IV-18 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Mittwoch, 3. Juni 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XX. Gesetzgebungsperiode                                Mittwoch, 3. Juni 1998

Tagesordnung

 

1. Geschäftsbericht für das Jahr 1997 des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus (Vorlage 135 HA)

2. BMaA III.1/ESiat

Tagungskalender der österreichischen EU-Präsidentschaft 2. Halbjahr 1998 (Stand: 27. Mai 1998)(48645/EU XX. GP)

3. Antrag des Bundesministers für Inneres auf Zustimmung zur Erlassung der Verordnung über die Sondereinheiten der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit (Sondereinheiten-Verord­nung) (Vorlage 132 HA)

4. Bericht des Bundesministers für Finanzen über das Ausmaß der aufgrund des Ausfuhrför­derungsgesetzes 1981 übernommenen Haftungen, Haftungsinanspruchnahmen und Rückflüsse aus Haftungsinanspruchnahmen in der Zeit vom 1. Jänner bis 31. März 1998 (1. Quartal 1998) (Vorlage 134 HA)

5. Antrag der Bundesregierung betreffend Herstellung des Einvernehmens hinsichtlich der Be­nennung des ordentlichen Mitglieds des Verwaltungsrates der Europäischen Investitionsbank (Vorlage 133 HA)(Wiederaufnahme der am 20. Mai 1998 vertagten Verhandlungen)

Beginn der Sitzung: 15.32 Uhr

(Nach Abwicklung des Tagesordnungspunktes 1 beginnen die Beratungen des Hauptausschus­ses zu EU-Angelegenheiten um 15.36 Uhr.)

2. Punkt

BMaA III.1/ESiat Tagungskalender der österreichischen EU-PräSidentschaft  2. Halbjahr 1998 (Stand: 27. Mai 1998)(48645/EU XX. GP)

Obmann Dr. Heinz Fischer kündigt an, daß für die Debatte über den Tagungskalender der öster­reichischen EU-Präsidentschaft – nach einleitenden Stellungnahmen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers – zwei Stunden vorgesehen seien. Die Redezeit für die Fraktionen beträgt je 26 Minuten für SPÖ, ÖVP und Freiheitliche sowie je 20 Minuten für Liberales Forum und Grüne.

In dieser Debatte werde grundsätzlich folgende Voraussetzung zu beachten sein. Das Recht des Hauptausschusses, Empfehlungen zu fassen oder die Haltung österreichischer Regierungsmit­glieder zu binden, beziehe sich im bevorstehenden halben Jahr des EU-Vorsitzes auf das Agie­ren österreichischer Regierungsmitglieder in deren Eigenschaft als Vertreter des Staates Österreich, nicht aber auf deren Tätigkeit als – gemäß EU-Vertrag fungierende – Vorsitzende im Rahmen von EU-Institutionen. Denn diese Vorsitzenden hätten ihre Funktionen überparteilich auszuüben. Sie seien allen 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union in gleicher Weise ver­pflichtet und könnten nicht vom Hauptausschuß eines einzigen Staates verpflichtet werden, im Vorsitzendenamt bestimmte Schritte zu tätigen oder zu unterlassen. In der Funktion des über­parteilichen Vorsitzenden seien die Regierungsmitglieder an keinerlei Weisungen irgendeines Staates gebunden.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima leitet seine Ausführungen mit dem Hinweis darauf ein, daß zum Zeitpunkt der erstmaligen Übernahme der EU-Präsidentschaft durch Österreich, also zum 1. Juli 1998, zwei entscheidende Prozesse in der Europäischen Union im Gange sein würden.

Erstens sei dies der Prozeß der Vertiefung der Beziehungen der Mitgliedstaaten zueinander. Das Projekt einer gemeinsamen europäischen Währung habe nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Beweggründe. Bundeskanzler Mag. Klima erinnert daran, daß er vor wenigen Tagen als “Incoming President” mit der offiziellen Einsetzung der sechs Direktoren der Euro­päischen Zentralbank bereits den ersten offiziellen Akt im Rahmen seiner bevorstehenden EU-Funktion vorgenommen habe. Der Grund dafür habe darin bestanden, daß der britische Pre­mierminister mangels Teilnahme Großbritanniens an der Währungsunion zu diesem Akt nicht berechtigt gewesen sei.

Die gemeinsame Währung werde Europa wirtschaftlich eine zusätzliche Chance bieten. Maß­geblich sei auch, daß sie eine besser koordinierte Wirtschafts-, Fiskal-, Beschäftigungs- und Außenwirtschaftspolitik zur Folge haben werde.

Der zweite entscheidende Prozeß sei die gleichzeitig erfolgende schrittweise Erweiterung der Europäischen Union. Diese sei insbesondere für Österreich infolge seiner Position in Mittel­eu­ropa mit zahlreichen traditionellen Beziehungen zu den anderen Staaten Mitteleuropas wichtig. Österreichs Interesse sei nicht nur unmittelbar auf die Beitrittsverhandlungen mit den 5 + 1 Staaten gerichtet, sondern auch darauf, die Beitrittspartnerschaften mit den anderen fünf Staaten, die bereits Beitrittsansuchen abgegeben haben, mit Leben zu erfüllen.

Von entscheidender Bedeutung werde es sein, daß Österreich zusätzlich die Chance nützt, die Beziehungen zu den Staaten zu beleben, die mit Europa – zum Beispiel über Assoziations­abkommen – Bindungen eingehen wollen. Ein Beispiel dafür seien klare Signale an die Ukraine – ein Land mit 50 Millionen Einwohnern, das sich derzeit in einer schwierigen wirt­schaftlichen Lage befinde und dessen Grenze im übrigen näher zu Wien gelegen ist als Bregenz –, aus denen die Bereitschaft der Europäischen Union zur technischen, organisato­rischen und infrastrukturellen Unterstützung der Umstrukturierung und Reform der Wirtschaft hervorgeht, und zwar mit dem Ziel, daß die politische Führung den europaorientierten Kurs beibehält.

Es sei eine Aufgabe Österreichs, diese derzeit in der Europäischen Union vor sich gehenden Prozesse im Sinne eines ehrlichen Maklers und im Hinblick auf ein gemeinsames, friedliches Europa weiterzuentwickeln. Die österreichische Bundesregierung habe versucht, sich bestmög­lich darauf vorzubereiten und aus den Erfahrungen anderer Präsidentschaften wie zum Beispiel der niederländischen, der luxemburgischen oder der britischen zu lernen. Dies sei auch der Anlaß für diverse Diskussionen, die derzeit stattfänden, wie beispielsweise jene des österreichischen Außenministers mit seinem britischen Amtskollegen Cook. In zwei Tagen stehe der Besuch des britischen Premierministers Blair in Österreich bevor.

Es gehe darum, eine möglichst reibungsfreie Übergabe der Präsidentschaft von Großbritannien an Österreich vorzubereiten, aber auch darum, zu lernen, welche Schritte es im Sinne einer erfolgreichen Präsidentschaft zu vermeiden gilt.

Zwar würden die Gipfeltreffen im Vordergrund der kommenden Aktivitäten stehen, aber außer­dem werde es im Rahmen der österreichischen Präsidentschaft um die Leitung zahlreicher anderer Veranstaltungen gehen, etwa von ungefähr 40 Ministerräten oder von 1 300 bis 1 600 Treffen auf Ebene der Beamten in den Ratsarbeitsgruppen. Hinzu kommen würden – auf die neun Bundesländer aufgeteilt – elf sogenannte informelle Ministertreffen in Österreich. Weiters habe der Ratsvorsitz ständige und permanente Kontakte mit dem Europäischen Parlament und dessen Ausschüssen zu halten.

Der Hauptteil der Arbeiten werde wie üblich in Brüssel selbst geleistet werden müssen. Jedoch würden zahlreiche wesentliche begleitende Tagungen und Konferenzen in Österreich abgehal­ten werden. Deren größte und organisatorisch mit der größten Herausforderung verbundene werde der Europäische Rat am 11. und 12. Dezember 1998 in Wien sein.

Bereits seit vergangenem Jahr arbeite die Bundesregierung – wie sie sich dies für die Präsi­dentschaft vorgenommen habe – in aller Konsequenz und Bescheidenheit am Arbeitsprogramm des Vorsitzes. Darin seien die wesentlichen Vorhaben der österreichischen Präsidentschaft dargestellt.

Es verstehe sich von selbst, daß die Schlußfolgerungen der bevorstehenden Konferenz von Cardiff bei einigen Themen den Rahmen für mögliche Fortschritte im nächsten Halbjahr mitbe­stimmen würden. Es entspreche ständiger Usance der Europäischen Union, daß das Präsident­schaftsprogramm erst nach dem unmittelbar vorangehenden Europäischen Rat präsentiert werden könne. Daher könne die österreichische Bundesregierung dem Hauptausschuß derzeit noch kein Präsidentschaftsprogramm übergeben.

Es werde wichtig sein, Kontinuität in den beiden eingangs geschilderten Prozessen walten zu lassen, damit die angestrebten Ziele ambitioniert verfolgt werden können. Eine Aufgabe Öster­reichs werde die konsequente Umsetzung der europäischen Beschäftigungsstrategie sein, aber es werde auch darauf ankommen, die letzten Vorbereitungsarbeiten für die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion durchzuführen sowie das Reformpaket der Agenda 2000 und – in deren Zusammenhang – den Erweiterungsprozeß weiterzuentwickeln. Dazu kämen als weitere hauptsächliche Maßnahmenbereiche während der österreichischen Präsidentschaft der Umweltschutz und die innere Sicherheit.

Obmann Dr. Heinz Fischer begrüßt den soeben eingetroffenen Vizekanzler Dr. Schüssel und ersucht ihn, die einleitende Stellungnahme seitens der Regierung fortzusetzen.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel bittet um Verständnis dafür, daß er mit knapper Verspätung zu dieser Sitzung des Hauptausschusses gekommen ist, und führt aus, daß er unmittelbar vorher von Arbeitsgesprächen mit dem britischen Außenminister Cook in London zurückgekehrt sei. Die Konferenz im Chatham House stelle sozusagen eine traditionelle Plattform für internationale Politik dar und biete auch für Österreich eine gute Gelegenheit, sich zu präsentieren.

Das Ergebnis der mehr als drei Stunden langen Unterredung mit dem britischen Außenminister sei äußerst befriedigend. Es sei zu einer sehr engen Abstimmung in bezug auf die Übergabe der Themen der in 26 Tagen beginnenden österreichischen Präsidentschaft gekommen. Das näch­ste Woche folgende Gipfeltreffen in Cardiff werde auch für Österreich entscheidende Weichen­stellungen mit sich bringen.

Das erste dieser Themen, der Euro, sei im Hauptausschuß ausdiskutiert und bedürfe derzeit keiner speziellen Erörterungen mehr. Österreich sei auf dieses gesamteuropäische Projekt gut vorbereitet und habe bereits einen Sitz im Euro-11-Rat. Dort habe inzwischen Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger seine erste Bewährungsprobe ausgezeichnet bewältigt.

Das zweite Thema, die Erweiterung der Europäischen Union, beginne nunmehr heikel zu werden. Es sei ganz offen einzuräumen, daß für die Kandidatenländer – wie von Vizekanzler Dr. Schüssel immer schon vorausgesagt – in einigen entscheidenden Bereichen die Nagelprobe bevorstehe. Auch innenpolitisch begännen dort jetzt viele Fragen aufzubrechen, die in der ersten Phase der grundsätzlichen Schritte – wie der Einladung und der Bewertung der EU-Reife – nicht im Vordergrund gestanden seien.

In der organisatorischen Vorbereitung sei es nun soweit, daß sich die Mühen der Ebene zeigen, beispielsweise in Polen, weil dort der Staatspräsident eine etwas andere Position bezogen habe als der Regierungschef und weil zahlreiche Parallelitäten zwischen Außen- und Europamini­ste­rium festzustellen seien. Insgesamt müsse dort die Koalitionsregierung erst ihren Weg finden. Dies alles seien selbstverständliche Begleiterscheinungen, wie sie auch die “klassischen neuen Mitglieder” – Schweden, Finnland und Österreich – durchlaufen hätten.

In den Kandidatenländern, insbesondere den an Österreich grenzenden, werde eine gewisse Sorge laut: wegen eines möglichen “Ausverkaufes” – vor allem von Grund und Boden – und wegen einer zu befürchtenden Überfremdung, in deren Zuge Schlüsselindustrien in auslän­dische Hände geraten könnten. Daher seien Überlegungen im Gange, einen Ausgleich dafür durch geeignete “Safeguards” und Übergangsregimes zu schaffen. Dies sei als ein Schritt zur Normalität zu betrachten.

Teils seien Befürchtungen laut geworden, daß der Erweiterungsprozeß künftig langsamer vor sich gehen werde. In dieser Hinsicht seien die Ausführungen des xxx vgl. Task-Force-Leiters Van der Pas darüber, daß die Erweiterung länger dauern werde, als ein Punkt zu nennen, der mit Außenminister Cook ausdiskutiert worden sei. Die politischen Verhandlungen würden in einem Parallelverfahren beginnen, und bereits Ende März 1998 – nach Etablierung der Task Force – habe die Kommission mit dem Acquis-Screening begonnen. Das österreichische Mitglied im Verhandlungsteam der EU-Kommission zur Vorbereitung der Osterweiterung – der Task Force –, Leopold Maurer, sei für zwei wichtige Dossiers zuständig, jenes über das Zypern-Kapitel und jenes über den Binnenmarktsektor im Bereich der sechs Beitrittskandidaten, die bereits in Regierungskonferenzen eingebunden sind.

Vizekanzler Dr. Schüssel gibt seiner Erwartung Ausdruck, daß die Kommission im Rahmen einer Erstbewertung die ersten Kapitel bis Juli fertigstellen werde. Mit der Fertigstellung des gesamten Acquis sei für Mitte 1999 zu rechnen. Aber mit den Verhandlungen werde nicht erst dann begonnen werden, sondern das österreichische Bestreben sei darauf ausgerichtet, schon unter dem eigenen Vorsitz auf Expertenebene in den Arbeitsgruppen und auf COREPER-Ebene eine oder zwei Verhandlungsrunden in die Wege zu leiten. Für November sei ein erstes Mini­stertreffen für politische Verhandlungen in Aussicht genommen. Ein erster Bericht der EU-Kom­mission über die elf Kandidaten sei für die Konferenz in Wien vorgesehen. Dies sei insbe­sondere für jene fünf Kandidaten von Bedeutung, die noch nicht an Regierungskonferen­zen teilnehmen.

Ein dritter wichtiger Bereich sei die Agenda 2000. Ein klare Festlegung gebe es im Hinblick auf einen neuen Zeitplan, der auf dem Gipfeltreffen in Cardiff vorgeschlagen werden solle und wonach ein Abschluß noch in der laufenden Parlamentsperiode, also vor Juni 1999 – intern sei die Rede von einem Gipfeltreffen unter deutschem Vorsitz im März –, zustande kommen solle. Zwar seien größtmögliche Fortschritte in den relevanten Ministerräten auf technischer und politi­scher Ebene – dafür werde von britischer Seite die Aufnahme einer entsprechenden Formu­lierung in die Schlußfolgerungen angestrebt – für die Zeit bis zum Gipfeltreffen in Wien vorge­sehen, aber ein Endergebnis der Agenda 2000 werde mit Sicherheit nicht unter österreichi­schem Vorsitz machbar sein. Dabei falle überdies ins Gewicht, daß einige ergänzende Stellung­nahmen der Kommission nicht vor Oktober zu erwarten seien, zum Beispiel der Eigenmittel­bericht, aber auch die Abschätzung einiger Auswirkungen der Erweiterung auf die Landwirt­schafts- oder auf die Strukturreformdiskussion.

Das Thema Beschäftigung habe für Österreich ebenso zentrale Bedeutung wie für Groß­britannien. Ausgehend vom Gipfeltreffen zur Beschäftigungspolitik in Luxemburg spanne sich ein Bogen über drei Präsidentschaften, dieser reiche über die Vorlage der 15 Aktionspläne im März und April 1998 und die erste Bewertung durch die Kommission – sie werde in Cardiff einen eigenen Bericht darüber vorlegen – bis hin zum Gipfeltreffen in Wien. Dort sei vorgesehen, in Kenntnis der vorliegenden Berichte und nach ausführlicher Diskussion in den relevanten Ministerräten zu den neuen “Guidelines” auf europäischer Ebene für 1999 zu kommen.

Vizekanzler Dr. Schüssel äußert die Hoffnung, daß zum einen aufgrund der besseren Konjunk­turlage, aber zum anderen auch aufgrund der gemeinsam neu geschaffenen Rahmenbedin­gungen – wie sie durch die Konvergenzprogramme, verbesserte Investitionsbedingungen, nied­rige Zinsen zustande gekommen seien – am Ende der österreichischen Präsidentschafts­periode in der Europäischen Union ungefähr eine Million Arbeitsplätze mehr als im Dezember 1997 bestehen würden.

Einige Themen wolle Österreich in der Nachfolge der britischen Präsidentschaft weiterführen. Ein Projekt sei das “Greening of Europe”, also eine grüne Agenda in gut durchdachter euro­päischer Koordinierung jenseits nationaler Alleingänge. Die britischen Vorarbeiten würden im Umweltministerrat Mitte Juni weitere wichtige Ergänzungen erfahren. In deren Fortsetzung plane Österreich Maßnahmen in bezug auf Kraftfahrzeug- und Lärmemissionen.

Vizekanzler Dr. Schüssel gibt weiters seiner Hoffnung Ausdruck, daß Österreich zur Schonung gefährdeter Fischarten verbesserte Fischfangmethoden werde finden können. Alle diese The­men seien insbesondere für österreichischen Parlamentarier von großer Bedeutung. Es habe in diesem Bereich einige Initiativen von seiten der Parlamentarier und der Klubs gegeben.

Im Bereich der Sicherheit werde Österreich die Frage der Kinder als Spezialthema zusätzlich in den Vordergrund rücken. Es gelte, auf internationaler Ebene den Kampf gegen die Ausbeutung von Kindern zu führen. Entsprechende Stichworte seien “Kinderarbeit” und “sexueller Mißbrauch von Kindern”. Die Verwendung des Internets für die Verbreitung von Kinderpornographie müsse zu einem Weltthema gemacht werden, und dazu könne die Europäische Union einiges bei­tragen.

Für den besonders wichtigen Bereich der gemeinsamen Außenpolitik sei für die Zeit der öster­reichischen Präsidentschaft vor allem die Beschäftigung mit den tragischen und explosiven Ereignissen auf dem westlichen Balkan, im Kosovo, abzusehen. Derzeit seien dort Tausende Menschen auf der Flucht. Vizekanzler Dr. Schüssel kündigt für 5. Juni 1998 eine Reise an, die ihn nach Belgrad und – als ersten EU-Außenminister – nach Priština führen werde. Es werde dies ein bilateraler Besuch sein, jedoch diene er auch der Vorbereitung der EU-Präsidentschaft.

Österreich werde alles dafür tun, den Dialog als erste Vorbedingung für den Frieden nicht abreißen zu lassen. Notfalls werde auch die Möglichkeit ins Auge gefaßt werden, durch inter­national abgestimmte Maßnahmen – im zweiten Halbjahr 1998 werde Österreich auch der Kontaktgruppe als Mitglied angehören – sowohl Belgrad als auch die Führung im Kosovo dazu zu bringen, den friedlichen Dialog aufrechtzuerhalten. Im Rahmen der NATO würden – im Hinblick auf eine Feasibility-Studie – gewisse Aktionen durchdacht werden. Es sei nötig, sich rechtzeitig mit solchen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Auch die Manöver, die im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden derzeit in Mazedonien und in Albanien im Gange seien, hätten letztlich den Sinn, vor allem Belgrad gegenüber den Ernst der Situation klarzu­machen.

Bilateral habe Österreich sich durch Besuche des Bundeskanzlers und des Außenministers im Nahen Osten stark engagiert. Dies sei ein für Österreich klassisches und notwendiges Thema, nicht nur im Hinblick auf Israel und Palästina, sondern auch auf andere Staaten dieser Region wie Jordanien, Syrien, Libanon und Ägypten. Einbezogen in diesen Themenbereich sei überdies der gesamte Mittelmeerraum.

Zum Thema Menschenrechte plane Österreich für Dezember – im Vorfeld des Wiener Gipfel­treffens – eine Gedenkveranstaltung aus Anlaß der Deklaration der Menschenrechte vor 50 Jahren. Entsprechende Veranstaltungen seien auch in New York und in Paris – dem Ort der Deklaration – vorgesehen. Österreich werde seine EU-Präsidentschaft ganz bewußt für einen solchen Impuls nützen.

Vizekanzler Dr. Schüssel schließt seine erste Stellungnahme mit dem Hinweis, daß dieser Überblick mangels hinreichenden Zeitrahmens nicht komplett habe ausfallen können.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) führt aus, daß ohne Liebedienerei oder Schmeichelei gesagt werden könne: Österreich sei sehr, sehr gut auf die EU-Präsidentschaft vorbereitet. Unkenrufe mancher Zeitungen und Oppositionspolitiker hätten sich als völlig unberechtigt erwiesen. Die technische und inhaltliche Vorbereitung sei wirklich gut vor sich gegangen.

Abgeordneter Schieder stellt in bezug auf das Leihpersonal, das zur Organisation der österreichischen Präsidentschaft aufgenommen wird, die Frage, ob es sich dabei um Bürokräfte – und nicht um anderes Personal – handle. Seiner Ansicht nach werde das aka­demische Personal vorwiegend aus dem Außenamt, dem Bundeskanzleramt oder den jeweils befaßten Ministerien zusammengezogen und möglicherweise durch andere Beamte ergänzt werden. Die in Zeitungen geäußerten Vermutungen würden nicht auf akademisches Personal zutreffen.

Im Zusammenhang mit den inhaltlichen Vorbereitungen seien in ausländischen Zeitungen Kom­mentare zu der Frage erschienen, inwieweit Änderungen im Bereich der Fonds unter österrei­chischer Präsidentschaft vorbereitet oder diskutiert werden könnten, solange die Wahlen in Deutschland noch nicht stattgefunden haben. Möglicherweise sei es klug, darauf zu warten, stellt Abgeordneter Schieder in persönlicher Einschätzung fest. Er ersucht die Regierungsseite um eine Stellungnahme zu dieser Frage.

Dank gebühre dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler für die Aussage, daß die ersten kon­kreten Schritte zur Erweiterung im kommenden Halbjahr gesetzt werden. Dies sei ein wichtiges Zeichen, welches Österreich seinen Nachbarländern schuldig sei.

Abgeordneter Schieder führt aus, daß er in vielen Punkten mit den vorliegenden Anträgen auf Stellungnahme – insbesondere jenem des Liberalen Forums – übereinstimme, fügt jedoch die Frage hinzu, ob es fair sei, ein Übermaß an Forderungen und Erwartungen vorzulegen. Der umfangreiche Antrag des Liberalen Forums sehe danach aus, daß von der österreichischen Präsidentschaft so viel verlangt wird, daß auf jeden Fall etwas übrigbleibt, das nicht erfüllt werden kann. Aufgrund dessen würde nachher ein entsprechender Vorwurf erhoben werden können. Diese Vorgangsweise sei abzulehnen, daher könne dem Antrag nicht zugestimmt wer­den.

Das österreichische Parlament müsse auch ein Augenmerk auf die Zusammenarbeit der einzel­nen Parlamente und deren Behandlung unter dem österreichischen Vorsitz haben. Daher sei dankbar zu vermerken, daß die Kontakte mit dem Europäischen Parlament gewährleistet wer­den, daß Bundeskanzler und Vizekanzler zur Teilnahme an einer COSAC-Sitzung bereit seien – dies sei insbesondere im Hinblick auf die Verankerung im Vertrag von Amsterdam wichtig – und daß die Zusage für die Sitzung der außenpolitischen Ausschüsse vorliegt. Es sei wichtig, daß Österreich – wie auch Luxemburg und die Niederlande – mit den Spitzen der Regierung vertreten ist, im Gegensatz dazu, wie Großbritannien dies gehandhabt habe. Österreich werde sich nicht der Kritik aussetzen, daß während seiner Präsidentschaft für die anderen Parlamente zuwenig erreicht worden sei.

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche) stellt fest, daß die Erwartungen der öster­reichischen Bevölkerung an die heimische Ratspräsidentschaft sehr hoch seien. Bei aller Anerkennung der Bemühungen des Vizekanzlers um aussterbende Fischarten sei festzustellen, daß dies zur Befriedigung der Erwartungshaltung nicht ausreichen werde.

Die Vermutung der Freiheitlichen, daß Bundeskanzler Mag. Klima eine Routinepräsidentschaft anstrebe, werde auch durch dessen heutige Aussagen gestützt. Er habe zwar einige Schwer­punkte genannt, mit denen er sich beschäftigen wolle, sei dem österreichischen Parlament aber unter Hinweis auf das Treffen von Cardiff ein Arbeitsprogramm bisher schuldig geblieben. Man könne darüber diskutieren, ob es sinnvoll sei und den Gepflogenheiten der Europäischen Union entspreche, einer breiten Öffentlichkeit ein solches Programm zu präsentieren. Es sei aber in Frage zu stellen, ob es tragbar sei, daß die Abgeordneten des österreichischen Parlaments und insbesondere der Hauptausschuß – ihm gegenüber sei der Bundeskanzler inhaltlich verantwortlich – so knapp vor der Präsidentschaft noch nichts dergleichen in der Hand hätten.

Dies könne von seiten des Parlaments nicht hingenommen werden. Wenn es die vom Bun­deskanzler immer wieder eingeforderte Partnerschaft in diesen wichtigen Fragen geben solle, müsse der Bundeskanzler den Abgeordneten auch die Chance geben, seine Präsidentschafts­schwerpunkte konkret zu beurteilen. Daher ergehe der Appell an den Bundeskanzler, diese Unterlagen rasch vorzulegen. Wenn der Bundeskanzler in dieser Sitzung noch nicht konkret seine Arbeitsschwerpunkte im einzelnen darlegen könne, möge er die folgenden Fragen beant­worten:

Was werden Sie von der britischen Ratspräsidentschaft konkret übernehmen? Worin bestehen die europäischen Vorgaben für das zweite Halbjahr 1998? Welchen Inhalt hat konkret Ihr Arbeitsprogramm? Wann werden Sie es dem Parlament übermitteln, oder wann wird es fertiggestellt sein? Welche Themen sind für Österreich von entscheidender Bedeutung? Wo wollen Sie während des Vorsitzes die Prioritäten und Schwerpunkte setzen? Welche konkreten nationalen Anliegen und welche Anliegen der österreichischen Bevölkerung will Österreich wann und wie thematisieren, forcieren und umsetzen? Was soll am Ende der österreichischen Rats­präsidentschaft an konkreten Fortschritten erkennbar sein? Was muß eintreten, damit die Bun­desregierung von einem Erfolg der österreichischen Präsidentschaft sprechen kann oder will?

Als Agrarsprecher seiner Fraktion kommt Abgeordneter Ing. Reichhold auf zwei Schwerpunkte, die Agenda 2000 und die – letztlich damit verbundene – Osterweiterung, zu sprechen. Die Agen­da 2000 sei eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür, die Osterweiterung überhaupt zu ermöglichen.

Die österreichische Bauernschaft und ihre Vertreter verfolgten die aktuelle Diskussion in Brüssel mit großer Sorge. Das Fischler-Programm sehe Preiskürzungen um 20 Prozent vor, und Kom­pensation sei nur für die Hälfte dieser Kürzungen geplant. Schlechterstellungen von Alternativ­kulturen im Ölsaatenbereich würden den Druck auf die Getreidekulturen – dort werde ohnehin mit Überschuß produziert – weiter verstärken und dadurch die Preissituation für die heimischen Betriebe noch nachteiliger gestalten. Ähnlich sei die Lage im Grünland- und im Viehhaltungs­bereich.

Präsident Schwarzböck habe kürzlich in einer Fachzeitschrift dargelegt, daß es in durch­schnittlichen landwirtschaftlichen Betrieben zu Einkommenseinbußen im Ausmaß von rund 20 Prozent kommen werde. Diese Fakten seien vom obersten Bauernvertreter Österreichs unter dem Titel “Kein Hof könnte die Agenda verkraften” publiziert worden. Auch damit werde der Ernst der Lage deutlich gemacht. Die Freiheitlichen seien bereit, gemeinsame Lösungen der Probleme über die Parteigrenzen hinweg anzustreben.

Die Erwartungshaltung der Bauern sei auf einen Tiefstand gesunken. Angesichts dessen sei es abzulehnen, daß Vizekanzler Dr. Schüssel sich zurückziehe und sich damit abfinde, im kommenden Halbjahr keine Lösungen zu finden. Zwar sei zu erwarten, daß es nicht zu einem Schlußpunkt unter dieser sehr breit angelegten Diskussion kommen wird, wohl aber sei nachhaltig die Frage nach der Schwerpunktsetzung der österreichischen Bundesregierung zu stellen.

Abgeordneter Ing. Reichhold fragt daher: Was werden Sie tun, damit die Höfe die Agenda 2000 verkraften? Was werden Sie tun, damit die Osterweiterung – der Wifo-Experte Matthias Schnei­der habe darüber gesagt, daß damit ein schlafender Riese geweckt werde – bewältigt werden kann, ohne die agrarische Struktur zu gefährden, auf die Österreich stolz ist, die eng mit unserem kulturellen Leben verbunden ist und letztlich die Wurzeln unseres Landes bildet? Wie wollen Sie das alles unter einen Hut bringen?

Darauf gebe es bis jetzt keine konkreten Antworten. Es habe nur das Vorpreschen einiger sehr einflußreicher europäischer Staaten gegeben, die auch im Bereich der Landwirtschaft die Globa­lisierung anstreben würden. Damit gehe die Industrialisierung der Landwirtschaft einher, und dies werde auf längere Sicht das Ende der gewohnten bäuerlichen Struktur herbeiführen.

Diese Fragen seien nicht nur für die Bauern, sondern für die gesamte österreichische Bevöl­kerung von Interesse, und darauf werde die Regierung eine Antwort finden müssen. Auch wenn sie ihre Position nicht durchsetzen könne, so werde sie zumindest dafür kämpfen müssen. Abgeordneter Ing. Reichhold äußert den Wunsch, diese Position von Regierungsseite sehr konkret dargestellt zu bekommen. Was vom Landwirtschaftsminister zu hören sei, reiche nicht aus, um den Kampf für die bäuerlichen Höfe und damit auch für Arbeitsplätze gewinnen zu können.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum) wünscht der Bundesregierung für die österreichische Ratspräsidentschaft alles Gute. Sie äußert die Hoffnung auf eine ambitionierte und engagierte Präsidentschaft anstelle einer bescheidenen Weiterführung der Verhandlungen, die es mit sich brächte, daß Abschlüsse erst in der Zeit der deutschen Präsidentschaft erreicht werden könnten. Vielmehr solle versucht werden, schon vorher ein Maximum an Aufgaben zu erledigen.

In diesem Zusammenhang sei aber Kritik zu üben. Es sei nicht zu verstehen, daß die öster­reichische Bundesregierung nicht in der Lage sei, dem Hauptausschuß die eigenen Positionen, die ureigenen österreichischen Anliegen im Hinblick darauf darzulegen, an welchen Punkten aus österreichischer Sicht in den Verhandlungen jeweils die Schmerzgrenze erreicht werde.

Abgeordnete Dr. Gredler äußert den Wunsch, daß auch die Oppositionsparteien – und sei es nur informell – in die Gespräche über die Vorbereitung der österreichischen Präsidentschaft ein­gebunden werden. Es sei nicht zu verstehen, daß der Vorentwurf für das Programm der österreichischen EU-Präsidentschaft 1998 mit Stand vom 5. Mai 1998 den Abgeordneten bis jetzt offiziell nicht zugegangen sei. Vielmehr müßten spezielle Kanäle benutzt werden, um solche in Ministerien offensichtlich existierenden Gesprächsunterlagen zu bekommen. Es stelle sich die Frage, warum es nicht möglich sei, dies den Abgeordneten – unter dem Vorbehalt, daß es sich um einen Rohentwurf handle, über den noch nicht diskutiert werden möge – als eine gewisse Denkgrundlage zur Verfügung zu stellen.

Abgeordnete Dr. Gredler äußert ihr Bedauern darüber, an solche Unterlagen über andere Kanäle zu gelangen, statt sie vom Bundeskanzler oder vom Vizekanzler zur Verfügung gestellt zu bekommen. Sie wolle nicht die Konferenz in Cardiff abwarten, da dort nur die offiziellen Positionen zum Ausdruck kämen. Wenn die Bundesregierung von den Oppositionsparteien während der Präsidentschaft Rücksicht erwarte, dann habe sie vorher zumindest ein offenes Gespräch mit ihnen zu führen.

Aber die tatsächlich geführten Gespräche seien lächerlich gewesen. Es sei darum gegangen, einen Kalender zu akkordieren, und dies sei eine Aufgabe für Sekretariate, nicht jedoch für politische Vertreter. Auch die von der Parlamentsdirektion zur Verfügung gestellten Unterlagen seien kaum mehr als ein netter Kalender, sie enthielten aber in keiner Weise irgendwelche Grundlagen politischer Art. Dies sei insgesamt enttäuschend gewesen.

Der dem Hauptausschuß bereits vorliegende, relativ umfassende und hiermit förmlich einge­brachte Antrag – ein Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e B-VG der Abgeordneten Dr. Gredler betreffend EU-Ratspräsidentschaft Österreichs – ziele darauf ab, eine Klärung darüber herbeizuführen, was die Abgeordneten in den sechs Monaten der österreichischen Präsidentschaft für Österreich sowie auch für die Europäische Union erreichen wollen.

Dem vom Abgeordneten Schieder geäußerten Verdacht, der Antrag sei so umfangreich, damit es der Regierung nicht gelinge, alle Forderungen zu erfüllen, hält Abgeordnete Dr. Gredler ent­gegen, sie wünsche sich, daß davon 50 Prozent effektiv umgesetzt werden, und werde dann nicht anstehen, dies als “großen Sieg” zu feiern. Es sei eine sehr simple Art der Betrachtung, den Antrag mit der Begründung abzulehnen, daß darin zuviel enthalten sei. Ein solches Ver­halten führe nicht zu dem Ziel, im österreichischen Parlament eine gemeinsame Stellungnahme abzugeben. Dies sei bedauerlich.

Da Bundeskanzler Mag. Klima vom Engagement für den Umweltschutz gesprochen habe, ergebe sich an ihn die Frage, wie er zu einer EU-Energiesteuer und zur Ökologisierung des Steuersystems stehe.

Abgeordnete Dr. Gredler fragt auch, welchen Standpunkt der Bundeskanzler gegenüber der Absicht einnehme, in der Finanzierung mittelfristig angelegter Projekte das Kofinan­zierungs­system auf mittlere Sicht abzubauen und auf ein System der Kreditfinanzierung umzustellen. Dies werde dazu führen, daß die für solche Projekte zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel nach substantiellen Fortschritten wieder zurückzuzahlen sind und für neue Projekte herange­zogen werden können. Im Europäischen Parlament sei bereits über ein solches System diskutiert worden, und dies sei sinnvoll, da eine Vermehrung der potentiell zur Verfügung stehenden Mittel die Folge sein werde.

Auch vom Engagement gegen Atomkraft habe Bundeskanzler Mag. Klima gesprochen, sodaß sich die Frage ergebe, wie er sich eine Modifikation des Euratom-Vertrages in Richtung Aus­stieg aus der Kernenergienutzung vorstelle. In Österreich bestehe in dieser Frage Überein­stim­mung, sodaß es darauf ankommen werde, entsprechende Verhandlungen voranzutreiben.

Es werde nötig sein, europaweit Umwelthaftungen einzuführen. Deren Notwendigkeit habe sich zum Beispiel im Verlauf der mehrere Länder gleichzeitig betreffenden Castor-Transporte gezeigt. Auch aus den Medien sei ersichtlich geworden, daß es an der Bereitschaft mangle, für entstandene Schäden aufzukommen.

In bezug auf Forschung und Entwicklung sei darauf zu verweisen, daß die Finanzierung des 5. Forschungsrahmenprogramms einen Streitpunkt im Europäischen Parlament bilde. Die EU-Kommission trete für ein Gleichbleiben der Mittel ein, hingegen wünsche das EU-Parlament deren Anhebung um bis zu 20 Prozent. Daher sei die Frage zu stellen, wie Bundeskanzler Mag. Klima – da im Juli die Budgetverhandlungen anstehen – zur Finanzierung des Forschungs­rahmenprogramms und von Programmen wie ERASMUS und LEONARDO stehe.

Von dem Streit über die Aufstockung der Mittel seien auch die Programme für alternative Ener­gien betroffen. Neuerlich stelle sich die Frage nach dem Standpunkt der österreichischen Bun­desregierung zur Finanzierungsfrage.

Abgeordnete Dr. Gredler fragt weiters, welche Schritte in puncto Kosovo geplant seien. Seitens der Parlamentarier bestünde große Sorge im Hinblick darauf, wie diese Region befriedet werden könnte.

Es sei wünschenswert, daß es dem österreichischen Parlament bis zum Sommer gelingt, eine gemeinsame Position in bezug auf die Menschenrechtsdeklaration zu verabschieden.

Zur Agenda 2000 sei anzumerken, daß eine so rasch wie möglich vollzogene Erweiterung der EU sehr wichtig sei, da sich Chancen in mehrerlei Hinsicht ergäben. Neben der ökonomischen Chance bestünden Chancen, die Befriedung weiterzubringen, die Sicherheit in Österreich zu erhöhen und – bei allen Problemen – die Landwirtschaft besserzustellen. Denn es sei verrückt, daß wegen der hohen Stützung der Marktpreise Exporte aus der EU in osteuropäische Länder vorgenommen werden.

Ungefähr 40 Milliarden ECU und somit theoretisch 47 Prozent des europäischen Budgets seien vorgesehen, um die Arbeitsplätze von 5 Prozent der europäischen Bevölkerung – oder 18 Millio­nen Menschen – zu schützen. Daran sei insbesondere zu kritisieren, daß das Geld nicht dort ankomme, wo es ankommen soll. Wenn es darum gehe, 18 Millionen Landwirtinnen und Landwirte zu erhalten, sei bei einem Betrag von 40 Milliarden ECU “die mathematische Auflösung undeutlich und unklar”. Es bleibe vieles von dem Geld in Bereichen hängen, in denen finanzielle Stützungen nicht länger wünschenswert und verständlich seien.

Abgeordnete Dr. Gredler räumt ein, sie wisse, daß dies als simplifizierte Betrachtungsweise angesehen werden könne. Sie stelle die Finanzierung der Pflege von Landschaft und Kulturen nicht in Frage, da dies nicht von selbst geschehe und die Erhaltung der Bauern nicht vom Markt geleistet werden könne. Aber die Etappen dazwischen sollten überdacht werden.

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche) hebt in einer Wortmeldung zur Geschäfts­behandlung hervor, daß das Liberale Forum und offensichtlich auch die Grünen im Besitz eines Regierungsdokumentes seien, das ihnen über irgendwelche “Kanäle” zugekommen sei. Da­durch sei bewiesen, daß bereits ein Arbeitsprogramm oder ein Entwurf dafür vorliege.

Es sei eine dem Parlament gegenüber erforderliche Geste, diese ohnehin schon im Umlauf befindlichen Papiere auch den anderen Abgeordneten zugänglich zu machen. Denn Abge­ordnete müßten von Gesetzes wegen über die Qualität des Arbeitsprogramms entscheiden. Dieser Schritt sei auch im Sinne ernstgenommener Partnerschaft erforderlich.

Daher stellt Abgeordneter Ing. Reichhold den Antrag, dieses Dokument den Abgeordneten des Hauptausschusses offiziell auszuhändigen.

Obmann Dr. Heinz Fischer erläutert, daß es problematisch sei, diesen Antrag unter eine Wort­meldung zur Geschäftsbehandlung zu subsumieren. Es liege ein Dokument als Verhandlungs­grundlage vor. Tatsächlich sei es zum Wundern, was alles oft an Dokumenten – unter aus­drücklichem Hinweis auf deren strenge Vertraulichkeit – im Plenum vorgezeigt werde.

Ein Zusammenhang mit der Geschäftsbehandlung bestehe aber nicht.

Auf Nachfrage von Obmann Dr. Fischer, um was für ein Dokument es sich konkret handle, erklärt Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum), sie habe einen Vorentwurf für das Programm der österreichischen EU-Präsidentschaft 1998 mit Stand vom 5. Mai 1998 in Händen. Darin würden laut Notiz die GASP-Kapitel im Lichte der Ergebnisse von Cardiff noch überar­beitet werden.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima führt aus, daß Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wie­der Arbeitspapiere anfertigen würden. Das vorliegende Dokument könne beispielsweise aus einem Erstdiktat des Bundeskanzlers oder eines anderen Regierungsmitgliedes hervorgegan­gen sein.

Mit aller Deutlichkeit sei festzustellen, daß die Bundesregierung die Verpflichtung übernommen habe, dem Hauptausschuß ein Arbeitsprogramm für die österreichische Präsidentschaft zu übergeben, das nach bestem Wissen und Gewissen ausgearbeitet ist. Die Bundesregierung habe aber nicht vor, darüber hinaus einen Affront gegenüber der britischen Präsidentschaft zu setzen, indem Österreich besserwisserisch bereits vor dem zentralen Gipfeltreffen von Cardiff die erst dort zu treffenden Entscheidungen vorwegnähme. Bevor das endgültige Arbeits­pro­gramm übergeben wird, müsse es erst beschlossen werden.

Nach der Konferenz von Cardiff werde unverzüglich die nötige Diskussion innerhalb der öster­reichischen Bundesregierung erfolgen. Es werde zur Einbindung der Ergebnisse des Euro­päischen Rates und daraufhin zum Beschluß der Bundesregierung kommen. Dieser werde dem Hauptausschuß noch vor Beginn der österreichischen Präsidentschaft – also vor dem 1. Juli 1998 – übermittelt werden.

Bundeskanzler Mag. Klima ersucht um Verständnis dafür, daß einem Wunsch, der einem Affront gleichkomme, nicht entsprochen werden könne. Die Bundesregierung sei aber bereit, zu jeder Frage, die der Hauptausschuß stellt, den aktuellen Diskussionsstand mitzuteilen.

Zur Frage des Abgeordneten Ing. Reichhold nach den österreichischen Schwerpunkten: Bun­deskanzler und Vizekanzler hätten in ihren einleitenden Ausführungen bereits klargemacht, worin die zentralen Themengebiete des österreichischen Vorsitzes bestehen würden. Zu der Anmerkung, es werde eine “Routinepräsidentschaft” sein, sei festzustellen, daß Österreich nach Ablauf dieser sechs Monate dann werde zufrieden und stolz sein können, wenn andere, erfah­rene Mitgliedstaaten der EU die österreichische Präsidentschaft als seriös, konsequent und ordentlich im Sinne der europäischen Idee bewerten.

Die Bundesregierung habe sich vorgenommen, nicht irgendwelche spektakulären Feuerwerke zu zünden, sondern ein ehrlicher und offener Makler der europäischen Idee zu sein. Sie werde versuchen, in diesen sechs Monaten die österreichischen und insbesondere die europäischen Anliegen weiterzuentwickeln. Dafür lägen konkrete Zielsetzungen vor.

In bezug auf die Überprüfbarkeit der Ergebnisse könne beispielsweise gesagt werden: Wenn mit 1. Jänner 1999 nicht die gemeinsame europäische Währung in Kraft treten wird, dann habe es “wahrscheinlich irgendwo ein Problem” gegeben. Damit sei aber nicht zu rechnen, da alle Vorbereitungen bestens getroffen worden seien.

Österreich werde sich beispielsweise vornehmen, die dringliche Frage der Umweltstandards engagiert zu diskutieren, ebenso die Fragen der Vervollkommnung des Binnenmarktes bis Ende 1998, der inneren Sicherheit, der Beschäftigung oder der Evaluation der neuen Leitlinien. Zum Beispiel entspreche in der Vierten Säule die Frage der Chancengleichheit der Frauen in den alten Leitlinien noch nicht den österreichischen Vorstellungen. Es gebe also klar festgelegte Schwerpunkte, nach denen die österreichische Präsidentschaft tätig sein wolle und werde.

Bundeskanzler Mag. Klima antwortet dem Abgeordneten Schieder, daß es in den Ratsarbeits­gruppen unter Mitarbeit der österreichischen Expertinnen und Experten möglich sein werde, die wesentliche Frage der Reformen der Strukturfonds und der Agrarpolitik auch ohne Rücksicht­nahme auf die deutschen Wahlen aufzubereiten und entsprechende Gespräche zu führen. Allerdings würden Entscheidungen erst nach Klärung der Verhältnisse in Deutschland möglich sein. Aber auch die Zeit davor werde genützt werden.

Die Frage nach dem Expertenpersonal sei damit zu beantworten, daß für eineinhalb Jahre – die Zeit der Mitgliedschaft in der Troika – zusätzliches Personal benötigt werde. Falsch aber sei die Meinung, daß geplant sei, Mitarbeiter, die nicht permanent im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, als Vorsitzende von Ratsarbeitsgruppen fungieren zu lassen. Es werde nicht dazu kom­men, daß Leiharbeitskräfte von “Manpower” als Vorsitzende von Ratsarbeitsgruppen eingesetzt werden. Wohl aber sei darauf für administratives Personal oder zum Beispiel Personal im juristischen Bereich zurückgegriffen worden. Entsprechende Personalpools würden für die Dauer von eineinhalb Jahren zur Verfügung gestellt werden. Es wäre aber unverantwortlich, verstärkten Personalbedarf für diesen genau bekannten, begrenzten Zeitraum auf andere Weise zu decken. Die Leitung von Ratsarbeitsgruppen würden in jedem Fall permanente Mitarbeiter der Republik Österreich übernehmen.

Zur Frage der Osterweiterung sei festzustellen, daß Österreich in seiner Kommunikation sowohl mit den anderen EU-Staaten als auch mit den Beitrittskandidaten stets auf folgende klare, kon­tinuierliche und offene Weise Position bezogen habe und weiterhin beziehen werde: Österreich halte die Erweiterung der Europäischen Union als ökonomischen und politischen Prozeß für notwendig. Es solle nicht zu künstlichen Verzögerungen oder Hemmnissen kommen. Wohl aber werde von österreichischer Seite hinzugefügt, daß der Erweiterungsprozeß sorgfältig und gut vorbereitet werden müsse, damit es zu einer “Win-Win-Position” – sodaß für beide Seiten Vorteile entstehen – und nicht zu einem Nullsummenspiel kommt. Letzteres wäre beispielsweise der Fall, wenn ein Anstieg des Lebensstandards in den Beitrittskandidatenländern automatisch einen Rückgang des Lebensstandards in den bestehenden Mitgliedstaaten zur Folge hätte.

Zu Recht sei auf die Fragen der Agenda 2000, der Reform der Strukturfonds, der Reform der Agrarpolitik und der Institutionen verwiesen worden. Die Entscheidungsprozesse müßten ver­bessert werden. Es sei sehr schwer, sich vorzustellen, daß auch noch mit 20 oder 25 Mit­gliedstaaten weiterhin in so vielen Themenbereichen am Einstimmigkeitsprinzip festgehalten wird. In dieser Hinsicht sei ebenfalls eine aufgeschlossene Betrachtungsweise erforderlich. Zwar könne üblicherweise rasch Einigkeit unter den Regierungschefs der 15 Mitgliedstaaten über die Ansicht hergestellt werden, daß es nötig sei, in viel mehr Fällen mit Mehrstimmigkeit zu entscheiden, weil auf diese Weise Entscheidungen rascher und effizienter herbeigeführt werden könnten. Wenn es aber darum gehe, die Praxis entsprechend zu gestalten, dann kämen die “nationalen Irrationalitäten” zum Vorschein. Dies gelte für alle Mitgliedstaaten.

Zum Beispiel habe sich Österreich dagegen ausgesprochen, daß in der Frage der Wasserres­sourcen mehrstimmig entschieden werden könnte. Dies sei darauf zurückzuführen, daß einst die Angst geweckt worden sei, das “weiße Gold” könnte gegen den Willen Österreichs in riesi­gen Pipelines nach Spanien transportiert werden. Wenn Österreich aber wirklich europäisch dächte, müßte es sich über diese Hemmnisse genauso hinwegsetzen, wie sich zum Beispiel der deutsche Bundeskanzler Kohl darüber hinwegzusetzen haben werde, daß die Frage der Gewerbeordnung nicht für alle Ewigkeit eine ausschließlich nationale deutsche Angelegenheit sein müsse, die dem Einstimmigkeitsprinzip unterliegt.

Bundeskanzler Mag. Klima richtet den Appell an die Abgeordneten, zu bedenken, daß Öster­reich, wenn es raschere Entscheidungsprozesse in der Europäischen Union wünsche, auf gewisse “nationale Protektionismen und Irrationalitäten” zugunsten einer höheren Zahl von Mehrstimmigkeitsentscheidungen zu verzichten haben werde.

Welche Probleme damit verbunden seien, lasse sich an der Frage der Steuerharmonisierung erkennen. Es sei unzumutbar – dieses Problem werde durch die gemeinsame Währung in Zu­kunft verstärkt auftreten –, für mobile Faktoren wie zum Beispiel die Besteuerung von Kapital-, Zins- und Dividendenerträgen eine Spirale nach unten in Gang zu setzen. Dies führe zu unfairem Wettbewerb, wenn bestimmte Länder sich auf den Standpunkt stellen, die Zins- und Dividendenerträge minimal zu besteuern, um sämtliche Kapitalanlagen in Europa an sich zu ziehen.

Die Folge dieses Schrittes werde sein, daß die Finanzminister in dem Bestreben nach Aufrecht­erhaltung ihrer Einnahmen dazu übergehen, die Steuerlast auf die immobilen und somit wehrloseren Faktoren zu verlagern. Über eine höhere Mehrwertsteuer komme es zur ver­stärkten Belastung der Konsumenten, und die höhere Besteuerung der Einkommen steigere die Belastung von Arbeitnehmern, Klein- und Mittelbetrieben. Eine solche Entwicklung sei nicht wünschenswert. Daher sei geplant, über die Harmonisierung des Steuersystems in Europa zwar nicht Gleichmacherei zu betreiben, wohl aber schrittweise gemeinsame Standards wie zum Beispiel Mindeststeuersätze einzuführen.

Mit dem Einstimmigkeitsprinzip im ECOFIN werde es sehr schwierig sein, dies zu bewerk­stelligen. Es werde daher auch in dieser Hinsicht nötig sein, über qualifizierte Mehrheitsprozesse und ähnliches nachzudenken. Es müsse deutlich hervorgehoben werden, daß Österreich die Frage einer schrittweisen Harmonisierung – oder mit dem dafür inzwischen geprägten Wort: einer schrittweisen Konvergenz – der Steuersysteme in Europa für notwendig erachte. Allerdings sei eine Gleichmacherei im Sinne der Einführung identischer Steuersätze über alle Steuerarten hinweg in Europa nicht vorstellbar, da die Art der Mittelaufbringung und -verwendung Ge­genstand originärer nationaler Politik sei. Es müsse aber zu bestimmten Mindeststandards und zu gleichen Berechnungsschemata kommen, zum Beispiel bei der Kapitalertragsbesteuerung.

Die Harmonisierung des Steuersystems werde also eine der Stoßrichtungen Österreichs wäh­rend seiner Präsidentschaft sein. Damit werde auch auf eine Ökologisierung des Steuersystems hingearbeitet werden können. Zu der Forderung in dem Antrag auf Stellungnahme der Abge­ordneten Dr. Gredler, eine “Einigung über eine EU-Energiesteuer beziehungsweise eine Öko­logisierung des Steuersystems” herbeizuführen, sei folgendes zu sagen: Österreich werde zwar mit voller Kraft versuchen, in diese Richtung zu gehen, aber es könne hier und heute keineswegs versprochen werden, daß zum Zeitpunkt des Wiener Gipfeltreffens im Dezember 1998 bereits alle notwendigen einstimmigen Beschlüsse über eine Ökologisierung des Steuer­systems in der Europäischen Union erreicht sein würden. Ein solches Versprechen wäre un­seriös.

Österreich habe sich insgesamt ein engagiertes Programm gegeben, solle aber nicht die Rolle eines europäischen Träumers spielen, sondern vielmehr engagiert und gemeinsam die Pro­zesse in bezug auf Beschäftigungspolitik, Agenda 2000, Währungsunion, Unionserweiterung, Umweltbedingungen und innere Sicherheit auf die dargelegte Weise weiterentwickeln.

Obmann Dr. Heinz Fischer ergänzt, daß die Regierung zwar von sich aus jedes Dokument vorlegen, zur Herausgabe eines bestimmten Dokumentes aber nach § 33 der Geschäftsordnung nur von einem Untersuchungsausschuß gezwungen werden könne. Es bestehe weiters die Möglichkeit, daß der Ausschuß nach § 40 Abs. 1 GOG beschließt, die Regierung um die Durchführung bestimmter Erhebungen im Zusammenhang mit Dokumenten zu ersuchen.

Es sei aber nicht anzunehmen, daß eine dieser Varianten im vorliegenden Fall zur Anwendung zu kommen hätte.

Abgeordneter Dr. Alois Mock (ÖVP) bekräftigt die Ausführungen von Bundeskanzler Mag. Kli­ma darüber, daß die bilateralen Beziehungen sowie die Beziehungen zwischen den Verantwor­tungs­trägern für die Erreichung konkreter Ziele sehr wichtig seien. Allerdings sei diese Fest­stellung als gefährliches Terrain in der Hinsicht zu betrachten, daß der Eindruck entstehen kön­ne, es genüge, sich beim Heurigen einzufinden und einander dort gut zu verstehen, damit gute Politik entsteht. Dies wäre zu billig, wohl aber wisse jeder über die große Rolle Bescheid, die das menschliche Element spiele. Es sei schwer faßbar und meßbar, sodaß es leicht mit Polemik erschlagen oder als nicht nachweisbares Instrument bezeichnet werden könne.

Abgeordneter Dr. Mock stellt klar, daß aus seiner Sicht in der Frage der EU-Erweiterung nur deren positive und aktive Unterstützung in Betracht komme. Dafür spreche auch die Erfahrung, daß alle im Zusammenhang mit der Erweiterung prophezeiten Katastrophen nicht eingetreten seien, sei es in bezug auf das Wasser, auf das aus der Nationalbank angeblich verschwundene Gold oder auf die 13 000 Rumänen, die zum Gegenstand einer Parlamentsdebatte geworden waren.

Im Erweiterungspaket seien auch einige schmerzliche Themen enthalten. Zum Beispiel nützten die volkswirtschaftlich feststellbaren zusätzlichen Milliardenerträge infolge von Exportsteige­rungen im Ausmaß von 30 oder mehr Prozent einem Tankstellenbesitzer in Haugsdorf über­haupt nichts, wenn sein Betrieb daran zugrunde geht, daß der Benzinpreis jenseits der Grenze nur halb so hoch ist. Geeignete Maßnahmen könnten auch heute helfen, so wie zur Zeit der toten Grenze beispielsweise Investitionsbegünstigungen und Abschreibungsmöglichkeiten ge­holfen hätten.

Man dürfe aber nicht von einem Weg abweichen, nur weil er Schwierigkeiten in sich schließt. Damit könne ein enormes Potential an heute vorhandenem Goodwill verspielt werden. Die konkreten Ergebnisse hätten bereits gezeigt, daß die Erweiterung für Österreich nur von Vorteil sei, wenn es gelingt, die schmerzlichen Effekte auszugleichen. Zum Schutz des Arbeitsmarktes könnten Übergangsfristen festgelegt werden.

In der Sicherheitspolitik drohe die Gefahr, daß durch hartes Auftreten zur Absicherung der eige­nen Interessen und entsprechende Beitrittsbedingungen Verhandlungsspielraum eingebüßt wird. Ein zusätzliches Risiko könne dadurch entstehen, daß der eine Staat hinsichtlich des Beitritts­termins gegenüber den anderen Kandidaten ins Hintertreffen gerät.

Abgeordneter Dr. Mock gibt seiner Sorge Ausdruck, daß in den Menschen jenseits des früheren Eisernen Vorhangs übermäßig große Hoffnungen erweckt werden könnten. Sehr achtenswerte europäische Persönlichkeiten hätten davon gesprochen, daß es bereits im Jahr 2000 neue Mitglieder geben könne. Realistischerweise sei aber damit zu rechnen, daß im einen oder anderen Fall auch noch in den Jahren bis 2010 Schwierigkeiten auftreten könnten. Äußerungen, daß es zum Beitritt kommen müsse, seien auch im Zusammenhang mit der nachlassenden politischen Bereitschaft zur Vertiefung der Europäischen Union zu sehen.

Abgeordneter Dr. Mock spricht sich für eine massive aktive und konkrete Förderung des Bei­trittswunsches bei voller Erfüllung der unter anderem in Kopenhagen festgelegten Bedin­gungen aus. Lokal entstehende Schäden seien auszugleichen, aber nicht um den Preis, daß die Euro­päische Gemeinschaft selbst Gefahr läuft, unterminiert zu werden.

Weiterhin aktuell sei die Frage der Institutionenreform. Abgeordneter Dr. Mock räumt ein, daß ein Vorsitzland nicht alles zur Priorität erklären könne, sodaß bereits Grund zur Freude be­stünde, wenn es gelingt, einige Vorschläge zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik einzubringen. Darüber möge die Regierungsseite nähere Auskunft geben.

Die Erweiterung sei eine zentrale Frage, und es gehe darum, die Menschen in den betroffenen Staaten nicht zu enttäuschen, auch wenn ein gewisses Risiko besteht. Es gebe nicht einmal ein Argument dafür, nein zu sagen. Denn die Wirtschaftsstatistik zeige, daß Österreich bisher profitiert habe.

Es sei anzuraten, das Wort “Veto” nur selten zu gebrauchen. Denn wenn mit einem Veto gedroht, aber die Drohung dann nicht durchgehalten wird, sei dies die schlechteste Version.

In der Frage der Ausweitung des Bereiches, in dem das Mehrstimmigkeitsprinzip gilt, sei tat­sächlich des öfteren die Haltung zu beobachten, daß diese Ausweitung zwar verlangt werde, aber nicht auf eigene Kosten gehen dürfe. Die mittleren und kleinen Mitgliedstaaten hätten oh­nehin den Vorteil, daß ihre Stärke umso größer sei, je “bundesstaatlicher” die Entwicklung bleibe. Davon abweichende Tendenzen seien zwar menschlich verständlich, aber unter den heutigen Bedingungen dürfe es nicht dazu kommen, daß nicht jedes Land in der EU-Kommission vertreten ist. Nur gegenüber etwaigen Plänen, davon abzurücken, könne es über­haupt einen Grund für ein massives Veto geben.

Zur Erreichung von Kompromissen bestünden genügend andere Möglichkeiten, zum Beispiel die Zustimmung im Doppelverfahren.

Abgeordneter Dr. Mock bezeichnet die Haltung der Europäischen Union in der Frage der Erweiterung um die Türkei als “völlig falsch”. Schlichtweg unmöglich sei die Vorgangsweise, daß die Türkei 40 Jahre lang als Pfeiler gegen den Kommunismus oder auf ähnliche Weise gelobt wurde, danach aber trotz schriftlicher Zusicherung nicht einmal mehr die Bereitschaft zu Gesprächen über den Beitritt bestehe. Das könne sich kein Staat gefallen lassen. Auch die Argumentation, es handle sich um einen muslimischen Staat, sei nicht tragfähig, da die Türkei der einzige mohammedanische Staat sei, in dem es zur Trennung von Kirche und Staat im euro­päischen Sinn gekommen sei. Außerdem sei die Türkei Mitglied der NATO – fast seit deren Gründung – und Mitglied des Europarates.

Es sei bekannt, daß die Geschehnisse in Anatolien aus türkischer Sicht völlig unterschiedlich eingeschätzt werden. Bis zur Erfüllung der Bedingungen – insbesondere im Bereich der Men­schenrechte – werde es längere Zeit dauern. Bei Überreichung des Beitrittsansuchens habe ein türkischer Minister gesagt, daß seine und die nächste Generation den Beitritt noch nicht erleben würden. Daran, daß trotzdem angesucht worden ist, zeige sich die politische Ambition dieser Menschen. Es gehe auch in politischer Hinsicht darum, gegenüber muslimischen Staaten eine Art ökumenischen Geist wirken zu lassen und nicht von vornherein gegen deren Aufnahme Stimmung zu machen.

Es habe überhaupt keinen Grund für die Feststellungen gegeben, mit denen die Europäische Union die Türkei vor den Kopf gestoßen habe. Statt dessen hätte gefordert werden müssen, daß die Türkei bestimmte Bedingungen in bezug auf Menschenrechte, Wirtschaft, Infrastruktur, Sozialbereich und so weiter erfüllen müsse. Die Türken wüßten selbst, wie lange es bis zum Beitritt dauern werde, sodaß die Ablehnung völlig unnötig gewesen sei.

Abgeordneter Dr. Mock merkt an, daß er vor dieser Entscheidung zuungunsten der Türkei noch nie Grund gehabt habe, die Haltung der Europäischen Union in solcher Schärfe zu kritisieren. Wenn die Entwicklung in der Türkei sich umdrehte und der frühere Premierminister Erbakan mit seinen Thesen durchkäme – er gehe dabei sehr geschickt vor –, dann käme es dazu, daß die Türkei als negativer Faktor zu entdecken wäre. Es sei anerkennenswert, daß Außenminister Dr. Schüssel in den diesbezüglichen Beratungen der EU stark zugunsten der Türkei gebremst habe, und er sei zu ermuntern, diesen Weg weiterzugehen.

Es bedürfe konzeptionell starker Politiker, damit die Europäische Union in ihren Grundhaltungen den richtigen Weg einschlägt und zu einem guten Ende kommt. Der frühere Kommissions­präsident Delors sei möglicherweise der konzeptionell stärkste Politiker im gesamten euro­päischen Bereich, was die Praxis der Europapolitik betrifft, auch der deutsche Bundeskanzler Kohl sei in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Delors habe Flexibilität gegenüber außer­europäischen Kulturen gefordert, damit solchen Ländern gegenüber glaubwürdig versichert werden kann, daß Europa keine Festung sei. Besonders hervorzuheben sei Delors‘ Forderung nach der Ausweitung bundesstaatlicher Elemente in der Europäischen Union. Dies sei unge­wöhnlich für einen Politiker, der als Franzose aus zentralstaatlicher Tradition stamme.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) merkt einleitend an, daß sie selten eine Hauptausschußsitzung erlebt habe, die vom Thema her sehr bedeutsam wäre und trotzdem bereits ermüdende Wirkung zu zeigen beginne.

Das Thema Ratspräsidentschaft verleite dazu, über alles zu reden, und manche hätten dem nachgegeben. Denn es seien keine nachvollziehbaren Schwerpunkte zu erkennen. Gemäß den Erläuterungen der Regierungsseite und dem bereits von der Abgeordneten Dr. Gredler zitierten inoffiziellen oder informellen Dokument – Abgeordnete Mag. Kammerlander ergänzt, daß dieses auch ihr vorliege – stünden Punkte wie Beschäftigung, Erweiterung sowie Wirtschafts- und Währungsunion im Vordergrund.

Es sei zuzugestehen, daß sich manche Schwerpunkte erst im Rahmen des Gipfeltreffens von Cardiff und im Zuge der Übergabe der Präsidentschaft von Großbritannien an Österreich ent­wickeln würden. Aber dessenungeachtet könne sich die österreichische Bundesregierung selbst Schwerpunkte setzen und dementsprechend ihren Willen bekunden.

Von den aufgezählten Zielen sei jenes der Steuerharmonisierung lobend zu erwähnen. Bereits seit längerem sei auch den Medien zu entnehmen gewesen, daß Österreich sich um ent­sprechende europaweite Initiativen bemühen werde. Andere Bereiche ließen Konkretisierungen vermissen. In bezug auf die Beschäftigung müsse zwar die Entwicklung auf europäischer Ebene abgewartet werden, aber zum Beispiel hinsichtlich der Erweiterung könnten die Ziele schon jetzt verdeutlicht werden. Vor allem die Umweltpolitik sei als zentraler und maßgeblicher Punkt einzuschätzen, und darum werde es in den jetzt folgenden Ausführungen gehen.

Im Zuge des Beitritts zur Europäischen Union habe Österreich nicht nur versprochen, daß es seine höheren Umweltstandards – sofern vorhanden – werde halten können, sondern es habe auch versprochen, sich dafür einzusetzen, daß die anderen Mitgliedstaaten sich im Standard angleichen. Insgesamt habe Österreich zugesagt, sich für Umweltpolitik und umweltpolitische Anliegen einzusetzen.

Die österreichischen Bestrebungen zur Harmonisierung der Steuerpolitik auf europäischer Ebene könnten daher viel konkreter benannt werden. Sie könnten darauf lauten, daß Österreich sich Initiativen vornimmt – wenngleich deren Ausverhandlung im bevorstehenden halben Jahr nicht zu erwarten sei –, die darauf abzielen, Mindeststeuersätze in bezug auf Energie festzu­legen.

Seit Jahren wird in Österreich über eine Ökologiesteuer und die Besteuerung von Energie dis­kutiert. Von seiten der Regierung und der Industrie habe es bisher Vertröstungen mit der Begründung gegeben, daß ein nationaler Alleingang nicht möglich und die europaweite Einfüh­rung entsprechender Mindeststeuersätze abzuwarten sei.

Auch in den anderen Mitgliedstaaten werde über Ökosteuern diskutiert. Es handle sich um eine politische Angelegenheit, die reif sei, sie zu entwickeln, Initiativen zu setzen und zum Abschluß zu bringen. Dies sei ein konkreter Schritt im Zuge der Steuerharmonisierung, und die Ökolo­giesteuer oder Energiebesteuerung sei dafür geeignet. Dieser Schritt könne konkret als Ziel vorgesehen werden. Die Initiativen dafür sollten soweit gehen, daß sie verbindlich an die nächste Ratspräsidentschaft weitergereicht werden können.

Dies sei den Grünen ein besonderes Anliegen, da sie kürzlich ihr Modell einer ökologischen Besteuerung vorgestellt haben. Dies könne den Anlaß zur Diskussion im nationalen Rahmen bilden, und auf europäischer Ebene könne die Bundesregierung auf die Weiterentwicklung ent­sprechender Mindeststeuersätze dringen. In diesem Sinn wird der folgende Antrag auf Stel­lungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Mag. Doris Pollet-Kammerlander betreffend Ökologisierung der Steuersysteme eingebracht:

“Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen der EU-Präsidentschaft Initiativen zur Anhebung beziehungsweise Einführung europäischer Mindeststeuersätze für Energie zu setzen und auf eine Aufhebung der völlig unzeitgemäßen Steuerbefreiung für Kerosin zu drängen. ”

Auch einen zweiten Antrag bringen die Grünen ein, da die österreichischen Lippenbekenntnisse zur Ökologisierung der Steuersysteme nicht helfen könnten, wenn die österreichische Bun­desregierung nicht auch konkret für das eintrete, was versprochen worden sei. In dieser Hinsicht stehe aktuell die Beratung über die nationalen Beiträge zum Treibhausgas-Reduktionsziel – zur Erreichung der in der Klimakonferenz von Kyoto vorgegebenen Prozentsätze – im Umwelt­ministerrat am 16. Juni 1998 bevor. Für den Fall, daß dies in der laufenden Sitzung nicht aus­diskutiert wird, schlägt Abgeordnete Mag. Kammerlander eine weitere Sitzung des Hauptaus­schusses vor dem 16. Juni vor, da es sich hierbei um eine zentrale Frage handle.

Da Österreich beim EU-Beitritt angetreten sei, als umweltpolitisches Vorbild zu fungieren und entsprechende Initiativen zu setzen, könne es nicht hingenommen werden, daß unmittelbar vor dem genannten Umweltministerrat auf nationaler Ebene eine Debatte zwischen Industrie, Wirt­schaft und Bundesregierung beziehungsweise Umweltminister über das Ausmaß der Reduktion vom Zaun gebrochen wird. Es handle sich nicht um einen kleinen, sondern um einen wesent­lichen Bereich, wenn nunmehr darüber gefeilscht werde, ob der österreichische Beitrag bei 20 Prozent oder darunter liegen solle. Umweltminister Bartenstein sei für einen darüberlie­gen­den Wert eingetreten, hingegen sei von der Wirtschaft vorgebracht worden, daß dieses Ziel nicht erreichbar sein werde.

Daher sei es höchst an der Zeit, daß sich der Hauptausschuß – auch im Sinne der Schwer­punktsetzung betreffend den dauerhaften Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen während der österreichischen Präsidentschaft – damit befaßt. Um an den Bundesminister bereits in der laufenden Sitzung entsprechend heranzutreten, wird folgender Antrag auf Stellungnahme ge­mäß Art. 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Mag. Doris Pollet-Kammerlander betreffend Beitrag Österreichs zum Treibhausgas-Reduktionsziel der EU eingebracht:

“Der/Die zuständige Bundesminister/in wird ersucht, im Ministerrat ein österreichisches CO2-Reduktionsziel zuzusagen, das nicht schwächer als jenes von Deutschland oder Dänemark ist, keinesfalls aber unter minus 20 Prozent liegt. Österreich soll mit einer solchen Vorgangsweise seine Verantwortung als kommende Präsidentschaft für das internationale Ansehen der EU im Umweltbereich unter Beweis stellen.”

In einer Studie des – den Grünen keineswegs nahestehenden – Wirtschaftsforschungsinstitutes sei errechnet worden, daß bei einem Ziel von 25 Prozent eine Reduktion um 16 Millionen Ton­nen technisch möglich sei. Dies sei auch wirtschaftlich möglich, denn die Wirtschaft liege völlig falsch, wenn sie von den Investitionen stets nur als Kosten spreche. Investitionen dienten auch dazu, Arbeitsplätze zu schaffen und Kapital ins Land zu bringen.

Abgeordnete Mag. Kammerlander fragt, ob die Bundesregierung eigene Untersuchungen über die Machbarkeit der CO2-Reduktion in Auftrag gegeben habe, wie hoch die Kosten solcher Maßnahmen für die öffentliche Hand wären und was gegen die Einhaltung der österreichischen Zusage dieser Reduktion spreche.

Im Umweltministerrat am 16. Juni werde es darauf ankommen, eine Basis dafür zu schaffen, daß Initiativen für eine europaweite Energiebesteuerung authentisch und glaubhaft eingeleitet werden können.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ) stellt fest, daß Österreich nicht nur für den ökologischen Bereich versprochen habe, sehr initiativ zu sein, sondern auch vorhabe, seine im Vergleich mit den anderen Mitgliedstaaten ausgezeichnete Position im Sozialbereich, in der Beschäftigungspolitik und auf dem Demokratiesektor zu halten. Darüber seien auch Erklärungen im Hauptausschuß abgegeben worden.

Aber die Erfüllung dieser Vorhaben sei unabhängig davon zu sehen, ob der Hauptausschuß einem konkreten Antrag der Grünen zustimmt oder nicht. Die österreichische Vorreiterrolle in der Beschäftigungspolitik sei unbestritten, und zur Frage der Steuerharmonisierung habe sich außer dem Bundeskanzler auch der Finanzminister ausführlich geäußert. Die österreichische Initiative hänge also nicht vom Beschluß über einen Antrag der Grünen ab.

Es bedürfe nicht unbedingt der Kenntnis des zitierten inoffiziellen Dokuments – Abgeordneter DDr. Niederwieser fügt hinzu, daß auch er es nicht kenne –, um zu wissen, was auf der Tagesordnung der zweiten Jahreshälfte stehen wird. Es sei Usus, vor der Herausgabe eines offiziellen Dokuments abzuwarten, welche Ergebnisse die vorangehende Präsidentschaft er­reicht.

Die Abgeordneten seien sehr ausführlich über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union informiert worden und hätten Zugang zu jedem in der EU verhandelten Dokument. Es sei genau bekannt, was auf der Tagesordnung steht. Im Hauptausschuß gebe es die Möglichkeit, konkrete Fragen zu stellen.

Mit Bezug auf die laut dem Tagungskalender, der Gegenstand der heutigen Tagesordnung ist, in Feldkirch vorgesehene Verkehrsministerkonferenz fragt Abgeordneter DDr. Niederwieser, wie es im Zeitraum der österreichischen Präsidentschaft mit der Wegekostenrichtlinie weitergehen werde. Es sei befürchtet worden, daß die Wahlen in Deutschland dafür nicht förderlich sein könnten. Für Österreich wäre die Umsetzung des ursprünglich von Verkehrskommissar Kinnock vorgelegten Entwurfes günstiger gewesen, da in diesem Fall zum Beispiel das Problem mit der Brenner-Maut nicht mehr bestünde. Das Bundesland Tirol hege erhebliche Erwartungen, daß es während des österreichischen Vorsitzes zu Fortschritten in der Ökologisierung der Verkehrs­politik kommen werde.

In der Verkehrspolitik habe es Fortschritte gegeben. Da die Abgeordnete Dr. Gredler in ihrem vorliegenden Antrag die Initiierung von Umsetzungsschritten für den Ausbau der Transeuro­päischen Netze fordert, lädt Abgeordneter DDr. Niederwieser sie ein, sich in Tirol damit zu beschäftigen, daß dort derzeit rund 100 Millionen Schilling in die Unterinntal-Trasse – einen Teil der Transeuropäischen Netze – investiert werden. Auch die dort vorgesehenen Baumaßnahmen würden es nahelegen, nicht so zu tun, als ob in diesem Bereich nichts geschähe.

In bezug auf die im Tagungskalender ausgewiesene Fachkonferenz für “Neue Technologie & Beschäftigung” sowie das 5. Rahmenprogramm für Forschung fragt Abgeordneter DDr. Nieder­wieser, in welchem Bereich dieses Rahmenprogramms Österreich Initiativen setzen könne, nicht nur im Hinblick auf dessen Finanzierung, sondern auch auf dessen Umsetzung in entspre­chender Ausstattung.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) stellt die Frage, wozu diese Sitzung des Hauptausschusses diene, da der Abgeordnete DDr. Niederwieser die Anträge der Oppositions­parteien für entbehrlich halte. Die Regierung habe darüber informiert, daß sie die Beschäfti­gungsfrage, die WWU, den Umweltschutz und die Agenda 2000 als Schwerpunkte betrachte, aber das sei auch schon vorher bekannt gewesen. Die behauptete Information im Detail habe bisher auf sich warten lassen.

Neu sei nur die Information gewesen, daß sich Vizekanzler Dr. Schüssel um Verbesserungen für den Fischfang kümmern werde. Der Grund dafür sei nicht einzusehen, da ohnehin zuviel gefischt werde. Viel sinnvoller wäre es, zwei Drittel der Fischfangflotte auf die Trockendocks zu bringen, aber dies werde Österreich wahrscheinlich nicht schaffen.

Abgeordneter Mag. Schweitzer fragt Vizekanzler Dr. Schüssel, mit welchen konkreten Maß­nahmen er die in einer als “News”-Beilage erschienenen Broschüre vom 28. Mai 1998 ange­kündigte eine Million neuer Arbeitsplätze erreichen wolle.

Er verweist darauf, daß in dem Dokument, das offiziell noch nicht Gesprächsgrundlage ist, zum Thema “Energie” folgender Satz vorzufinden sei: Der österreichische Vorsitz wird weiters dem Ziel eines hohen Niveaus nuklearer Sicherheit nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Erwei­terung besondere Beachtung schenken.

Auch in dieser Ankündigung sei von konkreten Schritten keine Rede. Vor allem aber sei die Bundesregierung an einen im Parlament beschlossenen Fünfparteienantrag vom 10. Juli 1997 zu erinnern. Nach Übernahme des Vorsitzes werde die Bundesregierung die Gelegenheit haben, den Inhalt dieses damals gefeierten Antrages umzusetzen.

Daher fragt Abgeordneter Mag. Schweitzer den Bundeskanzler, mit welchen konkreten Maß­nahmen er am Ende ein kernenergiefreies Mitteleuropa erreichen wolle. Er fragt, auf welche Weise sich die Bundesregierung im Rahmen der Präsidentschaft einbringen werde, um mit mittel- und osteuropäischen Staaten verbindlich über die Erstellung von Kernkraft­ausstiegskon­zepten zu verhandeln und die Konzepte anschließend umzusetzen.

Eine dritte konkrete Frage bezieht sich darauf, wie es die Bundesregierung bewerkstelligen wolle, die Zielsetzung von IAEO und Euratom dahin gehend zu ändern, daß die Förderung der Kernenergie unterbleibt. Weiters stelle sich die Frage, wodurch die Bundesregierung für die angesprochene Verhinderung der Errichtung von Atommüllendlagern sorgen wird.

Abgeordneter Mag. Schweitzer fragt weiters, mit welchen konkreten Aktionen die Bundes­regierung darauf hinarbeiten wolle, innerhalb der Europäischen Union die Schaffung von Finan­zierungsinstrumenten für nichtnukleare Alternativen einzuleiten.

Alle diese konkreten Fragen seien auf einen im österreichischen Parlament einstimmig be­schlossenen Antrag bezogen. Mit der Übernahme der Präsidentschaft sei die Zeit gekommen, den Inhalt dieses Antrages nunmehr umzusetzen. Bundeskanzler Mag. Klima möge die von ihm geplanten konkreten Maßnahmen für die Umsetzung darlegen.

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP) spricht sich dafür aus, die Bundesregierung zu unterstützen, wenn sie sich für die Erreichung eines gemeinsamen Nenners auf den zahl­reichen anstehenden Gebieten einsetzt. Das Ausmaß, in dem es gelingen wird, die zum Teil be­reits im Gang befindlichen Verhandlungen weiterzubringen – und im günstigsten Fall sogar abzu­schließen –, sei das Entscheidende, und dies sei das einzige, woran der Erfolg der Präsi­dent­schaft gemessen werde. Es gehe nicht darum, spektakuläre eigene Vorschläge einzu­brin­gen, sondern darum, Anliegen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und – darauf auf­bauend – zu verwirklichen.

Dies gelte auch für die Anträge der Abgeordneten Mag. Kammerlander. Denn es liege bereits der erwähnte Richtlinienvorschlag der Kommission für eine Energiesteuer vor, und auf dieser Basis werde verhandelt werden. Auch in bezug auf das Klimaschutz-Protokoll von Kyoto sei zu beachten, daß ein gerechter Lastenausgleich zwischen den Mitgliedern hergestellt und die Notwendigkeit einer positiven Wirtschaftsentwicklung berücksichtigt wird.

Im österreichischen Parlament einstimmig gefaßte Beschlüsse wie der vom Abgeordneten Mag. Schweitzer erwähnte seien nicht entscheidend für die EU-Präsidentschaft. Für die Präsi­dentschaft und deren Wirkung komme es vielmehr auf die Frage an, ob alle anderen Mitglied­staaten einbezogen werden. Die Abgeordnete Mag. Kammerlander werde mit ihren Anträgen den Erfolg erreichen, den sie füglich erwarten könne, wenn sie auf ihrem Standpunkt verharre.

Der wesentliche Punkt werde jedoch ein anderer sein. Wie bereits vom Abgeordneten Dr. Mock festgestellt, bestehe die Gefahr, daß die Institutionenreform, nämlich die Vertiefung, ebenso aufgeschoben wird wie zahlreiche andere Anliegen. Das Gelingen und der Zeitpunkt der Osterweiterung werde von drei Faktoren abhängen. Ein Faktor sei die Erfüllung des Acquis Communautaire, und zwar des gesamten Acquis, auch über die von der Abgeordneten Dr. Gredler angesprochenen Kernbereiche hinaus. Nur in Einzelfällen könne es Übergangs­regelungen geben. In dieser Hinsicht seien die von der Task Force dem Parlament vorgelegten Berichte nicht sehr ermutigend.

Der zweite Faktor sei der Finanzrahmen, der dritte die Institutionenreform. Ein Vorschlag des Europäischen Parlaments sehe vor, auf eine längere Vorbereitungszeit zu setzen und die Kommission zu beauftragen, ihrerseits einen Vorschlag zu erarbeiten, der dem Rat und dem Parlament zugeleitet wird. Es sei anzunehmen, daß es dafür nicht überall Zustimmung geben werde, aber dies könne im Falle mehrheitlicher Zustimmung ein Weg sein, der die bisherige, nicht erfolgversprechende Vorgangsweise ersetzt. Auf diese Weise müsse sich niemand schon vorweg binden, sondern es könne im eingespielten Rahmen der Kommission, des Rates und des Europäischen Parlaments vorgegangen werden. Es dürfe nicht zugelassen werden, daß letztlich – wie schon vom Abgeordneten Dr. Mock ausgeführt – das gesamte Gebäude unter­miniert wird, weil die nötigen Schritte unterbleiben.

Abgeordneter DDr. König ersucht Vizekanzler Dr. Schüssel, gegenüber seinen Amtskollegen nachdrücklich auf erneuten intensiven Dialog mit der Türkei zu dringen.

In der Frage der Behandlung des Kosovo-Konfliktes sei Österreich vielleicht am besten in der Lage, zeitgerecht die entsprechenden bitteren Lehren aus den Konflikten in Ex-Jugoslawien zu ziehen und die nötigen Vorbereitungen zu treffen.

Die ÖVP werde den eingebrachten drei Anträgen nicht zustimmen, weil es falsch sei, eine Re­gierung “einzuzementieren”. Schon gar nicht dürfe eine Präsidentschaft “einzementiert” werden, da sie die Gesamtheit der Mitgliedstaaten zu vertreten habe und nicht einzelstaatlich bestimmt sein dürfe.

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche) erachtet die nationalen Interessen als aufs engste mit der Ausübung des EU-Vorsitzes verknüpft. Die österreichische Bevölkerung werde kein Verständnis dafür haben, daß der österreichische Außenminister und künftige Rats­vor­sitzende Reisen in die europäischen Metropolen unternehme, sich dort nach den Wünschen der Partnerstaaten erkundige und dabei den Eindruck erwecke, daß die heimischen Interessen zweit- oder nachrangig seien.

In einem “Standard”-Zeitungsartikel sei von der Bundesregierung als von “schlechten EU-Stra­tegen” die Rede gewesen. In diesem Artikel heiße es: Es stellt sich die Frage, ob die Bun­desregierung in der Lage ist, bei wesentlichen Themen ein durchsetzbares nationales Interesse überhaupt zu formulieren und dies dann nach außen einheitlich und überzeugend zu vertreten. Dreieinhalb Jahre nach dem EU-Beitritt sollte dies eine Selbstverständlichkeit sein; leider ist es nicht so.

Es gelte weiters, die Frage nach der Glaubwürdigkeit der österreichischen Außenpolitik zu stellen. Wenn die Regierungsparteien wegen unterschiedlicher Auffassungen nicht in der Lage seien, den österreichischen NATO-Beitritt in die Wege zu leiten, dann sei zu fragen, welche übernationale Außen- und Sicherheitspolitik die Bundesregierung in bezug auf Europa überhaupt anstrebe.

Vizekanzler Dr. Schüssel habe vom Beispiel des Kosovo gesprochen und mit stolzgeschwellter Brust verkündet, daß er auf den Balkan reisen werde. Aus der Sicht eines Albaners im Kosovo könne dies als purer Zynismus gedeutet werden. Denn im Kosovo seien 15 000 serbische Sol­daten und 30 000 serbische Polizisten stationiert. Bereits über 2 000 Kosovo-Albaner seien nach Albanien geflohen. Vor diesem Hintergrund sei es unzureichend, so wie der Vizekanzler von irgendwelchen Maßnahmen zu sprechen, die vielleicht dann einmal ergriffen werden, wenn es zu spät sein werde. Dies seien keine Merkmale vorausschauender Friedenspolitik. Die Bun­desregierung habe es verabsäumt, rechtzeitig Maßnahmen zu setzen, denn schon vor Monaten sei abzusehen gewesen, daß der Kosovo-Konflikt ausbrechen werde.

Hinsichtlich der inneren Sicherheit in Österreich werde es darum gehen, die Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu forcieren. Darüber bestehe nationaler Konsens, sodaß sich die Frage stelle, was die Bundesregierung im Zuge dieser Bekämpfung unternehmen wird. Der Bundeskanzler möge es in seiner Antwort nicht mit dem Hinweis auf den Lauschangriff bewenden lassen, sondern sich dazu insbesondere unter Berücksichtigung der im Rahmen der österreichischen EU-Präsidentschaft bestehenden Möglichkeiten konkret äußern.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP) warnt davor, daß der Antrag der Abgeordneten Dr. Gredler im Fall der Annahme eine zu weit gehende Einengung bewirken und inhaltlich sehr gefährlich werden könnte, insbesondere für den Bereich der Beschäftigungspolitik. Die darin geforderte Durchsetzung einer Grundsicherung in der Europäischen Union entspreche den Ideen des Liberalen Forums, finde aber nicht die Zustimmung der ÖVP.

Noch überraschender sei die Forderung nach einer Verdreifachung der Ausgaben für Beschäf­tigung, Bildung und Forschung zu Lasten der Agrarbudgets. Damit wäre der Europäische Sozialfonds überfordert, ganz abgesehen von den Folgen, die damit für die österreichische Landwirtschaft verbunden wären. Der Antrag sei daher mehr als problematisch und werde einer inhaltlichen Diskussion nicht standhalten können.

Es sei erfreulich, daß der Beschäftigungspolitik während des nächsten Halbjahres eine vor­rangige Stellung eingeräumt werde. Neben der Überprüfung und Evaluation der nationalen Beschäftigungsprogramme sei offensichtlich auch die Erarbeitung von Beschäftigungsleitlinien für 1999 in Aussicht genommen worden. Abgeordneter Dr. Feurstein fragt Vizekanzler Dr. Schüssel unter der Voraussetzung, daß eine generelle Harmonisierung der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik realistischerweise nicht angenommen werden könne, nach den Schwerpunkten dieser Leitlinien. Denkbar seien Maßnahmen im Bereich des Arbeitsrechtes und im Hinblick auf die Vermeidung von Sozialdumping. Abgeordneter Dr. Feurstein fragt nach weiteren vorstell­baren Schritten.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima antwortet der Abgeordneten Mag. Kammerlander, daß die EU-Kommission einen neuen Vorschlag zur Energiebesteuerung vorgelegt habe. Darin seien im wesentlichen Mindestsätze für die Besteuerung aller Energieträger vorgesehen. Dagegen hätten einige Mitgliedstaaten – insbesondere Spanien, Portugal und Griechenland – den Einwand vor­gebracht, sie seien wirtschaftlich noch nicht soweit, sich eine solche Energiesteuer leisten zu können.

Die Bundesregierung vertrete die Auffassung, daß in der europäischen Energiebesteuerung unbedingt ein Schritt vorwärts getan werden müsse. Es gehe auch darum, die nötige Entlastung des Faktors Arbeit zu erreichen, und es sei bekannt, daß die Energiebesteuerung beschäf­tigungswirksam sein werde. Es werde weiter auf eine Einigung hingearbeitet werden, wobei befristete Ausnahmen für jene Staaten vorstellbar seien, deren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung einen bestimmten Prozentsatz noch nicht erreicht hat. Aufgrund dieses Vor­schlages der Kommission für ein Mindestniveau der Energiebesteuerung bestehe die Aussicht, wieder Bewegung in diese Diskussion zu bringen.

Inzwischen habe der Überprüfungsprozeß hinsichtlich der für die neuen Mitgliedstaaten im Beitrittsvertrag festgelegten höheren Umweltstandards eingesetzt. In einigen Bereichen sei dieser Prozeß bereits zufriedenstellend abgeschlossen worden, wohl aber gebe es andere Bereiche, in denen kurz- und mittelfristig keine Erfolge in Aussicht seien, zum Beispiel im Hinblick auf den Kadmiumanteil in Düngemitteln.

Klar sei jedenfalls, daß Österreich nicht nur seine Umweltstandards beibehalten könne, son­dern – in Übereinstimmung mit den Versprechungen beim Beitritt – in ständiger mühsamer, gemeinsamer Arbeit auch erreicht habe, daß in manchen Bereichen das Niveau in der Europäischen Union verbessert worden sei. Ein Beispiel dafür sei die Reduktion des Benzolgehalts im Benzin. Mit den entsprechenden Treibstoffqualitätsrichtlinien würden sogar die in Österreich vorgeschriebenen niedrigen Werte unterboten werden. Weiters zeige sich bei­spielsweise in bezug auf den Schwefelgehalt im Heizöl oder den Quecksilbergehalt in Batterien, daß nicht nur das Versprechen zur Beibehaltung der hohen österreichischen Umweltstandards gehalten worden sei, sondern daß auch die europäischen Standards bereits Verbesserungen erfahren hätten.

In der Beschäftigungspolitik bestehe eine der zentralen Herausforderungen darin, das EU-In­novations- und Forschungspotential zu verbessern, und zwar durch Beseitigung von Non-Tariff-Barriers und protektionistischen Maßnahmen aufgrund unterschiedlicher nationaler Standards, aber auch durch konzentrierten Mitteleinsatz im Zuge des 5. Forschungsrahmenprogramms der EU. Der Schwerpunkt, den Österreich in dieses Rahmenprogramm einbringen wolle, sei die Erweiterung der thematischen Programmstruktur um die Bereiche Umwelt und Energie. Weiters gehe es um die Einbeziehung der eigenen Leitaktion für globale Veränderung, Klima und Arten­vielfalt, um die verstärkte Erforschung der Schwerpunkte Landverkehrstechnologien, erneuer­bare Energieträger, nachhaltige Forstwirtschaft und Bewahrung des kulturellen Erbes sowie um das sozialwissenschaftliche Forschungsprogramm.

Österreich werde die Möglichkeit haben, das Vermittlungsverfahren zwischen Rat und Euro­päischem Parlament in die Wege zu leiten – verbunden mit der Hoffnung, es erfolgreich abzuschließen – und die darauf folgenden Beschlüsse des 5. Forschungsrahmenprogramms sowie des Euratom-Rahmenprogramms durchzuführen. Im Rat bestehe Einigkeit über ein Finanzierungsausmaß von 14 Milliarden ECU, wogegen das Europäische Parlament ein Ausmaß von ungefähr 16,7 Milliarden ECU gefordert habe. Jedenfalls sei es gegenüber dem 4. Forschungsrahmenprogramm zu einer realen Steigerung gekommen, und Österreich erwarte sich, daß während seines Vorsitzes ein Kompromiß zwischen diesen beiden Positionen gefun­den wird.

Bundeskanzler Mag. Klima erhofft sich auch einen Fortschritt in bezug auf die Wegekosten­richtlinie. Der Kompromißvorschlag von Verkehrskommissar Kinnock sei derzeit ebenso blockiert wie das Landverkehrsabkommen mit der Schweiz. Dies sei insbesondere auf die abwehrende Haltung Deutschlands zurückzuführen.

Auf eine österreichische Initiative sei es zurückzuführen, daß die Frage der nuklearen Sicherheit in die Agenda 2000 aufgenommen wurde. Es sei das Ziel Österreichs, die Vision oder die Per­spektive eines atomkraftfreien Mitteleuropas umzusetzen, aber dies werde seine Zeit dauern. Österreich werde – wie schon bisher, zum Beispiel in Kontakten mit Slowenien oder mit der Slowakei – weiterhin versuchen, entsprechende Unterstützungsprogramme anzubieten. Es sei realpolitisch notwendig, den kernkraftnutzenden Ländern zu sagen, daß bis zur Erreichung dieser Vision für bestmögliche Sicherheit in den existierenden Kraftwerken gesorgt werden müsse. In diesem Sinne bestehe kein Widerspruch zwischen dem Europäischen Parlament und der österreichischen Bundesregierung, da sich die Bundesregierung in der 37. Minister­ratssitzung vom 3. Dezember 1997 den Wünschen des österreichischen Parlaments angeschlossen und entsprechende Atomausstiegskonzepte angesprochen habe.

Zur Konkretisierung der Pläne für die innere Sicherheit führt Bundeskanzler Mag. Klima aus, daß es unter österreichischer Präsidentschaft möglich sein werde, die Umsetzung der Vorbei­trittsvereinbarungen zwischen der Europäischen Union und den Beitrittskandidatenländern über die Bekämpfung der organisierten Kriminalität anzustreben. Daran erweise sich die Bedeutung der früh- und rechtzeitigen Diskussion dieser zentralen politischen Themen mit den Beitrittskan­didatenländern.

Daher spricht sich Bundeskanzler Mag. Klima dafür aus, die Intensivierung der Kontakte mit den elf Kandidaten zu unterstützen und Beitrittspartnerschaften zum Leben zu erwecken sowie technische, rechtliche, infrastrukturelle und finanzielle Unterstützung zu leisten, damit ein den Beitritt ermöglichender Standard des Rechtssystems, der Industrie, der Wirtschaft und der Umweltqualität erreicht wird.

Im Zusammenhang mit den Fragen zur inneren Sicherheit sei auch darauf zu verweisen, daß das europäische Polizeiamt Europol unter dem österreichischen Vorsitz seine Tätigkeit aufneh­men werde.

Österreichische Politiker hätten einen Fehler vermieden, den andere Staatsmänner gemacht hätten. Diese hätten nämlich auf Reisen in die betroffenen Hauptstädte falsche Hoffnungen erweckt und dadurch Frustration bewirkt, daß sie zum Beispiel gesagt hätten: Warschau, Prag oder Budapest würden im Jahr 2000 bereits Hauptstädte von EU-Mitgliedstaaten sein. Hingegen hätten österreichische Politiker stets klar und seriös im Inland dasselbe gesagt wie im Ausland: Wir wollen den Erweiterungsprozeß aus ökonomischen und politischen Gründen, aber wir müssen ihn in der Europäischen Union und in den Beitrittskandidatenländern gut vorbereiten. – Dazu bedürfe es der Beitrittspartnerschaften, da eine Spaltung zwischen den 5 + 1 Staaten, mit denen konkrete Verhandlungen beginnen, und den fünf Staaten, für die das noch nicht gilt, zu vermeiden sei.

In Weiterführung der Stellungnahme des Abgeordneten Dr. Mock betont Bundeskanzler Mag. Klima, daß über diese elf Staaten hinaus auch der übrigen europäischen und mediterranen Bevölkerung beziehungsweise deren Ländern gezeigt werden müsse, daß Europa zukünftig ihr Partner sein werde. Daher sei das bevorstehende Gipfeltreffen in Wien zwischen der Euro­päischen Union und der Ukraine ebenso zu begrüßen wie jenes zwischen der EU und Rußland. Weiters werde es unter österreichischem Vorsitz zu einem ersten Treffen des As­soziationsrates Tunesiens und der Europäischen Union kommen. Es sei wichtig, eine euro­päische Entwicklung auch gegenüber jenen Staaten zu unterstützen, die noch kein Beitritts­ansuchen abgegeben haben.

Die Europäische Union sei keine geschlossene christliche Wertegemeinschaft. Es bestehe daher in dieser Hinsicht kein Grund, der Türkei für alle Zeit ablehnend entgegenzutreten. Eben­so gebe es zum Beispiel keinen Grund, eine Zusammenarbeit mit dem Stabilitätsfaktor Tune­sien oder ähnlichen Staaten abzulehnen. Daher hält es Bundeskanzler Mag. Klima für wichtig, folgendes zu sagen: Die Türkei hat eine Beitrittsperspektive, sie hat die “Eligibility”, und diese gilt es zu bestätigen. Wir wollen den Dialog mit der Türkei, wir müssen ihr gegenüber fair sein und können daher nicht zum Beispiel das Finanzpaket blockiert oder die heutige Zollunion – mit deutlichen Vorteilen der Europäischen Union und deutlichen Nachteilen der Türkei – eingerichtet lassen.

Trotzdem betont Bundeskanzler Mag. Klima, daß er aus Gründen der Menschenrechtssituation in der Türkei nach wie vor zu dem Beschluß von Luxemburg stehe. Denn in den elf Staaten, die unmittelbar als Beitrittskandidaten akzeptiert worden sind, gebe es keine politischen Gefan­genen und keine Folterungen. Bundeskanzler Mag. Klima führt aus, er bekenne sich dazu, der Türkei die Teilnahme an der Europakonferenz anzubieten, sie aber nicht mit den anderen elf Staaten in konkrete Beitrittspartnerschaften und in den Beitrittsprozeß aufzunehmen.

Es sei wichtig, daß die Bundesregierung die berechtigten Sorgen der Menschen – in Österreich, aber auch in den anderen Mitgliedstaaten – über den Erweiterungsprozeß ernst nimmt. Für Österreich ergäben sich besondere Chancen, aber auch besondere Risken, da es die längste Außengrenze aufzuweisen habe und da seine wirtschaftlichen Ballungsräume nahe der Grenz­region gelegen seien. Daher werde sich Österreich massiv zum Beispiel für Übergangs­perioden in bestimmten sensiblen Sektoren wie der Freiheit des Arbeitnehmerverkehrs einsetzen.

Alles dies werde Österreich offen und ehrlich einbringen und diskutieren, jedoch sich gleichzeitig aus ökonomischen und politischen Gründen zur Erweiterung bekennen. Denn eine Teilung Europas in unterschiedliche Hälften würde wieder zu einem Zustand führen, den es zu ver­meiden gelte, nämlich einem Europa, das sich gegenseitig bekriegt. Angestrebt werde ein gemeinsames und friedliches Europa. (Bundeskanzler Mag. Klima verläßt die Sitzung.)

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) wirft dem Bundeskanzler, während er den Saal verläßt, vor, daß er auf keine ihrer Fragen geantwortet habe, ja nicht einmal darauf einge­gangen sei.

Über den Überprüfungsprozeß habe sie nicht gesprochen. In bezug auf die Energiesteuer reiche eine Richtlinie nicht aus, wenn nicht nachdrücklich entsprechende Initiativen eingeleitet werden. Völlig außer acht gelassen habe der Bundeskanzler die Frage der CO2-Reduktion.

Österreich müsse – um seinen Anspruch, eine umweltpolitische Rolle in der Europäischen Union zu spielen, glaubhaft zu machen – am 16. Juni im Umweltministerrat zu dem zu stehen, was das Parlament und die Bundesregierung beschlossen haben. Dies sei auch dem Abge­ordneten DDr. König ins Stammbuch zu schreiben. Bleibe Österreich nicht bei seinen Be­schlüssen, dann werde es unglaubwürdig in seinen Versuchen, auf europäischer Ebene Ini­tiativen zu setzen. Aber das erhoffte klare Wort des Bundeskanzlers dazu, daß Österreich auch am 16. Juni im Umweltministerrat bei seinen Beschlüssen bleiben und eine Reduktion im Aus­maß von mehr als 20 Prozent fordern werde, sei ausgeblieben. Auch lasse das Verhalten von SPÖ- und ÖVP-Abgeordneten darauf schließen, daß bereits gefaßte Beschlüsse nicht ernst genommen werden.

Abgeordnete Mag. Kammerlander verdeutlicht, daß ihre Anträge dazu dienten, die nötigen Initiativen zur Umsetzung der Richtlinie in Gang zu setzen, und fragt den Abgeordneten DDr. König, ob er Beschlüsse, an denen er selbst mitgewirkt habe, und internationale Verein­barungen tatsächlich so wenig ernst nehme, daß er sich in einem Ausschuß des Parlaments darüber lustig machen könne. Sie spricht sich nachdrücklich dafür aus, ernst zu nehmen, was auf internationalen Konferenzen beschlossen wird und wofür Österreich innerhalb der Euro­päischen Union eintritt. Im gegebenen Fall liege ein Versprechen zur Einhaltung einer Senkung im Ausmaß von 25 Prozent vor. Dafür lasse sich die Bundesregierung zuerst loben, aber wenn es darauf ankomme, im Umweltministerrat daran festzuhalten, fehle die nötige Entschlos­senheit.

Der Abgeordnete DDr. Niederwieser scheine über die Sachlage gar nicht Bescheid zu wissen, da er in seinem Debattenbeitrag sehr wenig Ahnung vom Antragsinhalt habe erkennen lassen. Hingegen sei dem Abgeordneten Brix offensichtlich verboten worden, das Wort zu ergreifen, da er gewußt hätte, wovon er spräche.

Es sei deprimierend, eine umweltpolitische Debatte auf diesem Niveau zu führen, und nahezu unerträglich, daß der eine Abgeordnete sich äußere, ohne zu wissen, worum es gehe, und der andere sich auf den Standpunkt stelle, man könne nicht über alles reden und nicht alles wollen. Dem scheine ein völliges Vergessen in bezug auf internationale, europaweite Versprechen Österreichs zugrunde zu liegen, und damit werde in Kauf genommen, daß Österreich an Reputation verliere.

Erforderlich sei vielmehr eine Diskussion darüber, ob nicht jene Kräfte in Wirtschaft und Industrie unrecht hätten, die jetzt Druck in Richtung eines niedrigeren Ausmaßes der CO2-Reduktion zu entwickeln begännen. Die Forderung nach einer solchen Diskussion sei nicht gegen die Wirtschaft gerichtet, sondern es gehe darum, zu vermeiden, daß mit zweierlei Maß gemessen wird. Es sei nicht zulässig, im einen Fall davon zu sprechen, daß Investitionen keine Kosten seien, sondern dazu dienten, Arbeitsplätze zu schaffen und Kapital ins Land zu bringen, und im anderen Fall – wenn Umweltbelange davon betroffen sind – die Investitionen als Kosten darzustellen, die der Wirtschaft nicht zumutbar seien. Wer etwas von Wirtschaft verstehe, hätte auf das Anliegen der Grünen anders reagieren müssen.

Abgeordnete Mag. Kammerlander fragt Vizekanzler Dr. Schüssel, ob er bereit sei, die Intention des Umweltministers, also eines Parteifreundes, zu unterstützen. Denn Umweltminister Dr. Bar­tenstein trage sich – wenngleich mit gewissen Abstrichen – nach wie vor mit der Absicht, an dem festzuhalten, was Österreich international versprochen habe. Er fordere einen Wert, der über 20 Prozent liegt und die Zahl eins unmittelbar vor dem Komma enthält. Zuletzt sei allerdings auch von 20,5 Prozent die Rede gewesen. Die widersprüchlichen Meldungen darüber seien beunruhigend.

Es sei nicht als lächerlich zu erachten, im Rahmen der Ratspräsidentschaft auf dieses Thema einzugehen. Denn es gehe um Glaubwürdigkeit und um die Einhaltung von Versprechen sowie Beschlüssen.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) führt aus, daß die österreichische Präsident­schaft in einen sehr wichtigen Zeitabschnitt der Entwicklung der Europäischen Union falle. Es würden Meilensteine der Integration gesetzt werden. Dazu gehöre die Einführung des Euro am Ende der österreichischen Präsidentschaft. Auch werde diese Zeit eine Hauptverhandlungszeit in bezug auf die Agenda 2000 sein. Die Agenda 2000 umfasse nicht nur die gesamte Finanzierung der Europäischen Union für den nächsten Programmzeitraum von 2000 bis 2006, sondern auch die Strukturreform, die Agrarreform und die Osterweiterung.

Stellungnahmen aus der Opposition zur Strategie Österreichs während der Präsidentschaft seien geeignet, den Eindruck zu vermitteln, daß die Präsidentschaft mit einer Diktatur verglichen werde: Österreich gebe etwas vor, und die anderen 14 Mitgliedstaaten hätten es zu beschlie­ßen. – Wer dies annehme, kenne offenbar die Entscheidungsabläufe in der Euro­päischen Union nicht. In einigen Bereichen könne überhaupt nur einstimmig entschieden wer­den, in anderen mit qualifizierter Mehrheit im Rat, und diese Mehrheit betrage in der Regel 62 von 87 Stimmen. Daher müsse Österreich Verbündete zur Verwirklichung seiner Anliegen suchen, um diese mehrheitsfähig zu machen.

In bezug auf die Agenda 2000 werde ein Zwang zum Kompromiß bestehen. Die Mitgliedstaaten würden am Vorschlag der Kommission die unterschiedlichsten Kritikpunkte anbringen, und in den einzelnen Ministerräten werde es zu Kompromissen kommen müssen.

Aufgrund des niedrigen Einkommens in der Landwirtschaft werde es erforderlich sein, die Preissenkungen durch Kompensationszahlungen auszugleichen, und zwar nicht nur zur Hälfte, sondern in vollem Ausmaß. Abgeordneter Schwarzenberger fügt hinzu, daß einer der Gründe für diese Forderung darin bestehe, ein intensiveres Nachdenken darüber zu bewirken, ob alle derzeit vorgeschlagenen Preissenkungen tatsächlich notwendig seien oder ob es nicht auch andere Wege gäbe, das Ziel höherer Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt zu erreichen. (Obmannstellvertreter Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Für die Osterweiterung sei sowohl aus der Sicht der Europäischen Union als auch aus der Sicht der Beitrittskandidaten eine Übergangszeit zur Abstimmung der einzugliedernden Volks­wirtschaften auf westliches Niveau notwendig. Auf einer Tagung in Prag vor einem Monat seien Bedenken dieser Länder in bezug darauf vorgebracht worden, daß sie die rechtlichen Vor­aussetzungen dafür zu schaffen haben, den Kriterien der Römer Verträge zu entsprechen. Insbesondere im Bereich der Qualitäts- und Hygienebestimmungen hätten diese Länder noch sehr viele Vorarbeiten zu leisten. Dafür seien hinreichende Übergangszeiträume erforderlich.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum) merkt zur Stellungnahme ihres Vorred­ners an, er habe darin zum Ausdruck gebracht, daß er die intellektuelle Kapazität der Oppo­sitions­parteien kraß unterschätze.

Abgeordnete Dr. Gredler fragt Vizekanzler Dr. Schüssel, welche außenpolitischen Vorhaben Österreichs während seiner EU-Präsidentschaft Priorität haben würden. Es sei zum Beispiel die Rede davon gewesen, daß sich die österreichischen Pläne auf Rußland konzentrieren würden.

Abgeordnete Dr. Gredler stimmt den Ausführungen des Abgeordneten Dr. Mock in bezug auf die Türkei zu. Es sei eine falsche Vorgangsweise gewählt worden in dem Versuch, eine absolut notwendige Maßnahme zu erwirken, nämlich daß die Beachtung der Menschenrechte in der Türkei implementiert werde. Ein Dialog mit der Türkei werde eher als der Versuch, die Türkei fernzuhalten, zur Beachtung der Menschenrechte und zur Abschaffung der Folter führen. Dieser Standpunkt werde auch von betroffenen Personen in Gefängnissen und von Menschen­rechts­aktivisten vertreten.

Abgeordnete Dr. Gredler stellt den Vorschlag zur Diskussion, vor jeder Ratssitzung einen EU-Hauptausschuß fachbezogen zu den jeweiligen Tagesordnungspunkten tagen zu lassen. Es sei ratsam, alle – und nicht nur die ständig mit diesen Themen befaßten – Abgeordneten des Parla­ments zu involvieren. Dies wäre hilfreich, den Dialog im Parlament zu aktivieren und größeres Verständnis für die Komplexität der Materie zu erwecken.

Hinsichtlich der Ausführungen des Bundeskanzlers über die Stellung der Kirchen sei zu beach­ten, daß Österreich und Italien in den Verhandlungen zum Amsterdamer Vertrag eine Veran­kerung der Stellung der Kirchen verlangt hätten. Einige Länder hätten aber die Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht anerkannt. Es sei interessant, daß der Bundeskanzler demgegenüber in der Frage der Haltung gegenüber der Türkei eine unterschiedliche Meinung habe erkennen lassen.

Abgeordnete Dr. Gredler appelliert an die Abgeordneten, sich genauer mit dem von ihr einge­brachten Antrag zu befassen. Sie könne Kritik wie jene des Abgeordneten Dr. Feurstein ver­stehen, wolle jedoch einen Dialog über diese Punkte im Rahmen des Hauptausschusses in Gang setzen. Sie halte es daher jetzt für besser, die Debatte über ihren Antrag in dieser Sitzung zu vertagen und im nächsten EU-Hauptausschuß wiederaufzunehmen.

Die Anträge der Abgeordneten Mag. Kammerlander seien unterstützenswert, nicht günstig sei jedoch die Erwähnung der Aufhebung der Steuerbefreiung des Kerosins als Einzelmaßnahme. Denn wünschenswert sei die Einführung einer EU-weiten Energiesteuer, aber die Konzentration auf das Kerosin könnte von den Regierungen zum Vorwand dafür genommen werden, danach nicht mehr weiterzumachen. Diese Maßnahme allein sei jedoch keineswegs ausreichend. Abgeordnete Dr. Gredler kündigt an, aus diesem Grund von den beiden Anträgen der Abgeordneten Mag. Kammerlander nur denjenigen zum Treibhausgas-Reduktionsziel zu unter­stützen.

Abgeordneter Dr. Alois Mock (ÖVP) äußert sich zufrieden darüber, in den Fragen der Erwei­terung und der Haltung gegenüber der Türkei weitgehende Übereinstimmung mit den Aus­führungen des Bundeskanzlers feststellen zu können. Im internationalen Bereich seien so oft ambivalente, vage und allgemeine Stellungnahmen zu vernehmen, daß jedes Beziehen einer klaren Position mit Dankbarkeit zu vermerken sei.

Der Beschluß von Luxemburg zuungunsten der Türkei sei nicht notwendig gewesen. Denn es sei eine klare Bedingung für den Beitritt zur EU, daß die Menschenrechte zu gewährleisten sind, daher hätte es genügt, von der Türkei die Erfüllung aller Bedingungen zu verlangen. Der Beschluß sei somit eine völlig unnötige Provokation gewesen. Vizekanzler Dr. Schüssel möge damit fortfahren, den von ihm bezogenen Standpunkt zu vertreten.

Abgeordneter Dr. Mock spricht sich gegen unterschiedliche Behandlung der elf Beitritts­kandi­daten sowohl untereinander als auch im Vergleich mit der Türkei aus. Wenn mit allen elf verhandelt wird, werde es zwar jeweils verschieden lange dauern, bis es zum Beitritt kommt, aber damit werde Diskriminierung verhindert. Unterschiede in den Verhandlungsergebnissen als “Diskriminierung” zu bezeichnen, sei unzulässig.

Ebenso sei es Unfug, zu behaupten, daß die Zollunion eine Diskriminierung der Nichtmitglieder darstelle. Typisch dafür sei das “Geschrei des Ostens” über angebliche Diskriminierung gewe­sen, als die Europäische Gemeinschaft vor Jahrzehnten begann, eine Zollunion sowie Freihan­delszonen wie zum Beispiel die EFTA zu bilden. Tatsächlich habe in den osteuropäischen Staaten eine Unfähigkeit zur Teilnahme aufgrund der gewählten gesellschaftlichen Option bestanden.

Viele Schwierigkeiten seien politisch bedingt. Ein Beispiel dafür zeige sich auch in der Frage der Kernkraftsicherheit. Die Explosion des Kernreaktors in Tschernobyl sei auch eine politische Sache gewesen, und zwar dadurch, daß ein solches Kernkraftwerk nur in einem Land habe errichtet werden können, in dem das Gefahrenpotential nicht kontrolliert wurde.

Abgeordneter Dr. Mock erinnert daran, daß er anläßlich eines Besuches in der früheren Tsche­choslowakei in einem der Bezirke, in denen der Wald bereits zerstört war, einem Forstinspektor die Frage nach der Reaktion auf die Berichte über den Zustand des Waldes gestellt habe. Der Beamte habe geantwortet, daß er darüber keine Berichte erstattet habe, um seine Position nicht zu gefährden. Denn hätte er über den tatsächlichen Zustand berichtet, dann hätte er sich den Vorwurf zugezogen, sozialistisches Eigentum schlechtzumachen. Der Forstinspektor habe er­gänzend ausgeführt, daß es keine Kontrollen gegeben und niemand dagegen demonstriert habe, auch keine Grünen.

Die Grünen hätten mit ihren Demonstrationen häufig neue Ideen bewirkt. Abgeordneter Dr. Mock stellt fest, daß er dies nie in Abrede gestellt habe, und spricht sich dafür aus, überall dort klar Position zu beziehen, wo dies möglich ist.

Der Beschluß zuungunsten der Türkei sei eine falsche Entscheidung gewesen. Es stehe zu hoffen, daß diese Vorgangsweise keine Verbreiterung erfahren werde. Auch gegenüber Zypern sei die Lage problematisch. Nach französischer Auffassung sei der Beitritt Zyperns erst zulässig, nachdem das dort bestehende Problem gelöst sein wird. Es sei besser, für die Interessen der Griechen und der Türken auf Zypern einen Ausgleich zu suchen und eine Lösung herbeizu­füh­ren, als ein ungelöstes Problem in die Europäische Union hineinzutragen und damit eine klaf­fende Wunde zu öffnen.

Abgeordneter Dr. Mock ersucht den Vizekanzler und Außenminister, das Kernkraftwerk Mo­chovce auf multilateralem Weg zu bekämpfen. Bilateral seien die Möglichkeiten zur Durch­setzung nur sehr bescheiden. Es sei zu überlegen, diese Frage zu einem Teil des Acquis Com­munautaire zu machen. Vor fünf Jahren habe sich die Europäische Union dazu bereit erklärt, und sie habe andere Möglichkeiten, Druck auszuüben. Es könne vorgesehen werden, daß die Slowakei die Sicherheitsbestimmungen ebenso wie andere Bestimmungen zu übernehmen hat.

Dem Einwand der Abgeordneten Mag. Kammerlander, daß die Zustimmung zu einem sicheren Kernkraftwerk zugleich eine prinzipielle Zustimmung bedeute, sei entgegenzuhalten, daß es besser sei, dort steht ein sicheres und nicht ein schlechtes Kernkraftwerk. Die österreichische Bevölkerung habe nichts von der langfristigen Vision eines kernkraftfreien Mitteleuropas, son­dern benötige jetzt Sicherheit. Daher sei es zu begrüßen, daß Vizekanzler Dr. Schüssel nunmehr eine multilaterale Vorgangsweise gewählt habe und das Gewicht der EU zum Tragen bringe.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) stellt fest, daß seine Fragen in bezug auf den zitierten Fünfparteienantrag betreffend Ausstieg aus der Nutzung der Kernkraft vom Bun­deskanzler nicht beantwortet worden seien. Während der EU-Präsidentschaft werde Österreich die Möglichkeit haben, die Forderungen dieses Antrages zu erfüllen und umzusetzen. Abge­ordneter Mag. Schweitzer ersucht darum, daß künftig auf konkrete Fragen auch entsprechende Antworten gegeben werden.

Dem Abgeordneten DDr. König seien die bereits von der Abgeordneten Mag. Kammerlander be­sprochenen, mehrfach gefaßten Regierungs- und Parlamentsbeschlüsse zu den CO2-Reduk­tionszielen in Erinnerung zu rufen. Außerdem seien diese Ziele detailliert im Nationalen Umwelt­plan enthalten, und dieser sei von der Regierung einstimmig beschlossen und zur Umsetzung bestimmt worden. Es stelle sich die Frage, was den Abgeordneten DDr. König jetzt dazu bringe, von diesen Beschlüssen abzurücken, ja sich davon zu distanzieren. Was beschlossen worden ist, müsse auch eingehalten werden.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel führt aus, daß einige der in dieser Sitzung zum Ausdruck gebrachten Erwartungen nicht erfüllt werden könnten. Es sei nicht Aufgabe einer EU-Präsidentschaft, nationale Prioritäten zum Programm der Union zu machen. Denn dies sei der sicherste Weg dazu, die EU von Anfang an scheitern zu lassen. Um jede Vermischung zu vermeiden, seien auch in jedem EU-Ministerrat zwei Sitze bereitgestellt, der eine für den Präsidenten, der andere für den – sich üblicherweise im Hintergrund haltenden – Vertreter der nationalen Position.

In der laufenden Sitzung gehe es nicht um die Diskussion des österreichischen Standpunktes zur Agenda 2000. Dafür liege eine bereits bekannte, akkordierte Position der Bundesregierung vor. Hingegen sei die Aufgabe der Präsidentschaft in einem koordinierten Programm verankert, das den Mitgliedstaaten am Beginn des Vorsitzes in einer öffentlichen Aussprache bekannt­gegeben wird. Dazu gehöre eine Tour durch die Hauptstädte, die von der österreichischen Seite sogar schon im Vorfeld des Gipfeltreffens von Cardiff begonnen worden sei. Vizekanzler Dr. Schüssel fügt hinzu, daß er sich – als Novum im Rahmen dieser Hauptstädte-Reise – Besuche in den sechs Beitrittskandidatenländern vorgenommen habe.

Das Präsidentschaftsprogramm werde im Rahmen einiger Dutzend Sitzungen in den jeweiligen Ministerräten und in den Arbeitsgruppen diskutiert werden. Insgesamt werde Österreich den Vorsitz für mehr als 2 300 Veranstaltungen zu übernehmen haben. Am Ende werde darüber Rechnung zu legen sein, welche der Ziele erreicht worden sind und welche nicht.

Die Anregung, daß Österreich Initiativen ergreifen und dem jeweiligen Ministerrat Vorschläge unterbreiten möge, könne nicht aufgegriffen werden, da laut EU-Vertrag die Initiative ausschließlich von der Kommission auszugehen habe. Daher habe der jeweilige Vorsitzende weder in der Arbeitsgruppe noch im Ministerrat die Möglichkeit, die Tagesordnung zu festzu­setzen und die anderen Mitgliedstaaten auf bestimmte Ziele oder Initiativen festzulegen.

Der Außenminister und Ratspräsident des Allgemeinen Rates – dieser sei zum einen für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und zum anderen für die Querschnittsmaterien wie zum Beispiel die Agenda-Diskussion zuständig – habe eine besondere Verantwortung zu tragen und spiele eine besondere Rolle, da er in einem Bereich koordinierend tätig werden müsse, der nicht Teil des Gemeinschaftsrechtes ist. Denn die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gehöre nicht zum Gemeinschaftsrecht, sondern zur Zweiten Säule, und sei Sache nationaler Politik. Daher könne der Ratspräsident keine eigene Politik formulieren, sondern habe die Auf­gabe, in einer Weise koordinierend tätig zu sein, daß tatsächlich eine europäische Präsenz möglich und eine europäische Stimme hörbar wird. Eine solche Stimme sei zum Beispiel für den Einfluß auf Krisenregionen wie Nahost oder Kosovo und in Fragen der Menschenrechte dringend notwendig. Dies sei wahrscheinlich überhaupt die schwierigste Aufgabe.

Zur Energiebesteuerung liege ein Vorschlag der EU-Kommission vor, nämlich der mittlerweile dritte – sodaß sich die Kommission weigere, einen vierten Vorschlag zu entwickeln –, und dieser sei derzeit völlig blockiert. Wer in dieser Frage Bescheid weiß – dazu gehörten auch einige der Abgeordneten, die in dieser Sitzung das Wort ergriffen haben –, dem sei genau bekannt, daß dieser Vorschlag meilenweit von den Zielen entfernt sei, die Österreich erreichen wolle. Die darin vorgesehenen Energiesteuersätze lägen weit unter den von Österreich vorgeschlagenen.

Vizekanzler Dr. Schüssel antwortet der Abgeordneten Mag. Kammerlander, daß es proble­matisch sei, die Energiesteuer als reine CO2-Steuer zu konzipieren. Dies käme beispielsweise Frankreich gelegen, da sämtliche Atomkraftwerke außer Betracht blieben, und eine solche Vor­gangsweise stehe nicht in Einklang mit den Zielen Österreichs. Eine harmonisierte europäische Energiesteuer müsse erstens höher sein als jede bisher diskutierte – dies sei derzeit vollkommen unrealistisch, da auch die Vorschläge der Kommission weit unter den Werten gemäß österreichischen Vorstellungen lägen – und zweitens eine umfassende Energiebe­steue­rung mit sich bringen, also auch den Atomstrom einbeziehen.

Diese Themen seien nicht allein Sache der österreichischen Präsidentschaft, denn es sei nicht damit zu rechnen, daß innerhalb dieser Zeit Konsens erreicht wird. Es gehöre zu einem ehrlichen Dialog, den zum Ausdruck gebrachten Erwartungen eine realistische und ehrliche Antwort folgen zu lassen.

In bezug auf die Agenda 2000 sehe das Präsidentschaftsprogramm vor, so weit wie möglich zu kommen. Es werde versucht werden, schon vor der Wahl in Deutschland die Dinge in den Arbeitsgruppen und in den technischen Programmen außer Streit zu stellen und einige politische Knotenpunkte zu schaffen, die nach der Wahl entschieden werden können. Davon bleibe die nationale Position Österreichs unberührt.

In Beantwortung der Fragen des Abgeordneten Ing. Reichhold führt Vizekanzler Dr. Schüssel aus, daß sich die Bundesregierung ganz im Sinne der bäuerlichen Interessenvertreter für das Überleben der Familienbetriebe in Österreich einsetzen werde. Auch sei vorgesehen, die von Agrarkommissär Dr. Fischler neu formulierten Bereiche – wie das Programm für den ländlichen Raum, die “Umwelt-Incentives” und die Ausgleichszahlungen – zu einem vertretbaren Status weiterzuentwickeln. Die Erörterung dieser Fragen auf Ministerebene habe kürzlich begonnen, in den Fachausschüssen werde weiter darüber geredet werden können.

Nicht ganz verständlich sei der Vorwurf des Abgeordneten Dr. Kurzmann, daß der österreichi­sche Außenminister und Ratsvorsitzende Reisen unternimmt. Es sei ja dessen Aufgabe und Beruf, die Kontakte im Ausland zu gestalten. In der Funktion des Ratsvorsitzenden komme die Aufgabe hinzu, die Kontakte zwischen den 15 Mitgliedern und den sechs Kandidaten soweit zu intensivieren, daß nicht der Vorwurf mangelnden Interesses erhoben wird.

Die bevorstehende Reise nach Belgrad und Priština werde schwierig sein. Aber es stelle sich die Frage, ob das österreichische Parlament vom österreichischen Ratsvorsitzenden erwarte, die einfachere und angenehmere Vorgangsweise zu wählen, vor unangenehmen Begegnungen zurückzuscheuen und nicht dorthin zu reisen. Vizekanzler Dr. Schüssel fragt, ob es nicht ein Gipfel an Zynismus sei, gar nicht erst dorthin zu fahren. Dies werde eine unangenehme, schwie­rige und vielleicht sogar unmögliche Reise sein. Auch dem britischen Außenminister Cook sei es auf einigen Auslandsreisen als EU-Ratspräsident nicht besonders gut ergangen, da er manch­mal plötzlich im Kreuzfeuer gegensätzlicher Interessen gestanden sei. Aber es gehöre dazu, sich einzumischen, sich zu kümmern und sich als europäisches Gesicht, als europäische Stim­me zu präsentieren.

Auch die Bevölkerung im Kosovo erwarte sich, daß sich die Europäische Union um diesen Teil Europas kümmert und nicht abseits steht, wie dies vielleicht während des Bosnien-Konfliktes der Fall gewesen sei. Heute sei man weiter, und es gehöre dazu, ehrlich zu informieren und sich keine Illusionen darüber zu machen, daß relativ wenige Macht- und Druckmittel zur Verfügung stünden. Vizekanzler Dr. Schüssel ergänzt, er vertraue auf die Kraft der Überzeugung sowie auf von Europa und den USA gemeinsam verhängte wirtschaftliche Sanktionen.

Hinsichtlich der Beziehungen zur Türkei habe Bundeskanzler Mag. Klima die österreichische Position so wiedergegeben, wie sie außer Streit stehe. Es sei wichtig, der Türkei das Gefühl zu geben, sie gehöre ebenfalls zu den Beitrittskandidaten. Schon jetzt verfüge sie über den inter­essantesten Assoziationsvertrag, und dieser sei geeignet, übergangslos zur Mitgliedschaft zu führen. Das sei ausdrücklich darin vorgesehen. Auf dem Gipfeltreffen in Cardiff könne klarge­stellt werden, daß die Türkei ein Kandidat sei.

In persönlicher Einschätzung fügt Vizekanzler Dr. Schüssel hinzu, daß die Kommission über die Lage in der Türkei einen ähnlichen Fortschrittsbericht erstellen könnte wie über die Lage in den elf Beitrittskandidatenländern. Dadurch bestehe eine Möglichkeit, die Kluft zwischen diesen Ländern und der Türkei zu verkleinern und darüber hinaus Themen wie die Defizite in der Gewährleistung der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit, den Umgang mit der Opposition oder eine Verfassungsreform deutlicher zur Sprache zu bringen. Vizekanzler Dr. Schüssel er­klärt sich bereit, auf diesem Weg weiterzuarbeiten.

In einem offenen Wort zur Frage der Kernkraft stellt Vizekanzler Dr. Schüssel fest, er habe sich dafür eingesetzt, dieses Thema von der bilateralen Ebene wegzubringen und auf die euro­päische Tagesordnung zu setzen. Es sei dringend nötig, von der Idee abzurücken, daß Öster­reich als Oberlehrer von Mitteleuropa Anweisungen erteilen könne. Dieser Ansatz habe recht wenige Erfolge mit sich gebracht.

Vizekanzler Dr. Schüssel führt aus, er habe daher ganz bewußt erstens das Thema der nuklearen Sicherheit in den Beitrittspartnerschaften verankert und zweitens vor wenigen Tagen im Rat für allgemeine Angelegenheiten die Forderung gestellt, die Sicherheit von Mochovce und die Schließung von Bohunice zu einem europäischen Anliegen zu machen. Darauf habe die Kommission innerhalb Wochenfrist reagiert und eine eigene Verhandlungsgruppe zu ent­sprechender Kontaktaufnahme nach Preßburg entsandt. EU-Außenkommissar Hans van den Broek habe im angesprochenen Sinn brieflichen Kontakt mit der slowakischen Außenministerin Kramplová aufgenommen, und der britische Außenminister Cook habe sich bereit erklärt, ihr einen Brief zu schreiben, in dem vorgeschlagen werde, vor dem Probebetrieb in Mochovce die IAEO-Untersuchung abzuwarten und im Fall der Inbetriebnahme die rasche Schließung des Blocks 1 in Bohunice zu veranlassen. Die Präsidentschaft habe dazu angeregt, in diesem Sinn Gespräche mit der Slowakei zu beginnen. Dies sei realistisch.

Die Anregung des Abgeordneten Mag. Schweitzer sei wichtig, falle aber unter die nationale Agenda. Die österreichische Präsidentschaft könne Vorschläge nur in Übereinstimmung mit dem Acquis Communautaire vorbringen. Dies gelte für den Beitrittsprozeß und die Sicher­heits­standards, aber nicht für ein Atomausstiegsszenario. Österreich werde im Rahmen seiner Möglichkeiten die Schließung von Kernkraftwerken, die von der Kommission als nicht sicher bewertet werden, vorantreiben. Wiederum gelte es, die nationalen Anliegen von der EU-Prä­sidentschaft zu unterscheiden, denn es müsse auf akkordierten europäischen Positionen aufgebaut werden, damit “enorme Turbulenzen” vermieden werden.

Die Frage der CO2-Reduktion werde im laufenden Monat vor allem den Umweltministerrat be­schäftigen. Die EU habe sich insgesamt zu einer 8prozentigen Reduktion verpflichtet, und jetzt werde der Streit über die interne Verteilung der dafür nötigen Schritte ausgetragen. Im Zusam­menhang mit einem britischen Vorschlag werde die Frage zu stellen sein, aus welchem Grund die Niederlande – obwohl in einer mit Österreich vergleichbaren Position – mit einer Reduktion um 8 Prozent davonkämen und Schweden eine Senkung um ungefähr 5 Prozent beizutragen habe, wogegen Österreich genauso wie Dänemark eine Verringerung um 20 Prozent zu leisten hätten. Insgesamt müsse es zu einer fairen Verteilung dieses gemeinsam zu erarbeitenden Zie­les kommen. In diesem Sinne werde sich Umweltminister Dr. Bartenstein für eine Lösung einsetzen.

Für die Institutionenreform bringe der – demnächst auch im österreichischen Parlament zur Ratifizierung anstehende – Vertrag von Amsterdam einige wichtige Schwerpunkte mit sich. Es sei als Meilenstein zu betrachten, daß der Kommissionspräsident gestärkt wird. Er werde künftig zuerst bestellt und habe danach ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Kommissare. Weiters komme es zu einer Aufwertung des Europäischen Parlaments, des Ausschusses der Re­gionen – dies sei besonders für Österreich sehr wichtig – und des Europäischen Rechnungs­hofes. Gerade für einen Mitgliedstaat, der Nettozahler ist, sei die Rechnungshofkontrolle von großer Bedeutung.

Es sei auch außer Streit gestellt worden, daß vor der ersten Erweiterungsrunde ein Kompromiß über die Zahl der Kommissäre und die Stimmgewichtung im Rat erreicht werden müsse. Ein solcher Kompromiß zeichne sich im wesentlichen bereits ab. Vizekanzler Dr. Schüssel warnt aber davor, daß sich Österreich mit dem Vorhaben übernehmen könnte, dieses Problem wäh­rend seiner Präsidentschaft zu lösen. Vorrang habe die Ratifizierung des Vertrages von Amster­dam, und es könne nicht erwartet werden, daß alle 15 Mitgliedstaaten diese Ratifizierung vor dem Ende der österreichischen Präsidentschaft vorgenommen haben werden. Es wäre aber ein Fehler, schon vor der Ratifizierung mit einer nächsten Runde zu beginnen, da dies in einigen wichtigen Ländern die Ratifizierung erschweren könne.

Wenn für die Agenda 2000 wesentliche Schritte bis zum Frühjahr 1999 gesetzt werden könnten, werde es vertretbar sein, in die Institutionenreform einzutreten. Es sei nicht notwendig, auf die Aufhebung aller Einstimmigkeitsregeln hinzuarbeiten. Aber für das normale, für den Binnen­markt wichtige Tagesgeschäft solle die qualifizierte Mehrheit die Regel und die einstimmige Entscheidung die Ausnahme werden.

Auch für die Arbeitsweise der Ministerräte sei eine Reform vorzusehen. Es sei nicht sinnvoll, daß mehrere Ministerräte zum Teil konkurrierend und mit unterschiedlichen Ergebnissen das gleiche Thema bearbeiten. Derzeit fehle ein kohärenter Ministerrat, der wirklich Wirtschafts­politik macht. Da ECOFIN und Sozialministerrat dies nicht leisten könnten, schlägt Vizekanzler Dr. Schüssel vor, zumindest einmal pro Halbjahr einen “Jumbo-Rat” abzuhalten, in dem die Finanz-, Wirtschafts- und Arbeitsminister zusammenkommen, um die entscheidenden Themen zu diskutieren.

Dringend erforderlich sei auch eine Reform des Allgemeinen Rates. Dabei gehe es um eine klar gegliederte Tagesordnung, präzise Festlegungen und interne Diskussionen vor allem im infor­mellen Ministerrat. Das Ziel bestehe darin, ein rascheres Vorankommen zu ermöglichen. Diese Institutionenreform könne ohne Vertragsänderung durchgeführt werden.

Obmannstellvertreter MMag. Dr. Willi Brauneder stellt fest, daß zu diesem Punkt keine Wort­meldung mehr vorliegt, schließt diese Debatte und leitet über zur Abstimmung über die drei vorliegenden Anträge auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum) stellt den Antrag, die Abstimmung über ihren Antrag zu vertagen.

Obmannstellvertreter MMag. Dr. Willi Brauneder erläutert, daß nur ein Verhandlungsgegen­stand vertagt werden könne. Hingegen sei ein Antrag gegebenenfalls zurückzuziehen und später wie­der einzubringen. Die Vertagung einer Abstimmung stünde nicht ganz in Übereinstim­mung mit der Geschäftsordnung.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum) zieht ihren Antrag betreffend EU-Rats­präsidentschaft Österreichs mit der Begründung zurück, daß in dieser Sitzung die Zeit nicht ausgereicht habe, auf den Inhalt einzugehen, und da nur drei Abgeordnete sich dazu geäußert hätten. Daher möge zu einem späteren Zeitpunkt neuerlich über diesen Antrag diskutiert werden.

Obmannstellvertreter MMag. Dr. Willi Brauneder läßt daher die Abstimmung über die verblie­benen zwei Anträge auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG vornehmen.

Der Antrag der Abgeordneten Mag. Doris Pollet-Kammerlander betreffend österreichische EU-Ratspräsidentschaft – Ökologisierung der Steuersysteme bleibt in der Minderheit und ist abgelehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Mag. Doris Pollet-Kammerlander betreffend österreichische EU-Ratspräsidentschaft – Beitrag Österreichs zum Treibhausgas-Reduktionsziel der EU bleibt ebenfalls in der Minderheit und ist abgelehnt.

Damit ist der 2. Tagesordnungspunkt und der öffentliche Teil dieser Verhandlungen des Hauptausschusses abgeschlossen.

(Es folgen die Beratungen zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 5.)

Schluß der Beratung zum Tagesordnungspunkt 2: 18.23 Uhr

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