IV-19 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Dienstag, 15. September 1998

 

 

 

 

 

 

 

 


Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier



Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XX. Gesetzgebungsperiode        Dienstag, 15. September 1998

Tagesordnung

1. Migrations- und Asylpolitik

    RAT 9809/98 CK4 27 ASIM 170

    Strategiepapier zur Migrations- und Asylpolitik

    (51970/EU XX. GP)

2. MAI

    SON DAFFE/MAI (98) 7

    Multilateral Agreement on Investment / Konsolidierter Text

    (44625/EU XX. GP)

    Sitzung MAI – Informelle EU-interne Konsultationen am 19. 6. 1998

    (52310/EU XX. GP)

3. Tierschutz

    RAT 9182/98 AGRILEG 111 AGRIORG 74

    Legehennen

    (50651/EU XX. GP)

    COM KOM (98) 135 endg.

    Legehennen

    (44783/EU XX. GP)

4. Reassümierung des Beschlusses des Hauptausschusses vom 10. März 1998 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 98 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema “Einführung des Minderheitsvotums am Verfassungsgerichtshof” (Vorlage 123 HA)

5. Unterrichtung über die Nominierung der österreichischen Kandidaten für die Folgeperiode des Wirtschafts- und Sozialausschusses (WSA) (Vorlage 147 HA)

6. Bericht des Bundeskanzlers, des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten und des Bundesministers für Landesverteidigung betreffend Brandkatastrophe im August 1998; Maßnah­men der humanitären Hilfe und Katastrophenhilfe; Entsendung einer Katastrophenhilfeeinheit des Bundesheeres nach Kroatien gemäß § 1 Z 1 lit b KSE-BVG (Vorlage 148 HA)

7. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluß der Bundesregierung betreffend Entsendung von Brandschutzkräften im Rahmen des multi­nationalen Friedenseinsatzes in Bosnien und Herzegowina (SFOR) (Vorlage 149 HA)

8. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluß der Bundesregierung betreffend Entsendung eines österreichischen Polizeibeobachterkontin­gents zur OSZE-Mission in Kroatien (Vorlage 150 HA)

Beginn der Sitzung: 15.02 Uhr

(Nach Abwicklung des vorgezogenen Tagesordnungspunktes 4 beginnen die Beratungen des Hauptausschusses zu EU-Angelegenheiten um 15.07 Uhr.)

1. Punkt

Migrations- und Asylpolitik

RAT 9809/98 CK4 27 ASIM 170

Strategiepapier zur Migrations- und Asylpolitik

(51970/EU XX. GP)

Obmann Dr. Heinz Fischer erteilt nach einem Hinweis darauf, daß die Fraktionen in einer Vor­besprechung das Gesamtausmaß der Redezeit zum ersten Punkt – eine Stunde – unterein­ander aufgeteilt hätten, Bundesminister Mag. Schlögl das Wort zu einer einleitenden Stellung­nahme.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl bedankt sich für die Einladung zu dieser Sitzung des Hauptausschusses, da sie ihm die Gelegenheit gebe, gegenüber dem Hauptaus­schuß in einer Diskussion über den Entwurf eines Strategiepapiers zur Migrations- und Asyl­politik klarzustellen, was tatsächlich der Inhalt dieses Dokumentes sei. Dies sei wichtig an­gesichts der Aussagen über dessen angeblichen Inhalt, die in manchen Aussendungen und Medien verbreitet worden seien.

Zur Darstellung des Gesamtrahmens, in dem es zu diesem Vorschlag gekommen sei, verweist Bundesminister Mag. Schlögl darauf, daß es innerhalb der Europäischen Union bereits eine lange Diskussion über die Strategie in der Migrationspolitik gegeben habe. Der Beginn dieser Diskussion sei spätestens mit der Vorlage eines ersten EU-Strategiepapiers im Jahr 1992 anzu­setzen. Dieses habe die Kommission der Europäischen Union 1994 erweitert und ergänzt, und damit sei eine Reihe von konkreten Initiativen eingeleitet worden. Jedoch habe es keinerlei Rechtsakte und verbindliche Beschlüsse für ein gemeinsames Handeln der Europäischen Union im Bereich des Flüchtlings- und Asylwesens gegeben.

Das von der österreichischen Präsidentschaft im Juli 1998 vorgelegte Strategiepapier, welches Gegenstand dieser Debatte ist, stelle sozusagen einen neuen Anlauf für eine Grundsatzdis­kussion über eine gemeinsame Strategie zur Bewältigung der Asyl- und Flüchtlingsproblematik in Europa dar. Noch vor der Sommerpause sei dieser Entwurf dem K4-Ausschuß – also der Ebene des zuständigen Beamtenausschusses des Rates für Inneres und Justiz – zugeleitet wor­den, damit bis September die ersten Stellungnahmen vorliegen könnten.

Dieser erste Entwurf stelle keine von der österreichischen Präsidentschaft fertig ausgearbeitete Strategie dar. Auch habe der gegenwärtige Ratsvorsitz keineswegs die Absicht, den anderen Mitgliedstaaten diesen Entwurf aufzuoktroyieren. Es solle damit nur, wie gesagt, eine Diskussion auf EU-Ebene eingeleitet werden.

Im Rahmen einer K4-Sitzung am 14. September dieses Jahres seien bereits eine Reihe von Veränderungsvorschlägen vorgebracht worden, unter anderem auch von der österreichischen Präsidentschaft. Der Text des Papiers werde nun entsprechend umgearbeitet und im Okto­ber 1998 dem informellen Rat für Justiz und Inneres in Wien vorgelegt werden. In weiterer Folge stehe zu erwarten, daß es im Rahmen des ordentlichen Ministerrates im Dezember in Brüssel zu einer intensiven Diskussion über dieses Dokument kommen werde. Bei alledem sei klar erkennbar, daß es sich um einen Diskussionsentwurf, nicht aber um ein fertiges Dokument handle.

Bundesminister Mag. Schlögl erachtet es für sehr wichtig, daß die österreichische Präsident­schaft in vielen Bereichen bestrebt sei, innerhalb der Europäischen Union nicht nur Alltagspolitik zu betreiben. Sie habe auch die Aufgabe, mittel- und langfristige Strategien einzuleiten. Das be­deutendste Thema in dieser Hinsicht sei die Migrations- und Asylpolitik. Denn diese Problematik werde die EU noch auf viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinaus beschäftigen. Es sei daher notwendig, eine gemeinsame Vorgangs- und Handlungsweise zu erreichen.

Dabei dürfe es, wie in der in Berlin erscheinenden “Tageszeitung” – “TAZ” –, einer Zeitung mit klarem politischen Hintergrund, in einem Leitartikel deutlich festgestellt worden sei, kein Denk­verbot in bezug auf das österreichische Strategiepapier zum Thema Migration geben. Manche politische Gruppierungen im Parlament seien daher aufgerufen, eine offene, lebendige Diskus­sion zu unterstützen und zu forcieren.

In diesem Leitartikel heißt es: “Die Flüchtlingskonvention kann keine europäische Flüchtlings­politik ersetzen. Die hat es in Europa ... nie gegeben, und vor allem darauf weist das österrei­chische Papier hin. Europa darf Migrationspolitik nicht weiter durch ein Gewurschtel von Gipfel­treffen und gemeinsamen Deklarationen ersetzen, die spätestens dann Makulatur werden, wenn es um einen Lastenausgleich für die Hauptaufnahmeländer geht. So gibt es bis heute keine europäische Asyl- und Einwanderungspolitik ... Konzepte fehlen auch jenen, die das österrei­chische EU-Papier jetzt kritisieren. Sie verteidigen statt dessen alte, hohle Bastionen. Aber Migrationspolitik braucht neue Ideen und praktikable Vorschläge. Denkverbote helfen nieman­dem weiter.”

Bundesminister Mag. Schlögl fügt hinzu, daß er sich als österreichischer Innenminister dieser Sichtweise nur anschließen könne.

Zum Inhalt des Strategiepapiers selbst sei zu sagen, daß dieses Dokument im Umfang von nahezu 50 Seiten umfassend angelegt sei und sich mit allen Bereichen der Migrationspolitik auseinandersetze. Es sei “kein Asylpapier” und kein Dokument zur Genfer Flüchtlingskon­vention, sondern es werde darin versucht, einen weiten Bogen zu spannen. Das Strategiepapier enthalte Kapitel darüber, wie der Migrationsdruck in den Hauptherkunftsländern der Zuwanderer und somit die Ursachen für Migration und Flucht reduziert werden könnten. Es beschäftige sich mit den Möglichkeiten der Schleppereibekämpfung und der Bekämpfung organisierter Krimina­lität in diesem Feld; denn die Menschenschlepperei sei zum lukrativsten Zweig der organisierten Kriminalität geworden, und in keinem anderen ihrer Bereiche könne mit so wenig Risiko so viel Geld auf Kosten des Leides anderer Menschen verdient werden. Darüber hinaus behandle das Strategiepapier auch weitere Problembereiche, insbesondere jene der Zuwanderungssteuerung, der Integrationsförderung und des Flüchtlingsschutzes. Daraus sei zu ersehen, daß eine Verkür­zung des Papiers auf einige Thesen zur Flüchtlingspolitik verzerrend und falsch sei.

Österreich habe in diesem Dokument seine Position klar als Denkanstoß, nicht jedoch als fertige Strategie dargelegt. Darin werde in keiner Weise eine Revidierung der Genfer Flüchtlingskon­vention gefordert. Eine solche Lesart sei bedauerlich, und um dies zu verhindern, seien neue, klare Formulierungen ins Auge zu fassen. Jedoch würden auch die bereits vorliegenden Formu­lierungen sehr deutlich in die richtige Richtung weisen, nämlich in die Richtung, daß die Genfer Flüchtlingskonvention ein sehr wichtiges Prinzip der Asyl- und Flüchtlingspolitik darstelle, jedoch als eine Konvention aus dem Jahr 1951 in manchen Bereichen heute zu kurz greife. Deshalb sei es ratsam, im europäischen Rahmen gemeinsam zu überlegen, auf welche Weise eine Erweite­rung vorgenommen und in verschiedenen Bereichen eine positive Neugestaltung erreicht wer­den könnte. Es gehe also nicht um die Abschaffung der Genfer Flüchtlingskonvention, sondern um deren positive Weiterentwicklung.

Es sei daher für die österreichische Präsidentschaft aus verschiedenen Gründen notwendig ge­wesen, dieses Strategiepapier vorzulegen. Damit sei eine gute Diskussionsgrundlage für eine gemeinsame Strategie der Europäischen Union im Bereich des Flüchtlings- und Asylwesens vorhanden, selbst unter Berücksichtigung möglicher Denkfehler oder unterschiedlicher Posi­tionen. Ausgehend von diesem grundsätzlichen Erstentwurf eröffne sich die Möglichkeit, zu einer gemeinsamen Strategie innerhalb der Europäischen Union zu gelangen.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) räumt ein, daß es dem Bundesminister für Inneres anheimgestellt sei, seinen Vorschlag im Hauptausschuß zu verteidigen. Allerdings könne einer aktuellen APA-Aussendung entnommen werden, daß die damit befaßte EU-Arbeits­gruppe sich für eine Überarbeitung ausgesprochen habe. Übereinstimmung sei nur insoweit gegeben, als die Forderung nach einer gemeinsamen EU-Strategie im Flüchtlingsbereich erho­ben worden sei. Überdies müsse der Themenbereich “Vertreibung” erst eingebunden werden.

Wenn infolgedessen konstatiert werden könne, daß zwar Übereinstimmung über das grundsätz­liche Ziel einer gemeinsamen Strategie bestehe, jedoch sonst von dem Vorschlag nicht viel übriggeblieben sei, erscheine die soeben ergangene Stellungnahme von Bundesminister Mag. Schlögl in einem anderen Licht.

Von dem zitierten Denkverbot sei nie die Rede gewesen. Bundesminister Mag. Schlögl habe sich zwar auf nicht näher genannte Gruppen im Parlament berufen, doch bleibe dahingestellt, welche er damit gemeint habe, da mehrere in Frage kämen. Es habe kein Denkverbot gegeben, wohl aber gebe es ein Gebot, über vorgelegte Papiere und offizielle EU-Dokumente zu diskutie­ren. Nichts anderes sei geschehen. Die Grünen hätten Stellung zu dem vom Bundesminister für Inneres vorgelegten Dokument bezogen. Wenn der Bundesminister nun ein Denkverbot be­klage, sei dies ebenso irrelevant wie die Vorgangsweise, die von verschiedensten Seiten und auch international geäußerte Kritik unter die Kategorie “Denkverbot” zu subsumieren. Dies klinge nach Äußerungen aus dem Schmollwinkel und sei der Diskussion insgesamt abträglich.

Abgeordnete Mag. Kammerlander erachtet eine Diskussion über aktuelle Anlässe im Flücht­lings- und Migrationsbereich derzeit für vordringlicher als eine verstärkte inhaltliche Ausein­andersetzung mit dem vorgeschlagenen Strategiepapier, weshalb sie sich zu letzterem nur in geringem Ausmaß äußern werde. Daß Bundesminister Mag. Schlögl die “TAZ” zitiert hat, sei verständlich, da Zitate aus Medien anderer Richtungen sich gut für die eigene Argumentation verwerten ließen. Nichtsdestoweniger habe es jedoch internationale Kritik an diesem Strategie­papier gegeben und sei eine Diskussion insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Pro­bleme im Kosovo entstanden. Darauf sei nun näher einzugehen.

Abgeordnete Mag. Kammerlander erachtet es für beschämend, wie Österreich – auch im Zuge der Ratspräsidentschaft – mit diesem Problem und mit der Tatsache umgehe, daß immer mehr Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet flüchten und auch nach Österreich kommen wollen, und welche Antwort Bundesminister Mag. Schlögl dafür bereit habe. Im Zuge einer kürzlich vorge­nommenen Besichtigung von Flüchtlingslagern in Slowenien habe sich zwar gezeigt, daß die Unterbringung dort zum Teil besser als in Österreich sei, aber die Tatsache, daß die Euro­päische Union dieses Problem auf jene Länder abwälze, die sich jetzt ihrerseits auf einen Beitritt vorbereiten und ihre Ressourcen diesem Zweck widmen können sollten, und die Art, wie sie diese Länder mit dem Problem im Regen stehenlasse, sei beschämend.

Es wäre angemessen gewesen, daß der österreichische Bundesminister für Inneres – insbeson­dere in der Funktion des Ratspräsidenten – einen konkreten Vorschlag zur Verteilung der Lasten vorgelegt hätte, statt stets nur davon zu reden, daß die Lasten verteilt werden sollten. Es gebe beispielsweise noch immer keinen konkreten Vorschlag dafür, wie die Aufnahme von Flüchtlingen auf alle Mitgliedstaaten der EU zu verteilen wäre, sondern es liege nur der Vor­schlag vor, Flüchtlingslager in den Anrainerstaaten zu errichten, etwa in Albanien oder in Mazedonien, also in Ländern, die selbst von Krisen oder Krisengefahr betroffen seien.

Statt konkreter Vorschläge gebe es eine Diskussion über den Flüchtlingsstatus, ungeachtet der täglich stattfindenden massiven Verletzungen von Menschenrechten, und Österreich sehe dem – auch in der Funktion des Ratsvorsitzenden – zu. Auf manche Asylansuchen sei mit Be­scheiden reagiert worden, in denen die Ablehnung auf zynische Art begründet worden sei. Manche Begründungen würden jeder Grundlage entbehren, auch wenn die Flüchtlingskon­vention in einem engen Sinn ausgelegt werde. Es sei zu haarsträubenden Begründungen ge­kommen, obwohl Österreich die Ratspräsidentschaft innehat. Manche Menschen seien nach der Flucht aus dem Kosovo, auf der sie sich an ihre Angehörigen in Österreich gewandt hätten, abgeschoben worden, obwohl die Angehörigen hier seit Jahren legal gearbeitet hätten und für den Familienunterhalt sorgen könnten. Österreich lasse nicht zu, daß Frauen mit kleinen Kin­dern auf der Flucht vor Kriegsgreueln zu ihren Männern nach Österreich kämen. Es sei himmel­schreiend, daß diese Flüchtlinge zynische Antworten bekämen.

In dieser Lage verteidige Bundesminister Mag. Schlögl im Hauptausschuß irgendein Papier und beklage sich über Denkverbote, die es nie gegeben habe. Abgeordnete Mag. Kammerlander gibt ihrer Einschätzung Ausdruck, daß es ihr manchmal schwerfalle, die Logik hinter einer solchen Flüchtlings- und Migrationspolitik eines sozialdemokratischen Ministers zu begreifen. Sie könne dies nicht nachvollziehen.

Daher hätten die Grünen einen Antrag eingebracht, der auf diese Fragen Bezug nehme, insbe­sondere darauf, daß ein Recht auf Familiennachzug sicherzustellen sei. Es müsse weiters ge­währleistet werden, daß Flüchtlinge aus dem Kosovo in den EU-Mitgliedstaaten anerkannt und aufgenommen werden und daß dabei die Genfer Flüchtlingskonvention Anerkennung findet.

Abg. Mag. Kammerlander appelliert an die Regierungskoalition, trotz der Trends, die im österrei­chischen Innenministerium offensichtlich herrschten, einmal ein menschliches Antlitz zu zeigen und diesen Antrag der Grünen zu unterstützen.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum) verweist darauf, daß auch das Liberale Forum einen entsprechenden Antrag auf Stellungnahme eingebracht habe.

Im Sinne einer Zuspitzung hält er fest, daß der Vorwurf eines Denkverbotes auf den Versuch hinauslaufe, einseitig mit untauglichen Mitteln den Schluß der Debatte zu verkünden. Es werde aber nichts nützen, dann, wenn man im Zuge einer Diskussion mit Argumenten konfrontiert werde, die einem nicht gefallen, diesen Argumenten den Geist eines beabsichtigten Denkver­botes zu unterstellen. Das Vorkommen des Wortes “Denkverbot” in der “TAZ” sei vor dem Hin­tergrund der politischen Lage in Deutschland zu sehen – dort sei auch die Situation entspre­chend –, dieses Wort sei aber nicht für Bundesminister Mag. Schlögl und für die hier zu führende Diskussion in den Leitartikel geschrieben worden, und daher sei dessen Zitierung nicht hilfreich.

Es stehe trotz des Ansatzes einer inzwischen erfolgten Relativierung fest, daß das vorliegende Strategiepapier als der Versuch aufzufassen sei, Maximalpositionen zu definieren, um einen Diskussionsprozeß einzuleiten, der darauf abziele, die Themenbereiche Asyl und Migration so stark ineinanderzuschieben, daß im Ergebnis die Genfer Flüchtlingskonvention ihre Substanz verliere. Jedem, der sich mit diesen Fragen beschäftige, sei geläufig, daß die Abgrenzung zwar oft schwierig, daß aber der Bereich “Asyl und Flüchtling” etwas ganz anderes als der Bereich “Migration, Ein- und Auswanderung” sei.

Diese beiden sehr komplexen Bereiche in der im Strategiepapier intendierten Form ineinander­zuschieben, sei hochgradig gefährlich. Aus diesem Grund sei in der zuvor genannten K4-Aus­schußsitzung der Überarbeitungsanspruch erhoben worden, und zwar mit der Ergänzung, daß die Flüchtlingskonvention in der Substanz nicht angetastet werden dürfe. Die Abgrenzungsfrage bringe zwar Schwierigkeiten mit sich, dürfe aber nicht außer acht gelassen werden. Die Zitierung der historischen Gebundenheit der Genfer Flüchtlingskonvention in dem Dokument bei gleich­zeitiger Verbindung des Asylrechts mit der Bewältigung der illegalen Migration bringe zum Aus­druck – und eine solche Entwicklung würde dazu führen –, daß infolge der Verschiebung von Migrationsproblematik ins Asylrecht letztlich ein rechtsstaatskonformes Asylrecht ausgehöhlt werde.

In dem Entwurf sei auch ein Satz vorzufinden, der – noch nicht gestrichen oder zurückgenom­men – dies mehr als deutlich zum Ausdruck bringe. Und jener allgemein kritisierte Satz, der laut Aussage von Bundesminister Mag. Schlögl nunmehr zur Vermeidung von Mißverständnissen zurückgenommen werde, sei ja stimmig gewesen und habe die Intention des Dokumentes richtig beschrieben. Auch nach seiner Entfernung werde das Papier immer noch dieselbe “Philo­sophie” aufweisen. Denn der inkriminierte Satz sei darin kein Fremdkörper gewesen, sondern habe auf aussagekräftige Weise eine Zusammenfassung zum Ausdruck gebracht.

Die diesem Satz zugrundeliegende Intention finde sich auch an anderer Stelle des Entwurfes wieder, zum Beispiel dort, wo von der Reform des Asylverfahrens mit dem Ziel eines Übergangs von rechtsstaatsorientierten zu auch politisch orientierten Schutzkonzepten die Rede sei. Es stelle sich die Frage, was in einem Verfahren an dessen rechtsstaatlicher Qualität durch poli­tische Qualitäten geändert werden könne. Dies laufe auf Herausnahme oder Relativierung der rechtsstaatlichen Qualität hinaus. Selbst im Falle politischer Intentionen müsse jedenfalls ein rechtsstaatskonformes Verfahren durchgeführt werden. Aber eine “Philosophie” wie die in dem Strategiepapier offenbar beabsichtigte habe im Rahmen der Genfer Flüchtlingskonvention keinen Platz.

Politische Komponenten der angesprochenen Art seien in der Migrationsproblematik – in euro­päischer Harmonisierung – dringend erforderlich; in diesem Bereich sei tatsächlich eine schwere Last zu bewältigen. Jedoch ergebe sich im Hinblick auf die Flüchtlingsproblematik die Frage, ob unter politischen Auspizien womöglich Quoten festgelegt werden sollten. Dies werde nicht mög­lich sein, ohne daß die Genfer Konvention in Frage gestellt oder den Flüchtlingen der Weg zu einem rechtsstaatskonformen Asylverfahren mit dem Hinweis darauf verwehrt werde, daß nach Ablauf einer bestimmten Zeit wegen “Verfristung” kein Asylverfahren mehr beantragt werden könne.

Mehr als manche Formulierung im einzelnen störe der insgesamt zum Ausdruck kommende Geist des Strategiepapieres. Daher werde die Zurücknahme einzelner Worte nicht viel helfen können.

Der Gedanke sei tragisch, daß Österreich in der Funktion des Ratsvorsitzes die einmalige Chance gehabt hätte, tatsächlich Fortschritte hin zu einer Harmonisierung sowohl im Migrations- als auch im Asylbereich zu erzielen, jedoch dies mit dem Versuch, in dem am ersten Tag seiner Präsidentschaft, am 1. Juli 1998, präsentierten und jetzt kritisierten Diskussionsentwurf die Be­reiche ineinanderzuschieben, verabsäumt habe, sodaß jetzt darauf gehofft werden müsse, daß dieses Vorhaben in der Europäischen Union nicht gelingen möge. Das sei von der Hoffnung übriggeblieben, daß es in der EU zu einer Harmonisierung aufgrund eines menschenrechtskon­formen Vorschlages kommen könnte.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche) stimmt der Abgeordneten Mag. Kammerlander in dem Punkt zu, daß es zweifellos Flüchtlingselend gebe, hebt jedoch hervor, daß auch eine andere Seite des Problems zu beachten sei. Er habe sich kürzlich eine Woche lang intensiv in Bosnien umsehen und dabei zum Beispiel feststellen können, daß auffällig viele Fahrzeuge zu erblicken seien. Als er in einem “Mercedes 230” neueren Baujahrs mitgefahren sei, habe der junge Fahrer auf die Frage nach der Möglichkeit, die Haltung eines solches Fahrzeugs zu finan­zieren, die Antwort gegeben, daß er arbeitslos sei – in der Familie verfüge nur sein Vater über ein Einkommen, und zwar in Höhe von 300 Mark – und daß er nur dann fahre, wenn er über Benzin verfüge. Auf die Frage nach dem Grund für den Fahrzeugbesitz habe die Antwort ge­lautet, daß man eben ein Fahrzeug brauche, und diese Ansicht sei weit verbreitet.

Abgeordneter Jung verweist darauf, daß auch seine Eltern Flüchtlinge gewesen seien. Sie hätten ihr erstes Auto erst gekauft, als eine passende Wohnung vorhanden gewesen sei und die Kinder zur Schule gegangen seien. Dies sei 16 Jahre nach Kriegsende der Fall gewesen. – Es gehe daher auch um Bedürfnisse, von denen man sich fragen müsse, ob die Österreicher den Wunsch hätten, alles das ebenfalls zu zahlen. Dabei sei zu beachten, daß die Europäische Union 80 Prozent der Mittel für Bosnien aufzubringen habe.

Von einem anderen Beispiel habe ein in Österreich zur Betreuung von Menschen in Alters­heimen ausgebildeter Wahlhelfer berichtet. Er finde in Bosnien keine Arbeit, weil viele der alten Menschen den weiteren Aufenthalt in Österreich der Rückkehr nach Bosnien vorzögen. – Auch darüber müsse nachgedacht werden.

Im Prinzip liege den Intentionen, die im Strategiepapier von Bundesminister Mag. Schlögl zum Ausdruck kämen, eine richtige Überlegung zugrunde. In Österreich müsse man sich darüber Gedanken machen, wie man die Tatsache, daß de facto über 80 000 Bosnier in Österreich aufgenommen worden seien – dies entspricht einem Prozent der österreichischen Bevölke­rung – und aufgrund der Lage im Kosovo Österreich noch einiges ins Haus stehe, in den Griff bekommen könne, ohne die österreichische Bevölkerung noch wesentlich mehr zu belasten und ohne sie langfristig unruhig zu machen.

Deshalb bringe das vorliegende Dokument nach Ansicht der Freiheitlichen grundsätzlich die richtigen Intentionen zum Ausdruck. Dies gelte auch für die ausdrücklich festgehaltene und von den Freiheitlichen schon seit geraumer Zeit vorgebrachte Erkenntnis, daß die bisher eingelei­teten Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingssituation nicht ausreichend seien. In dem Papier werde überdies bestätigt, daß wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Beschäf­tigung fehlen und daß die Visapolitik in der jetzigen Form nicht funktioniere.

Abgeordneter Jung fragt, was damit gemeint sei, daß im Punkt 87 einige Fragen als offen und dringend einer Lösung bedürftig bezeichnet werden.

Es könne festgestellt werden, daß die von den Freiheitlichen seit langem bekundeten Befürch­tungen durch die Ausführungen in dem Strategiepapier bestätigt worden seien. Es sei nötig, etwas in dieser Hinsicht zu unternehmen, daher haben die Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Wolfgang Jung und Kollegen – auch im Sinne der Unterstützung von Bundesminister Mag. Schlögl – einen Antrag auf Stellungnahme eingebracht, wonach dem Bundesminister für Inneres vorgegeben werden möge, unter anderem folgende österreichische Anliegen zu vertre­ten: effektive Bekämpfung des illegalen, organisierten, kriminellen Menschenschmuggels, kon­sequente Rückführung der Illegalen und effiziente Bekämpfung der organisierten Kriminalität.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP) hält es für ratsam, im Hinblick auf einen weiteren Fortschritt in der Frage der gemeinsamen Flüchtlings- und Asylpolitik die Essenz der Stand­punkte, die Österreich und die Europäische Union einnähmen, in den Vordergrund zu rücken.

Es sei richtig, hervorzuheben, daß die Genfer Flüchtlingskonvention zu einem bestimmten Zeit­punkt fixiert wurde und seit damals die Dimension der verschiedenen Auseinandersetzungen wesentlich zugenommen habe. Deshalb sei nun die Notwendigkeit gegeben, eine Weiterent­wicklung vorzunehmen.

Unter Hinweis auf seine häufige Beschäftigung mit Menschenrechtsfragen während der letzten 20 Jahre hebt Abgeordneter Dr. Höchtl hervor, daß die ÖVP auf keinen Fall eine Einschränkung des individuellen Asylrechts – wie in der Genfer Konvention verankert – zulassen werde. Ein solches Ziel werde mit dem vorliegenden Strategiepapier auch nicht angestrebt.

Das klare Bekenntnis zur Aufrechterhaltung dieses individuellen Rechtes und dessen Verteidi­gung sei aber kein Anlaß, angesichts der Geschehnisse in Bosnien oder im Kosovo die Augen zu schließen. Ins Gewicht falle auch die Tatsache, daß Österreich Mitglied der Europäischen Union ist. Daher erblicke die ÖVP eine Notwendigkeit darin, daß es in bezug auf die Flüchtlings­problematik zu einer gerechten Form der Verteilung innerhalb der EU kommt.

Damit sei die Essenz dieser Frage zum Ausdruck gebracht, und vor diesem Hintergrund stelle das Strategiepapier einen Ansatz dar, entsprechende Denkanstöße zu geben. Wenn es dazu kritische Stellungnahmen gebe, dann bedeute dies noch lange nicht, daß diese richtig seien.

Es sei bereits im Aufenthaltsrecht versucht worden, im Hinblick auf Kriegsflüchtlinge einige Nor­mierungen vorzunehmen. Das vorübergehende Aufenthaltsrecht sei als Ergänzung zum tradi­tionellen individuellen Asylrecht gemäß Genfer Flüchtlingskonvention zu betrachten. Die Beto­nung liege dabei auf “vorübergehend”, sodaß damit für die Zeit nach Ende der entsprechenden Auseinandersetzung notwendigerweise die Rückkehrpflicht verbunden sei.

Die ÖVP stehe auf dem Standpunkt, daß der riesige Anteil Österreichs an der Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen im europäischen Bereich in den vergangenen Jahrzehnten und ins­besondere in den letzten Jahren erwiesen worden sei. Dafür brauche sich Österreich keines­wegs zu schämen. Es sei ein beachtlicher Beitrag geleistet worden, Österreich habe Sensibilität und hohe Bereitschaft gezeigt. Jedoch sei, da die EU 15 Mitgliedstaaten hat, im Hinblick auf die Personen, die aus Regionen mit kriegerischen Auseinandersetzungen flüchten, quantitativ eine gewisse Verteilung notwendig. Dies werde von allen, die in Österreich dieses Problem wahr­haftig diskutierten, als natürlich angesehen. Dieses Interesse sei klar legitimiert, und auch wegen der Forderung, daß die damit verbundenen finanziellen Auswirkungen und Lasten ge­recht verteilt werden müßten, könne gegenüber Österreich kein Vorwurf erhoben werden.

Insgesamt ergebe sich ein klares Bekenntnis sowohl zur Aufrechterhaltung des individuellen Asylrechts gemäß Genfer Flüchtlingskonvention als auch zu dem Versuch, die zusätzlichen quantitativen und finanziellen Auswirkungen infolge kriegerischer Auseinandersetzungen auf die einzelnen Staaten zu verteilen. Wenn unter diesen Voraussetzungen im Zusammenhang mit dem Strategiepapier von Einschränkung gesprochen werde, finde dies nicht die Billigung der ÖVP.

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ) zieht aus der Aufforderung der Abgeordneten Mag. Kam­merlander an den sozialdemokratischen Innenminister, einmal ein “menschliches Antlitz” in der Asylpolitik zu zeigen, die Schlußfolgerung, daß sie die letzten zwei, drei oder vier Jahre völlig verschlafen habe. Denn während der letzten Jahre habe Österreich sowohl im Jugoslawien-Konflikt als auch in vielen anderen Bereichen nicht nur durch eine äußerst spendefreudige Be­völkerung – wie zum Beispiel im Rahmen der Aktion “Nachbar in Not” –, sondern auch durch eine vorbildliche Politik des zuständigen Innenministers dazu beigetragen, daß beinahe 80 000 Bosnier hier hätten bleiben können, zum überwiegenden Teil Arbeit, Wohnung und Auf­enthalt gefunden hätten und von der österreichischen Bevölkerung integriert sowie anerkannt worden seien.

Eine Behauptung, daß sich der Innenminister oder die Bundesregierung für ihre Asylpolitik schämen müsse – wie die Abgeordnete Mag. Kammerlander ebenfalls gemeint habe –, könne daher niemand, der sich mit dieser Materie ernsthaft befaßt, tatsächlich ernst nehmen.

Abgeordneter Leikam weist darauf hin, daß in dem von der Abgeordneten Mag. Kammerlander eingebrachten Antrag von “politisch relevanten Medien” die Rede ist, die vor Entsetzen auf­geschrien hätten, als das vorliegende Strategiepapier des österreichischen Innenministers im sogenannten K4-Ausschuß vorgelegt wurde. Dem sei entgegenzustellen, daß Bundesminister Mag. Schlögl vorhin eine Zeitung zitierte, die eine völlig andere Auffassung vertrete. Weiters sei in einer österreichischen Zeitung, die ungefähr 2,8 Millionen Leser habe, nach einer Pressekon­ferenz des grünen Abgeordneten zum Europäischen Parlament Johannes Voggenhuber zu lesen gewesen, daß die Grünen über Österreich hergefallen seien. Zwar könne auch dies nicht als ernst zu nehmende Aussage gewertet werden, es bringe aber zum Ausdruck, daß mit Zitaten aus Medien völlig unterschiedliche Auffassungen belegt werden könnten.

Es sei ein Fehler, daß sich die Abgeordnete Mag. Kammerlander mit dem Strategiepapier aus­drücklich nur am Rande habe befassen wollen. Denn es gehe in der Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt darum, festzustellen, ob den Vorwürfen, die von Abgeordneten der Grünen öffentlich und vor internationalem Forum gegenüber dem österreichischen Innenminister vorgebracht worden seien, tatsächlich Aussagen aus diesem Dokument zugrunde lägen oder ob es sich um andere Vorwürfe handle. Abgeordneter Leikam gibt seiner Ansicht Ausdruck, daß die Abgeordnete Mag. Kammerlander dieses Strategiepapier bis zum heutigen Tag nicht gelesen habe, da sie sich auch in dieser Sitzung nicht darauf bezogen, sondern einmal mehr mit allge­meinen Aussagen zur Flüchtlings-, Asyl- und Migrationspolitik beschäftigt habe.

Es sei jetzt immerhin geschehen, was der österreichische Innenminister habe erreichen wollen: Ihm sei es nachweislich gelungen, unter österreichischem Vorsitz die Situation zu ändern, daß in der Europäischen Union über diese Fragen zwar immer viel diskutiert worden, der erwartete Erfolg aber nicht eingetreten sei. Daher sei die Vorlage eines Arbeitspapiers von seiten Öster­reichs richtig gewesen, damit darüber diskutiert werde – auch wenn man über den Inhalt unter­schiedlicher Meinung sein könne. Aus einer Diskussion unter Beteiligung aller 15 EU-Mitglied­staaten solle sich in weiterer Folge ergeben, welche Form das Dokument am Ende haben werde, und darin werde dann auch der politische Wille deutlicher zum Ausdruck kommen.

Abgeordneter Leikam widerspricht der Interpretation, die Abgeordneter Dr. Kier im Hinblick auf ein Denkverbot und einen Schluß der Debatte gegeben hat, mit dem Hinweis darauf, daß der Bundesminister für Inneres mit seinem keineswegs als endgültig zu klassifizierenden Vorschlag vielmehr selbst eine Debatte habe einleiten wollen.

Das Strategiepapier habe nicht nur zu Kritik, sondern auch zu positiven Äußerungen Anlaß gegeben, beispielsweise zu der Aussage, daß es Bewegung in eine schwierige Problematik gebracht habe. Es werde schließlich auch zu einem entsprechenden Erfolg führen.

Es sei absehbar, daß aufgrund der Migrations- und Asylbewegungen – diese müßten tatsächlich voneinander unterschieden werden – noch sehr große Probleme bevorstünden. Es werde nicht möglich sein, daß ein Land allein damit fertig wird, sondern dafür würden internationale Zusam­menarbeit und eine gemeinsame Linie der Europäischen Union erforderlich sein. Einen darauf abzielenden Prozeß habe der österreichische Innenminister als derzeitiger Ratsvorsitzender nun eingeleitet, und es werde darauf hinzuarbeiten sein, gegen Ende des Jahres eine Lösung zustande zu bringen, die geeignet ist, der österreichischen Asylpolitik weiterhin internationale Zustimmung zu sichern.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl gibt seiner Unschlüssigkeit darüber Ausdruck, ob er der Abgeordneten Mag. Kammerlander eher auf emotionelle Weise oder in der Art eines vernünftig abwägenden Innenministers antworten solle. Denn die Abgeordnete habe gegenüber ihm selbst und gegenüber der österreichischen Bundesregierung sehr unfaire Vorwürfe erho­ben: daß sich die Regierung für ihre Flüchtlingspolitik schämen müsse und daß sie endlich ein­mal ein “menschliches Antlitz” zeigen solle. Diese Worte seien geeignet, andere Menschen unter Umständen tief zu verletzen, und wer sie gebrauche, müsse sie sich vor dem Ausspre­chen genau überlegen.

Dem Redebeitrag der Abgeordneten Mag. Kammerlander sei keine Kritik an dem Strategiepa­pier der österreichischen Präsidentschaft zu entnehmen gewesen, obwohl doch genau die daran geübte Kritik des grünen Abgeordneten Voggenhuber der Grund dafür sei, daß heute im Haupt­ausschuß diese Diskussion geführt wird. Denn der Abgeordnete Voggenhuber habe zwei Sätze aus dem Zusammenhang dieses Papiers genommen, sie in großem Rahmen zitiert und damit versucht, aufgrund dieses Dokuments etwas zu unterstellen, was in keiner Weise beabsichtigt sei.

Nach der vom Abgeordneten Voggenhuber geübten Kritik hätten der Hauptverfasser des Strate­giepapiers, Sektionschef Dr. Matzka, und Bundesminister Mag. Schlögl selbst als derjenige, der von Anfang an die Entstehung dieses Dokumentes mitverfolgt und darüber mitentschieden habe, die beiden Kritikpunkte unmißverständlich zurückgewiesen und klargestellt, daß kein An­tasten der Genfer Flüchtlingskonvention in Frage komme, und wenn doch, dann nur im Sinne einer positiven Erweiterung. Ebensowenig angetastet werde das subjektive Recht auf Asyl.

Diese Feststellungen seien der Kritik des Abgeordneten Voggenhuber von Anfang an immer wieder – nach Art einer tibetanischen Gebetsmühle – entgegengestellt worden. Trotzdem sei die Kritik der Grünen ständig weitergegangen, und heute habe die Abgeordnete Mag. Kammer­lander den Vorwurf erhoben, daß eine Diskussion über den Flüchtlingsstatus geführt werde, ob­wohl es nicht darum gehe, und daß der Bundesminister für Inneres sein Strategiepapier vertei­dige. Letzteres sei jedoch selbstverständlich, weil es um dessen Inhalt gehe und darin der Hauptkritikpunkt bestehe. Darüber sei eine internationale Debatte vom Zaun gebrochen worden, die für das Ansehen der österreichischen Flüchtlingspolitik schädlich gewesen sei und in welcher bewußt falsche Argumente vorgebracht worden seien. Dies sei zu verurteilen.

Bundesminister Mag. Schlögl spricht sich für eine offene Diskussion aus und fügt hinzu, daß er nicht vorhabe, das Papier mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, da er sich auch der Schwächen dieses Entwurfes bewußt sei. In der Sitzung des K4-Ausschusses vom Vortag sei eine Reihe von Änderungsvorschlägen eingebracht worden. In bezug auf eventuell mißverständ­liche Formulierungen bestehe die Bereitschaft, diese zurückzunehmen, da von seiten des Bun­desministers für Inneres nicht der Anspruch auf alleinigen Besitz der Weisheit erhoben werde.

Ein Erstentwurf könne nicht eins zu eins beschlossen werden. Hinsichtlich der Grundintention sei klargestellt worden, daß manches, an dem Kritik geübt wurde, nie beabsichtigt gewesen sei. Diese Kritik sei daher nicht nachzuvollziehen.

Auch der Vorwurf, daß Österreich die Last auf andere abwälzen wolle, sei nicht verständlich und schlichtweg falsch. Wenn eine Abwälzung der Last vorliege, dann derart, daß die Last auf Öster­reich abgewälzt werde. Denn Österreich sei das Land, das auf dem Kontinent Europa im Brenn­punkt der Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungspolitik stehe. Österreich sei die erste Anlaufstelle für Flüchtlinge, sowohl für die politischen Flüchtlinge als auch für die Wirtschafts- oder Armuts­flüchtlinge. Bundesminister Mag. Schlögl spricht sich für letztere Bezeichnung aus, weil “Armuts­flüchtlinge” ein für die Beschreibung des Sachverhalts sehr gut geeigneter Ausdruck sei.

Die Menschen, die über Slowenien, Tschechien, die Slowakei oder Ungarn – legal oder illegal – nach Österreich kommen, hätten Österreich oder Deutschland zum Ziel. Wer in Österreich bleibt, erhalte hier das entsprechende Verfahren; wer nach Deutschland geht, werde dort in der Regel gemäß Dortmunder Abkommen wieder abgeschoben. Dies habe dazu geführt, daß ge­genüber 1997 im laufenden Jahr die doppelte, wenn nicht dreifache Zahl von Flüchtlingen in Österreich zu verzeichnen sein werde. 1997 seien insgesamt 7 000 Asylanträge eingebracht worden, heuer hingegen sei diese Zahl bereits Ende August erreicht worden. In den letzten August- und ersten Septemberwochen 1998 habe es mehr als 500 Asylwerber pro Woche in Österreich gegeben. Im Vorjahr sei diese Zahl pro Monat erreicht worden. Österreich werde in immer stärkerem Ausmaß zum Zentrum der Wanderungs- und Flüchtlingsbewegung.

Dem Vorwurf der Abgeordneten Mag. Kammerlander, Österreich müsse sich für seine Flücht­lingspolitik schämen, sei auch das Faktum entgegenzuhalten, daß zum Beispiel in Norwegen im Jahr 1997 von insgesamt rund 3 000 Asylanträgen nur 18 Anträge zur Zuerkennung des Flücht­lingsstatus geführt hätten. Heuer seien dort bis zur Jahresmitte ungefähr 4 000 Anträge gestellt worden, und 67 Antragsteller hätten ihr Ziel erreicht. Diese Steigerung von 18 auf 67 positiv erledigte Anträge sei von der norwegischen Innen- und Justizministerin als großer Erfolg ihrer Asylpolitik dargestellt worden. Ähnliche Beispiele gebe es in großer Zahl.

Gemessen an der Einwohnerzahl, sei Österreich in Europa das Land mit den meisten auslän­dischen Mitbürgern, das Land mit dem größten Beitrag zur Integration, das Land, das am meisten bosnische Kriegsflüchtlinge aufgenommen und auch integriert habe, und es sei eines jener Länder, die in bezug auf die Asylwerberzahlen und die Anerkennungsquote an führender Stelle stünden.

Bundesminister Mag. Schlögl faßt zusammen, daß er deshalb keinen Grund für Österreich sehe, sich zu schämen. Es entbehre auch die Forderung, daß endlich ein “menschliches Antlitz” gezeigt werden solle, jeder Grundlage, denn in vielen Bereichen zeige Österreich längst ein “menschliches Antlitz” – auch wenn das nicht heißen solle, daß alle Bescheide “wasserdicht” oder menschlich gewesen seien. Es gebe eine Reihe von Bescheiden, die man kritisieren könne und auch anders hätte abfassen können. Aber dafür sei ein rechtsstaatliches System vorge­sehen, und dafür gebe es ein neues Asylrecht, in dessen Rahmen eine zweite unabhängige Instanz geschaffen wurde, deren Arbeit offenbar auch von seiten der Grünen Anerkennung gefunden habe. Letztlich bestehe auch die Möglichkeit der Anrufung des Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshofes.

Bundesminister Mag. Schlögl stellt fest, daß er zwar nicht jeden einzelnen Bescheid verteidigen könne, der in seinem Namen ausgestellt worden ist, zeigt sich aber davon überzeugt, daß es im rechtsstaatlichen System möglich sei, unmenschliche Bescheide zu korrigieren. Darüber hinaus bestehe im Rahmen des Integrationsbeirates die Möglichkeit, allfällige aus humanitären Grün­den notwendige Entscheidungen zu treffen. In letzter Zeit sei auch eine Vielzahl solcher Ent­scheidungen getroffen worden.

Dem Vorwurf des Abgeordneten Dr. Kier in bezug auf ein Denkverbot hält Bundesminister Mag. Schlögl entgegen, daß er sich nicht für ein solches Verbot ausgesprochen, sondern ein Zitat vorgebracht habe. Denn er habe mit Stolz vermerkt, daß sogar eine Zeitung wie die “TAZ” eine Position der österreichischen Migrationspolitik unterstützt und verteidigt habe. Dies bedeute nicht “Schluß der Debatte”, sondern es sei im Gegenteil festzustellen, daß die Debatte erst am Beginn stehe und auch der Abgeordnete Dr. Kier dazu eingeladen sei, sich dort einzubringen.

Der Geist dieses Strategiepapiers sei ein richtiger, und er stehe im Interesse sowohl Österreichs als auch der Politik in Europa. Insbesondere seien grundsätzliche Gedanken darüber, wie die Probleme, die zu Migrations- und Flüchtlingsbewegungen führen, an der Wurzel bekämpft wer­den können, wichtig und notwendig. Darin sei der entscheidende Ansatz zu erblicken.

Im Hinblick auf die Unterscheidung der rechtsstaatlichen von der politischen Orientierung sei beispielsweise die Frage zu stellen, wie der damalige Bundesminister für Inneres, Dr. Löschnak, die Bosnien-Problematik hätte handhaben sollen. Es hätte die gegebenen Möglichkeiten über­fordert, damals für jeden einzelnen der nach Österreich gekommenen Bosnier ein rechtsstaat­liches Asylverfahren durchzuführen. Aus solchen Gründen habe die entsprechende Formulie­rung Eingang in das vorliegende Dokument gefunden, und darüber werde auch in Zukunft dis­kutiert werden müssen.

In bezug auf das “Pulverfaß Balkan” sei festzustellen, daß große Probleme bevorstünden. Wenn Kosovo, wenn Albanien, wenn Montenegro, wenn Mazedonien eine Entwicklung durchlaufen, wie sie derzeit befürchtet werden könne, dann werde eine Flüchtlingsbewegung gigantischen Ausmaßes die Folge sein, und dann werde es nicht mehr möglich sein, ein Asylverfahren nach dem anderen abzuwickeln. In Richtung solcher Entwicklungen, die nicht mehr steuerbar seien, seien die Ausführungen darüber gemeint, daß rechtsstaatliche Maßnahmen allein nicht mehr greifen könnten, sondern auch politische Maßnahmen ins Auge zu fassen seien.

In bezug auf die Frage des Abgeordneten Jung nach den in Punkt 87 als offen bezeichneten Fragen nennt Bundesminister Mag. Schlögl zwei Beispiele. Ein Problem bestehe darin, daß auf EU-Ebene eine einheitliche Visaregelung für kurzfristige Visa bis zu drei Monaten vorhanden sei, aber keine solche Regelung für Visa bestehe, die für einen längeren Zeitraum ausgestellt werden. Deshalb bestehe der Wunsch nach Harmonisierung auch in diesem Bereich. Ein anderes Beispiel sei das Faktum, daß es zwar auf Ebene der Schengen-Staaten, nicht jedoch auf Ebene der EU-Staaten eine gemeinsame Visaliste gebe. Letztere werde angestrebt, und darüber werde derzeit im Europäischen Parlament noch diskutiert. Erst nach Abschluß der dortigen Willensbildung könne auf EU-Ebene, im Rat für Justiz und Inneres, eine entsprechende Entscheidung fallen. Diese sei auch im Hinblick auf den Beitritt neuer Mitgliedstaaten wichtig, weil eine der Voraussetzungen dafür in einer gemeinsamen Visapolitik bestehen werde, da diese im Hinblick auf offene Grenzen zu neuen Staaten notwendig sei.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche) gibt ihrer Zufriedenheit darüber Ausdruck, daß es nicht zu dem heute bereits erörterten Denkverbot gekommen sei. Die Freiheitlichen hätten sich schon jahrelang Gedanken über das Problem gemacht, um das es in dem Strategie­papier gehe. Darin seien genau jene Szenarien enthalten, vor denen die Freiheitlichen schon zu Beginn dieser Entwicklung gewarnt hätten, nämlich im Jahr 1989.

Da Bundesminister Mag. Schlögl in dieser Sitzung mehr oder weniger weinend oder von Emotionen sprechend beklagt habe, daß die Abgeordnete Mag. Kammerlander ihm Unrecht ge­tan habe, müsse er daran erinnert werden, daß er in Wirklichkeit selbst daran schuld sei. Er selbst, seine Partei und die Regierungskoalition hätten zugelassen, daß es zu einer Entwicklung entsprechend dem im Dokument dargestellten Szenario gekommen sei. Auch daß er sich jetzt vorwerfen lassen müsse, daß sich die Koalition für ihre Flüchtlingspolitik zu schämen habe, habe er sich selbst zuzuschreiben. Denn die Aufnahme von 70 000 oder 80 000 Bosniern, die nicht unter die Bestimmungen der Genfer Konvention gefallen seien, sondern denen der Status der De-facto-Flüchtlinge zuerkannt worden sei, und all die großzügigen Maßnahmen hätten nichts genützt, den Bundesminister für Inneres davor zu bewahren, jetzt einer unmenschlichen Politik geziehen zu werden.

Tatsächlich könne ihn zwar nicht der Vorwurf treffen, daß er sich schämen müsse, aber es zeige sich jetzt, daß seine Art des Umgangs mit dem Problem sehr kurzsichtig gewesen sei. Diese habe ihm nicht die Gunst derjenigen eingebracht, die er sich damit offensichtlich habe erkaufen wollen.

Abgeordnete Dr. Partik-Pablé führt aus, daß sie anfangs gegen den vorliegenden Entwurf ge­wesen sei, da sie gehört habe, es solle damit die Genfer Flüchtlingskonvention geändert wer­den. Doch habe Bundesminister Mag. Schlögl auch in dieser Sitzung ausgeführt, daß an keine Änderung – oder im Falle einer Änderung die Ausweitung der Konvention im positiven Sinne – gedacht sei. Ein Abgehen vom Kriterium der individuellen Verfolgung würde jedoch das Szenario noch verschärfen. Denn sogenannte De-facto-Flüchtlinge wie die nach Österreich gekommenen Bosnier oder Kosovo-Albaner könnten nicht mehr zur Rückkehr in die Heimat aufgefordert werden. Daher ergebe sich die Frage und die Bitte um Antwort darauf, wie eine Ausweitung der Genfer Konvention auszusehen hätte.

Es seien sehr durchsichtige Gründe, welche die anderen EU-Mitgliedstaaten zu ihren Angriffen auf das Strategiepapier gebracht hätten. Damit würden ihnen nämlich Lasten auferlegt werden. Bisher hätten die Österreicher und die Deutschen den gesamten Flüchtlingsstrom aufgefangen. Wenn die Niederländer sich über einen Skandal und über Menschenunwürdigkeit ereiferten, dann sei dies auf rein finanzielle Motive und keineswegs auf humanitäre Gründe zurückzufüh­ren. Ähnliches zeige auch das von Bundesminister Mag. Schlögl vorgebrachte Beispiel Nor­wegen, wo man aufgrund der lächerlichen Zahl von 67 Aufnahmen glaube, man habe bereits eine tolle Leistung erbracht, die ungeheuer menschlich sei. Daß diejenigen sich über ein Doku­ment aufregen, denen damit mehr Pflichten auferlegt würden, sei klar.

Von einer Vermischung von Asyl und Migration sei dringend abzuraten. Es sei auch ratsam, die Genfer Konvention nicht zu ändern, sondern weiterhin die individuelle Verfolgung als ausschlag­gebendes Kriterium in Verbindung mit den entsprechenden Gründen aufrechtzuerhalten. Denn wenn es zu einer Erweiterung käme, sodaß beispielsweise auch die Flucht aus wirtschaftlichen Gründen anzuerkennen wäre, dann wäre etwas die Folge, was eigentlich verhindert werden müßte.

Die Vermischung von Migrations- und Flüchtlingsbewegungen sei sehr schädlich, werde aber pausenlos vorgenommen. In diesem Punkt sei dem Abgeordneten Dr. Kier zuzustimmen. Gerade in der Asylpolitik habe sich Österreich überhaupt keinen Vorwurf zu machen. Es sei im Grunde genommen fast eine Gemeinheit, daß sich der österreichische Bundesminister für Inneres von den Grünen unmenschliche Politik und ähnliches vorhalten lassen müsse. Tatsäch­lich habe Österreich den Flüchtlingen stets erstklassige Aufnahmebedingungen geboten und beispielsweise im Falle Bosniens noch einiges darüber hinaus getan.

Abgeordnete Dr. Partik-Pablé weist Bundesminister Mag. Schlögl darauf hin, daß sie ihn in einer Ausschußsitzung danach gefragt habe, was Österreich tun werde, wenn Kosovo-Albaner im selben Ausmaß wie die Flüchtlinge aus Bosnien kommen würden. Der Bundesminister für Inneres habe bestätigt, daß er dieses Szenario und die damit verbundene Gefahr in gleicher Weise einschätze, und auf ein bereits erfolgtes Gespräch mit dem deutschen Innenminister hin­gewiesen. Abgeordnete Dr. Partik-Pablé habe ihm daraufhin geraten, sich lieber mit dem italie­nischen Innenminister in Verbindung zu setzen, da die Kosovo-Albaner beim letztenmal per Schiff angereist wären. Eine entsprechende Zusage sei erfolgt.

Inzwischen sei genau das eingetreten, was schon vor zwei Jahren vorherzusehen gewesen sei. Wie schon im Falle der Bosnien-Krise werde auch jetzt die Aufnahme von Flüchtlingen an Öster­reich und Deutschland hängenbleiben. Wiederum sei dafür nicht Vorsorge getroffen worden. Österreich wäre in der Lage, das Problem Kosovo viel leichter zu bewältigen, wenn die Bosnier von hier rechtzeitig in ihre Heimat zurückgeschickt worden wären.

Den Ausführungen des Abgeordneten Jung über die heutige Lage in Bosnien sei zuzustimmen. Abgeordnete Dr. Partik-Pablé verweist auf eine ihr übermittelte Schilderung der gegenwärtigen Situation in Bihac, einem der während der Auseinandersetzungen in Bosnien am stärksten umkämpften Gebiete. Dort sei heute kein zerbombtes Haus mehr zu sehen. Der Bürgermeister fahre in einem als Statussymbol dienenden “Mercedes”-Cabriolet umher und habe die Men­schen zur Rückkehr aufgefordert, da es keinen Grund gebe, dies nicht zu tun. Es treffe nicht zu, was manche hierzulande darzustellen versuchten: daß es keine Möglichkeit zur Rückkehr gebe.

Aber mit der Erteilung von 56 000 Aufenthaltsbewilligungen für Bosnier habe der österreichische Bundesminister für Inneres genau das Falsche getan, nämlich Asylanten als Migranten aufge­nommen. Wenn diese Praxis beibehalten werde, dann werde für diejenigen, die wirklich indivi­dueller Verfolgung ausgesetzt sind und dringend einen Aufnahmeplatz benötigen, in Österreich kein Platz mehr vorhanden sein. Dafür, daß es nicht dazu kommt, müsse rechtzeitig Vorsorge getroffen werden.

Abgeordneter Dr. Franz Löschnak (SPÖ) stellt fest, daß er in diesem Fall mit Bundesminister Mag. Schlögl mitleide, obwohl dessen Leid heute viel geringer sei als jenes, das er selbst vor acht oder neun Jahren in derselben Sachlage zu erdulden gehabt hätte. Daß jetzt ein Strategie­papier vorgelegt werden konnte, in dem zwischen Kriegsflüchtlingen und Migranten unterschie­den wird, sei gegenüber früheren Verhältnissen als Quantensprung zu bewerten.

Abgeordneter Dr. Löschnak verweist darauf, daß er, als er in der Funktion des Innenministers einmal zwischen Flüchtlingen und Wirtschaftsflüchtlingen unterschied, deswegen von den Grünen und der Presse, die hinter ihnen stehe, monatelang “geschlagen” worden wäre. Es sei behauptet worden, daß ohne Unmenschlichkeit eine solche Unterscheidung gar nicht getroffen werden könne. Der Vorwurf der Unmenschlichkeit, der gegenüber Bundesminister Mag. Schlögl erhoben werde, treffe heute nur noch im halben Ausmaß; damals sei er mit viel stärkerem Nachdruck vorgebracht worden.

Im Unterschied zu seinem sonst eingenommenen Standpunkt, sich nicht an Diskussionen über den Innenbereich zu beteiligen, sieht sich Abgeordneter Dr. Löschnak im gegebenen Fall zu einigen Anmerkungen veranlaßt. Denn man müsse auch in die Vergangenheit blicken, um die Gegenwart einschätzen zu können.

Die Frage einer Änderung der Genfer Flüchtlingskonvention habe sich bereits unmittelbar nach der Ostöffnung, zum Jahreswechsel 1989/1990, gestellt. Abgeordneter Dr. Löschnak stellt fest, er sei damals dafür eingetreten, die Genfer Konvention nicht anzutasten, weil eine Mehrheit der Länder eine Verschärfung des Flüchtlingsbegriffs befürwortet habe. Manche Länder hätten es sich einfach gemacht und mit dem Hinweis darauf, daß sich nur 50, 100 oder 500 Menschen dorthin gewandt hätten, festgestellt, daß die Sache sie nichts angehe. Im Gegensatz dazu seien die Zahlen gestanden, die in Österreich – zwischen 10 000 und 20 000 – und in Deutschland – 100 000 bis 150 000 – zu verzeichnen gewesen seien. Auch die Schweiz sei von 20 000 bis 30 000 Menschen pro Jahr betroffen gewesen.

Dies sei die Ausgangslage dafür gewesen, daß zu Beginn der neunziger Jahre die Genfer Flüchtlingskonvention nicht angetastet worden sei, obwohl auch damals klar gewesen sei, daß die Tatbestände, die darin für die Anerkennung von Flüchtlingen vorgesehen sind, zu eng gefaßt seien. So sei beispielsweise die Vergewaltigung von Frauen nicht als Tatbestand und Anerken­nungsgrund in der Genfer Konvention enthalten, obwohl jedermann und jede Frau dafür sei, diesen Tatbestand anzuerkennen. Es bestehe daher eine Notwendigkeit zur Erweiterung, jedoch habe man dies damals nicht gewagt. Es sei deshalb richtig, jetzt, sieben oder acht Jahre später, vom Reden zum Handeln überzugehen.

Daher sei das vorliegende Strategiepapier gut. Es werde zu einer Klärung der notwendigen Trennung zwischen Flüchtlingen im Sinne der Konvention, Kriegsflüchtlingen, denen ein vor­übergehendes Aufenthaltsrecht auch künftig zuzubilligen sein werde, und Migranten führen, und dies sei zu begrüßen.

Abgeordneter Dr. Löschnak führt weiters aus, daß es seiner Ansicht nach der Sache keinen guten Dienst tue, wenn – wie es auch schon früher geschehen sei – ein Fallbeispiel für einen schlecht begründeten Bescheid in die Öffentlichkeit gezerrt wird. Zwar sei es sicherlich nicht richtig, wenn sich die Sache so verhalte, wie es die Grünen aufgezeigt hätten. Doch sei diese Art von Kritik trotzdem nicht hilfreich, weil es sich dabei nur um einen Fall unter Tausenden Fällen handle, die sonst positiv und gut erledigt worden seien.

Es helfe auch nicht weiter, wenn überdies Panikmache auf dem Weg über das Ausland betrie­ben werde, etwa indem behauptet werde, daß geplant sei, mit Hilfe des Strategiepapiers die Genfer Flüchtlingskonvention abzuschaffen. Wer die in dem Entwurf enthaltenen 120 Punkte aufmerksam gelesen habe, sehe selbst, daß dies nicht zutreffe. Denn es werde nur in zwei oder drei Punkten eine Berührung mit der Genfer Konvention hergestellt, und damit werde eine Fein­abstimmung bezweckt.

Das vorliegende Strategiepapier sei daher notwendig, und über weite Strecken sei es auch richtig und gut. Wo es Denkfehler enthält, müßten diese beseitigt werden, und Vorschläge für Verbesserungen seien darüber hinaus erwünscht. Insgesamt werde man jedoch um ein solches Dokument und um eine entsprechende Strategie nicht herumkommen.

Denn mit den Flüchtlingen aus dem Kosovo stehe der nächste Fall bereits ins Haus. Dabei werde es wieder dazu kommen, daß Österreich und Deutschland als unmittelbar Betroffene Ersthilfe zu gewähren hätten. Doch könnten so viele Menschen innerhalb der kurzen Zeit – selbst im Falle einer entsprechenden Absicht – nicht integriert werden. Wenn sie sich dann drei oder fünf Jahre in Österreich aufgehalten haben, wie zuvor die Bosnier, dann bleibe letztlich nichts anderes mehr übrig, als sie zu integrieren.

Alle anderen Mitgliedstaaten seien dabei Zuschauer. Es könne aber nicht Sinn der Gemein­schaft sein, daß zwei von 15 Staaten die Lasten zu tragen hätten und die 13 anderen Mitglied­staaten zugleich die Erwartung hegen könnten, weiterhin nicht betroffen zu sein.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) schlägt – da im vorgesehenen Zeitrahmen von einer Stunde nicht ausreichend über das Strategiepapier diskutiert werden könne, weshalb sie sich auf Anmerkungen zur aktuellen Situation beschränkt habe – vor, darüber eine Enquete abzuhalten, und zwar unter Beteiligung von UNHCR und NGOs, die in der Praxis mit den Pro­blemen konfrontiert sind. Denn nicht nur die Grünen, sondern auch einige mit der Praxis befaßte Stellen hätten die Vorschläge des österreichischen Bundesministers für Inneres kritisiert.

Wenn im übrigen der Abgeordnete Voggenhuber für die Kritik verantwortlich gemacht werde, dann werde ihm damit mehr Ehre erwiesen, als ihm zustehe, da der Bericht über das Strategie­papier bereits vor der später vom Abgeordneten Voggenhuber vorgebrachten Kritik erschienen sei. Es sei jedoch eine Tatsache, daß großes Interesse an einer breit angelegten Diskussion bestehe, sodaß eine Enquete über den vorliegenden Entwurf ratsam sei.

Es sei auch eine Tatsache, daß der Fall Kosovo schon heute von der Genfer Flüchtlingskon­vention erfaßt werde. Dafür brauche diese nicht geändert zu werden, der Fall lasse sich damit genau regeln. Das Problem bestehe darin, daß sich während der vergangenen Jahre in der Europäischen Union eine Praxis durchgesetzt habe, die den Flüchtlingsbegriff immer stärker verengt habe. Die Praxis habe die juridische oder juristische Verfaßtheit überholt, und darin be­stehe heute das Problem.

Abgeordnete Mag. Kammerlander führt aus, es sei nicht ihre Absicht gewesen, mit ihrer Kritik Bundesminister Mag. Schlögl persönlich zu treffen, jedoch könne sie seine Betroffenheit ver­stehen. Sie habe auf etwas hinweisen wollen, was vom Bundesminister für Inneres daraufhin auch eingeräumt worden sei: daß es nicht nur einzelne Bescheide gewesen seien, in denen un­menschlich und zynisch argumentiert worden sei, sondern daß es sich um eine ganze Summe von Bescheiden handle, sodaß diese Vorgangsweise zunehmend System habe.

Es müsse weiters beachtet werden, in welchem Licht das erscheine, was in dem Strategiepapier steht. Wer mit Bescheiden befaßt sei, die in äußerstem Maße zynisch seien, und unter dieser Voraussetzung in dem Strategiepapier zum Beispiel einen Vorschlag zu lesen bekomme, der darauf lautet, jene Länder, die ein hohes Potential an möglichen Auswanderern aufweisen, zum Anlegen einer Fingerprintdatei anzuhalten, werde sich die Frage stellen, was davon zu halten sei und ob künftig manche Länder je nachdem, ob es dort Bürgerkrieg, Verfolgung oder wirtschaft­liche Probleme gibt – dies werde heute möglicherweise zu Recht voneinander unterschieden – veranlaßt werden sollten, Fingerprintdateien über alle ihre Einwohner anzulegen, nur damit diese hierzulande erkannt werden könnten.

Aufgrund des Inhalts des von ihm vorgelegten Strategiepapiers und aufgrund der unter seiner Verantwortung ergangenen Bescheide müsse sich Bundesminister Mag. Schlögl auch entspre­chende Qualifizierungen gefallen lassen. Zum Beispiel sei es mehr als verharmlosend, wenn die Tätigkeit der serbischen Polizei als “ordnungspolitische Maßnahme” bezeichnet werde. Dies laufe darauf hinaus, eine vor Ort gegebene Situation nicht zur Kenntnis zu nehmen. Und wenn Bundesminister Mag. Schlögl von gefährdeten Regionen spreche, aus denen möglicherweise noch mehr Flüchtlinge kommen würden, dann “produziere” er selbst dadurch Flüchtlinge, daß er in seiner Eigenschaft als EU-Minister daran mitwirke, in jenen Gegenden Flüchtlingslager zu errichten.

Abgeordnete Mag. Kammerlander führt abschließend aus, sie warte auf einen konkreten Vor­schlag des Bundesminister für Inneres zur Aufteilung der Flüchtlinge auf alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Diesen möge er vorlegen, statt Anstöße zum Anlegen von Fingerprint­dateien und Flüchtlingslagern in jenen Ländern zu geben, die selbst Gefahrenzonen seien.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum) stellt fest, er nehme es positiv zur Kenntnis, daß Bundesminister Mag. Schlögl seine Diskussionsbereitschaft bekundet habe. Es werde aber darum gehen, entsprechenden innerösterreichischen Diskussionsraum zu schaffen. Der Haupt­ausschuß müsse sich nach einem Zeitlimit richten. Im übrigen werde es zu einer Behandlung des Strategiepapiers auf europäischer Ebene kommen.

Der österreichische Bundesminister für Inneres habe entweder die Möglichkeit, den Vorschlag aufzugreifen, der in Richtung einer Enquete geht, und dadurch einen geeigneten Diskussions­raum zu schaffen, oder die Diskussion werde im internationalen Raum stattfinden. In letzterem Fall werde das Liberale Forum Wege zu finden wissen, um sich die nötige Unterstützung über seine Fraktion im Europäischen Parlament zu besorgen. Damit käme es aber zu der ungünsti­gen Situation, daß ein österreichischer Vorschlag – kritisch oder konstruktiv – deshalb auch vom Liberalen Forum im internationalen Raum attackiert werden müsse – dabei sei von “Attacke” im wertneutralen Sinn die Rede –, weil kein innerösterreichischer Diskussionsraum dafür vorhan­den sei.

Zum zweiten habe Bundesminister Mag. Schlögl selbst auf das rechtsstaatliche System re­kurriert. Dies höre sich zwar gut an, aber dann müsse der Bundesminister sich zum Beispiel die zwei folgenden Stellen aus dem Strategiepapier vorhalten lassen. Unter der Randziffer 123 sei von der Beseitigung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln die Rede, und unter der Randziffer 69 sei vorgesehen, daß der Rechtsweg einen zeitlich fixierten Rahmen bekommen solle. Abgeordneter Dr. Kier fügt hinzu, daß ihm diese Punkte nicht gefielen.

Zwar sei der pragmatische Zwang verständlich, unter dem der Bundesminister für Inneres stehe, aber wenn für Rechtsmittel von vornherein ein fixer Zeitrahmen festgesetzt und die auf­schiebende Wirkung beseitigt werde, dann bedeute dies im vorliegenden Zusammenhang, es würden faktische Handlungen vor Ablauf eines rechtsstaatlichen Verfahrens in Aussicht genom­men. Das Dilemma sei verständlich, denn ein rechtsstaatliches Verfahren sei langsamer als das Bedürfnis, Leute loszuwerden. Der Bundesminister für Inneres möge dann aber gleich hinzu­fügen, daß er die physische Fernhaltung durch faktische Amtshandlung an der Grenze erreichen wolle. Dann bestehe das Problem von vornherein nicht, unter dem Motto: Nicht fragen, sondern gleich abhalten! Zwar sei dies nicht die Intention von Bundesminister Mag. Schlögl, aber aus diesem Dilemma komme er nicht mehr heraus, wenn er die aufschiebende Wirkung beseitige und einen fixen Zeitrahmen einführe.

Der Bundesminister für Inneres müsse sich der Entflechtungsproblematik konstruktiver stellen. Das Asyl von der Migration zu unterscheiden, wäre nach Ansicht des Liberalen Forums von vornherein erforderlich gewesen. Abgeordneter Dr. Kier verweist darauf, daß er immer schon darauf beharrt habe, daß Ein- und Auswanderung etwas anderes seien als der Flüchtlingsstatus. Der vom früheren Bundesminister Dr. Löschnak verwendete Terminus “Wirtschaftsflüchtling” sei von der Semantik her unglücklich gewählt gewesen. Denn dabei habe es sich um Auswanderer aus wirtschaftlichen Gründen, nicht jedoch um Flüchtlinge gehandelt.

Drittens sei von der Intention, einen europäischen Lastenausgleich zu schaffen, in dem Strate­giepapier nichts Ernsthaftes vorzufinden. Wohl aber zeige sich das Bestreben, einen europäi­schen Abwehrkodex zu entwickeln. Erforderlich seien Regelungen sowohl des Zu- und Abgan­ges als auch des Lastenausgleichs. Das Problem bestehe darin, daß sich dann, wenn die der­zeit zur Diskussion stehenden oder als Drohpotential vorhandenen Flüchtlingsmengen auf den gesamten Bereich der Europäischen Union projiziert würden, statistisch sympathischere Zahlen ergäben, als wenn es dazu käme, daß diese Mengen in den Pufferstaaten hängenblieben. Österreich sei in der ungünstigen Lage, zu den Pufferstaaten zu gehören. Daher habe das Libe­rale Forum dazu angeregt, zu überlegen, ob nicht auch die beitrittswilligen Länder, die auf dem Weg dazu seien, sichere Drittstaaten zu werden, im Zuge der Diskussion Beachtung finden sollten, damit das Problem nicht sozusagen in das österreichische Glacis verlagert werde.

Darüber sei in dem Strategiepapier nichts zu finden, und dies gelte es zu diskutieren.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche) stellt fest, daß nicht unbedingt ein rechts­staatliches Verfahren vorgesehen sein müsse, damit man in ein Land einreisen kann, um als Flüchtling akzeptiert zu werden. Die Schweiz zum Beispiel habe rechtsstaatliche Normen, doch dürfe man dort nicht einwandern, sondern müsse außerhalb auf die Entscheidung darüber war­ten, ob die Flüchtlingseigenschaft anerkannt wird oder nicht.

In einem rechtsstaatlichen Verfahren müsse nicht beinhaltet sein, daß alle Instanzen ausge­schöpft werden könnten oder daß bis zum Verwaltungsgerichtshof gegangen werden müsse. Auch dann noch sei ein rechtsstaatliches Verfahren gegeben, wenn zum Beispiel eine aufschie­bende Wirkung aberkannt werde.

Abgeordnete Dr. Partik-Pablé spricht sich ebenfalls dafür aus, die Sache ausreichend zu disku­tieren, vertritt jedoch die Überzeugung, daß die Bestimmungen, die für Österreich nötig und er­wünscht seien, von den Österreichern festzulegen seien und nicht vom UNHCR, von ausländi­schen Flüchtlingsorganisationen oder von anderen Stellen. Denn diese hätten selbstverständlich andere Interessen als die Österreicher. Für Österreich seien die Österreicher verantwortlich. Außenstehenden Institutionen könne zwar ein Beratungsrecht zugestanden werden, aber be­stimmen müßten die Österreicher selbst. Auch dazu müsse man sich bekennen.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl führt aus, daß er sich zu einer innerösterreichi­schen Diskussion über das Strategiepapier bekenne und sie ausdrücklich anbiete. Er werde in den nächsten Wochen Vertreter aus allen Parlamentsparteien sowie Repräsentanten anderer wichtiger Institutionen – unter Einschluß des Bundesasylamtes sowie des Bundesasylsenates – zu einer Veranstaltung von der Art einer Ein-Tages-Enquete einladen.

Darüber hinaus werde von 25. bis 27. November 1998 in Baden eine internationale Migrations­konferenz stattfinden, in deren Rahmen das Strategiepapier ebenfalls Gegenstand der Diskus­sion sein werde. Dort würden Vertreter unterschiedlichster Organisationen ihre Standpunkte darlegen können. Voraussichtlich werde auch eine Reihe wichtiger politischer Vertreter der einzelnen EU-Mitgliedstaaten daran teilnehmen.

Bundesminister Mag. Schlögl spricht sich entschieden für die Einrichtung der genannten Finger­printdatei aus und weist die Abgeordnete Mag. Kammerlander auf ein offensichtliches Mißver­ständnis hin. Es sei nicht vorgesehen, daß jeder Mensch im Ursprungsland seine Fingerab­drücke abzugeben habe, sondern es gehe darum, von jedem Asylwerber und jedem illegal Einreisenden in dem ersten Staat, in dem sie vor Verfolgung sicher seien, Fingerabdrücke zu nehmen. Dies sei nötig, weil es oft dazu gekommen sei, daß eine Person unter verschiedenen Identitäten in verschiedenen Ländern aufgetaucht sei. Innerhalb der Europäischen Union sei dieses Erfordernis nahezu unbestritten, und eine entsprechende Konvention werde auch einge­führt werden.

Es sei ein Ausdruck einer völlig falschen Position der Grünen, zu sagen, daß dadurch Flücht­linge “produziert” würden, daß Flüchtlingslager rund um die Krisenherde installiert werden. Dies sei ganz im Gegenteil der richtige Ansatz. Denn erstens sei dies ein aktiver Teil des Kampfes gegen das Schlepperunwesen, und zweitens sei es vernünftiger, in unmittelbarer Nähe der Krisengebiete den Menschen schützende Aufnahme zu bieten und ihnen die Möglichkeit zu geben, nach Beendigung der Krise wieder in ihre ursprüngliche Heimat zurückzugehen, statt ihnen eine Hunderte oder gar Tausende Kilometer weite Flucht zuzumuten.

Im Fall des Kosovo bestehe derzeit tatsächlich das Problem, daß es in Albanien zu einer Eska­lation der Auseinandersetzungen kommen könnte, und möglicherweise ebenso in anderen um­gebenden Staaten. Aber es sei vom Prinzip her eine richtige Strategie, daß man unmittelbar um die Krisenherde herum versuche, Auffangzentren zu schaffen und den Menschen dort Schutz und Hilfe anzubieten.

Bundesminister Mag. Schlögl verwahrt sich gegen den Vorwurf, daß keine konkreten Maßnah­men ergriffen worden seien. Tatsächlich seien bereits konkrete Gesetzesinitiativen vorgelegt worden. Insbesondere werde die Erreichung von zwei Zielen angestrebt: Erstens solle es in Fällen von Massenfluchtbewegungen zu einer vorübergehenden Aufnahme mit Mindeststan­dards in bezug auf soziale Absicherung kommen, damit die Flüchtlinge in entsprechenden Flüchtlingsländern Schutz finden könnten, und zweitens solle ein konkreter Lastenausgleich in finanzieller und personeller Hinsicht hergestellt werden.

Dabei gehe es nicht um die mehrfach zum Gegenstand von Vorwürfen gewordene Festlegung von Aufnahmequoten für die einzelnen Mitgliedstaaten, sondern um eine gerechte Aufnahme­praxis der Europäischen Union. Für die Bosnier-Aktion hätten allein das österreichische Innen­ministerium und die neun Bundesländer bisher schon insgesamt mehr als 5 Milliarden Schilling aufbringen müssen. In diesem Betrag seien andere Aufwendungen wie zum Beispiel jene für die Integration auf dem Arbeitsmarkt noch nicht enthalten. Zu diesen 5 Milliarden Schilling habe die Europäische Union keinen einzigen Schilling beigetragen.

Daher müsse für kommende Aktionen ein gerechter finanzieller Ausgleich gefunden werden. Es sei notwendig, daß die Last der Integration auf mehrere Staaten aufgeteilt wird. Dafür seien kon­krete Gesetzentwürfe vorgelegt worden, und es sei zu hoffen, daß diese während der österrei­chischen Präsidentschaft schrittweise vorangebracht werden könnten.

Bundesminister Mag. Schlögl antwortet der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé, daß er im Hinblick auf die Genfer Flüchtlingskonvention nicht vom Prinzip der individuellen Verfolgung abrücken wolle. Wie der Abgeordnete Dr. Löschnak bereits klargestellt habe, sei im neuen Asylgesetz mit dem Tatbestand der Vergewaltigung aus politischer Motivation ein Asylgrund vorgesehen, der in der Genfer Konvention nicht enthalten ist. Dies sei ein Beispiel für eine sinnvolle Erweiterung.

Bundesminister Mag. Schlögl bekräftigt, daß er die von mehreren Seiten zu vernehmende Bot­schaft, die auf Fortsetzung der innerösterreichischen Diskussion laute, gerne aufnehme und – abgesehen von der erwähnten internationalen Migrationskonferenz im November – in den nächsten Wochen zu einer entsprechenden Diskussion einladen werde.

Obmann Dr. Heinz Fischer läßt die Abstimmung über die drei vorliegenden Anträge auf Stel­lungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG vornehmen.

Der Antrag der Abgeordneten Mag. Doris Pollet-Kammerlander betreffend Migrations- und Asyl­politik bleibt in der Minderheit und ist abgelehnt.

Der Antrag des Abgeordneten Dr. Volker Kier betreffend Strategiepapier zur Migrations- und Asylpolitik bleibt in der Minderheit und ist abgelehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Wolfgang Jung und Kollegen betreffend Strategiepapier zur Migrations- und Asylpolitik bleibt in der Minderheit und ist abgelehnt.

2. Punkt

MAI

SON DAFFE/MAI (98) 7

Multilateral Agreement on Investment / Konsolidierter Text

(44625/EU XX. GP)

Sitzung MAI – Informelle EU-interne Konsultationen am 19. 6. 1998

(52310/EU XX. GP)

Obmann Dr. Heinz Fischer führt zum Tagesordnungspunkt 2 einleitend aus, daß die Vor­lage 44625/EU mit dem Vermerk “Confidential”, also “Vertraulich”, gekennzeichnet sei. Dieser Vermerk stamme jedoch nicht von der Europäischen Union, sondern es handle sich um einen Vertraulichkeitsvermerk der OECD.

Laut Geschäftsordnung seien Verhandlungen über Vorlagen, die einen Vertraulichkeitsvermerk der EU tragen, automatisch vertraulich zu führen. Dies treffe hier nicht zu, sodaß in dem Fall, daß ein Mitglied des Hauptausschusses die Meinung verträte, die Verhandlungen über diesen Gegenstand seien vertraulich zu führen, dieses Mitglied eigens einen diesbezüglichen Antrag gemäß § 37 GOG stellen müßte.

Obmann Dr. Fischer begrüßt den mittlerweile im Hauptausschuß eingetroffenen Bundesminister Dr. Farnleitner und erteilt ihm das Wort.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner qualifiziert den zur Debatte stehenden Sachverhalt als “außerordentlich einfache, unkomplizierte Gemenge­lage”. Diese ergebe sich daraus, daß 90 Prozent der anhängigen Materie, nämlich 20 von 22 Punkten, ausschließlich Sache nationaler Verhandlungskompetenz seien und nur die rest­lichen zwei Punkte, betreffend Kultur sowie Regional- und Strukturförderung, dem Kompetenz­bereich der Europäischen Union zugeordnet seien. Daher habe über 20 Punkte auch in Öster­reich das Parlament zu beschließen, und deren Umsetzung werde nicht auf EU-Ebene erfolgen. (Obmannstellvertreter Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

In einer zweiten Vorbemerkung verweist Bundesminister Dr. Farnleitner darauf, daß vor ge­raumer Zeit ein Bericht zum MAI an den Ministerrat ergangen sei. Daraufhin habe der Ministerrat diese Angelegenheit zurückverwiesen, und zwar mit dem Ziel einer neuerlichen generellen Koor­dinierung der österreichischen Verhandlungslinie mit den schon in den Vorkoordinierungen er­faßten rund 55 Institutionen, Stellen und Bereichen. Inzwischen sei es zu dieser Koordinierung gekommen, und bis 21. September befinde sich ein neues Verhandlungsbasispapier in Begut­achtung. Es stehe zu erwarten, daß danach eine einheitliche Linie gefunden werden kann. Auf dieser Grundlage würden am 8. Oktober die Verhandlungen im Ministerrat erfolgen. Als Termin für die nächste Sitzung des Expertenkomitees im Bereich der OECD seien der 20. und 21. Okto­ber vorgesehen.

Vergangene Woche sei im Außenausschuß der Europäischen Union auch das MAI angespro­chen worden. Das Europäische Parlament habe dazu bereits seine Position dargelegt, auch gebe es ein Positionspapier der Europäischen Kommission, doch liege dieses, da noch nicht in alle Sprachen übersetzt, noch nicht offiziell vor.

Auch im österreichischen Bereich werde erst nach Eintreffen aller Begutachtungsergebnisse die endgültige Position definiert werden können. Unterlagen über die Verhandlungslinie des Bun­desministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten seien vor ein paar Tagen dem Hauptaus­schuß übermittelt worden, aber offenbar noch nicht zur Verteilung gelangt.

Bundesminister Dr. Farnleitner gibt seinem Bedauern darüber Ausdruck, daß die Unterlagen noch nicht vollständig vorlägen. Auch die Stellungnahme der EU-Kommission könne derzeit noch nicht zur Verfügung gestellt werden. Es sei sicherlich günstiger, die Diskussion erst auf Basis vollständiger Unterlagen zu führen. Andernfalls wäre es erforderlich, ständig auf Papiere Bezug zu nehmen, die dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten noch nicht offiziell und dem Hauptausschuß überhaupt nicht vorlägen. Dabei gehe es auch um das gemein­sam erstellte Papier, das nach Begutachtung der Regierung vorgelegt werden solle.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) erachtet in einem Debattenbeitrag zur Ge­schäftsordnung eine Diskussion, die aufgrund des Fehlens der von Bundesminister Dr. Farn­leitner genannten Unterlagen auf Basis eines veralteten Wissensstandes zu führen wäre, für wenig zielführend. Er regt an, daß die Leitung des Hauptausschusses künftig sicherstellen möge, daß die Informationen für eine allfällige Diskussion den Teilnehmern rechtzeitig zur Verfü­gung gestellt werden, damit über den neuesten Stand der Dinge diskutiert werden könne.

Es sei sinnlos, jetzt den vorliegenden Tagesordnungspunkt zu behandeln, sodaß dieser in der gegebenen Form zu streichen wäre.

Obmannstellvertreter Dr. Heinrich Neisser antwortet, daß Bundesminister Dr. Farnleitner die Unterlagen unmittelbar nach deren Eintreffen dem Parlament zur Verfügung stellen werde, und hier werde sofort für deren Verteilung gesorgt werden.

Es gebe aber zum Tagesordnungspunkt 2 eine Vorlage, über die jetzt zu diskutieren sei.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner erläutert, es sei aus seinem Ministerium mit Datum vom 10. September 1998 unter der Zahl 10217/16 Pr 10a/98 das innerösterreichische Papier dem Parlament übermittelt worden.

Das Dokument der Europäischen Kommission stehe auch dem Ministerium noch nicht originär zur Verfügung, weil es sich noch im Übersetzungsprozeß befinde, und werde voraussichtlich nächste oder übernächste Woche eintreffen.

Obmannstellvertreter Dr. Heinrich Neisser erteilt zur Eröffnung der Debatte dem Abgeordne­ten Dr. Gusenbauer das Wort.

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ) stellt fest, daß sich eine schwierige Situation für die Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt ergeben habe. Denn sie sei sozusagen über eine geschäftsordnungsmäßige Krücke überhaupt erst zustande gekommen, da im wesent­lichen unter Verweisung auf einen Beschluß des Europäischen Parlaments und auf ein Protokoll einer EU-Koordinierungssitzung über einen Themenbereich diskutiert werde, der zu großen Teilen nicht in der Verhandlungskompetenz der Europäischen Union liege, sondern von den einzelnen Nationalstaaten auf der Ebene der OECD verhandelt werde.

Daher stehe der Hauptausschuß auch vor dem Problem, daß sich eine Beschlußfassung mit der starken Bindungswirkung des EU-Hauptausschusses rein formal nur auf jene Materien beziehen könne, die tatsächlich von der Europäischen Union wahrzunehmen seien. Diese stellten jedoch nur einen kleinen Teil des gesamten Multilateralen Investitionsschutzabkommens dar. Rein nach der Geschäftsordnung sei für einen großen Teil des Abkommens keine Grundlage dafür gege­ben, mit der starken Waffe des EU-Hauptausschusses vorzugehen.

Wenn daher der Wunsch bestehe – dies wäre sinnvoll –, eine Debatte über die Gesamtheit des MAI zu führen, ungeachtet der Frage, ob es um einen Kompetenzbereich der österreichischen Bundesregierung oder aber um einen der Europäischen Union geht, dann wäre es vorzuziehen, daß die fünf Parlamentsfraktionen den Versuch unternehmen, im Parlament einen Entschlie­ßungsantrag einzubringen, in dem versucht wird, eine Position des Parlaments zum MAI zu defi­nieren. Dies sei rein geschäftsordnungsmäßig eine wesentlich sauberere Vorgangsweise.

Überdies sei dies im Hinblick darauf wirkungsvoller, daß die von den Grünen vorliegende Stel­lungnahme in vielerlei Hinsicht einen konstruktiven Vorschlag darstelle. Allerdings sei die Auftei­lung im Hinblick auf die von der EU tatsächlich zu verantwortenden Teile des gesamten Abkom­mens nicht klar ersichtlich geworden. Die Stellungnahme sei so abgefaßt, als ob die EU in dieser Frage die Gesamtkompetenz hätte, und dies sei unzutreffend, da Österreich über das Abkommen als Nationalstaat im Rahmen der OECD verhandle.

Abgeordneter Dr. Gusenbauer erklärt sich bereit, die in dieser Sitzung zur Verfügung stehende Zeit, falls gewünscht, für eine meritorische Debatte dieser Angelegenheit zu nützen. Jedoch stelle sich tatsächlich die Frage nach dem Sinn einer solchen Debatte, da die Bundesregie­rung – offensichtlich auch auf Basis der Diskussionen, die seit dem Frühjahr stattgefunden haben – eine neue Regierungsvorlage ausgesandt habe.

Unter anderem hätten auch die Sozialpartner eine entsprechende Stellungnahme abgegeben. Weiters sei eine relativ entwickelte öffentliche Diskussion darüber geführt worden. Aus einer Reihe internationaler Debatten sei bekannt, daß es Kritik an dem alten Entwurf der OECD gege­ben habe, wie zum Beispiel die Stellungnahme des kanadischen Parlaments mit deren 17 Emp­fehlungen an die eigene Regierung über die Bedingungen für einen Beschluß über das MAI gezeigt habe. Bekannt sei auch die Stellungnahme des Europäischen Parlaments.

Auch eine inhaltliche Debatte über dieses Abkommen sei vernünftiger auf Basis der neuen Erklärung der österreichischen Bundesregierung zu führen, da ein entsprechender Entschlie­ßungsantrag des Parlaments – diesen strebe die SPÖ an – konkret auf die Regierungsposition Bezug nehmen solle. Es sei wünschenswert, in einem solchen Entschließungsantrag Prinzipien festzulegen, die für das Parlament wesentlich sind und auf deren Grundlage der Regierung ge­raten werden könnte, unter bestimmten Bedingungen dem MAI beizutreten oder fernzubleiben. Es sei im Fall von Staatsverträgen der bedeutend besser geeignete Weg, vorher eine solche Tendenzerklärung abzugeben.

Daher sei es nicht sehr sinnvoll, unter Bezug auf die bisher vorliegenden Geschäftsstücke die Debatte in dieser Sitzung weiterzuführen.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) führt aus, er könne einmal mehr einem Debattenbeitrag des Abgeordneten Dr. Gusenbauer Positives abgewinnen, auch im Hinblick auf eine Aussage des ÖGB-Präsidenten Verzetnitsch zum MAI, sofern darin die Position der Sozialdemokraten zum Ausdruck komme.

Auch aufgrund dessen, was aus verschiedenen Aussendungen der Liberalen und der Grünen bekannt sei, sei der Vorschlag, einen entsprechenden gemeinsamen Entschließungsantrag ein­zubringen, einer Diskussion wert. Es werde sich im Verlauf dieser Diskussion erweisen, ob ein solcher Antrag zustande kommen könne. Der Vorschlag finde die Zustimmung der Freiheit­lichen.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum) spricht sich für die Erarbeitung einer gemeinsamen Position der EU-Mitgliedstaaten in einzelnen, wesentlichen Bereichen des MAI ungeachtet des Umstandes aus, daß die Mehrzahl der geregelten Bereiche in der nationalen Gesetzgebung liegen werde.

Ein gemeinsamer Entschließungsantrag im Parlament sei wünschenswert. Die Zeit dafür werde jedoch angesichts der Wiederaufnahme der Verhandlungen am 20. Oktober sehr kurz sein. Da­her wäre es falsch, in dieser Sitzung die Gelegenheit zur Besprechung wesentlicher Punkte des Abkommens, auf die sich bereits das Europäische Parlament bezogen habe, nicht zu nützen.

Eine der Fragen, die schon zu Beginn der Diskussionen über das MAI gestellt worden seien, habe darauf gelautet, inwieweit dadurch die europäische Integration beeinträchtigt werden könnte. Abgeordneter Mag. Barmüller fragt daher den Bundesminister für wirtschaftliche Angele­genheiten, inwieweit der wichtige Begriff der Investition derzeit in einer für alle 15 EU-Mitglied­staaten erträglichen Formulierung verhandelt werde und ob es unter diesen Staaten eine Ab­sprache oder zumindest Vorabsprache darüber gebe, im Rahmen der OECD mit einer Stimme zu sprechen.

Eine wichtige Frage werde auch darin bestehen, in welchen Bereichen Österreich spezifische Ausnahmen verlangen werde und ob die Sorge begründet sei, daß es aufgrund des Multilatera­len Investitionsabkommens, insbesondere mangels einer Erwähnung von Umwelt- und Sozial­standards, in Österreich zu Veränderungen kommen könnte.

Solche grundsätzliche Fragen könnten in dieser Sitzung auch ohne auf dem letzten Stand be­findliche Unterlagen geklärt werden.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP) erklärt, er könne sich den Ausführungen seiner Vorredner im wesentlichen anschließen. Darüber hinaus seien drei Punkte zu erwähnen.

Besonders wichtig sei die auch von Bundesminister Dr. Farnleitner angesprochene Klarstellung, daß es im wesentlichen eine Aufgabe Österreichs sei, dieses Abkommen zu beurteilen und die entsprechenden Konsequenzen aus einem eventuellen Abschluß zu ziehen. Es sei daher not­wendig, auch das Positionspapier der Bundesregierung kennenzulernen.

Zweitens betreffe dieses Abkommen einen für Österreich sehr sensiblen Bereich. Die ÖVP habe darüber schon mehrfach in der Öffentlichkeit diskutiert, auch die Sozialpartner hätten sich damit beschäftigt, überdies sei im Plenum des Nationalrates schon darüber debattiert worden. Damals hätten verschiedene Abgeordnete zu diesem Abkommen klar Position bezogen, sodaß dadurch auch gewisse Klarstellungen erfolgt seien.

Drittens wäre es falsch, in dieser Sitzung entsprechende Anträge zu stellen. Abgeordneter Dr. Feurstein ersucht die Grünen, ebenfalls keinen solchen Antrag einzubringen. Statt dessen sollte auf zwei Schienen weitergearbeitet werden: Einerseits sollten die Bemühungen um einen auf dieses Abkommen bezogenen Entschließungsantrag fortgesetzt werden, und andererseits sollte dieser Tagesordnungspunkt dann, wenn die Zeit reif sei und dafür die nötigen Unterlagen zur Verfügung stünden, gegebenenfalls auch im Hauptausschuß weiter behandelt werden.

Abgeordneter Dr. Feurstein stellt daher den Antrag, diesen Tagesordnungspunkt heute zu ver­tagen, ohne daß Beschlüsse gefaßt werden, um für eine neuerliche Debatte offen zu sein.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) spricht sich ebenfalls für einen gemein­samen Entschließungsantrag aller Parlamentsfraktionen aus. Dabei müsse gewährleistet sein, daß die gemeinsamen Bemühungen rechtzeitig vor Beginn der Verhandlungen auf OECD-Ebene zum Abschluß kämen. In diesem Sinne sei auch die Zurückziehung des heutigen Antrags der Grünen zu diesem Tagesordnungspunkt vorstellbar.

Auch wenn dieses Abkommen in der Mehrzahl seiner Punkte eine innerstaatliche Angelegenheit sei, sei es doch auch eine Sache der Europäischen Union, da dort außer dem Parlament auch die Kommission einbezogen sei und an den Verhandlungen mitwirke.

Das Europäische Parlament habe in einem diesbezüglichen Beschluß klar zum Ausdruck ge­bracht, daß zu diesem Abkommen einiges zu untersuchen und zu überprüfen sei, und zwar ins­besondere im Hinblick auf das europäische Recht, auf die Auswirkungen auf Integrationsmaß­nahmen und Integrationsrecht sowie auf die zukünftigen Schritte der EU-Erweiterung. Auch im Hinblick auf die betroffenen EU-Angelegenheiten und auf die Position, die vom zuständigen Bundesminister im Rat vertreten wird, seien die Grünen bestrebt gewesen, darüber im Haupt­ausschuß zu diskutieren.

Es sei möglich, daß diese Angelegenheit im Zusammenhang mit einem Entschließungsantrag fürs erste im Plenum besser aufgehoben wäre, jedoch bestehe eine Notwendigkeit, daß sich auch der Hauptausschuß dann, wenn die Verhandlungen auf OECD-Ebene wieder beginnen, damit befaßt, insbesondere nach Vorliegen des derzeit noch im Übersetzungsstadium befind­lichen EU-Dokumentes und der Ergebnisse der Überprüfung des Rechtsbestandes.

Abgeordnete Mag. Kammerlander verweist darauf, daß die MAI-Verhandlungen letzten Mai mit dem Ziel einer Nachdenkpause und einer Debatte im nationalen Rahmen unter Beteiligung der davon betroffenen Gruppen unterbrochen worden seien. Ihr seien zwei entsprechende Veran­staltungen bekannt, eine über entwicklungspolitische Auswirkungen dieses Abkommens und eine andere – unter Beteiligung von Künstlern – über die Implikationen im Bereich Kunst und Kultur. Sie fragt Bundesminister Dr. Farnleitner nach weiteren Veranstaltungen dieser Art, und sie fragt außerdem, welche Interessengruppen und politischen Organisationen in diese Debatte einbezogen worden seien. Von seiten einiger Landtage sei der Wunsch auf Einbeziehung aus­drücklich geäußert worden.

Abgeordnete Mag. Kammerlander verweist auf das jetzt vorliegende Ergebnis des Ethyl-Pro­zesses, in dem Kanada wider Erwarten – und entgegen den ausdrücklichen Beteuerungen, die Dr. Schekulin als der im Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten damit befaßte Experte darüber abgegeben habe, daß es kaum denkbar sei, daß Kanada verurteilt werde – zu einer sehr hohen Geldstrafe verurteilt worden sei, und knüpft daran die Frage, ob dieser Aus­gang des Prozesses irgendwelche Auswirkungen auf die Position des Bundesministers für wirt­schaftliche Angelegenheiten im Hinblick auf Streitbeilegungsmechanismen und Verfahren mit sich gebracht habe.

Weiters stellt Abgeordnete Mag. Kammerlander die Frage, ob Bundesminister Dr. Farnleitner irgendwelche Studien über mögliche Auswirkungen des MAI im innerstaatlichen Bereich in Auftrag gegeben habe. Es könnten davon beispielsweise Unternehmen betroffen sein, die sich mit Umwelttechnologie und Umweltverfahren befassen.

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche) bringt seine Zustimmung zu dem ge­planten Entschließungsantrag zum Ausdruck, spricht sich überdies für eine Behandlung dieser Materie im Hauptausschuß aus und erachtet die Gelegenheit für gegeben, den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten bereits in dieser Sitzung zur Sache zu befragen.

Die erste Frage lautet, ob das von Bundesminister Dr. Farnleitner erwähnte Positionspapier ein österreichisches sei oder ob darin bereits Ergebnisse von Verhandlungen auf OECD-Ebene Ein­gang gefunden hätten. Abgeordneter Ing. Nußbaumer fragt, ob in diesem Papier das Recht der Vertragsstaaten auf eigenständige Industrie- und Wirtschaftspolitiken zur Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung von nationalen und regionalen Umwelt-, Arbeits-, Sozial-, Gesundheits- und Sicherheitsstandards ohne jede weitere Einschränkung durch staatsvertragliche Bindungen ins­gesamt gewährleistet sei.

Weitere Fragen richten sich darauf, ob in diesem Papier die Gleichstellung von multinationalen Konzernen und Nationalstaaten verhindert werde und ob das Klagerecht ausländischer Investo­ren vor einem internationalen Schiedsgericht sowie die Möglichkeit, daß Regierungen Investoren entschädigen müßten, wenn sie Regulierungen zum Schutz von Umwelt-, Arbeits-, Sozial-, Ge­sundheits- und Sicherheitsstandards erlassen, aus dem Papier herausgenommen worden sei.

Abgeordneter Ing. Nußbaumer fragt überdies, ob in diesem Papier die absolute Einreise- und Aufenthaltsbewilligung für Schlüsselpersonal – samt Familienangehörigen – aufgehoben und die geltende nationalstaatliche Norm bezüglich Einreise und Aufenthalt zur Anwendung gebracht worden sei.

Aus den vorliegenden Unterlagen gehe hervor, daß bis heute nie darüber diskutiert worden sei, auf welche Weise multinationale Konzerne – deren Vorteile klar auf der Hand lägen und für welche dieses Abkommen wahrscheinlich gemacht werde – der steuerlichen Behandlung unter­liegen. Die multinationalen Konzerne seien nicht mehr der Ordnung eines Nationalstaates unter­geordnet, sodaß für sie folgendes gelte: Sie produzieren in dem Staat, in dem es am günstig­sten ist, sie forschen dort, wo es am günstigsten ist, sie verkaufen dort, wo es am besten mög­lich ist, und sie bezahlen ihre Steuern in der Regel auf den Cayman-Inseln oder auf den Virgin Islands.

Abgeordneter Ing. Nußbaumer fragt, in welcher Art dies in dem Investitionsabkommen geregelt sei und ob es dazu eine österreichische Position gebe.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner stellt fest, daß es außerordentlich schwierig sei, in allen Punkten eine gemeinsame EU-Position zu erreichen, da es geradezu im nationalen Interesse liege, eine solche Position nicht herbeizuführen. Zum Beispiel lege es Frankreich darauf an, sich in den Koordinierungen keiner europäischen Disziplin zu unterwerfen. Bisher habe es erst wenige Versuche gegeben, die Mitgliedstaaten sozusagen zur Disziplin zu rufen. Die Hauptverhandler verträten nach wie vor nationale Interessen, auch wenn aus Courtoisie der EU-Vertreter das erste Wort habe. Daher lasse sich diese Frage auch unter österreichischer Präsidentschaft nicht klären.

In den nächsten Wochen stünden folgende Termine bevor: am 21. September ein Treffen mit den Vertretern der ETUC, der Europäischen Gewerkschaftsbewegung, um über deren Einwen­dungen zu beraten, und am 22. September eine Veranstaltung mit den NGOs sowie den Arbeit­geberorganisationen, die Mitglieder der UNICE sind. Am darauffolgenden Tag werde das MAI in einer Arbeitsgruppe der Europäischen Union unter dem Vorsitz Österreichs erörtert werden.

Was derzeit intern zur Begutachtung gestellt sei, entspreche der österreichischen Position, und dabei werde selbstverständlich versucht, auch darauf einzugehen, was bisher in der Euro­päischen Union koordiniert worden ist. Zunächst jedoch komme darin die österreichische Posi­tion zum Ausdruck. Es sei nicht die EU-Gruppe gewesen, welche die Bremserfunktion einge­nommen habe.

In Beantwortung der Fragen des Abgeordneten Ing. Nußbaumer stellt Bundesminister Dr. Farn­leitner fest, daß zunächst ein tiefgreifendes Mißverständnis aufzuklären sei. Jedes Land habe das Recht, seine Normen aufzustellen, und diesem Recht seien alle in gleicher Weise unter­worfen, multinationale Konzerne ebenso wie Kleinunternehmen. Besteuerungsregelungen seien im MAI nicht enthalten. Die einzige darin enthaltene Regelung, die mit dem Eigentum zu tun hat, sei die Frage des Enteignungsverbotes oder der Enteignungsentschädigung. Das Grundziel des Investitionsschutzabkommens bestehe darin, für Investoren überall gleiche, berechenbare Ver­haltensnormen und -regeln aufzustellen.

Was die Frage des Personals betrifft, vertritt Bundesminister Dr. Farnleitner eine andere Lesart. Nach wie vor bestimme jedes Land selbst, unter welchen Kategorien es Arbeitnehmer aus anderen Ländern aufnimmt.

Zu der Frage, inwieweit das Recht der Europäischen Union insgesamt betroffen sei, führt Bun­desminister Dr. Farnleitner aus, daß die EU Wert auf die sogenannte REO-Klausel lege. Dies bedeute, daß alles, was im Bereich des Binnenmarktes mit Regelsetzungen zu tun habe, ausge­nommen werden müsse. Diesbezüglich liege eine Ausnahmenliste der Europäischen Union vor, gemäß welcher beispielsweise eine Reihe von Transportregeln und Finanzdienstleistungen so­wie einige Punkte aus den Bereichen Energie, Fischerei und Agrikultur ausgenommen werden sollten, weil in diesen Punkten die EU selbst als regionale Integrationseinheit für ihren Bereich besondere Regeln habe.

Auch in Österreich habe es jene Nachdenkpause gegeben, in der mit allen involvierten Stellen Kontakt aufgenommen worden sei. Im Rahmen einer derzeit laufenden und noch länger fortge­setzten Veranstaltungsreihe seien die verschiedensten Organisationen und Gremien eingebun­den worden. Es bestehe nach wie vor die Hoffnung, letztlich mit den an diesem Prozeß beteilig­ten Gruppen einvernehmlich ein Papier zu erstellen.

Zu den Resolutionen einzelner Landtage sei festzustellen, daß für die Bundesregierung verein­barungsgemäß die Verbindungsstelle der Bundesländer das Gremium darstelle, mit dem sie zu verhandeln habe. Entsprechend werde auch die Kontaktaufnahme mit den Landtagen erfolgen.

Der Investitionsbegriff in dem Abkommen sei der gleiche, der auch in Dutzenden von Investi­tionsschutzabkommen in Österreich Anwendung gefunden habe. Damit trete nichts Neues ins Blickfeld, sondern damit werde eine Rationalisierung angestrebt.

Was die Standards anlangt, sei jedes Land in der Lage, eigenen Normen für Umwelt- und Sozialstandards zu setzen. Es dürfe jedoch keine Diskriminierung vorgenommen werden, Aus­länder dürften nicht besser- oder schlechtergestellt werden. Vor allem Österreich habe das Thema Umwelt- und Sozialstandards in die Diskussion eingeführt und sei im Rahmen der OECD der Wortführer in dieser Hinsicht. Langfristig sei eine Einigung in der OECD über das MAI auch sinnvoll, weil ein akzeptables Resultat dazu führen könne, daß dieses Abkommen möglichst rasch auf die Ebene der Welthandelsorganisation verlagert wird. Dies sei insbeson­dere in bezug auf die internationalen Krisensymptome der letzten Tagen und Monate von Be­deutung.

Ein jüngstes Beispiel dafür lasse sich an den Erfahrungen eines renommierten österreichischen Möbelunternehmens erkennen. Dieses habe sich vor zwei Jahren an einer Möbelfirma in Thai­land beteiligt, die dort einer der reichsten Familien gehöre. Sobald die Produktion gut gelaufen sei, seien die Österreicher de facto vom Informationsfluß ausgesperrt worden. Der Betrieb sei ausgeräumt und Asset-stripping betrieben worden. Daraufhin seien alle österreichischen Fach­arbeiter abgezogen worden; die Österreicher seien rechtlos gewesen. Die Asien-Krise habe ein­gesetzt, und erst nach dem Bankrott der thailändischen Firma seien die Österreicher wieder eingeladen worden, Fachleute zu entsenden, verbunden mit hohen Versprechungen von thailän­discher Seite.

Dieses Beispiel sei eines von Dutzenden dringlicher Fälle in Österreich, die den Bedarf nach entsprechenden Standards und internationalen Vereinbarungen erkennen ließen. Das MAI sei auf längere Sicht nur dann sinnvoll, wenn es die Investitionssicherheit in Entwicklungsländern mit einschließe. Ohne Investitionen hätten diese Länder keine Chance zur Entwicklung. Auch in dieser Hinsicht falle der Bezug zur WTO und zur Frage der Umwelt- und Sozialstandards ins Gewicht.

Es sei derzeit nicht geplant, weitere Studien über mögliche Auswirkungen des MAI in Auftrag zu geben. Angesichts des österreichischen Zuordnungspotentials von Experten könne bei jedem Studienauftrag das Studienergebnis bereits im vorhinein abgeschätzt werden. Inzwischen seien alle potentiellen Studienautoren und ebenso die Kernfragen hinreichend bekanntgeworden. Im Augenblick bestehe die Kernfrage darin, auf wen die Klagebefugnis bei den diversen Schiedsge­richten ausgedehnt wird – ob allein auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände oder zusätzlich auch auf NGOs –, welche Ziele durchsetzbar sind und – zur Abschätzung der Durchsetzungs­möglichkeiten – welche Positionen in den anderen Mitgliedstaaten vertreten werden.

In Beantwortung der Frage nach den Auswirkungen des Ethyl-Prozesses gegen Kanada schil­dert Oberrat MMag. Dr. Manfred Schekulin (Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegen­heiten) zunächst den zugrundeliegenden Sachverhalt. Seit 1977 hatte die Ethyl Corporation, ein US-amerikanisches Unternehmen, über ihre Tochterfirma Ethyl Canada den Benzinzusatzstoff MMT hergestellt. Seit Anfang der neunziger Jahre habe es Bedenken wegen gesundheitsschäd­licher Nebenwirkungen dieses Produktes gegeben.

1994 habe Health Canada, eine dem österreichischen Bundesumweltamt vergleichbare Organi­sation, einen Bericht veröffentlicht, aus dem hervorgegangen sei, daß es keine Beweise gebe, wonach MMT eine Gefahr für die Gesundheit darstelle. Wegen dieser Expertise sei es auf Basis kanadischer Umweltgesetze nicht möglich gewesen, ein Verbot dieses Zusatzstoffes zu er­lassen.

Die kanadische Regierung habe ihr Ziel, die Verwendung dieses Stoffes zu verhindern, jedoch trotzdem durchsetzen wollen und habe daher beschlossen, den Handel und Transport von MMT zwischen den kanadischen Provinzen zu verbieten. Gestützt worden sei diese Entscheidung so­mit auf ein Handelsgesetz und nicht auf ein Umweltgesetz. Daraufhin habe das Unternehmen eine Klage gegen die kanadische Regierung auf Grundlage des NAFTA-Abkommens und der darin festgelegten Schiedsgerichtsregeln eingebracht. Dieser Fall sei nicht entschieden worden.

Gleichzeitig habe die kanadische Provinz Alberta, unterstützt von drei weiteren Provinzen, eine Klage gegen die kanadische Bundesregierung eingebracht, die auf das kanadische “Agreement on Internal Trade” gestützt gewesen sei. Im Juni 1998 habe ein Schiedsgericht auf Basis dieses Agreements geurteilt, daß das provinzüberschreitende Handelsverbot gesetzes- oder verfas­sungswidrig sei, und die Empfehlung ausgesprochen, besagtes Gesetz aufzuheben.

Am 20. Juli 1998 habe die kanadische Regierung das Importverbot mit der Begründung aufge­hoben, daß es neueren wissenschaftlichen Informationen zufolge nicht gelungen sei, gesund­heitsschädliche Folgen von MMT nachzuweisen. Weiters habe sich die kanadische Regierung mit der Ethyl Corporation außergerichtlich verglichen. Der Vergleichsbetrag habe auf 13 Mil­lionen US-Dollar gelautet. Eine Entscheidung des NAFTA-Schiedsgerichtes sei nicht ergangen.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) merkt zu dem zuletzt geschilderten Fallbei­spiel an, daß die Umstände, unter denen es zu dem außergerichtlichen Vergleich gekommen sei, die Problematik beleuchten würden, die sich auch im Zusammenhang mit dem MAI ergebe. Es könne nämlich ein souveräner Staat nicht mehr von sich aus seine umweltgesetzliche Lage verbessern. Jedoch gelte es, danach zu trachten, daß sowohl die Umwelt- als auch die Sozial­standards ständig verbessert werden.

Zu dieser außergerichtlichen Einigung sei es gekommen, weil der Staat Kanada seine Chancen im Hinblick auf die Spielregeln der NAFTA – vermutlich richtigerweise – als aussichtslos einge­schätzt habe.

Abgeordnete Mag. Kammerlander führt aus, daß Bundesminister Dr. Farnleitner im Zusammen­hang mit der bevorstehenden Wiederaufnahme der Beratungen auf europäischer Ebene wieder­holt von der österreichischen Position im MAI-Verfahren gesprochen habe. Im Gegensatz dazu sei ihr eine entsprechende österreichische Position im Zusammenhang mit der Europäischen Union nicht bekannt. Sie gibt ihrem Wunsch nach einer Beurteilung dieser Frage von sozial­demokratischer Seite Ausdruck.

Bekannt sei zwar die österreichische Verhandlungsposition, insofern sie vom nationalen Inter­esse getragen werde, nicht aber eine jetzt in der Europäischen Union vertretene österreichische Position. Von daher ergebe sich ein Anlaß, im Hauptausschuß über eine entsprechende öster­reichische Position nachzudenken oder klarzustellen, worin diese bestehe. Dieser Punkt stehe daher nicht zu Unrecht auf der Tagesordnung, auch deshalb nicht, weil darüber ein Beschluß des Europäischen Parlaments vorliege.

Die Grünen haben daher einen Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Mag. Doris Pollet-Kammerlander eingebracht, dessen Sinn darin bestehe, an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten und an die Bundesregierung zu appellieren, sich an der Entschließung des Europäischen Parlaments zum Multilateralen Investitionsabkom­men zu orientieren. Diese Entschließung habe quer durch alle Fraktionen eine große Mehrheit gefunden. Eine entsprechende Orientierung seitens der österreichischen Bundesregierung biete immer noch genug Handlungsspielraum für jede Art von Verhandlungen.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner antwortet der Abgeordneten Mag. Kammerlander, daß sie drei Klarstellungen akzeptieren möge.

Zum ersten sei der kanadische Fall in vergleichbarer Weise typisch wie der unter gleichen Prä­missen stehende Hormon-Fall zwischen Europäischer Union, USA und dem WTO-Panel. Wenn Gesundheitsgefährdung nicht nachgewiesen werden könne, dann könnten sich handelspoli­tische Instrumente nicht entsprechender Begründungen bedienen. Dies sei ein anerkannter Grundsatz des internationalen Handels, der auf jeder Ebene Probleme bereite. In dem kanadi­schen Fall habe sich dies neuerlich bestätigt; ein Beweis sei nicht gelungen, und auf Vermutun­gen hin könnten in einem Freihandelssystem keine Handelsbeschränkungen verhängt werden.

Zweitens sei es nötig, zwischen der österreichischen Linie und der Rolle der österreichischen Präsidentschaft deutlich zu unterscheiden. Die österreichische Präsidentschaft habe von dem Beschluß des Europäischen Parlaments Kenntnis genommen und werde nach der Diskussion, die aus dem Papier der Europäischen Kommission entsteht, darüber Gespräche führen. Die ETUC-, UNICE- und NGO-Gespräche seien deshalb ebenfalls unter dem Titel “Präsidentschaft” geführt worden.

Darüber hinaus habe Österreich bis zum Sommer 1998 eine traditionelle Linie verfolgt und dem­gemäß Vorbesprechungen für die Verhandlungen in der OECD abgehalten. Jetzt gebe es eine neue Variante, der zufolge auf die zwischenzeitlich aufgetauchten Einwendungen intensiver ein­gegangen werde. Sofern diese Variante am 8. Oktober im Ministerrat beschlossen wird, werde dies für Österreich die neue Linie sein, sowohl auf der Ebene der EU, insofern EU-Probleme berührt sind – wie gesagt, in sehr geringem Umfang –, als auch im nationalen Bereich, woraus sich der Bedarf nach Koordinierungen mit jedem anderen Land ergebe, da es keine entspre­chende EU-Kompetenz gebe. Davon seien, wie bereits festgestellt, ungefähr 90 Prozent der anfallenden Punkte betroffen.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) tritt dafür ein, nach der Einigung über die gemeinsame Vorgangsweise betreffend einen Entschließungsantrag auch sicherzustellen, daß die Behandlung und die Abstimmung über einen solchen Entschließungsantrag rechtzeitig, näm­lich an einem der Plenartage von 7. bis 9. Oktober 1998, stattfinden kann. Er spricht sich dafür aus, einen Termin zu fixieren.

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ) bekundet seine Zustimmung zu einem innerhalb des soeben genannten zeitlichen Rahmens auszuarbeitenden Entschließungsantrag, da bis da­hin auch die Position der Bundesregierung bekannt sein werde.

Die Kompetenz für die Behandlung dieser Materie werde in Zukunft nicht auf der Ebene des Hauptausschusses liegen, sondern beim Verfassungsausschuß oder beim Wirtschaftsaus­schuß. Zwar könne ein Beschluß des Europäischen Parlaments die Behandlung einer Materie im Hauptausschuß rechtfertigen, aber der Sinn der Hauptausschußsitzungen bestehe darin, zu Empfehlungen zu kommen, die einen österreichischen Bundesminister im EU-Rat in seinem Verhalten binden. Es sei aber nicht sinnvoll, diese Bindungswirkung für einen kleinen Bruchteil der Gesamtmaterie des MAI in Anspruch zu nehmen. Vielmehr gehe es darum, daß der öster­reichische Nationalrat eine Position zur Gesamtheit des MAI beziehe, und diese sei aufgrund der Kompetenzlage eine Angelegenheit, die entweder im Verfassungsausschuß oder im Wirt­schaftsausschuß zu behandeln sei.

Wenn es zu einer politischen Verständigung darauf komme, daß die fünf Parlamentsfraktionen bestrebt seien, bis zur Plenarwoche Anfang Oktober auf Basis der neuen Verhandlungsposition der österreichischen Bundesregierung zu einem Entschließungsantrag zu kommen, dann sei dies der geeignete Weg. Dies heiße jedoch nicht, daß nicht in weiterer Folge der Verhandlungen zu spezifischen Angelegenheiten, welche die EU beträfen – in Kulturfragen oder in strukturpoli­tischen Fragen –, der EU-Hauptausschuß in Anspruch genommen werden könne.

Obmannstellvertreter Dr. Heinrich Neisser erläutert, daß zunächst über den Vertagungsan­trag des Abgeordneten Dr. Feurstein abzustimmen sein werde. Im Falle der Zustimmung wür­den zwei Anträge auf Stellungnahme, eingebracht von den Freiheitlichen und den Grünen, mit vertagt werden. Über diese Anträge wäre nach Abschluß dieses Tagesordnungspunktes in einer späteren Sitzung abzustimmen.

Obmannstellvertreter Dr. Neisser bringt daraufhin den Antrag des Abgeordneten Dr. Feurstein zur Abstimmung. Der 2. Tagesordnungspunkt wird einstimmig vertagt.

3. Punkt

Tierschutz

RAT 9182/98 AGRILEG 111 AGRIORG 74

Legehennen

(50651/EU XX. GP)

COM KOM (98) 135 endg.

Legehennen

(44783/EU XX. GP)

Obmannstellvertreter Dr. Heinrich Neisser begrüßt Bundesminister Mag. Molterer und erteilt ihm das Wort.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer erläutert, daß das EU-Dokument (98) 135 im wesentlichen einen Vorschlag der Kommission zur Definition der Wohlbefindensparameter, der Bedürfnisse in der Haltung von Legehennen und der Stallsysteme hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile sowie einen Überblick über die Haltungssysteme in den 15 Mitgliedstaaten enthalte. Weiters würden ökonomische Fragen und die WTO-Kompatibilität oder -Relevanz dieser Vorgaben beurteilt sowie ein Vorschlag hinsichtlich der Kennzeichnung von Eiern aus verschiedenen Haltungssystemen vorgelegt werden.

Der darin ebenfalls enthaltene Vorschlag für neue Richtlinien zum Schutz der Legehennen ziele darauf ab, die bisherigen Richtlinien vollständig zu ersetzen und einen Mindeststandard auf höherem Niveau als jenem der früheren Haltungssysteme zu schaffen. Dabei gehe es im wesentlichen um Mindestanforderungen in der Bodenhaltung, die Anhebung der Mindestkäfig­bodenfläche im Fall von Käfighaltung, Übergangsfristen sowie eine Reihe von im Anhang ange­führten Bestimmungen über die Bauausführung.

Dieser Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission sei auf Basis eines Fragenkataloges der britischen Präsidentschaft während der vergangenen Monate behandelt worden. Er stehe derzeit auf technischer Ebene in Diskussion und werde entsprechend geprüft, einerseits hin­sichtlich der ökonomischen Auswirkungen im Sonderausschuß Landwirtschaft, andererseits hin­sichtlich der veterinären und technischen Auswirkungen auf Ebene der Veterinärdienstleiter sowie auf Ebene des COREPER. Für 28. September 1998 sei eine Beschäftigung mit diesen Fragen im Rat Landwirtschaft geplant. Das Europäische Parlament werde sich am 22. Oktober damit befassen und eine Stellungnahme abgeben.

Gemäß einer Entschließung des Nationalrates habe sich Österreich permanent für eine Verbes­serung der Tierhaltungsbestimmungen und spezifisch für ein Verbot der Käfighaltung in der Europäischen Union eingesetzt. Nach heutigem Wissensstand könne über eine endgültige Ent­scheidung der EU noch nicht ausreichend Auskunft gegeben werden, weil die Stellungnahme des Europäischen Parlaments sowie die politische Beratung auf Ratsebene abzuwarten seien. Die österreichischen Vertreter hätten sich in dieser Debatte selbstverständlich gemäß Entschlie­ßung des Nationalrates verhalten und würden auch weiterhin dabei bleiben.

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche) äußert sich zufrieden über das Bekenntnis von Bundesminister Mag. Molterer zu der genannten Entschließung des Nationalrates. Dies sei von Bedeutung auch im Hinblick darauf, daß bedauerlicherweise ungefähr 90 Prozent aller Lege­hennen in der Europäischen Union in Käfigen gehalten würden. Dabei stehe ihnen lediglich eine Fläche von 450 Quadratzentimetern – dies entspricht der Größe eines A4-Blattes – pro Henne zur Verfügung. Unter dem Druck von Tierschützern und verschiedenen Tierschutzorganisatio­nen seien jetzt geringfügige Verbesserungen geplant.

Die Käfighaltung werde auch in Zukunft ein wichtiges Tierschutzthema sein, etwa im Rahmen des Österreichischen Tierschutzkongresses im Oktober 1998. Es sei weiters vorgesehen, die Maßnahmen gegen die Produktion von Käfigeiern zu intensivieren, beispielsweise durch häufi­gere Informationsveranstaltungen für Konsumenten. Das Ziel bestehe darin, eine Kennzeich­nungspflicht für Käfigeier durchzusetzen.

Moderner Tierschutz – darin sei die Position Österreichs vorbildhaft – ziele auf eine schrittweise Abschaffung der Käfighaltung ab. Die Europäische Union fasse aber unter dem Druck einer Eierindustrie, die keine Veränderung wünsche, lediglich eine Vergrößerung und Verbesserung der Käfige ins Auge. Dabei gehe die EU-Richtlinie so weit, daß bis zum 31. Dezember 2008 auch noch die Verwendung veralteter, nicht tierschutzgerechter Batteriekäfige möglich sei, so­fern diese zum 1. Jänner 1999 bereits in Gebrauch und nicht älter als zehn Jahre seien. Dann sei es sogar zulässig, daß sie die künftig gültigen Mindeststandards für Käfige unterschreiten, ja die Verwendung der größeren und verbesserten Käfige solle unter der Voraussetzung entspre­chender Genehmigungen durch die nationalen Parlamente auch über das Jahr 2009 hinaus möglich sein.

Es sei also seitens der EU keinerlei wirkliche Verbesserung in Sachen Tierschutz vorgesehen. Daher haben die Freiheitlichen einen Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG des Abgeordneten Dr. Stefan Salzl betreffend Mindestanforderungen zum Schutz von Lege­hennen in verschiedenen Haltungssystemen eingebracht. Dadurch solle die österreichische Position in dieser Causa verstärkt werden.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) erläutert ihren Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG betreffend Tierschutz. Dieser sei zur Unterstreichung jener öster­reichischen Position eingebracht worden, die einleitend auch Bundesminister Mag. Molterer mit Bezug auf die 1996 im Nationalrat einstimmig gefaßte Entschließung bereits dargestellt habe: sich auf europäischer Ebene für die Abschaffung der Käfighaltung von Hühnern einzusetzen. Mit diesem Antrag könne Bundesminister Mag. Molterer in den Verhandlungen der Rücken gestärkt werden. Es sei darin jedoch, im Gegensatz zu dem ebenfalls zu diesem Thema eingebrachten Antrag des Liberalen Forums, keine Terminsetzung enthalten.

Auch mit den jetzt vorgesehenen Verbesserungen sei die Europäische Union noch weit vom österreichischen Ziel entfernt, wie sich auch an der Darstellung der langen Fristen und Über­gangszeiten durch den Abgeordneten Dr. Salzl erkennen lasse. Zwar sei eine Vergrößerung der Haltungsflächen gut gemeint, aber selbst dieser Schritt gewährleiste nach Expertenauskunft nicht unbedingt ein gutes Ergebnis. Denn eine solche Vergrößerung der verfügbaren Fläche sei geeignet, unter den Hennen die Neigung zum Kampfverhalten zu steigern und die Verletzungs­gefahr zu erhöhen. Weniger Platz veranlasse die Tiere dazu, sich zu ducken und sich nicht zu rühren; eine Raumerweiterung jedoch könne sie dazu bringen, aufgrund der Situation, über­haupt in einem Käfig gehalten zu werden, ein aggressiveres Verhalten an den Tag zu legen. Daher könne auch die vorgesehene Änderung nicht als tiergerecht bezeichnet werden, sie bringe keine Verbesserung der Lage mit sich.

Mit dem Bestreben, die Käfighaltung abzuschaffen, werde auch die Existenz derartiger Eier­fabriken überhaupt in Frage gestellt. Der Großteil der heute konsumierten Eier stamme aus Legebatterien, die auf eine Durchschnittszahl von 18 000 Eiern kämen. Es gehe daher auch um die Frage der Größe solcher Betriebe in der Europäischen Union. Dies sei offenbar ein Grund für die Schwierigkeiten in der Durchführung von Veränderungen, denn im Fall einer raschen Umsetzung des Käfigverbotes sei auch eine entsprechende Umorientierung in bezug auf die Eierproduktion erforderlich.

Die heutige Größe solcher Betriebe in der Europäischen Union, aus denen 90 Prozent der Eier stammten, erfordere einen hohen Antibiotikaeinsatz. Es sei daher mit diesem Problem auch eine grundsätzliche Frage der landwirtschaftlichen Produktion und der Ernährung in der EU angesprochen. In weiterer Folge solle Österreich auch die Frage der Beimengung von Anti­biotika ins Futter aufgreifen. Solche Futterzusätze spielten auch bei der Eierproduktion in großen Betrieben eine Rolle.

In dem vorliegenden Antrag der Grünen gehe es außer um das Verbot der Käfighaltung auch um zwei weitere Anliegen. Gefordert werde zum einen die Förderung von tierschonenden Prakti­ken – dafür solle ein Förderungsinstrumentarium entwickelt werden, das ein sukzessives Um­steigen in der Produktion ermöglicht –, zum anderen die verpflichtende Kennzeichnung von Eiern nach Art der Haltungsform, damit die Konsumentinnen und Konsumenten die Wahlmög­lichkeit beim Eierkauf hätten. Es gehe auch um die Diskrepanz dazwischen, daß die Eier zwar zu 90 Prozent aus der Produktion in Betrieben mit Käfighaltung stammten, daß die Mehrheit der Konsumentinnen und Konsumenten solche Eier jedoch nicht wünschten. Mangels Kennzeich­nung hätten sie jedoch beim Kauf keine Wahlmöglichkeit.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum) verweist darauf, daß auch das Liberale Forum einen entsprechenden Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e B‑VG einge­bracht habe – nämlich den Antrag des Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller betreffend Schutz von Legehennen in verschiedenen Haltungssystemen –, weil der gemeinsame Entschließungs­antrag des Nationalrates vom April 1996 schon einige Zeit zurückliege und die jetzt vorgesehene EU-Richtlinie, die nicht eine Abschaffung der Käfighaltung von Hühnern, sondern lediglich an­gebliche Verbesserungen mit sich bringe und noch dazu mit einer Übergangsfrist bis zum Jahre 2009 verbunden sei, nicht nur keine Problemlösung bedeute, sondern eher einer Verächt­lichmachung des Anliegens gleichkomme.

Diese Einschätzung sei nicht in Richtung österreichische Bundesregierung gemeint, sondern betreffe generell den Zugang zu diesem Problem. Es gehe nicht um ein kleineres oder größeres Stück des Bewegungsraums der Legehennen, sondern darum, daß diese Art der Haltung nach Ansicht des österreichischen Nationalrates nicht akzeptabel sei. Aus diesem Grund sei in dem Antrag des Liberalen Forums ein konkreter Zeitplan mit einer kurzen Frist für die Abschaffung der Käfighaltung von Hühnern vorgesehen. Österreich solle sich gar nicht darauf einlassen, allfällige kleine Verbesserungen – gekoppelt an eine sehr lange Übergangsfrist – zu diskutieren.

Die in dem Antrag vorgesehenen Zeitgrenzen seien nicht als Affront gegen den zuständigen Bundesminister gedacht, sondern im Sinne eines klaren Bekenntnisses des Hauptausschusses zu verstehen. Falls andere Fristen besser geeignet oder leichter umsetzbar sein sollten, könne der genannte Zeitrahmen adaptiert werden.

Für eine neuerliche Stellungnahme spreche überdies eine Anfragebeantwortung von Bundes­minister Mag. Molterer vom 15. Juli 1998, in welcher ausgeführt werde, daß die Forderung nach einem gänzlichen Verbot der Käfighaltung von österreichischen Vertretern in der Ratsarbeits­gruppe zwar vorgebracht und dort diskutiert worden sei, jedoch keine große Zustimmung ge­funden habe. Dies lasse darauf schließen, daß eine Verwirklichung dieses Anliegens auf keiner­lei Art und Weise erwünscht sei.

Österreich solle in dieser Frage jedoch insistieren und es daher auch nicht bei dem Beschluß von 1996 belassen, sondern durch eine neuerliche Stellungnahme zum Ausdruck bringen, daß seine Meinung unverändert sei. Das Liberale Forum sei dazu bereit, den eigenen Antrag einem eventuellen gemeinsamen Antrag aller fünf Fraktionen unterzuordnen.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) stellt fest, daß Österreich in Europa dafür be­kannt sei, sehr aktiv für Verbesserungen von Tierschutzrichtlinien einzutreten. Auf der Grund­lage des Entschließungsantrages vom 19. April 1996 spreche sich Österreich in allen Rats­arbeitsgruppen für eine deutliche Verbesserung des Tierschutzes und der Haltungsbedingungen von Legehennen in allen Haltungsformen aus. Entsprechend dieser Entschließung und der mehrheitlichen bindenden Meinung der Bundesländer habe sich die österreichische Delegation für ein Verbot der Käfighaltung eingesetzt, und dabei sei auf das Erfordernis einer entsprechen­den Übergangszeit hingewiesen worden.

In dem Entwurf eines Berichtes des EU-Parlamentsausschusses für Landwirtschaft und länd­liche Entwicklung könne nachgelesen werden – der Berichterstatter sei in Person des sozial­demokratischen deutschen Abgeordneten Heinz Kindermann ein sicherlich unverdächtiger Zeuge –, daß der Vorschlag der Kommission sehr begrüßt werde und grundsätzlich in die rich­tige Richtung ziele, da er die Verbesserung des Tierschutzes in der Legehennenhaltung ermög­liche, insbesondere durch die Hinaufsetzung der Mindeststandards für die Haltung in herkömm­lichen Batteriekäfigen. Die Absicht der Kommission – so der Berichterstatter weiter –, auch für andere Haltungssysteme als Batteriekäfige Mindestanforderungen festzulegen, sei ebenfalls positiv zu bewerten, doch sei die Kommission dabei leider auf halbem Wege stehengeblieben; die Regelungen bei den Nichtkäfigsystemen in geschlossenen Räumen seien lückenhaft – es fehlten insbesondere Vorgaben zur Besatzdichte –, und es fehle eine Regelung zur Freiland­haltung. – Soweit dieser Bericht.

Es sei feststellbar, daß für 12 von 15 EU-Mitgliedstaaten schon die bestehende Richtlinie zu weit gehe; für diesen Standpunkt seien wirtschaftliche Gründe angeführt worden. Daher sei die Suche nach einem Kompromiß notwendig, und von einer Bindung der österreichischen Ver­handler sei abzuraten, damit Österreich sich nicht unter denjenigen finde, die ablehnen, wenn ein Kompromiß zustande kommt, der nicht genau der österreichischen Position entspricht.

Den Erklärungen von Bundesminister Mag. Molterer sei zu entnehmen, daß er weiterhin für eine Verschärfung eintreten werde. Daran bestehe auch Interesse aus landwirtschaftlicher Sicht. Bei­spielsweise sei in Vorarlberg, Tirol und Salzburg mit einer Übergangsfrist das Verbot der Käfig­haltung verhängt worden. Schon jetzt sei festzustellen, daß Eierlieferanten aus Bayern zuneh­mend zu Nahversorgern in Salzburg würden. Es zeige sich daher, daß die österreichischen Betriebe sich nicht umstellen, sondern mit der Legehennenhaltung aufhören würden. Die kleine­ren dieser Produzenten würden ihren landwirtschaftlichen Betrieb überhaupt stillegen.

In bezug auf die Freilandhaltung stehe das Wasserrechtsgesetz entgegen, da auf 1 Hektar höchstens 210 Kilogramm Nitrat in den Boden eingebracht werden dürften. Dieser Wert werde bereits mit 800 Legehennen erreicht. In der Eierproduktion könne mit einem Ertrag von 15 bis 20 Groschen pro Ei gerechnet werden, sodaß sich bei 1 000 Legehennen – wenn diese täglich je ein Ei legen; in Wirklichkeit lägen gute Bestände bei 250 Eiern pro Jahr – ein täglicher Ertrag von 150 S bis 200 S ergebe. Daher müsse derjenige, der sich darauf spezialisiert, größere Be­stände haben.

Es solle deshalb auf eine Verschärfung der Richtlinie hingearbeitet, aber keine Bindung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vorgenommen werden, um ihn nicht an der Zustimmung zu einem Kompromiß zu hindern.

Auch ein Brief könne als Beleg dafür herangezogen werden, daß Österreich bereits entspre­chende Schritte gesetzt habe. In der österreichischen Präsidentschaft sei am 20. Juli die Richt­linie (98) 58 über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere erlassen worden, und daraufhin habe Dipl.-Ing. Renate Mayer vom Tierhilfswerk Austria geschrieben, daß mit dieser neuen Richtlinie ein erster Schritt in Richtung nachhaltige und somit tierfreundliche Landwirtschaft gesetzt wor­den sei; Österreich habe durch seine große Anzahl biologisch wirtschaftender Betriebe in der EU einen hohen Stellenwert, wie aus den Exportzahlen österreichischer Agrarprodukte hervor­gehe; die österreichische Ratspräsidentschaft gebe der internationalen Tierschutzbewegung und der österreichischen Bundesregierung daher die Chance, mit gutem Beispiel voranzugehen und alle EU-Länder zu motivieren, dem Tierschutz im Landwirtschaftsbereich einen hohen Stellen­wert zu geben. – Soweit dieser Brief.

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ) räumt ein, daß Tierschutz aus Wirtschaftssicht anders beurteilt werde. Es gebe jedoch genug Argumente gegen die Käfighaltung, und etwa im Hinblick auf das steirische Beispiel Gnas lasse sich feststellen, daß die Käfighaltung nicht nur vom Standpunkt des Tierschutzes aus abgelehnt werden müsse, sondern auch gesundheitsgefähr­dend sei. Die Menschen in dieser Gegend seien in der Lage, schädliche gesundheitliche Folgen mit ärztlichen Gutachten zu belegen.

Die Entschließung vom April 1996, wonach Österreich auf die europaweite Abschaffung der Käfighaltung hinarbeiten werde, sei auch eine klare Stellungnahme zu der geplanten EU-Richtlinie. Die darin vorgesehenen Übergangsfristen seien beinahe skandalös zu nennen. Auch seitens der SPÖ bestünden darüber hinaus einige Forderungen. Bundesminister Mag. Molterer möge sich auf EU-Ebene im Sinne des österreichischen Standpunktes vehement einbringen.

Abgeordnete Parfuss fragt, welche Schritte der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft in bezug auf die genannte Entschließung des Nationalrates vom April 1996 unternommen habe, ob diese Stellungnahme entsprechend eingebracht worden sei und auf welche Weise dieser ein­hellige Beschluß im Rahmen der österreichischen Präsidentschaft den anderen Mitgliedstaaten nahegebracht werden solle.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) erklärt in Erwiderung auf den Debattenbei­trag des Abgeordneten Schwarzenberger, daß die Haltung der ÖVP sie immer wieder erstaune. Sie fragt, ob sich die ÖVP davor fürchte, daß Österreich mit seiner Forderung nach härteren Maßnahmen im EU-Ministerrat in der Minderheit bliebe. Es treffe zwar zu, daß Österreich mit seiner Haltung noch in der Minderheit sei, aber ein Schritt zurück werde nur zur Folge haben, daß weiterhin nichts bewegt wird.

Der einstimmige Beschluß des Nationalrates von 1996 liege vor, sodaß sich die Frage stelle, was dagegen spreche und was die ÖVP daran hindere, diese Haltung neuerlich zu bestätigen und dadurch die Verhandlungsposition Österreichs im Rat zu stärken. Abgeordneter Schwarzen­berger solle als Interessenvertreter der Landwirtschaft überdies die ablehnende Haltung der Konsumenten gegenüber Eiern aus Legebatterien berücksichtigen.

Es sei einzuräumen, daß es in Bundesländern, die ein Käfigverbot erlassen haben, anderen Produzenten leichtgemacht werde, Eier aus Käfighaltung anzuliefern, aber auch aus solchen Gründen sei der Antrag der Grünen auf genaue Kennzeichnung der Eier gestellt worden. Denn wenn auf Verbraucherseite festgestellt werden könne, daß es sich beispielsweise um Eier aus bayrischer Käfighaltung handelt, werde die Kaufneigung zurückgehen.

Der ÖVP sei sicherlich genauso wie den Grünen klar, daß die vorliegende EU-Richtlinie nicht als ein Schritt in Richtung Tierschutz gelten könne. Eine kleine Veränderung der Fläche pro Lege­henne bringe keine Veränderung zum Positiven mit sich. Dabei gehe es nicht nur um ein ethisches Tierschutzanliegen, sondern auch um die hygienischen Voraussetzungen. Es ergebe sich daraus zunehmend ein gesundheitspolitisch relevantes Problem, und es sei zu fragen, ob auf diese Weise weiterhin Lebensmittel produziert werden sollten. Ein hoher Antibiotikaanteil könne auch von einem Interessenvertreter der Landwirtschaft nicht gutgeheißen werden.

Österreich sei mit dem Versuch, die Bauern durch spezielle Förderungen zum Umstieg auf eine biologische und nachhaltige Produktionsweise zu ermuntern, recht gut gefahren. Dies werde auf lange Sicht gegenüber der Konkurrenz im europäischen Raum wahrscheinlich die einzige Mög­lichkeit für die österreichische Landwirtschaft sein. Auch deshalb sei eine neuerliche Entschlie­ßung im genannten Sinn ratsam.

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP) bestreitet angesichts des einleitenden Be­kenntnisses von Bundesminister Mag. Molterer zu den Zielen des Beschlusses von 1996 das Erfordernis einer neuerlichen Entschließung. Was aber nötig sei, sei eine realistische Einschät­zung der Chancen.

Auf Seite 16 der Stellungnahme der Kommission zum Fragenkatalog des Rates sei in bezug auf die wirtschaftlichen Auswirkungen eine negative Einschätzung nachzulesen, und dies werde zu einer entsprechenden Mehrheitsmeinung führen.

Hingegen werde auf Seite 18 die Frage einer obligatorischen Kennzeichnung positiv beurteilt, und es finde sich sogar ein Hinweis darauf, daß eine solche Kennzeichnung auf Importe aus Drittländern ausgedehnt werden könnte. Eine obligatorische Kennzeichnung könne den Konsu­menten die Möglichkeit der Unterscheidung geben, und auf dieser Basis könne auch die Bereit­schaft entstehen, einen höheren Preis zu zahlen. Unter dieser Bedingung bestehe eine Möglich­keit für kleinere Produzenten, vom Verkauf der Eier aus Freilandhaltung zu leben.

Abgeordneter DDr. König fragt daher, wie groß die Chance sei, in der Europäischen Union eine Mehrheit für die obligatorische Kennzeichnung zu finden.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer hebt hervor, daß er die Haltung der österreichischen Delegation im genannten Dossier auf Basis des Entschlie­ßungsantrages aus dem Jahr 1996 referiert habe. Die Rolle der österreichischen Delegation müsse von der Frage der Möglichkeiten der österreichischen Präsidentschaft deutlich unter­schieden werden.

Es sei der Eindruck entstanden, daß viele Delegationen die Frage der Kennzeichnung der unter­schiedlichen Haltungsformen als eine offensive Möglichkeit sähen. Allerdings seien dabei zwei grundsätzliche Fragestellungen zu beachten.

Zum einen würde sich die Einführung der Kennzeichnung als obligatorisches System nach jetzi­gem Diskussionsstand auf die Kennzeichnung der verschiedenen Haltungsformen beziehen. Es sei zu beachten, daß sich zwar aus der Kennzeichnung der Frischeier kein Problem ergeben würde, daß aber das Hauptproblem aus Sicht der Produktion nicht die Differenzierung auf dem Frischei-Sektor sei. Dies lasse sich auch aus der österreichischen Marktentwicklung ablesen, denn hier würden immer mehr Konsumenten auf Eier aus Boden- oder Freilandhaltung umstei­gen. Das Hauptproblem ergebe sich vielmehr im Bereich der Verarbeitungsware, weil dort der überwiegende Teil der Eier abgesetzt werde. Am Endprodukt könne der Konsument jedoch nicht erkennen, welche Eier dafür verwendet wurden.

Auf dem großen Sektor der Verarbeitung stelle sich das Kernproblem der Kennzeichnung. Aus der bisherigen Diskussion habe sich ergeben, daß die Verarbeitungsware schwer auf die Unter­scheidung der Eier hin überprüft werden könnte, im Gegensatz zur Frischeiware, für welche der UV-Test, der Abrolltest und ähnliches verfügbar wären. Sobald aber das Ei im Endprodukt verarbeitet worden ist, sei die Überprüfung schwierig.

Bundesminister Mag. Molterer stellt die Formulierung “auf Druck der Eierindustrie” in Frage und stellt demgegenüber fest, daß nicht zuletzt deshalb, weil es in der Europäischen Union um eine Reihe von wirtschaftlichen Fragen gehe, dieser Aspekt auch aus dem Blickwinkel der Produktion gesehen werden müsse. In der Frage der Drittlandware sei die Europäische Kommission der Meinung, daß eine Kennzeichnung der Eier aus Drittländern im Sinn der Wettbewerbsgleichheit möglich und auch WTO-kompatibel sei, weil Gleiches gleich behandelt werde.

Die zweite Fragestellung bestehe darin, inwieweit importierte Eier aus Käfighaltung aufgrund der günstigeren Produktionskosten an die Stelle von Nichtkäfigeiern treten würden. In dieser Hin­sicht seien bereits Bedenken vorgebracht worden. Weiters würden andere Haltungsformen wie etwa Boden- oder Freilandhaltung zu höheren Produktionskosten je Stück führen. Diese Punkte müßten aus Sicht der Produktion im Rahmen einer Gesamtbeurteilung Beachtung finden.

Bundesminister Mag. Molterer antwortet der Abgeordneten Mag. Kammerlander, Österreich werde – dem derzeitigen Diskussionsstand nach – folgende Situation vorfinden. Einer Gruppe von Ländern gehe der jetzige Vorschlag der Kommission zu weit. Einer anderen Gruppe gehe er zuwenig weit, insbesondere im Hinblick auf die Klarheit der Regelungen. Eine große Gruppe von Ländern sei zu einem Schritt zur Verbesserung der Tierhaltung bereit. Daneben gebe es eine weitere Gruppe – dazu gehöre im wesentlichen Österreich und vielleicht das eine oder andere skandinavische Land –, die für das Verbot der Käfighaltung eintrete. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, ob es im Sinne des Zieles – der Verbesserung der Tierhaltung – richtig sei, einen Zwischenschritt zu tun.

Österreich müsse beurteilen, ob es durch sein Stimmverhalten eine Entscheidung letztlich zur Gänze nicht zustande kommen lassen wolle – ohne sein Ziel aufzugeben, das auf ein Verbot laute. Für eine Entscheidung sei es derzeit viel zu früh, weil noch eine Reihe politischer und sachlicher Diskussionen bevorstehe. Bundesminister Mag. Molterer spricht sich persönlich dafür aus, daß die österreichische Delegation die Verhandlungen auf Basis der einstimmigen Ent­schließung des Nationalrates führe.

Bundesminister Mag. Molterer antwortet dem Abgeordneten Mag. Barmüller, er habe die öster­reichische Position dargestellt und eine Einschätzung des derzeitigen Diskussionsstandes hinzu­gefügt. Aus heutiger Sicht sei keine Mehrheit für ein Verbot der Käfighaltung in der Euro­päischen Union gegeben, wohl aber sei es aus seiner Sicht wahrscheinlich, eine Mehrheit für die Verbesserung der Haltungsbedingungen und der Kennzeichnung zu gewinnen. Auch die Stel­lungnahme des Europäischen Parlaments werde nicht in Richtung sofortiges Verbot lauten, sondern gemäß derzeitiger Ausschußstellungnahme den Kommissionsvorschlag begrüßen.

Die österreichische Präsidentschaft habe diesen Punkt auf die Tagesordnung des Agrarmi­nisterrates gesetzt, damit eine politische Orientierungsdebatte darüber geführt und Druck im Sinne einer Weiterentwicklung ausgeübt werde.

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche) räumt ein, daß die vorliegende EU-Richtlinie, obwohl sie keine Verbesserung im Tierschutz mit sich bringe, manchen Mitgliedstaaten wie zum Beispiel Spanien zu weit gehe, da es dort möglich sei, Hühner aufzuhängen, damit sie starke Schenkel bekämen, und sie nur zum Fressen auf den Boden herunterzulassen. Trotzdem solle Österreich auf einem absoluten Verbot der Käfighaltung – nach einer gewissen Übergangsfrist und nach finanziellen Hilfen für die betroffenen Betriebe – beharren.

Eine Kennzeichnung der Eier aus Käfig- und Batteriehaltung sei ausreichend. Es müßten nicht sämtliche Haltungsformen ausgewiesen, sondern nur die Eier aus sogenannten Negativhaltun­gen gekennzeichnet werden. Denn es dürfe nicht dazu kommen, daß zu viele Kennzeichnungen den Konsumenten verwirren. Im Falle einer entsprechenden Kennzeichnung werde sich der Markt selbst regeln, auch in bezug auf die Handelsketten und die verarbeitende Industrie. Die Importe würden ein nicht sehr großes Problem werden.

Der Klage des Abgeordneten Schwarzenberger über das Verbot der Käfighaltung in drei Bun­desländern nach Ablauf einer Übergangsfrist sei entgegenzuhalten, daß er selbst einer derjeni­gen sei, die gegen ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz aufträten. Deshalb komme es zu einer Wettbewerbsverzerrung innerhalb Österreichs, und umso mehr wirke sich diese Haltung auch innerhalb der EU aus. Dort werde mit der vorliegenden Richtlinie die Wettbewerbsverzer­rung prolongiert, und um dem entgegenzutreten, müsse Österreich für verschärfte Bedingungen eintreten.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) widerspricht dem Abgeordneten Dr. Salzl mit dem Hinweis darauf, daß die ÖVP an der Verschärfung europaweiter Tierschutzstandards inter­essiert sei. In den meisten dieser Bereiche sei Österreich Vorreiter.

In den westlichen Bundesländern wirke sich die Nähe zu Bayern aus. Die Konkurrenzfähigkeit sei im wesentlichen von dort her und nicht zum Beispiel von der Steiermark, Niederösterreich oder dem Burgenland her gegeben, weil die Transportwege in die östlichen Bundesländer länger seien. Aus diesem Grund habe die ÖVP dem europaweiten Käfigverbot die Zustimmung gege­ben. Allerdings ziehe sie einen ersten Schritt mit einigen Verschärfungen, der bald gesetzt werden könnte, einer Durchsetzung des österreichischen Standpunktes in vier, fünf oder mehr Jahren vor.

Für eine Änderung der Richtlinie sei eine qualifizierte Mehrheit im Ausmaß von 62 Punkten er­forderlich. Da das Gewicht von zwei großen und zwei kleinen Ländern ausreiche, um eine quali­fizierte Mehrheit zu verhindern, müsse man kompromißbereit sein, um Zwischenschritte zu setzen, wenn das Ziel nicht gleich erreicht werden könne.

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche) hält dem Abgeordneten Schwarzenberger ent­gegen, daß gerade durch die vorliegende EU-Richtlinie die Batterie- und Käfighaltung ad infini­tum prolongiert werde. Die Weiterverwendung der alten Käfigformen sei mit einer Übergangsfrist bis zum Jahre 2009 möglich, und neuere, verbesserte Käfige dürften mit Zulassungsbewilligung unbefristet in Gebrauch genommen werden.

Wenn sich die ÖVP dafür ausspreche, müsse man annehmen, daß sie – mit ihrem Sprecher Schwarzenberger an der Spitze – auch für die Käfighaltung ad infinitum eintrete.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum) zieht seinen Antrag betreffend Schutz von Legehennen in verschiedenen Haltungssystemen mit der Begründung zurück, daß Bundesminister Mag. Molterer erklärt habe, weiterhin gemäß der Entschließung des National­rates für das Verbot der Käfighaltung einzutreten, daß die Regierungsfraktionen in dieser Sit­zung zu einer neuerlichen Festschreibung dieser Forderung offenbar nicht bereit seien und daß die allfällige Ablehnung eines solchen Antrages nicht wünschenswert sei.

Ein Zeitrahmen für dieses Verbot stehe auch in Zusammenhang damit, daß erhöhter öffentlicher Druck ausgeübt wird, um ein Umdenken in den anderen Mitgliedstaaten zu bewirken.

Obmannstellvertreter Dr. Heinrich Neisser stellt fest, daß zu diesem Punkt keine Wortmel­dung mehr vorliegt, schließt die Debatte und leitet über zur Abstimmung über die zwei zu diesem Punkt noch vorliegenden Anträge auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG.

Der Antrag des Abgeordneten Dr. Stefan Salzl betreffend Mindestanforderungen zum Schutz von Legehennen in verschiedenen Haltungssystemen bleibt in der Minderheit und ist abge­lehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Mag. Doris Pollet-Kammerlander betreffend Tierschutz bleibt ebenfalls in der Minderheit und ist abgelehnt.

Damit sind die Tagesordnungspunkte 1 bis 3 und somit der öffentliche Teil dieser Beratungen des Hauptausschusses abgeschlossen.

(Es folgen die Beratungen zu den Tagesordnungspunkten 5 bis 8.)

Schluß der Beratungen zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 3: 18.12 Uhr

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