbesondere die Grünen hinzuweisen, um ihnen klarzumachen, daß es jetzt nicht auf die Äußerung von Wünschen ankomme, sondern darauf, konkret etwas zu bewegen.

Es gelte nun, den Bundesminister nicht durch zusätzliche Festlegungen zu ”knebeln”. Wenn er entsprechende Verhandlungsfreiheit habe, werde das Ergebnis besser sein, als wenn vorweg Bindungen bestehen.

Abgeordneter DDr. König hält insbesondere die Beachtung von vier Punkten für erforderlich, deren erster darin bestehe, daß die Vereinbarungen, die Österreich mit der EU trifft, unabhängig vom Volksentscheid über den Transitvertrag in der Schweiz Gültigkeit haben werden.

Es werde weiters darauf ankommen, den österreichischen Anteil an den 40-Tonnen-LKW-Kon­tingenten auch im Zuge des Ausbaues von 120 000 auf 300 000 Genehmigungen einigermaßen aufrechtzuerhalten. Dies sei insbesondere für Vorarlberg von Bedeutung.

Österreich müsse danach trachten, daß auch nach Ausdehnung der Mautstrecke auf den ge­samten Streckenverlauf von Kufstein bis zum Brenner der wesentliche Anteil der Maut auf die eigentliche Brenner-Strecke und ein deutlich geringerer Anteil auf das Unterinntal entfällt.

Als vierter Punkt sei zu beachten, daß laut Artikel 34 des Abkommens mit der Schweiz im Zuge des Ausbaues der Eisenbahn die Europäische Union für die Erweiterung der Zulaufstrecken zur NEAT zu sorgen habe. Es sei auch für den Ausbau der Bahnstrecke über den Brenner wesent­lich, daß die EU eine entsprechende grundsätzliche Zusage abgibt.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ) bestätigt die Feststellung des Abgeordneten Rosenstingl, daß die Entscheidung der Schweizer Bevölkerung über das Transitabkommen mit der EU heute noch nicht abzusehen sei.

Manchen kritischen Äußerungen über den Zeitpunkt der heutigen Transitverkehr-Aussprache im Hauptausschuß sei entgegenzuhalten, daß Bundesminister Dr. Einem sich im Hinblick auf den nunmehr herannahenden Abschluß der Verhandlungen besonders dafür eingesetzt habe. Da sich zahlreiche Aspekte erst in den letzten Wochen ergeben hätten, sei es nicht sinnvoll ge­wesen, diese Aussprache zu einem früheren Termin durchzuführen. Überdies spielten neben dem Abkommen mit der Schweiz und der Wegekostenrichtlinie auch Fragen der zukünftigen Gestaltung des Transitverkehrs eine Rolle.

Zu der Forderung des Abgeordneten DDr. König nach einer EU-Zusage in bezug auf die Eisen­bahnzulaufstrecken merkt Abgeordneter DDr. Niederwieser an, daß im Transitkapitel des Bei­trittsvertrages eine Reihe von Bestimmungen darüber enthalten seien. Es werde darauf ankom­men, auf deren Einhaltung zu dringen.

Die Aussichten im Hinblick auf die EU-Klage wegen der Brenner-Maut möchte Abgeordneter DDr. Niederwieser nicht allzu pessimistisch bewerten, doch sei es günstiger, dieses ”Damokles­schwert” im vorhinein abzuwenden.

In Sachen Querfinanzierbarkeit hin zur Schiene werde Österreich nach Vertragsabschluß – nachdem es lange Zeit auf Ablehnung gestoßen sei – einen entscheidenden Schritt vorwärts tun können. Dabei erwiesen sich beispielsweise auch die Bestimmungen für Feiertage im Rahmen der neuen Harmonisierungsrichtlinie als hilfreich, um österreichische verkehrspolitische Vorha­ben durchzusetzen.

Angesichts der komplexen Materie sei Festigkeit in den Grundsätzen und Flexibilität in einzelnen Verhandlungsschritten erforderlich. Abgeordneter DDr. Niederwieser gibt zu, von seiner früher gehegten Meinung, daß es günstig sei, eine entsprechende Stellungnahme des Hauptausschus­ses zu beschließen, im Lichte der jüngsten Entwicklung des Verhandlungsprozesses abgerückt zu sein. Es stehe außer Zweifel, daß die Regierung und der zuständige Bundesminister an den verkehrspolitischen Grundsätzen festgehalten hätten. Zur Gewährleistung eines ausreichenden Spielraumes sei von einer bindenden Stellungnahme Abstand zu nehmen.

Abgeordneter DDr. Niederwieser macht auf die Gefahr eines Konfliktes mit der Schweiz auf­merksam, der die Folge einer österreichischen Ablehnung des Abkommens sein könne. Wenn es nicht zum Abschluß kommt, drohe in Anbetracht des 28-Tonnen-Limits in der Schweiz auch das Scheitern der dringend benötigten Rückverlagerung des Umwegtransits.

Es sei insbesondere unmöglich, durch Konzentration auf die Strecke zwischen Schönberg und dem Brenner – über die Streckengliederung bestehe noch nicht vollständige Klarheit – das Prin­zip der Kostenwahrheit im Transitverkehr für die Gesamtstrecke von Den Haag bis Triest her­beizuführen. Aus österreichischer Sicht könne sinnvolle europäische Verkehrspolitik nur in der Verteuerung des Verkehrs auf dem gesamten Streckenverlauf bestehen. Auch wenn sich eine Einigung darüber unter den EU-Mitgliedstaaten derzeit noch nicht abzeichne, sei es doch mög­lich, daß es auf ähnliche Weise zu einem Umschwung kommt, wie dies innerhalb Österreichs vor einigen Jahren in bezug auf die von seiten Tirols vertretenen Positionen im Parlament in Wien geschehen sei.

Der freiheitliche Antrag auf Stellungnahme, in dem es um Einhausungen und andere Baumaß­nahmen geht, könne nur als Scherz betrachtet werden, da die EU nicht darauf reagieren würde. Außerdem seien solche Maßnahmen unvereinbar mit den Interessen der Tiroler Bevölkerung. Der Antrag der Freiheitlichen auf erhöhten Schutz vor dem Transitverkehr wiederum bringe nur die bereits vertretene österreichische Position zum Ausdruck.

Falls sich die Bundesregierung gemäß dem Antrag der Grünen verhielte, sei der Abschluß des Vertrages mit der Schweiz ausgeschlossen, da Österreich ihm dann nicht zustimmen könne. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei es noch nicht möglich, sämtliche externen ökologischen und sozialen Kosten des Verkehrs einzurechnen. In dieser Hinsicht vertrete Österreich derzeit eine Minderheitsposition innerhalb der Europäischen Union.

Die Konsequenzen einer Ablehnung seien durchwegs negativ: kein Abkommen mit der Schweiz, keine Rückverlagerung des Umwegverkehrs, kein Schritt vorwärts in Sachen Wegekostenricht­linie und ein Prozeß mit ungewissem Ausgang wegen der Brenner-Maut.

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche) weist darauf hin, daß der vorliegende Entwurf der Wegekostenrichtlinie nur im Falle höherer Kosten – wie auf dem Brenner – auch höhere Mauten zulasse. Im Gegensatz dazu habe die Schweiz die Möglichkeit eingeräumt be­kommen, erhöhte Mautsätze auf allen Grenzübergängen einzuheben.

Die Konsequenz daraus sei, daß die Schweiz sich dafür entschieden habe, den östlichen Lan­desteil nicht an die NEAT anzubinden. Zugleich werde in Bayern zügig auf die Fertigstellung der Autobahn von München in Richtung Lindau hingearbeitet, sodaß eine neue Nord-Süd-Transit­verbindung über Vorarlberg und den San Bernadino entstehe. Auf dieser Verbindung sei eine Verlagerung auf die Schiene wegen des unterbleibenden Eisenbahnbaues in der Ostschweiz nicht möglich. Nach wie vor gebe es auch keine Autobahnverbindung zwischen österreichi­schem und Schweizer Rheintal, sodaß dort ein zusätzlicher Verkehrsschub im Entstehen sei, der sich noch dazu auf das niederrangige Straßennetz erstrecken und die Verkehrsbelastung dort weiter erhöhen werde.

Allein schon aus diesem Grund könne Österreich der vorgeschlagenen Wegekostenrichtlinie nicht zustimmen. Sonst würden sich in Einzelfällen eklatante Verschlechterungen ergeben. Aus diesem Grund, fügt Abgeordneter Ing. Nußbaumer hinzu, habe er dem Präsidenten des Schwei­zer Nationalrates bei dessen Besuch im österreichischen Parlament geraten, daß die Schweiz in den Verhandlungen mit der Europäischen Union hart bleiben möge, denn eine entschlossene Position der Schweiz biete Österreich bessere Möglichkeiten, seine Interessen in bezug auf den Alpentransit durchzusetzen. Es bedürfe einer Verteilung der Güterströme auf den gesamten Alpenraum. Die besseren Verhandlungsergebnisse, welche die Schweiz erreicht habe, müßten auch für Österreich durchgesetzt werden. Ohne ein solches Ergebnis würde eine neue Wege­kostenrichtlinie eine Verschlechterung der Lage mit sich bringen. Wenn dies der Fall sei, dürfe Österreich einem Kompromiß nicht zustimmen.

Unter diesen Voraussetzungen fragt Abgeordneter Ing. Nußbaumer den Bundesminister, wie weit im Rahmen eines Kompromisses zu gehen er bereit sei.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum) fragt Bundesminister Dr. Einem, aus welchem Grund das Abkommen mit der Schweiz in Artikel 60 bezüglich des Zeitpunktes seines Inkrafttretens auf sieben sehr unterschiedliche Verträge bezogen sei. Dies könne uner­wünschte Verzögerungen zur Folge haben.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP) bekräftigt die Ausführungen des Abgeordneten DDr. König darüber, daß bei der Verteilung der Kontingente auf die einzelnen Nationalstaaten – und dort wiederum auf die diversen Bundesländer und Regionen – Bedacht auf die heutige Lage genommen werden müsse.

Wenn das heutige Ausmaß des Verkehrs aus Österreich oder aus Deutschland in die Schweiz sowie der Status quo bei niedrigeren Tonnagen berücksichtigt werde, ergebe sich daraus ein gutes Argument dafür, daß Österreich einen beträchtlichen Anteil am – anfangs 120 000 LKW betragenden – Gesamtkontingent für sich in Anspruch nimmt.

Andernfalls werde es zu einer zusätzlichen Verkehrsumleitung kommen, und daraus ergebe sich eine Folgerung, wie sie der Abgeordnete Ing. Nußbaumer beschrieben habe: Wenn es zusätz­liche Kontingente im süddeutschen Raum gebe, die dann in der Schweiz verwendet werden könnten, werde der Verkehr durch das Rheintal nach Vorarlberg gelangen und über den San Bernadino weiter nach Italien geführt werden.

Zu dieser problematischen Lage könne es kommen, würden die 120 000 – oder später 200 000 – Genehmigungen vollkommen neu und unabhängig vom gegenwärtigen Status der Kontingente aufgeteilt werden. In diesem Fall sei vorstellbar, daß österreichische Frächter mangels ausreichender Kontingente für Fahrten in die Schweiz den Weg über Arlberg und Brenner nach Italien suchen müßten.

Daher seien zwei Aspekte der besonderen Situation in Vorarlberg zu beachten: zum einen die mögliche Verkehrszunahme im Falle entsprechender Kontingente, vor allem aus dem süd­deutschen Raum, und zum zweiten die Benachteiligung österreichischer Transporteure bei Miß­achtung des Status quo.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem erachtet die Kritik der Abgeordneten Rosenstingl und Mag. Haupt an mangelnder Geschwindigkeit bei der Übermitt­lung von Dokumenten für falsch. Von den beiden vorliegenden Dokumenten sei das eine – 42586/EU – am 23. Februar 1998, aus Brüssel kommend, im Ministerium eingetroffen und am 24. Februar 1998 an den Nationalrat weitergeleitet worden. Dies sei als angemessen schnell zu werten.

Das zweite Dokument – 42587/EU –, datiert mit 23. Mai 1997, sei in den jetzt vorgelegten Unter­lagen nur deshalb enthalten, weil vom Präsidium des Nationalrates an das Ministerium die Auf­forderung ergangen sei, es ein zweites Mal zu übersenden. Dies sei vor zwei Wochen gesche­hen. Die erstmalige Übermittlung sei aber bereits im Mai 1997 erfolgt.

Die Verhandlungsposition, die derzeit sozusagen provisorisch erreicht worden sei und als Grundlage für weitere Schritte in der bevorstehenden Tagung am 17. März 1998 diene, sei durch die im folgenden dargelegten Elemente gekennzeichnet.

Die Bundesregierung habe stets für die uneingeschränkte Aufrechterhaltung der bestehenden Brenner-Maut – mit starker Differenzierung nach Tag- und Nachtgebühr sowie nach verschie­denen Qualitäts- beziehungsweise Verschmutzungsklassen – gekämpft und eine Zusicherung darüber von der EU-Kommission erhalten. Dies sei insofern als Sensation zu werten, als die Kommission erst vor wenigen Monaten Klage wegen der Brenner-Maut eingebracht habe.

Im Kontext der Verhandlungen über das Abkommen mit der Schweiz sei es gelungen, das Prin­zip der Durchschnittsmaut-Betrachtung durchzusetzen. Dieses Prinzip erlaube auf jeden Fall eine gewisse Spreizung der Maut nach unterschiedlichen Zeitpunkten, sofern die Gesamtein­nahmen nicht die Kosten übersteigen, die für Errichtung und laufenden Betrieb der Mautstrecke anfallen.

Es gebe zwei Möglichkeiten der Mautgestaltung, nämlich entweder aus den Gesamtkosten einen einheitlichen Mautsatz zu errechnen oder aber die Durchschnittsmaut in einer Weise zu spreizen, daß sie etwa in Tirol in der Nacht deutlich höher – um dann den Verkehr einzuschrän­ken – und am Tag niedriger ist. Es sei also der Preis dafür, den Verkehr tagsüber zu bündeln, auch im Rahmen der Durchschnittsmaut-Betrachtung vergleichsweise gering.

Auf diese Weise sei auch die Anerkennung der EU-Kommission für die bestehende Durch­schnittsmaut, die sich aus den tatsächlichen Einnahmen ergibt, erreicht worden. Eines der Argu­mente dafür habe sich aus einer neuen Berechnung der gesamten Kosten auf der Strecke von Kufstein bis zum Brenner ergeben. Unter Anlegung des Maßstabes, den die Kommission selbst für die Schweiz gewählt habe, habe sich ergeben, daß dieser Mautsatz auch Österreich zustehe.

Eine Bedingung für diese Lösung bestehe darin, daß die Maut nicht nur für die Strecke von Brennersee bis Innsbruck, sondern für die gesamte Strecke bis Kufstein eingehoben wird. Dies werde von der Kommission nachdrücklich gefordert, um den Vorwurf der Diskriminierung auszu­räumen. Tatsächlich werde die Maut von Innsbruck bis Brennersee zu 80 Prozent von auslän­dischen LKW und zu einem nur geringen Anteil von Einheimischen entrichtet, und dies nähre den Vorwurf der Diskriminierung.

Weiters sei die gegenwärtige Verhandlungsposition dadurch gekennzeichnet, daß die EU-Kom­mission das österreichische Ziel akzeptiere, das darin besteht, den gesamten heute – wegen des 28-Tonnen-Limits, des Nachtfahrverbotes und der dortigen Grenzwartezeiten – aus der Schweiz nach Österreich verdrängten Umwegverkehr im Ausmaß von beinahe 400 000 40-Tonnen-LKW wieder aus dem Tiroler Straßensystem hinaus zu verlagern, primär in die Schweiz und sekundär auf die Schiene.

Die Kommission sei sogar bereit, die Garantie dafür zu übernehmen, daß die Hälfte des ge­samten Umwegverkehrs – also 200 000 LKW pro Jahr – im Jahr 2004 Österreich nicht mehr durchqueren werde. Die Schritte hin zu dieser Lösung seien noch konkret zu definieren, und außer Überprüfungen in den Jahren 2001 und 2003, um festzustellen, ob die erwarteten Effekte auch eintreten, sei sogar die Möglichkeit vorgesehen, daß Österreich beim Verfehlen der von der Kommission garantierten Ziele selbst Maßnahmen ergreift, mit denen die für das Jahr 2004 vorgesehene Reduktion erreicht werden kann. Diese Bestimmungen seien als sehr weitgehen­der Erfolg zu werten.

Die Verpflichtungen, die Österreich dafür einzugehen habe, bestünden in der bereits darge­stellten Ausdehnung der Maut auf die gesamte Strecke bis Kufstein zum technisch frühest­möglichen Zeitpunkt sowie darin, den Eisenbahnverkehr auf der Strecke für den kombinierten Güterverkehr von Ingolstadt bis Brennersee in seiner Kapazität um 75 Prozent zu steigern und in seinem Tarifangebot um 30 Prozent zu verbilligen. Die Erfüllung beider Bedingungen sei realisti­scherweise möglich, und somit stelle diese Lösung ein Paket dar, das auch auf ein marktfähiges Angebot der Bahn abziele.

Bedingung für die Gesamtlösung sei, daß einerseits Österreich seine Verpflichtungen erfüllt und andererseits die EU-Kommission die wegen der Brenner-Maut eingebrachte Klage zurückzieht. Bundesminister Dr. Einem stimmt mit dem Abgeordneten DDr. König in der Einschätzung über­ein, daß Österreich diese Lösung auch dann anstreben und verlangen solle – wenngleich sie in diesem Fall vermutlich nicht zustande kommen könne –, wenn das Abkommen mit der Schweiz nicht in Kraft tritt. Denn mit diesem Paket werde ein Hebel geschaffen, durch dessen Gebrauch der bestehende Umwegverkehr mit Hilfe der Kommission trotzdem wieder aus Österreich ent­fernt werden könne.

Aus österreichischer Sicht bestehe demnach größtes Interesse an einem Abschluß des Abkom­mens mit der Schweiz, weil es die beste Chance zur Rückverlagerung des Umwegverkehrs biete. Denn wenn die Schweiz keine 40-Tonnen-LKW zulasse, bleibe diesen nur der Weg über Frankreich oder eben Österreich offen.

In Beantwortung der einzelnen Fragen führt Bundesminister Dr. Einem zunächst aus, daß zwar die Drohung mit einem Veto Österreichs, nicht jedoch dessen tatsächlicher Gebrauch sinnvoll sei. Die Drohung mit dem Veto stelle eine Nachricht an die 14 Partner in der EU und an die Kommission dar, daß im Falle entsprechenden Entgegenkommens Österreich zur Übernahme gewisser Verpflichtungen bereit sei. Es solle insbesondere das vitale Interesse Österreichs daran zum Ausdruck bringen, daß der massive Transitverkehr hierzulande zumindest um den Umwegverkehr verringert wird.

Daraus ergebe sich, daß bei ausbleibender Bereitschaft der anderen Partner, Österreich entge­genzukommen, im Gegenzug Österreich dem Schweiz-Paket nicht werde zustimmen können. Aber das österreichische Interesse am Landverkehrsdossier und damit am Gesamtpaket sei weiterhin gegeben, weil dieses die Voraussetzung für die Lösung eines Teiles der österreichi­schen Probleme darstelle.

Bundesminister Dr. Einem bekundet sein Einverständnis mit dem Interesse des Abgeordneten Rosenstingl an erhöhtem Schutz vor dem Transitverkehr, hält jedoch dessen Ansatzpunkt, Be­dingungen an die EU zu stellen, nicht für geeignet. Die österreichische Mitgliedschaft in dem prosperierenden wirtschaftlichen Gebilde Europäische Union bringe es mit sich, daß Österreich bei zunehmendem Güteraustausch – auch mit den östlichen Nachbarn – als Staat am Rande einem erhöhten Transitaufkommen ausgesetzt ist. Um diese Entwicklung erträglich zu gestalten, müßten die Eisenbahnverbindungen ausgebaut werden und der Verkehr bereits außerhalb der eigenen Grenzen auf die Schiene verlagert werden.

Alles, was Österreich dafür tun kann, werde bereits getan, unter anderem mit Hilfe einer Kontin­gentpolitik und der Ökopunkteregelung, aber auch mit finanzieller Beteiligung an der Errichtung von Terminals am Schnittpunkt von Schiene und Straße wie beispielsweise in Sopron. Dabei werde das Geld nicht ins Ausland getragen, sondern zur Wahrung österreichischer Interessen zielorientiert eingesetzt. In Sopron habe dies bewirkt, daß – in LKW-Äquivalenten ausgedrückt – sich 100 000 LKW auf der Schiene befänden, wogegen in Klingenbach 180 000 LKW auf der Straße zu verzeichnen seien. Gemessen am Ausmaß des schlechten Verhältnisses zwischen Straße und Schiene insgesamt stelle Sopron eines der herausragenden positiven Beispiele dar.

Zu den beantragten Baumaßnahmen merkt Bundesminister Dr. Einem an, daß Überlegungen darüber angestellt werden könnten, überall dort, wo durch Tallage der Autobahn und Hanglage der meisten Wohnbauten unerträgliche Lärmverhältnisse bestehen, eine Art Deckel als Schall­isolation über der Autobahn zu errichten. Solche Maßnahmen würden bereits überprüft und zum Teil auch in Angriff genommen werden, und sie würden darüber hinaus als Kosten der Straße zum Teil Eingang in die Kalkulation der Brenner-Maut finden können.

Die Fragen des Abgeordneten Mag. Haupt nach einer Mautregelung in der Schweiz für den Fall der zu geringen Auslastung der Bahn und nach Schritten zur Entlastung Kärntens vom Transit­verkehr beantwortet Bundesminister Dr. Einem damit, daß ein Anlaß für solche speziellen For­derungen im vorliegenden Verhandlungsrahmen nicht gegeben sei. Gespräche über Vereinba­rungen zur Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene würden auch jetzt schon mit anderen Nachbarstaaten, die nicht der EU angehören, geführt werden. Nun aber gehe es um das Abkommen mit der Schweiz, und die damit verbundenen Chancen gelte es jetzt auszuloten.

Eine Regelung für den Fall der Unterauslastung der Bahn in Österreich werde sich nicht er­reichen lassen, wohl aber bestehe die Aussicht, die EU-Kommission in die Pflicht zu nehmen, wenn sich eine ungünstige Entwicklung im Straßengüterverkehr ergibt.

In Beantwortung der Fragen der Abgeordneten Dr. Moser stellt Bundesminister Dr. Einem fest, daß er sich als Verkehrsminister stets dafür eingesetzt habe, der Schweiz nicht in den Rücken zu fallen. Denn das österreichische Ziel bestehe nicht darin, die Schweiz unter Druck zu setzen, sondern in einer erträglichen Lösung der Probleme im Alpentransit.

Die Lösung, welche die Schweiz in ihren Gesprächen mit der EU erreicht hat, sei unter fiska­lischen Gesichtspunkten aus Sicht des schweizerischen Verkehrsministers als zu billig, hinge­gen aus Sicht mancher EU-Mitgliedstaaten wie zum Beispiel Deutschland als zu teuer zu quali­fizieren. Aus österreichischer Sicht seien primär nicht die Mautsätze in der Schweiz von Belang, sondern es komme vielmehr auf Vergleichbarkeit an, weil dadurch gewährleistet werden müsse, daß nicht infolge der Mautsituation in der Schweiz ein zusätzlicher Anreiz entsteht, durch Öster­reich als eine Art ”Diskonttransitland” zu fahren. Dieses Ziel sei in den bisher ausgehandelten Regelungen auf hervorragende Weise erreicht worden.

Es bestehe daher kein Grund, die Schweiz unter Druck zu setzen, aber es müsse klar gesehen werden, daß das Risiko, überhaupt nichts zu erreichen, relativ hoch sei, wenn das vorliegende Kompromißpaket nicht abgeschlossen wird.

Das Ziel der Grünen, den Güterverkehr und den Transitverkehr insgesamt zu reduzieren, sei zu begrüßen, und Bestrebungen zur Einschränkung jeglichen unnötigen Güterverkehrs seien unter­stützungswürdig. Aber jetzt sei keine Situation gegeben, die sich dazu eignet, solche Wünsche als Ziele festzuschreiben, sondern es gehe konkret darum, ein optimales Verhandlungsergebnis zu erreichen, nämlich auf relativ hohem Niveau die Interessen der Anrainer und der Umwelt in Österreich zu schützen.

Das Ziel der generellen Zurückdrängung des unnötigen Güterverkehrs sei zwar beispielsweise durch zunehmende Integration externer Kosten in die Kostenbelastung des Güterverkehrs er­reichbar, und im nächsten Verkehrsministerrat werde auf Basis des Grünbuches über die Wege­kostenrichtlinie zu diskutieren sein. Aber in Fragen, über die einstimmig zu befinden ist, sei die Bereitschaft zu weitreichenden Schritten nicht stark ausgeprägt. Nicht einmal die angestrebte Erhöhung des Preises der allgemeinen ”Eurovignette” von 6 auf 8 ECU – auch damit verbleibe der Preis noch im ”Trinkgeldbereich” – sei von vornherein gesichert.

Tatsächlich sei im Transitvertrag mit 1,2 Millionen LKW plus 8 Prozent eine absolute Ober­grenze für den LKW-Verkehr durch Österreich festgelegt. Diese Grenze werde derzeit nicht aus­geschöpft, und dies werde auch bei den erwarteten Wachstumsraten infolge eines Paketab­schlusses während der kommenden Jahre nicht der Fall sein. Österreich könne seinen Transit­vertrag nicht verlängern, wohl aber habe es die Chance, seine verkehrspolitischen Interessen nach Maßgabe des in der EU Möglichen in der stärksten rechtlichen Form zu verankern: in der Wegekostenrichtlinie. Damit könne letztlich die Konzeption des Transitvertrages über diese Richtlinie zu gemeinsamem EU-Recht gemacht werden. Dies sei als großer Schritt vorwärts zu betrachten.

Die Frage des Abgeordneten Mag. Barmüller, ob die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegenstandslos geworden sei, beantwortet Bundesminister Dr. Einem damit, daß sie bei Ab­schluß des Kompromißpakets vorläufig suspendiert und nach Erfüllung der Verpflichtungen, die Österreich eingegangen ist, zurückgezogen werde. Dies sei eine günstige Basis, weil selbst dann, wenn am 17. März kein Beschluß zustande kommt, der konstruktive Beitrag Österreichs Anerkennung erwarten lasse und die Kommission den Prozeß nicht ohne weiteres werde fortsetzen können, da das Scheitern nicht der österreichischen Seite anzulasten sei. Denn Österreich dafür zu ”prügeln”, daß beispielsweise einem anderen Mitgliedsland der Tarif in der Schweiz mißfällt, wäre auch unter den Bedingungen der EU nicht mehr gut vertretbar.

Einige grundsätzliche Anmerkungen seien zu der Frage nötig, ob Österreich eine ähnlich hohe Maut wie die Schweiz verlangen wird. Die Mautsätze in den beiden Staaten könnten von unter­schiedlichen Standpunkten aus betrachtet werden. Einer der Standpunkte nehme darauf Bezug, daß die Maut pro Kilometer in der Schweiz wesentlich niedriger als in Österreich sei. Es gehe aber überhaupt nicht um die Frage, ob die Mautsätze gleich hoch sind, sondern ausschlag­gebend sei die Frage, ob die Verkehrswege auf vergleichbare Weise belastet werden. Es müsse sichergestellt werden, daß jeder Fahrer den kürzesten Weg fährt.

Derzeit sei Österreich zum Beispiel auch deshalb als Transitland attraktiv, weil die LKW weder an der Grenze zu Deutschland noch an jener zu Italien stehenbleiben müssen, wenn sie aus einem Mitgliedstaat kommen oder bereits vorher abgefertigt wurden. Mit dem Schengener Übereinkommen sei ein Zeitvorteil entstanden. An den Schweizer Grenzen hingegen müsse mit einer Mindestwartezeit von derzeit 54 Minuten pro Fahrzeug gerechnet werden, und dadurch werde der Anreiz, über Österreich zu fahren, deutlich erhöht.

Selbst wenn weitere Hindernisse für den LKW-Verkehr – wie beispielsweise Geschwindigkeits­beschränkungen oder Überholverbote – in der Schweiz hinzukämen, würden sich dafür fiska­lische Ausgleichsmaßnahmen finden lassen. Damit, daß eine abstrakte Schutzklausel für Öster­reich vorgesehen sei – und zwar in Verbindung mit einer Verpflichtung der EU-Kommission, tätig zu werden, falls das Verlagerungsziel nicht erreicht wird –, habe Österreich das Optimum er­reicht. Denn über die Art der Maßnahmen werde es gegebenenfalls selbst entscheiden können.

Bundesminister Dr. Einem erklärt sich zu einer späteren Erörterung der Detailfragen des Abge­ordneten Mag. Barmüller über einzelne Vertragsartikel bereit und hebt in diesem Rahmen grundsätzlich hervor, daß eine Gesamtlösung nur mit dem Abschluß des Abkommens mit der Schweiz, des Österreich-Paketes und der Wegekostenrichtlinie zu erreichen sein werde. Wenn sich beispielsweise die Erhöhung von 6 auf 8 ECU für die ”Eurovignette” im Rahmen der Wege­kostenrichtlinie nicht durchsetzen läßt, werde Deutschland mit Sicherheit nicht zustimmen. Ent­weder werde eine Paketlösung kommen, oder es werde keine Lösung geben.

Im Artikel 60 des geplanten Abkommens zwischen der Schweiz und der Europäischen Union sei festgelegt, daß sämtliche sieben Dossiers, die diesen Vertrag insgesamt ausmachen, in Kraft treten müßten. Gleiches verlange auch Österreich: Es werde nur einer Paketlösung zustimmen. Diese sei die Bedingung für die Einstimmigkeit im Allgemeinen Rat und für die Einleitung einer entsprechenden Entwicklung.

Das Kontingent von 120 000 Genehmigungen für 40-Tonnen-LKW sei nach österreichischer Auffassung in den ersten beiden Jahren nach Abkommensabschluß primär zur Rückverlagerung des Verkehrs dieser Gewichtsklasse in die Schweiz zu nützen und solle nicht primär für bilate­rale Fahrten herangezogen werden. Denn die notwendigen bilateralen Fahrten sollten weiterhin im gegebenen Rahmen vor sich gehen und sich erst dann, wenn das Problem der Rückver­lagerung gelöst worden ist, auf das Kontingent erstrecken. Auch für bilaterale Fahrten, die nicht in die Schweiz erfolgen, solle dieses Kontingent nicht genützt werden, damit es zu keiner Verrin­gerung der Möglichkeiten zur Rückverlagerung kommt. Diese Fahrten könnten im Rahmen der heute bestehenden Regelung durchgeführt werden, sowohl mit 40-Tonnen-LKW im Grenzbe­reich – dafür gebe es Ausnahmebestimmungen – als auch mit 28-Tonnen-LKW.

Zur Ausweitung der Mautstrecke in Tirol stellt Bundesminister Dr. Einem fest, daß wegen der niedrigeren Bau- und Betriebskosten auf der unteren Inntal-Strecke auch nur ein geringerer Anteil an der gesamten Maut auf diesen Teil der Straße entfallen könne. Der weitaus größere Anteil müsse dem Abschnitt zwischen Innsbruck und Brennersee vorbehalten bleiben. Dieser Ansicht sei auch die EU-Kommission.

Bereits im Transitprotokoll seien die Vorgaben für die Finanzierung der Eisenbahnzulauf­strecken festgehalten. Die EU-Kommission habe schon bisher nicht unbeträchtliche Mittel für die Planung des Ausbaues der Inntal-Strecke und letztlich auch des Brenner-Basistunnels zur Ver­fügung gestellt. Dadurch sei ein Großteil der bisher angefallenen Planungskosten abgedeckt worden. Daran lasse sich nicht nur der gute Wille der Kommission, sondern auch eine konkrete Bereitschaft zur Beitragsleistung erkennen.

Auch das Feiertags- und Nachtfahrverbot sei für Österreich von Bedeutung. Der Standpunkt der Kommission habe sich in dieser Frage maßgeblich zugunsten Österreichs verändert. Zwar plane die Kommission immer noch einen entsprechenden Richtlinienvorschlag, aber dieser beziehe sich nur noch auf künftig auftretende Fragen und sehe nicht mehr die Änderung bestehender Regelungen vor. Erst kürzlich habe Verkehrskommissar Kinnock erklärt, daß er nicht daran denke, durch die geplante Richtlinie bestehende Nachtfahrverbote aufzuheben, sondern daß nur die Verhängung künftiger Fahrverbote dadurch eingeschränkt werden solle. Es sei vorstellbar, daß für diese Wendung zu einer freundlicheren Haltung auch der Einfluß des österreichischen Kommissars eine Rolle gespielt habe.

Mittlerweile scheine einigermaßen gesichert zu sein, daß Österreich die qualifizierte Minderheit zur Verhinderung einer Abstimmung gegen seine Interessen erreicht hat. Es lägen Zusiche­rungen von seiten des französischen und des deutschen Verkehrsministers vor, sodaß Öster­reich im Verein mit diesen beiden Staaten sowie mit Luxemburg in hinreichender Stimmenzahl gegen eine Veränderung der bestehenden Rechtslage stimmen könne. Offenbar habe der Ver­kehrskommissar seine Haltung auch unter dem Eindruck der Aussichtslosigkeit eines entspre­chenden Vorstoßes angesichts dieser qualifizierten Minderheit geändert.

Zu dem Einwand des Abgeordneten Ing. Nußbaumer, daß Österreich nur für die Brenner-Strecke, die Schweiz jedoch für alle Strecken des Nord-Süd-Transits eine Maut zugestanden bekomme, führt Bundesminister Dr. Einem aus, daß in Österreich tatsächlich nur die Strecke über den Brenner für den Transit von Norden nach Italien relevant sei. Daher sei aus öster­reichischer Sicht auch nur eine Regelung für diese Transitstrecke notwendig. Es sei jedoch wünschenswert, daß die Schweiz in den Verhandlungen hart bleibt, weil dies Österreich einen brauchbaren Hebel an die Hand gebe. Eben deswegen sehe sich Österreich auch nicht ver­anlaßt, wegen der Maut gegen die Schweiz vorzugehen, denn damit sei ein wichtiges Instrument verfügbar, mit dessen Hilfe das österreichische Transitverkehrsregime am Leben erhalten werden könne.

Die Frage, wie weit er in der Kompromißfindung zu gehen bereit sei, beantwortet Bundesmi­nister Dr. Einem damit, daß zwar eine gewisse Flexibilität gegenüber den angewandten Mitteln, jedoch kein Abrücken von den vitalen Interessen Österreichs vorstellbar sei. Wenn es nicht gelinge, in überprüfbarer Frist und in überprüfbarer Menge den LKW-Umwegverkehr wieder wegzubringen, dann sei damit ein Punkt erreicht, an dem Österreich nein sagen müsse. Das nunmehr vorliegende Kompromißangebot biete jedoch sehr gute Gründe, für das Schweiz-Paket, für den Kompromiß zwischen Österreich und der EU sowie für eine Anhebung der Wege­kostenrichtlinie zu stimmen.

Obmannstellvertreter Dr. Heinrich Neisser stellt fest, daß nach dieser erschöpfenden Aus­kunft von Bundesminister Dr. Einem keine Wortmeldung mehr vorliegt. Er schließt die Debatte und schreitet zu den Abstimmungen über die vorliegenden drei Anträge auf Stellungnahme ge­mäß Art. 23e Abs. 2 B-VG.

Der erste Antrag der Abgeordneten Rosenstingl und Kollegen betreffend Wegekostenrichtlinie – er zielt auf die Herbeiführung eines erhöhten Schutzes Österreichs vor dem Transitverkehr ab – wird mehrheitlich abgelehnt.

Der zweite Antrag der Abgeordneten Rosenstingl und Kollegen betreffend Wegekostenricht­linie – er sieht diverse Baumaßnahmen für den Fall vor, daß keine deutliche Reduktion des Transitverkehrs auf der Brenner Autobahn erreicht wird – wird ebenfalls mehrheitlich abge­lehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser betreffend nachhaltige Reduktion des alpen­querenden Straßengütertransits erhält nur die Stimme der Antragstellerin und wird somit mehrheitlich abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Wie bereits vereinbart, wird die nächste Sitzung des Hauptausschusses am 13. März 1998 un­mittelbar nach Schluß der Sondersitzung des Nationalrates stattfinden.

Obmannstellvertreter Dr. Neisser erklärt die heutige Sitzung für geschlossen.

Schluß der Sitzung: 18.25 Uhr

 

                                        Österreichische Staatsdruckerei: 85 0130