IV-22 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Mittwoch, 2. Dezember 1998

 

 

 

 

 

 

 

 


Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier



Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XX. Gesetzgebungsperiode                       Mittwoch, 2. Dezember 1998

Tagesordnung

(Ergänzung und Neureihung siehe Seite 3)

1. Landwirtschaft

COM KOM (98) 434 endg.

Schweinefleischsektor

(54778/EU XX. GP)

2. Europäischer Rat Wien

COM KOM (98) 574 endg.

Leitlinien für die Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten 1999

(56548/EU XX. GP)

3. Innere Sicherheit

RAT 11844/98 ASIM 211 EURODAC 6

Ergebnisse des K.4-Ausschusses vom 5. Oktober/EURODAC

(55859/EU XX. GP)

RAT 11611/98 CK4 45

Aktionsplan für Freiheit, Sicherheit und Justiz

(55288/EU XX. GP)

RAT 9809/98 REV 1 CK4 27 ASIM 170

Strategiepapier zur Migrations- und Asylpolitik

(55283/EU XX. GP)

4. Antrag der Bundesregierung auf Zustimmung zur Erlassung der Verordnung, mit der die Höchstzahlen der quotenpflichtigen Aufenthaltstitel für das Jahr 1999 fest­gelegt werden (Niederlassungsverordnung 1999 – NLV 1999) (Vorlage 160/HA)

5. Antrag der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf Zu­stimmung zur Verordnung, mit der der Anpassungsfaktor, die Anpassungs­faktormeßzahl und die Anpassungsrichtwertmeßzahl für das Jahr 1999 fest­gesetzt werden (Vorlage 162/HA)

6. Verkehrspolitik

RAT 7641/98 TRANS 55 FISC 67

Eurovignette

(47300/EU XX. GP)

COM KOM (98) 480 endg.

Eisenbahnunternehmen

(55522/EU XX. GP)

7. Antrag des Bundesministers für Justiz auf Zustimmung zur Erlassung der Ver­ordnung über die gesonderte Festsetzung der Pauschalvergütung des Bundes für die von Rechtsanwälten in überlangen Verfahren nach § 16 Abs. 4 RAO erbrachten Leistungen für das Jahr 1997 (Vorlage 164/HA)

Beginn der Sitzung: 12.07 Uhr

Obmannstellvertreter MMag. Dr. Willi Brauneder eröffnet die Sitzung und gibt bekannt, daß Anträge auf Ergänzung der Tagesordnung um zwei Punkte vorliegen.

Zum einen gehe es darum, die Vorlage 162/HA, einen Antrag der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf Zustimmung zur Verordnung, mit der der Anpassungsfaktor, die Anpassungsfaktormeßzahl und die Anpassungsrichtwertmeßzahl für das Jahr 1999 festgesetzt werden, als neuen 5. Punkt in die Tagesordnung aufzunehmen.

Zum anderen solle die Vorlage 164/HA, ein Antrag des Bundesministers für Justiz auf Zustim­mung zur Erlassung der Verordnung über die gesonderte Festsetzung der Pauschalvergütung des Bundes für die von Rechtsanwälten in überlangen Verfahren nach § 16 Abs. 4 Rechtsan­waltsordnung erbrachten Leistungen für das Jahr 1997, als 7. Punkt auf die Tagesordnung gesetzt werden.

Obmannstellvertreter Dr. Brauneder bringt die beiden Anträge auf Ergänzung der Tagesordnung zur Abstimmung. Sie werden mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Nach der Frage von Obmannstellvertreter Dr. Brauneder, ob seitens der Abgeordneten der Wunsch nach Einbringung von Anträgen zur Geschäftsordnung bestehe, meldet sich Abgeord­neter Peter Schieder (SPÖ) zu Wort und verweist darauf, daß – wie bereits in der Präsidial­konferenz besprochen – die Mitglieder des Hauptausschusses vor allem in besonders sensiblen Punkten daran interessiert seien, vom jeweiligen Regierungsmitglied die volle Wahrheit zu hören.

Mit “volle Wahrheit” sei gemeint, daß Regierungsmitglieder möglicherweise auch Äußerungen über andere EU-Mitgliedstaaten machen müssen, die sie sonst so nicht machen könnten. Des­halb sei – auch in der Präsidialkonferenz – bereits darüber gesprochen worden, daß es für Regierungsmitglieder eine Gelegenheit geben sollte, in der erforderlichen Weise sprechen zu können. Davon seien auf der heutigen Tagesordnung insbesondere die Punkte 2 und 3 be­troffen.

Aus diesem Grund stellt Abgeordneter Schieder in bezug auf diese Punkte gemäß § 31 den An­trag auf Vertraulichkeit und auf Ausschluß der Öffentlichkeit. Diese Punkte sollten abgehandelt werden können, ohne daß etwa der Bundeskanzler etwas sagt, das dann von anderer Seite zitiert werden könnte.

Abgeordneter Dr. Heinrich Neisser (ÖVP) verweist darauf, daß die Möglichkeit solcher Situa­tionen wie der jetzigen bereits bekannt war, als über die Geschäftsordnungsreform beschlossen wurde. Unter dem Aspekt, daß es dazu kommen könnte, in Diskussionen hin und wieder sen­sible Dinge in der Öffentlichkeit zu erörtern, hätte die Öffentlichkeitsregelung anders beschlos­sen werden müssen.

Obmannstellvertreter Dr. Neisser erklärt, er werde zwar im vorliegenden Fall dem Antrag des Abgeordneten Schieder zustimmen. Er trete jedoch dafür ein, für die Zukunft zu überlegen, daß sich nach außen hin keine gute Optik ergibt, wenn bei bestimmten Punkten die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, bei anderen aber nicht. Es bedürfe einer entsprechenden Klarstellung in der Geschäftsordnung.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) stellt fest, daß sie dem Ansinnen des Ab­geordneten Schieder nicht folgen könne, weil über die in den Punkten 2 und 3 angesprochenen Themen bereits eine breite öffentliche Debatte stattfinde. In den Zeitungen könne nachgelesen werden, daß die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales ein “Non-Paper”, das den Abgeordneten bis heute nicht zugegangen sei, bereits in einer Pressekonferenz vorgestellt hat. Angesichts dessen sei in Zweifel zu ziehen, daß es sinnvoll wäre, jetzt die Vertraulichkeit des Ausschusses auszusprechen. Aus den Zeitungen sei bald mehr zu erfahren als in den Aus­schüssen.

Mit dieser Begründung spricht sich Abgeordnete Mag. Kammerlander gegen den Antrag auf Vertraulichkeit aus. Was für den 2. Punkt gelte, treffe auch auf den Tagesordnungspunkt 3 zu. Dabei gehe es um Auskünfte des Bundesministers über einen Rat, der bereits stattgefunden habe und über den in den Medien berichtet worden sei, sodaß auch in bezug auf diesen Punkt keine besondere Vertraulichkeit zu erkennen sei. Der Aktionsplan und das geänderte Papier der Bundesregierung seien bereits bekannt und stünden in Diskussion.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) stellt fest, er nehme nicht an, daß ausge­hend von den Worten des Abgeordneten Schieder, die Öffentlichkeit sollte ausgeschlossen wer­den, damit der Hauptausschuß die “volle Wahrheit” erfahre, die Schlußfolgerung zu ziehen wäre, daß dann, wenn die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen wird, nur die halbe Wahrheit zu erfahren sei. So sei es wohl nicht gemeint gewesen, aber so könnte es interpretiert werden.

Die Installierung des EU-Hauptausschusses habe auch unter den Auspizien stattgefunden, daß hier die Öffentlichkeit teilnehmen und sich ein Bild davon machen kann, wie im Hauptausschuß der österreichische Standpunkt für die Politik, die von den österreichischen Repräsentanten in Brüssel gemacht werden soll, zustande kommt. Es sollten sich diejenigen, die man zur Öffent­lichkeit zählt, hier ein Bild davon machen können.

Jetzt gehe es tatsächlich einmal um einige interessante Bereiche, so zum Beispiel um das Gip­feltreffen von Wien. Da habe die Öffentlichkeit ein Recht darauf, zu erfahren, wie sich der öster­reichische Vorsitz die Gestaltung dieses Gipfeltreffens vorstellt, vor allem unter dem Aspekt, daß bereits ein vorbereitender Gipfel in Pörtschach stattgefunden hat. Es sei auch für die Öffentlich­keit interessant, zu erfahren, was alles auf dem informellen Treffen von Pörtschach besprochen worden sei, zu welchen Ergebnissen es geführt habe und was davon in Wien zur Umsetzung gelangen solle.

Abgeordneter Mag. Schweitzer verweist darauf, daß in § 31c Abs. 5 der Geschäftsordnung aus­drücklich festgelegt ist, daß ein Antrag auf Ausschluß der Öffentlichkeit dann gestellt werden sollte, wenn es dafür “wichtige Gründe” gibt. Aus dem vom Abgeordneten Schieder formulierten Antrag seien diese wichtigen Gründe nicht hervorgegangen. Abgeordneter Mag. Schweitzer er­sucht den Abgeordneten Schieder, zu erläutern, welche wichtigen Gründe er dafür anführe, die Öffentlichkeit auszuschließen.

Nicht verständlich und nicht begründet sei die Stellungnahme des Abgeordneten Dr. Neisser, wonach er grundsätzlich dafür eintrete, die Öffentlichkeit an den Beratungen teilnehmen zu lassen, jetzt aber ausnahmsweise für einen gegenteiligen Antrag stimmen wolle.

Abgeordneter Mag. Schweitzer stellt fest, daß die Freiheitlichen sich vehement gegen den Aus­schluß der Öffentlichkeit aussprechen. Der Hauptausschuß habe prinzipiell öffentlich stattzufin­den, und dies gelte auch für die heutige Sitzung. Es gebe keine wichtigen Gründe, die dagegen sprächen.

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP) stimmt den Ausführungen des Abgeordne­ten Dr. Neisser grundsätzlich zu. Es bestehe ein Widerspruch darin, auf der einen Seite ge­schäftsordnungsmäßig zu sagen, daß alle Beratungen öffentlich stattfinden, und dann doch – wenngleich aus guten Gründen – die Öffentlichkeit auszuschließen, weil man daraus ver­schiedene Schlußfolgerungen ziehe. Darüber müßten grundsätzliche Überlegungen angestellt werden.

Die Opposition sei darauf aufmerksam zu machen, daß gerade von ihrer Seite immer wieder der Wunsch ausgesprochen worden sei, nicht nur zu hören, worin die österreichische Position be­steht, sondern darüber hinaus auch zu hören, welcher Handlungsspielraum in etwa gegeben sei. Dieser Spielraum ergebe sich selbstverständlich aus der Haltung der anderen. Also müsse man wissen, was man wolle und ob man im Hauptausschuß ein Forum haben wolle, in dem man diese Dinge – die mit Sicherheit vertraulich seien – zur eigenen Information ausloten kann.

Daß die Themen als solche nicht vertraulich sind, sei ohnehin klar. Darüber werde politisch dis­kutiert. Hintergrundinformationen der angesprochenen Art aber müßten selbstverständlich ver­traulich behandelt werden, oder sie könnten überhaupt nicht gegeben werden.

Bisher sei im Hauptausschuß immer die Meinung vertreten worden, es sei wünschenswert, mehr als nur die österreichische Position kennenzulernen. Es seien auch Informationen über den jeweiligen Hintergrund und die Chancen nachgefragt worden, und solche Informationen könnten nur gegeben werden, wenn dafür Vertraulichkeit besteht. Dies bedeute aber nicht, daß das Thema als solches der politischen Diskussion entzogen ist.

Abgeordneter DDr. König fügt hinzu, daß ein Beschluß auf Vertraulichkeit nur dann sinnvoll sei, wenn man sich – auch wenn man dagegen stimme – im Ergebnis dazu bekenne. Denn wenn Informationen, die unter dem Siegel der Vertraulichkeit offen ausgesprochen werden, einmal nicht vertraulich behandelt würden, würden sie künftig nicht mehr gegeben werden.

Abgeordneter DDr. König gibt der Meinung Ausdruck, daß es immer wieder Fragen geben werde, in denen seitens der Abgeordneten großes Interesse daran bestehe, das Umfeld ausge­leuchtet zu bekommen. Dies wiege im gegebenen Fall schwerer.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) führt aus, daß der Hauptausschuß keineswegs immer öffentlich tagen müsse. Vielmehr sei er – wie in § 31c Abs. 5 genau festgelegt – dann öffentlich, wenn nicht im Hinblick auf eine bestimmte Frage, über die berichtet wird, der Antrag zu stellen sei, daß er nicht öffentlich ist. Es liege daher kein Abrücken vor, sondern eine Vorgangsweise gemäß der sehr pragmatischen Regelung, daß die EU-Beratungen öffentlich sind, solange der Hauptausschuß keinen gegenteiligen Beschluß faßt, weil es sich um eine Materie handelt, die nicht öffentlich zu beraten ist.

Abgeordneter Schieder erklärt sich zu einer Modifizierung seines Antrages in der Form bereit, den Bundesminister für Inneres zunächst zu fragen, ob er etwas vorzubringen habe, das er nur in nicht öffentlicher Sitzung sagen könnte. Daher erhalte er seinen Antrag vorerst nur in bezug auf den Tagesordnungspunkt 2 aufrecht. Am Ende der Beratung zu diesem Punkt werde dann – noch in vertraulicher Sitzung – eine Entscheidung darüber fallen können, ob der Ausschluß der Öffentlichkeit auch für den 3. Punkt gelten solle.

Ergänzend fügt Abgeordneter Schieder hinzu, daß diese Vorgangsweise nicht in ihm selbst ihren Ursprung habe. Er meine, ein wenig zu träumen, wenn er sich vor Augen halte, daß er mit seinem Vorbringen im Sinne einer Vereinbarung in der Präsidialkonferenz – dort seien laut Protokollvermerk die Vertreter aller Fraktionen an der Vereinbarung beteiligt gewesen, diesmal die Aussprache ohne Öffentlichkeit zu führen – jetzt offenbar der einzige sei, der zu dem stehe, was in der Präsidialkonferenz ausgemacht worden sei.

Er stehe weiterhin zu der Vereinbarung und halte daher an seinem Antrag fest, daß für die Bera­tung zu Tagesordnungspunkt 2 gemäß § 31c Abs. 5 die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden möge.

Obmannstellvertreter MMag. Dr. Willi Brauneder ersucht den Abgeordneten Schieder um – wie es verlangt worden ist – die Angabe beziehungsweise Präzisierung des wichtigen Grundes, aus dem er seinen Antrag auf Ausschluß der Öffentlichkeit stelle.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) führt als wichtigen Grund für seinen Antrag an: Die Präsi­dialkonferenz habe es für richtig befunden, eine solche Vorgangsweise vorzuschlagen.

Obmannstellvertreter MMag. Dr. Willi Brauneder stellt fest, daß somit ein modifizierter Antrag des Abgeordneten Schieder vorliegt, zum Tagesordnungspunkt 2 die Öffentlichkeit auszu­schließen, weil die Präsidialkonferenz dies so ins Auge gefaßt habe.

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum) spricht sich gegen den Ausschluß der Öffentlich­keit aus. Seiner Ansicht nach gehe es heute nicht um so brisante Materien, daß darüber unter Ausschluß der Öffentlichkeit verhandelt werden müßte. Die Regierungsmitglieder würden Mittel und Wege finden, die Formulierungen so zu wählen, daß sie von denjenigen, die sie zu verste­hen hätten, unter Umständen auch verstanden würden. (Obmann Dr. Fischer übernimmt um 12.24 Uhr den Vorsitz.)

Es gehe jedoch um ein grundsätzliches Problem und nicht um eine Frage in bezug auf die Präsidialkonferenz. Abgeordneter Smolle verweist auf eine Information, der zufolge dieses Pro­blem – als ein bereits bekanntes Problem – in der Präsidiale erörtert worden sei, ohne daß es zu einem entsprechenden Beschluß gekommen wäre.

Abgeordneter Smolle tritt dafür ein, der Öffentlichkeit Zugang zu gewähren. Er erachtet in dieser Debatte weniger eine Sorge der Regierungsparteien um irgendwelche Veröffentlichungen sehr geheimen Materials als gegeben, vielmehr gehe es ihnen darum, die Kritik der Opposition in diesem Raum verhallen zu lassen und nicht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies sei in Wirklichkeit der Hintergrund, und die Argumentation sei ein bißchen fadenscheinig, daß Bundes­minister Mag. Schlögl nur dann etwas berichten könnte, wenn die Öffentlichkeit nicht Zugang hätte.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) verweist darauf, daß er mit seinem Antrag bemüht gewe­sen sei, einen in der Präsidialkonferenz erfolgten Beschluß aller Fraktionen zu vollziehen. Wenn die Fraktionen jetzt jedoch eine andere Vorgangsweise vorzögen, habe er nicht die Absicht, als derjenige dazustehen, der die Öffentlichkeit ausschließen wolle. Ohne einen entsprechenden gemeinsamen Wunsch sei er bereit, nötigenfalls auf seinen Antrag zu “pfeifen”, sodaß dieser nicht länger gültig sei.

Er habe nur das vertreten, was in der Präsidialkonferenz laut Protokoll von allen Seiten gefordert worden sei.

Obmann Dr. Heinz Fischer stellt fest, daß der Abgeordnete Schieder im Zuge einer Wortmel­dung zur Geschäftsbehandlung seinen Antrag zurückgezogen hat. Somit werde auch diese Sitzung des Hauptausschusses wie bisher üblich durchgeführt. Es bleibe den Regierungsmitglie­dern überlassen, in ihren Informationen nur das zu sagen, was sie als für die Öffentlichkeit ge­eignet betrachten.

Obmann Dr. Fischer hält fest, daß dieser Diskussionsprozeß damit beendet ist und daß – da die Erweiterung der Tagesordnung bereits genehmigt ist – der 1. Punkt zur Verhandlung gelangt.

1. Punkt

Landwirtschaft

COM KOM (98) 434 endg.

Schweinefleischsektor

(54778/EU XX. GP)

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) führt aus, daß die jüngste Entwicklung auf dem Schweinemarkt für die in Österreich angesiedelten Betriebe äußerst fatal verlaufen sei. Es sei wahrscheinlich keinem der Anwesenden neu, daß der Preis von ungefähr 30 S auf weniger als 10 S pro Kilogramm verfallen ist.

Dieser Preisverfall stehe in direktem Zusammenhang damit, daß vor allem Betriebe, die im niederländischen Bereich angesiedelt sind, unter sehr zweifelhaften Bedingungen hohe Produk­tionsquoten erreichen, sodaß in Holland insgesamt mehr als 400 Prozent des Eigenbedarfs pro­duziert werden. In Österreich hingegen liege die Produktion nur bei etwas mehr als 100 Prozent des Eigenbedarfs. Aufgrund dieser Situation sei es in sehr hohem Ausmaß zum Import von niederländischem Schweinefleisch nach Österreich gekommen. Noch dazu sei es aufgrund der Lebendtiertransporte möglich, daß niederländisches Schweinefleisch auf den österreichischen Markt kommt, ohne daß für den Konsumenten dabei hervorgehe, daß es sich um Schweine­fleisch solcher Herkunft handelt.

Aufgrund dieser Tatsache sei es zu einer absoluten Existenzbedrohung für viele heimische Zuchtbetriebe gekommen. Noch vor kurzem sei diesen Zuchtbetrieben von ihrer Interessenver­tretung geraten worden, in die Schweinezucht zu investieren. In Teilen der Oststeiermark sei dies sogar noch im Frühjahr 1998 vorgekommen, dort habe es entsprechende Beratungen durch Vertreter der Landwirtschaftskammer gegeben.

Es brauche nicht näher ausgeführt zu werden, in welche Situation die jetzt vom Preisverfall Betroffenen durch falsche Beratung einerseits und durch eine “unmögliche” Situation auf dem europäischen Schweinemarkt andererseits gekommen seien. Erst vor kurzem hätten diese Bauern aufgrund der Beratung in die Schweinezucht investiert. Diese Investitionen hätten sie selbstverständlich nur über Kredite ermöglichen können, und diese Kredite müßten sie mit dem jetzigen Marktpreis zurückzahlen.

Die Freiheitlichen sähen sich daher veranlaßt, einen Antrag auf Stellungnahme einzubringen, der den Artikel 147 des Beitrittsvertrages zum Inhalt habe. Dieser Artikel gebe dem Bundesmi­nister für Land- und Forstwirtschaft die Möglichkeit, sich auf Brüsseler Ebene wirksam für eine Verbesserung der Situation der österreichischen Schweinezüchter einzusetzen. In diesem Arti­kel sei folgendes vorgesehen: “Bringt vor dem 1. Januar 2000 im Agrarsektor der Handel zwi­schen einem oder mehreren der neuen Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft in ihrer Zusam­mensetzung am 31. Dezember 1994 oder der Handel der neuen Mitgliedstaaten untereinander erhebliche Störungen auf dem Markt Österreichs ... mit sich, so entscheidet die Kommission auf Antrag des betroffenen Mitgliedstaats binnen 24 Stunden nach Eingang des Antrags über die ihres Erachtens erforderlichen Schutzmaßnahmen.”

Der österreichische Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft habe daher die Möglichkeit, sehr rasch und wirkungsvoll tätig zu werden. Die beschlossenen Maßnahmen könnten sofort an­gewendet werden und würden dem Interesse aller Beteiligten Rechnung tragen. Da jetzt diese Störungen auf dem Markt tatsächlich vorhanden seien, ausgelöst durch den Handel der neuen Mitgliedstaaten – in diesem Fall Österreichs – mit einem Mitgliedstaat, der bereits vor dem 31. Dezember 1994 Mitglied war, bestehe die Möglichkeit, tätig zu werden.

Darin bestehe der Grund für diesen Antrag der Freiheitlichen. Im Interesse des Überlebens vieler österreichischer Schweinezüchter wäre es angebracht, diesen Antrag mit entsprechender Ernsthaftigkeit zu diskutieren.

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum) führt aus, es müsse insbesondere die politisch Verantwortlichen mit Sorge erfüllen, daß inzwischen sogar schon Bauernfunktionäre – wie zum Beispiel Walfried Wutscher, der Präsident der Landwirtschaftskammer in Kärnten – davon spre­chen, daß die Zeit wieder für eine Bauernbefreiung reif sei. Es sei eine besorgniserregende Ent­wicklung, daß nach 150 Jahren wieder jemand nach einem Kudlich rufe, damit dieser die Bauern aus ihrer Situation befreie. In der Unzufriedenheit mit der heutigen Lage schwinge auch die tiefe Unzufriedenheit mit jener Partei mit, die bisher traditionell die Bauerninteressen vertre­ten habe oder die zumindest vorgegeben habe, dies zu tun.

Wer sich die entsprechenden Diskussionen anhöre, wisse, daß es großen Aufruhr unter den Bauern gebe. Dieser rühre einerseits aus der tatsächlichen Misere ihrer Einkommenssituation her, zum anderen auch aus dem Mangel an guter, brauchbarer Information und Beratung sowie aus der großen Sorge der ländlichen Bevölkerung im Zusammenhang mit der Entsiedelung und der Abwanderung aus dem ländlichen Gebiet. Dies seien dort die globalen Probleme.

Parallel dazu sei ein Rückgang der Arbeitsplätze und damit auch der Arbeitskräfte im landwirt­schaftlichen Bereich feststellbar. Davon würden alarmierende Zahlen Zeugnis ablegen, und diese hätten ihre Ursachen auch in der mangelhaften politischen Orientierung, vor allem in man­gelhafter Beratung.

Grundsätzlich sei die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft noch lange nicht so, daß Zufriedenheit darüber bestehen könnte. Die Position Europas als des wichtigsten Expor­teurs auf dem Weltmarkt sei in Gefahr. Andererseits sei im Lande selbst eine Reihe von ergän­zenden Bürokratisierungen insbesondere im Zusammenhang mit der Landwirtschaftsförderung feststellbar.

Die Beiträge, die für die Tätigkeit im Bereich der Landwirtschaftsförderung an die AMA gezahlt werden, beliefen sich bereits auf die horrende Summe von 300 Millionen Schilling. Hinzu kämen die Honorare der Landwirtschaftskammern; auch deren Finanzierung erfolge aus dem Agrar­budget, speziell für Beratungen.

Es sei eine wichtige Voraussetzung, daß die gesamte Landwirtschaftsförderung klarer, transpa­renter und übersichtlicher wird. Es müsse auch über die Belastungen nachgedacht werden, die sich aus der Kammermitgliedschaft und aus den Vermarktungsbeiträgen ergeben.

Um nicht nur Kritik zu üben, sondern auch Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten, verweist Abgeordneter Smolle darauf, daß sich das Liberale Forum sehr intensiv mit der Frage des Grundeinkommens für Bauern befaßt habe. Besonders in bezug auf diese Bevölkerungsgruppe sei die Grundsicherung in der vom Liberalen Forum vorgeschlagenen Art als eine wesentliche, grundlegende Besserstellung anzusehen.

Es sei weiters notwendig, eine negative hektarbezogene Grundsteuer zu schaffen. Die anderen flächenbezogenen Ausgleichszahlungen müßten möglichst zurückgedrängt werden. Darüber seien bereits detaillierte Vorschläge unterbreitet worden.

Vor allem müßte es zu einer Senkung der Interventionspreise kommen. Erforderlich sei der Ent­fall spezifischer Preisstützungen, zum Beispiel jener für Oliven. Im Sinne eines Beitrags, der von den Bauern selbst erwartet werde, solle für diese die Buchführungspflicht eingeführt werden. Es sei sehr wichtig, daß der Bauer selbst Aufschluß über seinen Betrieb bekommt und weiß, welche Aufwendungen er tatsächlich hat und welche Leistung er für welchen Ertrag erbringen muß. Nicht zuletzt ergäbe sich daraus die Möglichkeit, daß der Bauer im Wege des Vorsteuer­abzugs einen Teil seines Aufwandes wieder zurückerhielte.

Äußerst wichtig sei auch die Fortsetzung der Ökologisierung in der Landwirtschaft. Es mangle nach wie vor an entsprechenden guten Vorschlägen.

Zur Problematik der Misere auf dem Schweinemarkt und im Bereich der Schweinezucht stellt Abgeordneter Smolle fest, daß damit sozusagen eine selbstgemachte Krise Platz gegriffen habe. Es sei dem Bauern im Zuge falscher Beratungen eingeredet worden, möglichst umfas­sende Investitionen im Schweinebereich vorzunehmen. Jetzt aber lasse man den Landwirt mit dem Problem allein, obwohl er nicht mehr in der Lage sei, die für seine Investitionen aufgenom­menen Kredite zu bedienen. Es wäre daher äußerst wichtig, mehr Sorgfalt bei den Beratungs­organen und -personen walten zu lassen.

Zwei spezielle Anliegen, die Abgeordneter Smolle aus seiner persönlichen Sicht vorbringt, be­stünden zum einen darin, daß sich die EU insgesamt mit der Frage der Kennzeichnungspflicht stärker auseinandersetzen sollte. Es wäre dringend notwendig, daß in Österreich sowohl die Konsumentenschutzministerin als auch der Landwirtschaftsminister im Rahmen von Verhand­lungen zu diesem Zweck vorstellig werden, damit der Konsument Klarheit darüber habe, was er kauft und welche Bestandteile in den Nahrungsmitteln enthalten sind. In diesem Bereich bestün­den noch große Mängel. Über die Pflicht zu besserer Kennzeichnung, auch in Richtung besserer Qualität, wären auch höhere Preise zu erzielen.

Zum anderen wäre es äußerst wichtig, für das gesamte Bauwesen in zwei Richtungen vor allem mit den Ländern zu einer Akkordierung zu kommen. Einerseits sollten die Bauordnungen – wie es in einigen Bundesländern bereits geschehen sei – in der Weise geändert werden, daß ökolo­gische Grundsätze in den Baubescheiden mit vorgeschrieben werden, sodaß es zu einer effi­ziente Nutzung der in der Region vorhandenen Ressourcen käme, insbesondere der biogenen Brennstoffe und auch des Holzes als eines wichtigen Materials.

Den Zwischenruf des Abgeordneten Dr. Heinrich Neisser (ÖVP), was dies mit dem Schweine­fleisch zu tun habe, beantwortet Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum) damit, daß er bereits beim Schlußsatz angelangt sei, da auch Präsident Dr. Fischer bereits “schwarz, dunkel und finster” in seine Richtung schaue. Nach der Erwiderung von Obmann Dr. Heinz Fischer, daß er nicht schwarz schauen könne, fügt Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum) hinzu, daß er dazu habe anregen wollen, auch in den genannten Richtungen etwas zu unternehmen. Hin und wieder gehe eben sein großes Herz für die Bauern mit ihm durch.

Obmann Dr. Heinz Fischer stellt fest, daß er zwar für “durchgehende Herzen” etwas übrig habe, jedoch auf den zur Diskussion stehenden Bericht über die Lage auf dem Schweine­fleischsektor in der Europäischen Union verweisen müsse. In bezug darauf gehe es um etwaige Änderungen von Strukturförderungsmaßnahmen. Auch bei extensiver Ausnützung des Diskus­sionsrahmens sollte es nicht zu Übertreibungen kommen.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) schätzt die Lage auf dem Schweinemarkt als derzeit sehr katastrophal ein. Sie habe enorme Ertragseinbußen für die Bauern mit sich ge­bracht. Die Preise seien gegenüber den Spitzenwerten im Vorjahr halbiert worden.

Es würde sich auch kein Arbeiter das ohne weiteres gefallen lassen, wenn sich sein Lohn inner­halb eines Jahres halbierte. Jetzt sei es notwendig, entsprechende Maßnahmen zu setzen.

In dieser Entwicklung seien mehrere Ursachen zusammengetroffen. Unter anderem habe die BSE-Katastrophe beim Rindfleisch eine Umschichtung in den Verbrauchsgewohnheiten der Europäer bewirkt: Einem eklatanten Rückgang des Rindfleischverbrauchs sei ein Anstieg des Verbrauchs von Schweine- und Geflügelfleisch gegenübergestanden.

Eine weitere Ursache sei darin zu erblicken, daß in mehreren europäischen Ländern 1996 und 1997 die Schweinepest grassierte und allein in Holland 424 Krankheitsfälle zu verzeichnen waren. In Italien habe es 55 Fälle, in Spanien 73 und in Deutschland 46 Fälle von Schweinepest gegeben, sodaß in diesen Ländern mancherorts in ganzen Bezirken die Schweine gekeult und darüber hinaus Verbote von Lieferungen in andere Regionen ausgesprochen wurden. Dadurch sei ein Vakuum entstanden, welches dazu geführt habe, daß interessante Preise geboten und die Schweinemastzahlen erhöht wurden.

Zu diesen Ursachen seien im heurigen Jahr die Wirtschaftskrisen in Asien – vor allem von Dänemark seien vorher sehr viele Schweine nach Japan exportiert worden – und in Rußland ge­kommen. Rußland habe bis dahin mehr als 30 Prozent des gesamten europäischen Schweine­exports aufgenommen, und dieser Käufer sei mit einem Schlag ausgefallen. Dies habe in Europa zu einem so großen Überschuß auf dem Schweinemarkt geführt, daß die Preise kata­strophal verfallen sind.

Abgeordneter Schwarzenberger fragt Bundesminister Mag. Molterer – da im letzten Agrarmi­nisterrat auch die Schweinekrise behandelt worden sei –, welche Maßnahmen in der Europäi­schen Union bereits getroffen wurden und welche noch in Vorbereitung seien, welche Maßnah­men speziell für Österreich ergriffen würden und was in Österreich nach dem Stand der gegenwärtigen Möglichkeiten unternommen werden könne.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) gesteht dem Abgeordneten Schwarzen­berger zu, daß seine Fragen zwar interessant seien und daß es richtig sei, sich zu überlegen, was kurzfristig getan werden könnte.

Aber gerade von seiten der ÖVP wären auch Auskünfte darüber aufschlußreich, warum die Sache so dargestellt werde, als wäre damit eine Naturkatastrophe über die Bauern hereinge­brochen. Denn dabei werde offensichtlich übersehen, daß der Verfall der Schweinepreise – wie von seiten mancher Vorredner bereits geschildert – ein absehbarer, hausgemachter Vorgang gewesen sei. Durch bestimmte Faktoren seien die Bauern ermuntert worden, die Produktion auf dem Schweinefleischsektor zu steigern. Angesichts dessen bestehe jetzt kein Grund zum Wundern und zu einer Darstellung, als habe es eine Naturkatastrophe gegeben.

Abgeordnete Mag. Kammerlander fragt, worin die langfristigen Maßnahmen gegen dieses Pro­blem bestehen würden und auf welche Weise sich Österreich in der Europäischen Union für dessen Lösung einzusetzen gedenke.

Es sei ein Fehler, noch immer sehr stark am Weltmarkt orientiert zu sein. Wie auch die Stellung­nahme des Abgeordneten Schwarzenberger soeben gezeigt habe, bestünden offensichtlich Träume darüber, daß Österreich sich an einer auf den Weltmarkt ausgerichteten Exportwirt­schaft beteiligen könnte und daß in den Fällen, in denen dies nicht funktionieren würde, die Exportpreise gestützt werden müßten. Dabei werde anscheinend übersehen, daß zum Beispiel die nächsten WTO-Verhandlungen bevorstünden, in denen es auch um die Exporterstattungen gehen werde. Nach Lage der heutigen Debatten darüber bestehe Grund zu der Vermutung, daß diese sogar gestrichen werden.

Maßnahmen, gegen die angesichts der aktuellen Lage tatsächlich kaum Argumente ins Treffen geführt werden könnten – seien es Exporterstattungen, Prämien für vorzeitige Schlachtungen oder anderes –, würden immer nur kurzfristige Möglichkeiten darstellen und seien nicht geeig­net, langfristig etwas an der Situation zu verändern. Unter “langfristig” versteht Abgeordnete Mag. Kammerlander den Übergang von der Überproduktion zu einer tierschonenden Haltung. Dies bedeute weiters, zu überlegen, inwieweit nicht insbesondere bei der Schweineproduktion auch die Frage der verfügbaren Fläche eine Rolle spielt. In letzter Zeit seien sehr viele Klagen von Anrainern über Belästigungen durch zu große Schweinezuchtbetriebe vorgebracht worden.

Es gelte auch, weg von der Überproduktion und hin zur Qualität zu gelangen, in geringerem Ausmaß Medikamente einzusetzen sowie die Beimengung von Antibiotika und Leistungsförde­rern in Futtermitteln völlig zu streichen. Allen diesen Punkten sei von seiten der ÖVP in den De­batten im EU-Hauptausschuß noch niemals die Zustimmung erteilt worden. Dies wäre aber ein Weg einer Umorientierung. Auf längere Sicht werde es nicht mehr möglich sein – dies zeige sich jetzt auch am Verfall der Schweinepreise –, in der Landwirtschaft weiterhin in Kategorien von Überproduktion und Exportorientierung zu denken.

Abgeordnete Mag. Kammerlander schlägt vor, das AMA-Gütesiegel im Hinblick auf tierscho­nende Haltung zu überprüfen und in der genannten Richtung auszustatten.

Dem Antrag auf Stellungnahme betreffend Schweinefleischsektor, den die Grünen hiermit in dieser Sitzung einbringen, könnten nach den vorliegenden Erfahrungen im Hauptausschuß aller­dings nur wenig Chancen auf Zustimmung bei den Koalitionsparteien eingeräumt werden. Denn die SPÖ werde sich aufgrund der Koalition mit der ÖVP schwertun, zuzustimmen, und die ÖVP – allen voran ihr Vertreter der Bauernschaft – habe es bisher immer noch geschafft, alles abzulehnen, was als sinnvoll zu bezeichnen sei, obwohl gerade die jetzige Krise für die ÖVP ein Lehrbeispiel sein müßte.

Obmann Dr. Heinz Fischer bestätigt, daß zwei Anträge auf Stellungnahme vorgelegt worden sind, der eine von den Abgeordneten Mag. Schweitzer und Aumayr, der andere von der Abge­ordneten Mag. Kammerlander.

Nach Ansicht des Abgeordneten Heinz Gradwohl (SPÖ) ist die jetzige Situation für die Schweinebauern in Österreich keinesfalls einfach. Ihnen sei jeder Schilling vergönnt, der zur Überbrückung der jetzigen Schwierigkeiten aufgebracht werden kann, aber eine Hilfe für die Zukunft werde dies nicht sein. Denn es seien, wie bereits angesprochen, die Entwicklungen auf dem Markt nicht beobachtet oder vielleicht auch fehlinterpretiert worden.

Es werde Österreich nicht möglich sein, bei seiner landwirtschaftlichen Struktur und bei der Größe seiner Bauernhöfe in Konkurrenz mit großen Tierfabriken zu treten. Die Möglichkeit für die Zukunft werde vielmehr darin liegen, auf Qualität statt auf Quantität zu setzen, Klasse statt Masse zu produzieren und vor allem die Marketingstrategien zu verändern, nämlich sie so zu verbessern, daß es möglich ist, ein österreichisches Produkt und kein Allerweltsschweinefleisch zu verkaufen. Dies müßte übrigens auch im Sinne der Abgeordneten Aumayr sein.

Für den Verkauf österreichischen Schweinefleisches könnte ein eigener Markenname geschaf­fen werden. Auch der Begriff “Steirisches Kernöl” stehe dafür, daß nicht ein Allerweltsprodukt, sondern ein besonderes Produkt verkauft wird, worauf insbesondere die Steirer stolz seien. Ab­geordneter Gradwohl spricht sich dafür aus, die Möglichkeit zu schaffen, daß die Österreicher auch auf ein österreichisches Schweinefleisch stolz sein könnten, das entsprechend vermarktet wird. Das Produkt dafür sei zwar vorhanden, aber dessen Vermarktung erfolge nicht in geeigne­ter Weise. Mit besserer Qualität und geringerer Quantität würde sich Österreich jedoch leichter tun. Es sei Aufgabe der AMA, die Marketingstruktur so auszubauen, daß Österreich seiner Schweineproduktion auch in Zukunft den Absatz und einen entsprechenden Preis sichern kann.

Abgeordneter Gradwohl fügt hinzu, er selbst habe es noch im Juli des heurigen Jahres in der Oststeiermark erlebt, daß Berater den Schweinemästern geraten haben, ihre Produktion zu ver­doppeln. Schon zu diesem Zeitpunkt sei aber der Preis im Sinken und eine Preissteigerung nicht mehr in Sicht gewesen. Es wäre daher richtig gewesen, die Beratung in Richtung Vermarktung statt in Richtung Erhöhung der Produktion vorzunehmen.

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche) hält der Aussage des Abgeordneten Gradwohl über das “Allerweltsschwein” entgegen, daß die österreichischen Konsumenten und Schweinebauern schon froh wären, wenn nicht holländische und dänische Schweine wegen ihrer Schlachtung in Österreich den “A”-Stempel und damit die Deklarierung als österreichische Schweine bekämen. Dies sei ein Betrug sowohl an den Konsumenten als auch an den Schweinebauern in Österreich.

Abgeordnete Aumayr fragt Bundesminister Mag. Molterer, ob es die Regelung, daß der Import von Lebendtieren und deren Schlachtung im Inland ausländische Tiere zu inländischen macht, auch in allen anderen EU-Mitgliedstaaten gebe und ob es sich dabei um eine EU-Verordnung handle. Falls dies nicht zutreffe, möge Bundesminister Mag. Molterer darüber Auskunft geben, in welchen EU-Mitgliedstaaten eine solche Regelung besteht.

Abgeordnete Aumayr führt aus, daß die Aussage des Abgeordneten Gradwohl, die Problematik auf dem Schweinefleischsektor sei entstanden, weil die Bauern am Markt vorbei produziert hätten, nur bedingt zutreffe. Denn die österreichischen Bauern würden 100 Prozent des inländi­schen Bedarfs produzieren, die holländischen Bauern hingegen 400 Prozent und die dänischen Bauern ähnlich viel. Dort aber würden ökologisch völlig andere Bedingungen herrschen. Daher sei es höchst notwendig, daß die österreichische Bundesregierung alle Instrumente in die Hand nimmt, um diese katastrophale Entwicklung zu stoppen. Es handle sich dabei insbesondere um jenes Instrumentarium, das von SPÖ und ÖVP immer wieder abgelehnt werde.

Dem Abgeordneten Schwarzenberger sei darin zuzustimmen, daß es sich kein Arbeiter gefallen ließe, wenn er plötzlich nur ein Drittel des Lohns vom Vorjahr ausbezahlt bekäme. Auch die Ge­werkschaften würden sich dies nicht gefallen lassen. Der Bauernbund aber lasse sich das heute gefallen. Abgeordnete Aumayr erinnert daran, daß vor 15 Jahren ein SPÖ-Agrarminister und ein freiheitlicher Staatssekretär im Amt waren, und zu dieser Zeit – als der Schweinepreis doppelt so hoch wie jetzt gewesen sei – habe der Bauernbund beinahe jede Woche gegen die “kata­strophalen” Schweinepreise demonstriert. Der Bauernbund handle also widersprüchlich.

Jetzt sei es für Maßnahmen allerhöchste Zeit, wenn diese Interessenvertretung nicht die Verant­wortung dafür übernehmen wolle, daß Tausende Bauernexistenzen vernichtet werden.

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP) erachtet die Situation auf dem Schweinefleischsektor für äußerst bedauerlich. Es sei aber auch unbestritten, daß alle agrarpolitisch zuständigen Institutio­nen und Kräfte darum bemüht seien, diese Entwicklung zu entschärfen. Wer diese Thematik nicht kenne und die laufende Diskussion verfolge, habe – wiewohl die Sache tieftraurig sei – sicherlich auch seinen Spaß daran, weil hier Dinge zur Sprache kämen, die fernab jedes Zu­sammenhanges mit dieser Entwicklung stünden.

Abgeordneter Donabauer stellt gegenüber dem Abgeordneten Gradwohl fest, daß in Österreich nicht in Tierfabriken produziert werde, sondern daß hierzulande eine sehr geordnete Produk­tionsform bestehe, die preis- und erlösbedingt auch Intensitätsstufen oder ‑formen habe und haben müsse. Denn niemand aus der Verbraucherschaft sei bis heute bereit gewesen, den Mehraufwand für andere Produktionsformen abzudecken.

Dem Zwischenruf der Abgeordneten Aumayr, daß dies noch nie probiert worden sei, hält Abge­ordneter Donabauer entgegen, daß es genügend Biobauern in Österreich gebe – nämlich die meisten im Vergleich der europäischen Staaten untereinander –, sodaß diese Bemerkung ent­behrlich sei.

Die Probleme seien auch dadurch zustande gekommen, daß die BSE-Krise eine Verbrauchsver­änderung zur Folge hatte und Schweinefleisch stärker als Rindfleisch nachgefragt wurde. Dies habe zu entsprechender Mehrproduktion animiert. Weiters habe es Seuchen und wirtschaftliche Krisen gegeben, die man inzwischen in den Griff bekommen habe. Eine gute Absatzlage habe insbesondere gegenüber Exportländern wie Rußland und Japan bestanden.

Gegen den Antrag der Freiheitlichen auf Stellungnahme, in dem Maßnahmen gemäß Artikel 147 des EU-Beitrittsvertrages verlangt werden, wendet Abgeordneter Donabauer ein, daß jemand, der die Entwicklung auf dem Schweinemarkt kenne, auch wisse, daß eine solche Vorgangs­weise zurzeit nicht möglich sei. Denn auch Österreich beliefere nach wie vor andere Länder und exportiere dorthin zu seinen Preisen. Wer der Ansicht sei, es wäre so leicht, Import- und Export­maßnahmen zu ergreifen, der möge zum Beispiel im “Kurier” vom 30. November nachlesen, daß der tschechische Landwirtschaftsminister sehr nachhaltig die Einstellung der Importe aus der Europäischen Union verlangt habe, weil er darin eine massive Bedrohung der Produktion in der Tschechischen Republik erblicke, sodaß er sich das nicht länger gefallen lassen wolle.

Abgeordneter Donabauer gesteht Bundesminister Mag. Molterer zu, er habe in bewundernswer­ter Weise – dafür gebühre ihm Anerkennung – eine Diskussion in Gang gebracht, um den Bauern das eingesparte Geld für degressive Ausgleichszahlungen der vergangenen zwei Jahre – ungefähr 390 Millionen Schilling – wieder anzudienen, sodaß unter der Voraussetzung der Genehmigung aus Brüssel und der Beteiligung der Länder den österreichischen Schweine­bauern in nächster Zeit 300 Millionen Schilling als sogenannte Ersatzzahlungen angeboten werden könnten. Dieser Maßnahme gebühre Hochachtung, da sie sicherlich helfen werde, die ärgsten Probleme zu entschärfen.

Die Verantwortlichen hätten es als Erstmaßnahme zustande gebracht, daß zu den Exporten nach Rußland im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe auch etwa 100 000 Tonnen Schweinefleisch gehören. Dies werde sicherlich zur Entlastung beitragen, wenngleich es das Problem nicht lösen werde.

Abgeordneter Donabauer stellt die Frage, inwieweit Bundesminister Mag. Molterer eine Möglich­keit sehe, durch Übernahme von Kosten der Qualitätssicherung – zum Beispiel bei Klassifizie­rungs- und Tiergesundheitsdiensten und dergleichen – Hilfe zu leisten, und inwieweit er eine entsprechende Chance in der Senkung des Schlachtgewichtes erblicke. Denn es müsse zur Kenntnis genommen werden, daß die Erhöhung der Schlachtgewichte die Produktion in den europäischen Ländern um 5 bis 6 Prozent ausgeweitet habe. Deshalb wäre eine Vorkehrung zur Senkung der Schlachtgewichte eine notwendige Maßnahme.

Abgeordneter Donabauer fragt weiters, was Bundesminister Mag. Molterer davon hielte, europa­weit etwa durch ein effizientes Zählsystem und durch begleitende Marktbeobachtung bessere Produktionsbegleitmaßnahmen einzuführen. Denn die Bauern wären, wenn man ihnen brauch­bare Mechanismen anböte, bereit, ihre Produktion – die im Schweinebereich stets in den offe­nen Markt hinein erfolgte und nie Marktordnungsreglementierungen unterzogen gewesen sei – auch darauf abzustimmen.

Abgeordneter Donabauer fragt Bundesminister Mag. Molterer überdies, was er als guter Kenner der agrarpolitischen Ziele der EU-Mitgliedstaaten von dem Vorschlag einer bodengebundenen Tierproduktion über alle 15 Mitgliedstaaten hinweg halte. Würde sich nämlich nur ein Land dazu bereit erklären, die anderen aber nicht, so hätte dies keinen Sinn, da dieses einzelne Land sich Zwängen und Auflagen unterstellen würde, die Produktionsnachteile und Wertschöpfungsabflüs­sen mit sich brächten, während die anderen Länder die Profiteure wären.

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche) verweist darauf, daß die Beobachtung regionaler Entwicklungstendenzen eine Zunahme des Schweinebestandes in Regionen mit hohen Tierbe­ständen erkennen lasse. Der Schweinefleischsektor habe sich zu einer oft flächenungebunde­nen, hochspezialisierten Industrie entwickelt. In den Niederlanden würden 21 Prozent der Er­zeuger 1 000 oder mehr Schweine halten.

Zu den Investitionsbeihilfen für Schweinehaltungsbetriebe führt Abgeordneter Koller an, daß ge­mäß Verordnung 950/97 Beihilfen für Schweinehaltungsbetriebe gewährt werden können, wenn diese über genügend landwirtschaftliche Nutzfläche verfügen und mindestens 35 Prozent des im Betrieb verbrauchten Schweinefutters selbst erzeugen können. Von dieser Futterklausel sei den Niederlanden eine Ausnahme gewährt worden, und dies ermögliche dort die Schweinepro­duktion auf Schiffen.

Abgeordneter Koller fragt, ob Bundesminister Mag. Molterer im Rahmen des EU-Ratsvorsitzes etwas dafür unternommen habe, daß die Schweineproduktion europaweit flächengebunden wird, und ob er für eine Erhöhung der Futterklausel von derzeit 35 Prozent für Investitionsbei­hilfen eintrete.

Zum Tierschutz merkt Abgeordneter Koller an: Aus dem EU-Bericht gehe hervor, daß Abwei­chungen zwischen den nationalen Tierschutzvorschriften das Funktionieren des gemeinsamen Marktes unmittelbar beeinträchtigen würden. Aber erst gestern habe die ÖVP wieder ein bun­deseinheitliches Tierschutzgesetz abgelehnt und sich damit gegen eine Forderung der Euro­päischen Union gestellt.

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche) weist darauf hin, daß die Forderung der Frei­heitlichen nach einem Importstopp die einzige Möglichkeit dafür schaffen würde, die österreichi­schen Bauern gegenüber der industrialisierten Landwirtschaft wie in Dänemark oder in Holland zu retten.

Es sei zwar bereits von den Schweinepreisen die Rede gewesen, aber nur von den Erzeuger­preisen. Noch sei nichts davon zu bemerken gewesen, daß für Konsumenten in diesem Bereich irgend etwas billiger geworden wäre. Daher sollte einmal nachgefragt werden, wohin dieses Geld verschwinde.

Abgeordneter Wenitsch ersucht Bundesminister Mag. Molterer, in seiner Antwort nicht bloß zu darauf zu verweisen, aus welchen Gründen es nicht möglich sei, sich auf den Artikel 147 zu be­rufen. Vielmehr möge er dies im Interesse der österreichischen Schweinebauern beinhart durch­ziehen, damit diesen Bauern eine Chance gegeben werde, in Zukunft zu überleben.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer stellt einleitend fest, er breche guten Gewissens eine Lanze für die Qualität des österreichischen Schweinefleisches, weil es von hoher Qualität sei, sodaß die österreichische Produktion keinerlei Qualitätsvergleich zu scheuen brauche. Gleichzeitig gebe er denjenigen recht, die sagen, daß noch mehr getan werden muß, um den österreichischen Konsumenten klarzumachen, wie gut diese Qualität tat­sächlich sei, und um diese Qualität offensiv als Marktchance im Export zu erkennen.

Der Abgeordneten Mag. Kammerlander gegenüber stellt Bundesminister Mag. Molterer fest, es könne – auch wenn ein internationaler Vergleich gezogen werde – ebenfalls guten Gewissens gesagt werden, daß die österreichische Schweineproduktion in ihrer Struktur eine bäuerliche Produktion sei und keinerlei Vergleich im Hinblick auf ihre ökologische und qualitative Ausrich­tung sowie hinsichtlich der Tierhaltung und des Medikamenteneinsatzes zu scheuen brauche.

Zur Darstellung der Ursachen der katastrophalen Preis- und Marktsituation auf dem Schweine­fleischsektor – mit dem Ziel, daraus die richtigen Maßnahmen abzuleiten – führt Bundesminister Mag. Molterer aus, daß erstens die BSE-Krise zu einem zusätzlichen Schweinefleischverbrauch und dieser wiederum zu einer Preissteigerung geführt habe. Zweitens sei es infolge der Schweinepest in den Niederlanden kurzfristig zu einer Sperre der niederländischen Exporttätig­keit gekommen, wodurch ebenfalls Nachfrage und Preis gestiegen seien. Drittens sei die kri­tische Entwicklung in Asien hinzugekommen, wodurch Exporteure wie Dänemark und die Niederlande dort geringeren Absatz erreicht hätten, sodaß sie auf europäische Märkte ausge­wichen seien. Viertens habe die Rußland-Krise – dies sei auch in bezug auf die von der Abge­ordneten Mag. Kammerlander geforderte weise Voraussicht festzustellen – in der strategischen Planung ebenfalls nicht Berücksichtigung finden können. Immerhin 32 Prozent aller Exporte der Europäischen Union seien nach Rußland erfolgt, und sie seien von einem Tag auf den anderen auf Null gefallen.

Faktum sei daher, daß sich aufgrund der Marktentwicklung bereits eine Dämpfung der Preis­situation ergeben habe und daß insbesondere die Rußland-Krise zu einer Katastrophe geführt habe. Es hätte prophetischer Fähigkeiten bedurft, dies schon im vorhinein zu wissen.

Als bisher ergriffene Maßnahmen nennt Bundesminister Mag. Molterer erstens die private Lagerhaltung mit 70 000 Tonnen, von denen 50 000 Tonnen ausgenützt würden, zweitens die Einführung der Exporterstattung für Schweine und deren laufende Erhöhung und drittens die Einführung einer EU-Sondererstattung für Rußland im Ausmaß von 70 ECU je 100 Kilogramm. Viertens würden im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe 100 000 Tonnen zur Verfügung gestellt, um die Krise in Rußland auch von dieser Seite her zu bewältigen.

Als bisherige nationale Maßnahmen seien zu nennen: die Erhöhung der Förderung für Tierge­sundheits- und Klassifizierungsdienste, die zeitliche Vorziehung der Auszahlung der degressiven Ausgleichszahlungen für Zuchtsauen, die Möglichkeit der Stundung von Kapitalrückzahlungen für das Sonderinvestitionsprogramm – sofern ein bäuerlicher Betrieb dies wünsche –, die Inten­sivierung der Werbeaktivitäten der Agrarmarkt Austria im Schweinesektor und die Erhöhung der degressiven Ausgleichszahlungen um 300 Millionen Schilling aus Bundes- und Landesmitteln. Diese Ausgleichszahlungen stünden zu 34 Prozent dem Mastschweinesektor und zu 66 Prozent dem Zuchtsauensektor zur Verfügung.

Bundesminister Mag. Molterer antwortet dem Abgeordneten Mag. Schweitzer, daß die Anrufung der genannten Schutzklausel keine geeignete Maßnahme darstelle. Diese sei im Beitrittsvertrag eingeführt worden, um Marktstörungen zu begegnen, die sich in einem oder mehreren der neuen Mitgliedstaaten durch Importe aus den 12 bereits bestehenden Mitgliedstaaten ergeben hätten. Dies treffe aber jetzt nicht zu, sondern derzeit bestehe eine EU-weite Krise auf dem Schweinemarkt, die nicht durch die aus EU-Mitgliedstaaten nach Österreich gekommenen Schweine bewirkt worden sei, sondern durch andere Ursachen. Daher hätte das Anrufen jener Schutzklausel, die eine gänzlich andere Zielsetzung habe, keinerlei Chance auf Realisierung.

Bundesminister Mag. Molterer fügt hinzu, daß er keinen Antrag stellen werde, von dem er im vorhinein wisse, daß dieser keine Chance habe, realisiert zu werden. Dies treffe auf den Arti­kel 147 des Beitrittsvertrages zu, da dieser eine gänzlich andere Zielsetzung habe. Österreich habe relativ intensiv Schweine vermarktet, nicht nur in Österreich, sondern auch über seine Grenzen hinaus in der Europäischen Union sowie über deren Rahmen hinaus, sodaß das An­rufen der Schutzklausel sogar das Risiko negativer Konsequenzen für die österreichischen Bauern haben könnte, nämlich dadurch, daß es im Gegenzug dazu käme, daß Österreich nicht mehr exportieren könnte. Damit aber wäre ein gewaltiges zusätzliches Problem geschaffen, und deshalb werde der österreichische Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft sich nicht dafür einsetzen.

Bundesminister Mag. Molterer spricht sich dafür aus, die eingeleitete Kennzeichnungsstrategie, wie sie bei Rindfleisch bereits Wirklichkeit werde, auf andere Produkte auszuweiten und in der Europäischen Union zusätzliche Maßnahmen etwa in bezug auf die Gewichtsreduktion zu ver­wirklichen. Es sei aber nötig, dies in EU-weitem Rahmen durchzuführen, da sonst die österrei­chischen Bauern einseitig benachteiligt wären.

Bundesminister Mag. Molterer spricht sich weiters dafür aus, Klarheit hinsichtlich des AMA-Gütesiegels zu schaffen, um noch mehr Schweinefleisch mit dem Gütesiegel vermarkten zu können. In einer Klarstellung gegenüber der Abgeordneten Aumayr stellt Bundesminister Mag. Molterer fest, daß Produkte, die aus der Europäischen Union eingeführt werden, nicht dem Import im klassischen Sinn zuzuzählen seien.

Das rotweißrote “A” habe eine andere Zielsetzung als das AMA-Gütesiegel. Das letztere sei da­durch bestimmt, daß dieses Gütesiegel nur für tatsächlich österreichische Produkte – in diesem Fall Schweinefleisch – vergeben werden kann. Bundesminister Mag. Molterer fügt den Appell an, eine größere Zahl von Produkten mit dem AMA-Gütesiegel auszustatten. (Bundeskanzler Mag. Klima findet sich zur Teilnahme an den Beratungen ein.)

Gegenüber dem Abgeordneten Donabauer stellt Bundesminister Mag. Molterer fest, es sei inter­essant und wichtig, die Frage der Umweltrelevanz, insbesondere der bodengebundenen Pro­duktion, auf europäischer Ebene intensiv zu debattieren. Dabei sei auf folgenden Aspekt auf­merksam zu machen – ein extremes Beispiel dafür zeige sich in der Gegenüberstellung der Betriebsstrukturen in der Südsteiermark und in den neuen deutschen Bundesländern –: In Deutschland gebe es flächenmäßig größere Betriebe, die ein Ausweitungspotential hätten, wogegen den in Österreich üblichen, flächenmäßig kleineren Betriebe kein solches Potential zur Verfügung stehe. In dieser Debatte darüber müsse daher auf die entsprechende Fragestellung richtig reagiert werden.

Obmann Dr. Heinz Fischer begrüßt den vereinbarungsgemäß um 13.15 Uhr im Hauptaus­schuß eingetroffenen Bundeskanzler Mag. Klima und gibt bekannt, daß der Bundeskanzler bis ungefähr 14.45 Uhr für Auskünfte zur Verfügung stehen werde.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) verweist gegenüber Bundesminister Mag. Molterer darauf, daß die Niederlande eine Ausnahme von der Futterklausel gewährt be­kommen und dadurch einen Vorteil im internationalen Wettbewerb hätten. Da sich die Produk­tion in den Niederlanden auf 400 Prozent des Eigenbedarfs belaufe, in Österreich hingegen auf ungefähr 100 Prozent, ergebe sich genau die im Artikel 147 angesprochene Situation. Der öster­reichische Produzent werde dadurch in eine sehr schwierige Lage gebracht. Es sei Aufgabe des österreichischen Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, den betroffenen Schweinezüch­tern zu sagen, was er für sie tun könne, nicht aber, ihnen zu sagen, was alles nicht möglich sei.

Nach Ansicht der Freiheitlichen bestehe gemäß Artikel 147 eine Möglichkeit, die Situation für die österreichischen Schweinebauern zu verbessern. Abgeordneter Mag. Schweitzer fordert Bun­desminister Mag. Molterer neuerlich auf, auf der Basis dieses Artikels etwas zu unternehmen.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer erwidert, er habe be­reits darauf verwiesen, was er in Österreich schon getan habe und was er überdies plane. Eben­falls habe er bereist festgestellt, daß er Maßnahmen, von denen er sicher sei, daß sie falsch sind, nicht ergreifen werde, weil sie zum Schaden der österreichischen Schweinebauern ausge­hen würden.

Obmann Dr. Heinz Fischer schließt die Debatte zum 1. Punkt und leitet über zur Abstimmung über die zwei vorliegenden Anträge auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG.

Der Antrag der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Anna Elisabeth Aumayr betreffend Schweinefleischsektor, in dem die Bundesregierung unter anderem ersucht wird, “aufgrund der anhaltenden Krise auf dem österreichischen Schweinemarkt und der daraus entstandenen massiven Existenzbedrohung Tausender österreichischer bäuerlicher Schweinezuchtbetriebe als Sofortmaßnahme gemäß Artikel 147 EU-Beitrittsvertrag bei der EU-Kommission entspre­chende Schutzmaßnahmen zu beantragen”, bleibt in der Minderheit und ist abgelehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Mag. Doris Pollet-Kammerlander betreffend Schweinefleischsek­tor, in dem der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ersucht wird, “sich im Zusammen­hang mit der Krise am Schweinemarkt für eine nachhaltige Marktentlastung durch eine ökolo­gische und tierschonende Produktion einzusetzen”, bleibt ebenfalls in der Minderheit und ist abgelehnt. (Bundesminister Mag. Molterer verläßt die Sitzung.)

2. Punkt

Europäischer Rat Wien

COM KOM (98) 574 endg.

Leitlinien für die Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten 1999

(56548/EU XX. GP)

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima erachtet es für eine gute Gelegenheit, im Zuge einer Unter­brechung seiner gegenwärtig stattfindenden Tour des Capitales und unmittelbar vor dem Euro­päischen Rat in Wien mit dem Hauptausschuß über die österreichische Präsidentschaft disku­tieren zu können.

Diese Präsidentschaft sei bisher erwartungsgemäß und positiv verlaufen, entsprechend der österreichischen Absicht, im Sinne eines erfahrenen und ehrlichen Managers für die euro­päische Gemeinschaft tätig zu sein. Im operativen Bereich sei schon vieles geglückt, jahrelang blockierte Maßnahmen seien verwirklicht worden. Es brauche nur daran erinnert zu werden, daß es Österreich gelungen sei, zum Beispiel das 5. Rahmenprogramm für Forschung “flottzu­machen”, das Verkehrspaket zu lösen, Erfolg im schwierigen Bereich des Rahmenprogramms für Kultur zu erzielen und das lange andauernde Verfahren über die Frage der Finanzierung von Hilfsmaßnahmen durch NGOs zu beenden. Auch der konkrete Beginn der Beitrittsverhandlun­gen mit sechs Beitrittskandidaten sei zu erwähnen.

Was die nachhaltigen Orientierungen der Europäischen Union betrifft, seien ebenfalls Erfolge er­zielt worden. Trotz anfänglicher Kritik vor dem Treffen in Pörtschach sei dieses nach Ansicht aller internationalen Zeitungen zu einem Signal für die europäische Staatengemeinschaft gewor­den. Dieses Signal bringe klar und deutlich zum Ausdruck, daß in “Single Market” und “Single Currency” nicht das Ende des europäischen Integrationsprozesses erblickt werde und daß auch nicht Fragen von Renationalisierung und ähnlichem künftig als wichtige Fragen zum Politikfeld gemacht würden, sondern daß in den von den Bürgern präferierten Bereichen – Beschäftigungs­politik und Koordination der Wirtschaftspolitik, innere Sicherheit sowie Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – neue Orientierungen gegeben worden seien, die im Europäischen Rat von Wien ihre Fortsetzung finden würden.

Es sei beabsichtigt, dort in den politischen Schlußfolgerungen das Momentum der politischen Weiterentwicklung in den drei genannten Feldern aufzunehmen, diese als “Vienna Strategy” zu definieren und schließlich an die nächstfolgenden Präsidentschaften weiterzugeben.

Darüber hinaus würden im Rat von Wien zum Beispiel maßgebliche Beschlüsse im Zusammen­hang mit der Außenvertretung des Euro zu fassen sein. In den letzten zwei Tagen sei dem Bun­desminister für Finanzen ein entsprechender durchschlagender Erfolg gelungen. Die Vertretung des Euro gegenüber der G 7, dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank sei auf Ebene der EU-Finanzminister außer Streit gestellt worden, sodaß eine gute Entscheidungsbasis für das Wiener Gipfeltreffen bestehe. Auch zu den Themen der Subsidiarität und der stärkeren Einbeziehung der Parlamente werde es dort entsprechende Schlußfolgerungen geben.

Für besonders wichtig erachtet es Bundeskanzler Mag. Klima, daß in Wien erstmals die Gele­genheit bestehen werde, die Nationalen Aktionspläne für Beschäftigung gemeinsam zu analysie­ren und daraus Schlußfolgerungen zu ziehen. Dies werde einen Standard setzen. Es würden die beschäftigungspolitischen Leitlinien der Europäischen Union für das Jahr 1999 zu diskutieren und zu verabschieden sein. Diese Leitlinien beträfen insbesondere das lebenslange Lernen, die Unterstützungen für ältere Arbeitnehmer – anscheinend sei man mit 50 Jahren für Unternehmen nicht mehr attraktiv, sodaß zunehmend Grund zur Sorge über steigende Arbeitslosigkeit insbe­sondere in diesem Alterssegment bestehe –, die Verstärkung der Chancengleichheit mit größerer Unterstützung für Frauen und ein größeres Ausmaß an “Entrepreneurship”, also mehr unternehmerisches Handeln in Europa.

Mit der Betonung darauf, daß die Beschäftigungspolitik über die nationale Politik hinaus auch eine europäische Dimension habe, werde den gesamthaften Notwendigkeiten für eine erfolg­reiche Beschäftigungspolitik in Europa entsprochen.

Zur Frage der EU-Erweiterung verweist Bundeskanzler Mag. Klima darauf, daß es der österrei­chischen Präsidentschaft gelungen sei, jenes Momentum aufrechtzuerhalten. Daß jetzt mit sechs Kandidaten die Beitrittsverhandlungen beginnen können, sei als Erfolg des österreichi­schen Außenministeriums zu werten. In Wien werde die Gelegenheit bestehen, über die einzel­nen Staaten, die sich um die Mitgliedschaft bewerben, auf Basis eines guten Berichtes der Euro­päischen Kommission zu diskutieren und diese Staaten zu beurteilen. Schon jetzt lasse sich feststellen, daß die Beitrittskandidatenländer sehr positive Fortschritte in Richtung einer Annähe­rung der Wirtschafts- und Rechtsstandards entsprechend den Kopenhagener Kriterien – den Kriterien der Demokratie, der Menschenrechte und des Wirtschaftsraumes – erreicht hätten.

Bundeskanzler Mag. Klima erachtet es für besonders wichtig, auf der einen Seite klar und offen gegenüber den Kandidatenländern diesen Fortschritt unterstützend willkommen zu heißen, auf der anderen Seite aber ebenso deutlich eine realistische Perspektive in bezug auf die erforder­lichen Verhandlungen und auf die Leistungen, die diese Staaten vor der Mitgliedschaft noch zu erbringen hätten, zu skizzieren.

In bezug auf die Agenda 2000 – die internen Reformen der Europäischen Union – sei es unter österreichischer Präsidentschaft gelungen, jenen substantiellen Fortschritt zu erreichen, der seit Cardiff als Erwartung für das Gipfeltreffen von Wien gehegt worden sei. Dabei sei aber stets – auch schon in Cardiff – klar gewesen, daß die Entscheidungen zum Thema Agenda 2000, ins­besondere im Hinblick auf die Finanzaspekte und die detaillierten Beschlußfassungen im Be­reich der Agrar- und Strukturpolitik, in einem Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs im März 1999, also unter deutscher Präsidentschaft, fallen würden.

Es sei daher klar, daß insbesondere in den harten Diskussionen über die Finanzierung niemand von Anfang an seine Karten aus der Hand geben werde. Jedoch werde die österreichische Präsidentschaft sehr engagiert die gesamten technischen Fragen, auch sämtliche Rechtstexte betreffend, klären. Ein umfangreicher, mehrere hundert Seiten langer Bericht werde über den Stand der Rechtstexte und der politischen Vereinbarungen vorgelegt werden.

Zusätzlich habe sich die österreichische Präsidentschaft vorgenommen, ein Dokument anzufer­tigen, in dem die Schlüsselelemente der noch ausständigen Verhandlungen identifiziert und die möglichen Alternativen dargelegt werden, um damit der deutschen Präsidentschaft gleichsam ein auf wenige Seiten komprimiertes Arbeitspapier, in dem die Schlußentscheidungen entspre­chend dargestellt würden, übergeben zu können.

Neben den technischen Vorarbeiten – dafür, daß diese erfolgreich abgeschlossen werden konn­ten, spricht Bundeskanzler Mag. Klima den Hunderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesregierung, die in den Ratsarbeitsgruppen beste Arbeit geleistet hätten, seinen Dank aus – liege auch im Bereich der Strukturreformen bereits ein Ergebnis vor, daß zwar noch nicht vereinbart sei, aber doch ein Bild davon gebe, wo der Konsens liegen könnte.

Auch im Hinblick auf die Entwicklung des ländlichen Raumes sei die Richtung klargeworden, in die es gehen könnte. Schwierig im Agrarbereich sei allerdings – auch dies werde eine Sache des letzten Moments sein – die Frage der Marktordnung, und entsprechendes gelte für die Punkte Eigenmittelbericht sowie Haushaltsplan 2000 bis 2006.

Es sei wichtig, sich im Bereich der inneren Sicherheit nicht mit dem Erreichten zufriedenzuge­ben. Den Empfehlungen von Pörtschach folgend, werde im Rahmen des Gipfeltreffens in Wien eine Weiterentwicklung in der gemeinsamen Bekämpfung der organisierten Kriminalität festzu­schreiben sein. Dies gelte auch für die vom Innenministerium ausgearbeitete Vorlage für einen Aktionsplan zum Thema “Raum der Sicherheit, Freiheit und des Rechts”, der schließlich in Ver­einbarungen über Migrations- und Asylpolitik münden solle.

Hinsichtlich des Umweltbereiches erwartet sich Bundeskanzler Mag. Klima eine verstärkte Auf­forderung der Staats- und Regierungschefs, Umweltpolitik zu einer “Mainstreaming”-Politik zu machen. Diese reiche über einen Umweltministerrat hinaus; es sollten auch Berichte der Verkehrsminister, der Energieminister und der Landwirtschaftsminister zu diesem Thema einbe­zogen werden. Weiters bestehe die Absicht, zum Beispiel die Industrie-, Entwicklungs- und Fischereiminister sowie gegebenenfalls die Finanzminister einzubinden.

Ins Auge gefaßt sei weiters ein Auftrag an die EU-Kommission, sicherzustellen, daß durch ver­schiedene internationale Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes, aber auch der Wett­bewerbskommission nicht die Struktur der nationalen Sportverbände zerstört wird. In diesem Bereich solle Subsidiarität gelten und keine negative Beeinflussung durch allfällige Wettbe­werbs- oder Binnenmarktentscheidungen erfolgen.

Insgesamt werde der Rat von Wien – den Erwartungen der österreichischen Präsidentschaft entsprechend – zwei Dimensionen aufweisen: das engagierte Bearbeiten und Lösen anstehen­der Probleme sowie das Geben neuer Orientierungen für die Europäische Union.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum) zeigt sich darüber erfreut, vor einem solchen Gipfeltreffen die Gelegenheit zu einer Aussprache mit dem Bundeskanzler zu haben.

Manche Verhandlungsergebnisse seien tatsächlich bemerkenswert. Der jüngste Verkehrsmi­nisterrat habe ein als “Meilenstein” zu bezeichnendes Ergebnis mit sich gebracht. Hingegen sei es als eher normal zu betrachten, daß es zu einer Einigung – im mittleren Bereich der verschie­denen Forderungen – über das Budget für das 5. Forschungsrahmenprogramm gekommen ist. Dies sei keine spezielle Errungenschaft.

Ein Problem bestehe aus Sicht des Liberalen Forums darin, daß es Österreich nicht gelungen sei, seiner Präsidentschaft eine Punze aufzudrücken. Diese Präsidentschaft werde voraussicht­lich nicht in die Geschichte eingehen.

Abgeordnete Dr. Gredler bringt für das Liberale Forum einen Antrag auf Stellungnahme ein. Dessen Inhalt werde im folgenden dargelegt werden.

Die Aussage von Bundeskanzler Mag. Klima, daß der Beginn der Beitrittsverhandlungen mit sechs Ländern eine Errungenschaft der österreichischen Präsidentschaft sei, treffe nicht zu. Vielmehr falle man nach dem Acquis-Screening sozusagen von selbst in die Beitrittsverhandlun­gen hinein und könne sie nicht verhindern. Dies entspreche dem normalen Vorgang. Österreich habe nicht viel dazu beitragen müssen.

Mit Bezug auf die drei von Bundeskanzler Mag. Klima in diesem Zusammenhang erwähnten wichtigen Eckpunkte – Demokratie, Menschenrechte und Wirtschaftsraum – fragt Abgeordnete Dr. Gredler, warum es Österreich nicht geschafft habe, die Slowakei “mit an Bord zu nehmen” und mit sieben statt mit sechs Ländern die Verhandlungen aufzunehmen. Denn mittlerweile er­fülle die Slowakei die Kriterien, und es sei anzuerkennen, daß mit der neuen Regierung auch eine Stabilisierung der Demokratieentwicklung gegeben sei. In puncto Menschenrechte seien mit der neuen Regierung keine Schwierigkeiten zu erwarten, und die Kriterien für den Wirt­schaftsraum seien ebenfalls erfüllt.

Österreich werde etwas davon haben, wenn die Slowakei als angrenzendes Land in die Beitritts­verhandlungen aufgenommen werde. Schwieriger wäre die Lage, wenn die Slowakei außerhalb der Europäischen Union bliebe. Denn dann wären mit der Schweiz auf der einen und mit der Slowakei auf der anderen Seite zwei angrenzende Länder nicht Mitgliedstaaten, und dies würde die österreichische Position verschlechtern.

Was den Haushaltsbereich betrifft, habe Österreich offensichtlich nicht auf das von der EU-Kommission vor sechs Wochen bekanntgegebene Finanzierungspapier mit den Optionen der Beseitigung des britischen Rabatts und der Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik über nationale Kofinanzierung reagiert. Daher sei offengeblieben, in welche Richtung Österreich marschieren wolle. Das Europäische Parlament habe eine Erhöhung auf 3,75 Milliarden ECU beschlossen, um eine strategische Reserve zu bilden. Es sei überlegenswert, ob nicht dem Ge­dankengang des EU-Parlamentes in dieser Hinsicht Folge geleistet werden könnte, und es wäre wünschenswert, zumindest in Teilbereichen dieses Finanzpaketes noch im Rahmen der öster­reichischen Präsidentschaft zu einem Ergebnis zu kommen.

Bundeskanzler Mag. Klima habe auch von der Verankerung des “Mr. Euro” in drei Bereichen ge­sprochen. Diese Funktion werde von drei Personen betreut werden. Es sei im Hinblick auf die wünschenswerte Zerstörung der “gläsernen Decke” für Frauen schade, daß es nicht gelungen ist, auch eine Finanzexpertin in dieses Gremium zu berufen. Denn auch Frauen aus Österreich hätten sich auf dem Finanzsektor sehr bewährt.

Es sei an der Zeit, Frauen in Schlüsselpositionen zu bringen. Trotzdem sei auch auf GASP-Ebene keine Frau unter den Personen, über die verhandelt wird, vorzufinden. Auf dem Finanz­sektor, an der Spitze der Kommission und auch sonst in Spitzenpositionen sei weit und breit keine Frau zu erblicken, sodaß nicht von einem offensiven Zugang zu dieser Frage die Rede sein könne. Auch die österreichische Bundesregierung liege prozentuell weit unter dem, was in diesem Bereich wünschenswert wäre.

Hinsichtlich der Aktionsschwerpunkte der österreichischen Präsidentschaft äußert Abgeordnete Dr. Gredler ihr Bedauern darüber, daß Österreich sich zwar in bezug auf Kinderrechte sehr engagiert habe – insbesondere der Außenminister und die Staatssekretärin im Außenamt –, konkrete Schritte jedoch in Österreich selbst blockiert worden seien. Das Liberale Forum habe zwei Anträge – betreffend Kindersoldaten beziehungsweise -soldatinnen sowie Beschneidung – eingebracht, deren Behandlung ausständig sei. Würde dieses Thema in Österreich wirklich ernst genommen werden, müßte im Parlament so schnell wie möglich eine Einigung über diese nicht sehr umstrittenen Punkte herbeigeführt werden.

Hinsichtlich Beschäftigungspolitik sei es sehr bedauerlich, daß die Abgeordneten das bereits erwähnte “Non-Paper”, einen Entwurf der Präsidentschaft für den Europäischen Rat von Wien, nicht erhalten haben. Zwar würden Journalisten solche Informationen bekommen, aber offenbar seien die Parlamentarier dessen nicht würdig, sodaß es für Abgeordnete nötig sei, sich diese Diskussionsgrundlagen auf Umwegen zu verschaffen. Dies sei sehr bedenklich, darin sei schlichtweg ein Rückschritt für den Parlamentarismus an sich zu erblicken. Abgeordnete Dr. Gredler äußert den Wunsch – sie kritisiere dies nicht zum erstenmal in Anwesenheit des Bundeskanzlers –, daß die Regierungsseite die Parlamentarier respektiert, wie auch die Abge­ordneten die Regierung respektieren.

Die von Bundesminister Mag. Schlögl vorgestellten Papiere bezüglich GASP und innere Sicher­heit hätten eine sehr problematische Entwicklung genommen. Damit sollte im Sinne euro­päischen Denkens anders umgegangen werden. Zumindest sollte der Beitritt der Europäische Union zur Genfer Menschenrechtskonvention angestrebt werden.

In bezug auf die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik stimmt Abgeordnete Dr. Gredler der Analyse des österreichischen Botschafters Petritsch zu, daß diese Politik unterentwickelt sei und daß es der Europäischen Union gut anstünde, konkrete Maßnahmen nicht nur zu disku­tieren, sondern auch umzusetzen.

Bezüglich des Antrages auf einen Zeitplan zur Herstellung und Evaluierung von Nationalen Aktionsplänen stellt Abgeordnete Dr. Gredler fest, daß die Indikatoren beziehungsweise die Datensammlung zur Forcierung des sogenannten “Gender Mainstreaming”-Ansatzes durch ge­schäftsspezifische aliquote arbeitsmarktpolitische Förderungen zum Teil bereits erwähnt worden sei.

In bezug auf die Senkung der Steuer- und Abgabenlasten – insbesondere hinsichtlich der Lohn­nebenkosten – durch schrittweise Ökologisierung des Steuersystems sei anzunehmen, daß mit der neuen deutschen Regierung eine gute Partnerschaft eingegangen werden könnte.

Was die beschlossenen Maßnahmen zur Frauenbeschäftigung betrifft, sei es bedauerlich, daß diese Vorschläge nicht in die Vorschläge der EU-Kommission für die Leitlinien der Beschäfti­gungspolitik der Mitgliedstaaten 1999 aufgenommen wurden.

Es wäre wichtig, die Eingliederung von gesellschaftlich benachteiligten Gruppen und Einzelper­sonen in den Arbeitsmarkt durch die Vorbereitung einer umfassenden Antidiskriminierungsricht­linie voranzubringen. Mit Bezug auf den gestrigen Welt-Aids-Tag merkt Abgeordnete Dr. Gredler an, daß diese Personengruppe ebenfalls unter eine solche Richtlinie fallen würde.

Obmann Dr. Heinz Fischer informiert darüber, daß das erwähnte “Draft Non-Paper of the Presidency” von Brüssel am 26. November in einem Stoß von insgesamt 300 Dokumenten per Telefax nach Wien übermittelt wurde. Dieses Material sei inzwischen nach Maßgabe der Kapa­zitäten systematisch in den Computer eingegeben worden. Seit heute sei auch das “Non-Paper” im Rechner abrufbar.

Wie von seiten der Parlamentsmitarbeiterinnen, die mit der Bearbeitung beauftragt sind, präzi­siert wird, bestehe im Fall des Bedarfs nach einem aktuellen Dokument die Möglichkeit, die Parlamentsdirektion anzurufen. Dort werde dann in dem Stoß von Dokumenten, die noch nicht Eingang in die Datenbank gefunden haben, nach dem benötigten Dokument gesucht.

Es liege ein einvernehmlicher Beschluß vor, wonach diese Dokumente über die Botschaft in Brüssel direkt der Parlamentsdirektion übermittelt werden. Diese Vorgangsweise werde auch eingehalten. Es sei in diesem Fall bedauerlich, daß sich die Bereitstellung um einen oder zwei Tage nicht ausgegangen und das “Non-Paper” erst am heutigen Tag in die EDV gelangt ist.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima beantwortet die Bemerkung der Abgeordneten Dr. Gredler, daß die Bundesregierung die Parlamentarier ernst nehmen solle, damit, daß die Bundesregie­rung dies tue.

Es sei der Wunsch der Parlamentarier gewesen, daß Dokumente aus Brüssel nicht über das jeweilige Ministerium dem Parlament übermittelt werden, mit der Begründung, daß dies noch länger dauern würde. Um den Zeitaufwand geringer zu halten, sei festgelegt worden, daß alle EU-Dokumente aus Brüssel direkt ans Parlament gelangen.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) stellt fest, daß das genannte Dokument im Parlament eingelangt, aber seines Wissens vom Sozialministerium übermittelt worden ist. Die Botschaft in Brüssel habe in diesem Fall Verspätung gehabt, von dort sei dieses Dokument noch nicht eingetroffen. Es werde daher mit dem Botschafter in Brüssel über die Übermittlung von Doku­menten zu sprechen sein. Allerdings sei auch dort in letzter Zeit viel zu tun gewesen.

Abgeordneter Schieder stellt fest, es müsse – auch auf die Gefahr hin, daß es heißt, man mache es sich mit diesem Lob sehr einfach – mit aller Deutlichkeit gesagt werden, daß sich die EU-Präsidentschaft für Österreich bis jetzt ausgezeichnet ausgewirkt habe. Dies sei nicht nur für Österreich, sondern für die kleineren und die neuen Mitgliedstaaten der EU insgesamt wichtig. Es habe bekanntlich eine Debatte darüber gegeben, ob einem neuen Mitgliedstaat schon nach so kurzer Zeit der Vorsitz überlassen werden sollte. Mit den Erfolgen der österreichischen Prä­sidentschaft sei jetzt diese Debatte beendet, und alle seien sich darüber einig, daß sich Öster­reich im Vergleich mit den Vorgänger-Präsidentschaften – auch denen großer Länder – wahrlich nicht zu schämen brauche. Dies sei ein schöner Erfolg für Österreich.

Abgeordneter Schieder äußert sich zufrieden über die Zusammenarbeit mit der Bundesregie­rung im Zuge der parlamentarischen “Events” und dankt Bundeskanzler Mag. Klima dafür. Sowohl in den Außenpolitischen Ausschüssen als auch in der COSAC sowie in der gestrigen Sitzung der Parlamentspräsidenten sei der Bundeskanzler Rede und Antwort gestanden. Dies sei für die verschiedenen parlamentarischen Foren sehr wichtig gewesen.

Es seien auch Wünsche aus der Präsidentschaft heraus entstanden, die nach deren Abschluß nicht vergessen werden mögen. Erstens sei es wünschenswert, daß seitens des “Mr.” oder der “Mrs. GASP”, die noch zu bestimmen sein werde, die Bereitschaft besteht, mit den Vertretern der nationalen parlamentarischen Außenpolitischen Ausschüsse vor oder nach den Sitzungen Hearings durchzuführen. Zweitens habe Kommissar Dr. Oreja die Zusicherung gegeben, er werde alle relevanten Dokumente, die an die Parlamenten ergehen, ins Internet stellen lassen. Dafür sei, sofern der Rat nichts dagegen hat – worum er hiermit gebeten werde, damit Kommissar Dr. Oreja keine Ausrede hätte, es nicht zu tun –, die COSAC vorgesehen.

Abgeordneter Schieder ersucht die österreichischen Europaparlamentarier, den Vorschlag des Europäischen Parlamentes, daß das legislative Programm im Kreis der COSAC vorbesprochen wird, zu unterstützen, damit eine von zwei Vizepräsidenten darüber abgegebene Zusage gegen­über den parlamentarischen Europaausschüssen auch verwirklicht werde.

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche) stellt in bezug auf das Thema Beschäftigung Bundeskanzler Mag. Klima die Frage, ob all das, was der Bundeskanzler zu diesem Thema ge­sagt und vielfach schriftlich niedergelegt hat, nicht dazu führe, daß es sich Österreich relativ ein­fach macht. Zwar werde von Erfolgen gesprochen, und es werde angezeigt, welche Maßnah­men ergriffen werden sollen, aber dabei sehe die Wirklichkeit etwas anders aus.

Trotz oder gerade wegen der Präsidentschaft sei die Zukunftssicherheit der Arbeitnehmer im allgemeinen – in Österreich und in Europa – im Abnehmen begriffen. Es komme zu gigantischen Fusionierungen wie zum Beispiel jener zwischen Telekom Austria und Telecom Italia mit dem geplanten Personalabbau im Ausmaß von 9 500 Mitarbeitern in Österreich und 30 000 Mitar­beitern in Italien.

Die soziale Verantwortung in den Regierungen sei anscheinend etwas Unanständiges gewor­den. Die Qualität der Arbeitsplätze sei in den letzten Jahren massiv gesunken. Viele Kündigun­gen – zum Beispiel in der OMV, wo Bundeskanzler Mag. Klima selbst jahrelang beschäftigt war – seien mit dem Abbau qualifizierter und sicherer Arbeitsplätze verbunden gewesen. Es komme immer mehr zu Billigjobs, mit niedrigeren Einkommen, und noch dazu nicht auf Dauer angelegt. Darunter leide die Qualität der Arbeitsplätze.

Auch wenn Nationale Aktionspläne für Beschäftigung und ähnliches mehr erstellt werden, sei es eine Tatsache, daß in bezug auf die Lehrlingsbeschäftigung ein Kaufen von Arbeitsplätzen vor sich gehe. Immer öfter werde mit der Einstellung von Lehrlingen zugewartet, weil ja vielleicht noch eine Förderung erfolgen könnte. So komme es dazu, daß Arbeitsplätze nur noch auf die Weise erhalten werden, daß von der Bundesregierung, etwa vom Finanzminister, finanzielle Mittel für die Beschäftigungsförderung zur Verfügung gestellt werden.

In bezug auf die EU-Erweiterung wäre es für Arbeitnehmer interessant, zu erfahren, welches Ausmaß an Zuwanderung die Folge wäre, insbesondere wie viele Pendler nach Österreich kommen würden. Schätzungen zufolge würden es ungefähr 200 000 bis 300 000 Pendler sein, sofern es zur EU-Osterweiterung käme.

Abgeordneter Gaugg stellt fest, daß das Liberale Forum hinsichtlich der Aufnahme von Ver­handlungen mit der Slowakei eine eigenartige Rolle spiele. Vor kurzem sei noch behauptet worden, daß die Slowakei kein sicheres Drittland sei, und jetzt werde die Forderung erhoben, die Slowakei solle unmittelbar der Europäischen Union beitreten. Angesichts dieser schwankenden Haltung seitens des Liberalen Forums bestehe Erklärungsbedarf.

Es stelle sich die Frage, ob man nicht Gefahr laufe, sich durch geschönte Statistiken und der­gleichen selbst zu belügen, und ob es nicht zutreffe, daß die Arbeitslosenrate in Österreich unter Einbeziehung der zwangsweise in den Ruhestand getretenen Frühpensionisten erheblich höher ist, als heute dargestellt wird. Es wäre wünschenswert, wieder etwas mehr Ehrlichkeit und soziale Verantwortung in den Mittelpunkt des politischen Handelns – insbesondere der Regie­rung, da ihr zweifelsohne mehr Möglichkeiten als den Oppositionsparteien zur Verfügung stün­den – treten zu lassen.

Abgeordneter zum Europäischen Parlament Dr. Reinhard Rack (ÖVP) verweist darauf, daß das Europäische Parlament in seiner Plenarsitzung vom November seinen ersten Mitbestim­mungsanteil in bezug auf die Strukturreformvorschläge der Europäischen Kommission geleistet habe. Diese Formulierung des Sachverhalts habe damit zu tun, daß das EU-Parlament bei diesem Thema in einer etwas schwierigen, gleichzeitig aber spannenden Situation sei. Denn es werde erst nach der Ratifikation des Vertrages von Amsterdam die vollen Mitbestimmungs­rechte – oder zumindest weit mehr Mitbestimmungsrechte als jetzt – bekommen.

Daher sei in Form eines Gentlemen’s Agreement sowohl mit der britischen als auch mit der österreichischen Präsidentschaft vereinbart worden, daß das Parlament materiell so gehalten sein soll, als ob es diese Rechte bereits hätte. Es liege ja im Interesse aller Beteiligten, daß der­art wichtige Strukturentscheidungen in Europa unter demokratischer Mitwirkung der gewählten Parlamentarier fallen.

Es sei in diesem Zusammenhang dringend notwendig, daß – gerade deshalb, weil sich für den Zeitraum der deutschen Präsidentschaft eine Debatte über die heißen Finanzierungsfragen ab­zeichne – zu den Fragen, in denen bisher Grundsätzliches diskutiert und vorentschieden worden sei, auf der Ebene des Wiener Gipfeltreffens Stellung bezogen wird. Denn wenn es nicht dazu käme, daß die Dinge in einem dialoghaften Verfahren zwischen den beiden Seiten der Gesetz­gebungsbehörde – dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament – Schritt für Schritt vorangetrieben werden, dann könnte es dazu kommen – vom Zeitplan her sei diese Gefahr real gegeben –, daß im April 1999 eine Art institutionelle Krise entsteht, weil dann das EU-Parlament plötzlich vor die Frage “Friß, Vogel, oder stirb!” gestellt sein könnte. Dies wäre für niemanden gut.

Daraus ergebe sich die Bitte, daß der Rat in bezug auf jenen Bereich, in dem sich das Euro­päische Parlament auf einige auch für Österreich wichtige Kriterien konzentriert habe, entspre­chende Gespräche über diese Themen aufnehmen möge. Zu diesen wichtigen Themen ge­höre – über das Kriterium der 75-Prozent-Grenze und das Kriterium der Arbeitslosigkeit hinaus – auch das regionale Bruttoinlandsprodukt als weiteres inhaltlich relevantes Kriterium. Dies sei für Österreich sehr wichtig, insbesondere hinsichtlich der regionalen BIP-Unterschiede. Es seien auch relative Arbeitslosenkriterien angesprochen worden – ebenfalls von großer Bedeutung für ein Land wie Österreich mit verhältnismäßig sehr guten Zahlenwerten. Auch eine sehr gute Position zum Thema Grenzregionen und Grenzregionenförderung sei erreicht worden.

Es stünde im Interesse aller Beteiligten – der europäischen Ebene genauso wie der Österreicher selbst –, die Diskussion darüber soweit wie möglich aufzugreifen und voranzutreiben. Dann werde es im Europäischen Parlament auch leichter sein, in der Schlußphase relativ rasch – hoffentlich – ja zu sagen.

Auch die österreichischen Europaparlamentarier seien daran interessiert, Dokumente wie das genannte “Non-Paper”, die auf der Ebene der Präsidentschaft produziert werden, rechtzeitig zu erhalten. Sie müßten ebenfalls Fragen darüber beantworten, würden aber auf der gegenwärti­gen Verteilerliste nicht aufscheinen. Eine rechtzeitige Übermittlung würde die Arbeit um einiges erleichtern.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) hält den Ausführungen von Bundeskanzler Mag. Klima über das Gipfeltreffen in Pörtschach entgegen, daß sie diese optimistische und positive Einschätzung keineswegs teilen könne, allein schon aufgrund der zeitlichen Abfolge der Vorbereitungen. Denn jenes Gipfeltreffen habe die österreichische Präsidentschaft mehr oder weniger unfreiwillig auf sich nehmen müssen, und von ihr sei es dann unter dem Titel “Bürger­nähe” sehr lange mitgetragen, um nicht zu sagen “verkauft” worden. Davon sei aber in den Er­gebnissen nur noch wenig zu spüren gewesen; diese seien eher ein Potpourri aus allen mög­lichen aktuellen Fragen gewesen. Zwar mochten diese Fragen wichtig sein, sie hätten aber wenig mit den Erwartungen von vielen, nämlich mit der Zuspitzung auf eine erkennbare Schwer­punktsetzung der österreichischen Präsidentschaft, zu tun gehabt. Von dem, was genannt wurde, sei nach den inzwischen verstrichenen Monaten wenig erkennbar. (Obmannstellvertreter Dr. Brauneder übernimmt um 13.58 Uhr den Vorsitz.)

In bezug auf eines der genannten Themen, die Osterweiterung, lasse die österreichische Präsi­dentschaft tatsächliches Engagement vermissen. Denn in verschiedenen Phasen während der letzten Monate hätte es zu einer stärkeren Akzentuierung kommen können. Im Prinzip sei die Agenda 2000 nur so wahrgenommen worden, wie sie bereits vorgelegen sei und wie sie in zeitlicher Hinsicht habe erfüllt werden müssen.

Abgeordnete Mag. Kammerlander widerspricht der Einschätzung, daß im jüngsten Verkehrsmi­nisterrat ein so günstiges Ergebnis erreicht worden sei, und äußert ihr Bedauern darüber, daß in allen Medien heute so euphorisch darüber berichtet werde.

In der Beschäftigungspolitik der Europäischen Union erblickt Abgeordnete Mag. Kammerlander ein Thema, das noch die Chance habe, zu einem Schwerpunkt der österreichischen Präsident­schaft zu werden. Das genannte “Non-Paper” sei – wenngleich nur in der Fassung des ersten Entwurfs – inzwischen im Hauptausschuß zur Verteilung gelangt. Es könne zwar zugestanden werden, daß, wenn eine so große Zahl von Dokumenten ins Parlament gelangt, manches nicht rechtzeitig eingegeben werden könne. Aber die kritische Haltung rühre in diesem Fall insbeson­dere daher, daß Bundesministerin Hostasch dieses Papier bereits der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Abgeordnete Mag. Kammerlander erachtet es für sehr “originell”, ein solches “Non-Paper” in einer Ratspräsidentschaft der Öffentlichkeit vorzustellen, und mahnt an, daß die Abgeordneten das Dokument vor dieser Vorstellung oder wenigstens zum selben Zeitpunkt hätten in Händen haben sollen. Daß dies nicht der Fall war, errege zu Recht Unmut.

Mit Erstaunen, aber auch mit Freude könne festgestellt werden, daß einige Vorstellungen Ein­gang in dieses “Non-Paper” gefunden hätten, die im Hauptausschuß bereits seit langem disku­tiert und zum Teil bereits während der Präsidentschaft von Luxemburg schriftlich niedergelegt worden seien. Dazu gehöre die Koordinierung der Wirtschaftspolitik im Bereich von Fiskal-, Geld-, Budget- und Steuerpolitik ebenso wie die Harmonisierung der Steuerpolitik.

Es werde in diesem Dokument weiters die – von Bundesministerin Hostasch sehr vorsichtig an­gesprochene – Einbeziehung der Europäischen Zentralbank in die Fragen der Beschäftigungs­politik angesprochen. Abgeordnete Mag. Kammerlander fragt, wie weit der Dialog mit der EZB gehen werde und in welchem Ausmaß die Wirtschaftspolitik mit der Beschäftigungspolitik abge­stimmt werden sollte.

Einer der Hauptkritikpunkte der Grünen gegenüber Beschäftigungsplänen in der Europäischen Union im allgemeinen bestehe darin, daß sich die Beschäftigungspläne bisher ausschließlich mit Arbeitsmarktpolitik befaßt hätten. Dies sei aber zu wenig und zu kurz gegriffen. Diese Pläne hätten sich nicht mit den eigentlichen Ursachen der Arbeitslosigkeit und daher auch nicht mit entsprechenden Maßnahmen befaßt. Dies habe – wie auch von der Europäischen Kommission festgestellt – dazu geführt, daß ein viel zu geringer Konkretisierungsgrad erreicht worden sei, daß die Budgetklarheit fehle – die Grünen hätten vor einem dreiviertel Jahr im Plenum kritisiert, daß im nationalen Beschäftigungsplan die Konkretisierung fehle und keine Budgetzahlen vor­handen seien – und daß die verschiedenen Maßnahmenpakete unter mangelnder Kohärenz litten. Bereits bestehende Beschäftigungsmaßnahmen würden einfach eine Fortschreibung er­fahren, ohne aufeinander abgestimmt zu werden. Dies führe unweigerlich zu einer Konkurren­zierung der einzelnen Maßnahmen, wodurch die Umsetzung eingeschränkt werde. Andere Fol­gewirkungen ließen sich derzeit erst erahnen und noch nicht in vollem Umfang erfassen.

Unter den beschäftigungspolitischen Maßnahmen komme dem frauenpolitischen Aspekt – dem “Gender Mainstreaming”, wie es häufig genannt werde – besondere Bedeutung zu. Es lasse sich bereits erkennen, daß die Erreichung einer höheren Erwerbsquote in der Frauenbeschäfti­gung allein noch überhaupt keine Aussagekraft habe, wenn gleichzeitig Teilzeitbeschäftigung und flexible Arbeitszeitverhältnisse wieder einmal verstärkte Erwähnung fänden. Dies führe nur zu einer “Zementierung” der ohnehin schon vorhandenen geschlechtsspezifischen Arbeitsmarkt­segregation. Als einzige konkrete Maßnahme in dieser Hinsicht fänden die Kinderbetreuungsein­richtungen Erwähnung, alle anderen erforderlichen Maßnahmen seien in dem “Non-Paper” bisher nicht vorzufinden.

Es wäre den Grünen wichtig, der Beschäftigungspolitik in der Europäischen Union denselben Stellenwert und dieselbe Verbindlichkeit wie der Wirtschafts- und Währungspolitik einzuräumen. Außerdem sei, wie bereits erwähnt, die Koordinierung von Geld-, Fiskal-, Steuer-, Wirtschafts- und Sozialpolitik eine Notwendigkeit. Zum dritten müßte die Beschäftigungspolitik auf alle davon be­troffenen Bereiche ausgeweitet werden, nicht nur auf die soeben genannten, sondern zum Bei­spiel auch auf sozialpolitische Aktionsprogramme zur Armutsbekämpfung.

Abgeordnete Mag. Kammerlander verweist darauf, daß die Grünen zu diesen Themen einen umfassenden Antrag auf Stellungnahme eingebracht haben, in dem auf die verschiedenen Maßnahmen und Notwendigkeiten eingegangen werde. Die Berichterstattung über das “Non-Paper” lasse die Vermutung zu, daß die Grünen mit diesem Antrag auf Zustimmung stoßen müßten, weil genau jene Bereiche aufgegriffen worden seien, welche Bundesministerin Hostasch in den letzten zwei Tagen gegenüber der Öffentlichkeit erläutert habe.

Abgeordnete Mag. Kammerlander fragt, ob geplant sei, ein derzeit diskutiertes Statut der Abge­ordneten des Europäischen Parlamentes – einem gemeinsamen Wunsch der Grünen und der europäischen Abgeordneten gemäß – als Tagesordnungspunkt für das Wiener Gipfeltreffen auf­zunehmen. Dies wäre nötig, damit das Statut bis zu den nächsten Wahlen für das Europäische Parlament Rechtskraft erlangen könnte.

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) gibt zu bedenken, daß Oppositionspolitik nicht immer nur zwischen apokalyptischer Betrachtungsweise und schwerer Depression pendeln könne; es müsse auch möglich sein, sich über errungene Erfolge schlicht und einfach zu freuen. Er spricht sich weiters gegen den Komplex aus, unter dem mancher in Österreich gelitten habe, nämlich daß Österreich 1918 als Hegemonialmacht in Zentraleuropa zugrunde gegangen sei. Ähnliches gelte auch für den großdeutschen Zugang, der nach 1945 schwer depressiv gewesen sei.

Statt solche emotionalen Reaktionen zu zeigen, sei es angebracht, das Augenmerk darauf zu richten, daß Österreich als kleines Land und relativ junges EU-Mitglied mit dem, was es nach den wenigen Monaten seiner Ratspräsidentschaft vorzuweisen habe, eine beachtliche Erfolgs­kette darstellen könne. Die Oppositionspolitik würde dadurch an Glaubwürdigkeit gewinnen, daß sich die Oppositionsfraktionen bereit erklären könnten, auch das Positive anzuerkennen und zu akzeptieren.

Angesichts der im vorliegenden Papier genannten 1,7 Millionen Jobs in den letzten Monaten der Ratspräsidentschaft sei eine Qualifizierung möglich, wie sie der Abgeordnete Gaugg zuvor mit seinem Appell an einen übermächtigen Staat vorgenommen habe. Eingedenk der Engpässe in den öffentlichen Haushalten der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten sei aber klar, daß die Erwartung, es könnten in kurzer Zeit Millionen neuer Jobs nur aus diesen Haushalten finan­ziert werden, nicht zutreffe. Es habe keinen Sinn, eine solche Sicht der Dinge zu entwickeln, nur weil man keine Verantwortung trage. Allerdings brauche man auch nicht – wie die deutschen Grünen – mit einer Benzinpreiserhöhung um 6 Pfennig zufrieden zu sein, wenn man dann an der Macht ist. Angebracht wäre eine realistische Sicht der Dinge.

Daß die Grünen auf die Bürgernähe-Argumentation der deutschen Konservativen hereingefallen seien, vor allem auf die Argumentation des früheren Bundeskanzlers Kohl, obwohl dieser doch nur herausgefunden habe, daß seine Chance, im Amt zu bleiben, in dem Maße steige, in dem er irgendwelche bürgernahen Konzeptionen – sprich: Renationalisierungskonzeptionen – verfolgen würde, und deswegen diese Initiative gestartet hätten, sei besonders verwunderlich.

Als einen der Punkte, die er für besonders wichtig erachte, nennt Abgeordneter Dr. Cap jenen Bereich des “Non-Papers”, auf den das “Non” inzwischen nicht mehr zutreffe. Er ersucht Bun­deskanzler Mag. Klima, dazu Stellung zu beziehen.

Wer die öffentlichen Auftritte von Bundesministerin Hostasch beachtet habe, werde ihren Aus­sagen in der Pressekonferenz über das “Non-Paper” entnommen haben, daß zwei Punkte besonders geeignet seien, sie sich “auf der Zunge zergehen” zu lassen. Zum einen betreffe dies die Aussage, daß mit der Einführung einer eigenen Leitlinie für Chancengleichheit erstmals in der Geschichte der Europäischen Union die Gleichbehandlung von Männern und Frauen in einem verbindlichen politischen Beschäftigungsprogramm festgeschrieben worden sei.

Abgeordneter Dr. Cap fragt, warum nicht auch aus der Sicht von Oppositionsparteien zugege­ben werden könne, daß dies eigentlich schön, positiv und ein Erfolg sei und daß auf diese Weise eine Dynamik beginne, die sich genau mit der von allen gewünschten Zielsetzung weiter­entwickeln werde.

Die zweite interessante Aussage der Aussendung von Bundesministerin Hostasch bestehe darin, daß den Leitlinien durch die Anstrengungen der österreichischen Präsidentschaft auch ein umfassender makroökonomischer Ansatz zugrunde gelegt worden sei. Dies heiße, daß verschiedene Politikfelder – in Klammer: Wirtschafts-, Währungs-, Bildungspolitik et cetera – für eine erfolgreiche Beschäftigungspolitik zusammenwirken müßten.

Abgeordneter Dr. Cap stellt fest, daß dies etwas Neues sei. Immerhin sei es jetzt dezidiert fest­gelegt worden, und auf dieser Basis könne man weiterarbeiten. Dies beantworte auch die Zweifel und die Skepsis über das Verhältnis zu EZB oder ECOFIN. Zwar müsse man nicht die Strategie des Elefanten im Porzellanladen wählen, für die sich der deutsche Finanzminister Lafontaine entschieden habe, aber man könne sich dessen bewußt sein, daß Währungspolitik und Beschäftigungspolitik in irgendeiner Weise zusammengehören. Auf dieser Basis müsse man versuchen, eine sehr vernünftige Form der Koordinierung zustande zu bringen.

Ebenfalls positiv sei zu vermerken, daß jetzt im Europäischen Parlament ein Prozeß des Über­denkens der Verwendung von Geldern durch die Europäische Kommission eingesetzt habe. Ein österreichischer sozialdemokratischer Europaabgeordneter habe Wesentliches dafür geleistet, um diesen Prozeß der Klärung in Gang zu setzen. Das sei schmerzhaft, aber in gewissen Ab­ständen anscheinend immer wieder notwendig. Die Österreicher könnten stolz darauf sein, einen Beitrag zu diesem positiven Faktum geleistet zu haben.

Abgeordneter Dr. Cap fragt mit Bezug auf Medienberichte über Proteste aus Spanien und ver­gleichbaren Ländern gegen ein Einfrieren der Beitragszahlungen, ob die PHARE-Mittel auf Dauer für die Finanzierung der Vorbereitung der Kandidaten auf die EU-Erweiterung ausrei­chend sein würden. Der Komplex der Erweiterung zeige, daß ein neues, realistisches Heran­gehen im Gange ist, und umso wichtiger sei es, daß in der österreichischen Ratspräsidentschaft mit den Gesprächen und Verhandlungen begonnen worden ist, damit es auch auf seiten der Kandidaten zu einer realistischeren Sichtweise kommen möge.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche) stellt – an die Ausführungen des Abgeordne­ten Dr. Cap anknüpfend – fest, daß er Wirtschafts-, Finanz- und Beschäftigungspolitik zwar ebenfalls als kommunizierende Gefäße betrachte, aber bedauerlicherweise noch nicht deren Gleichrangigkeit erkennen könne, auch wenn die Beschäftigungspolitik in der Europäischen Union derzeit besser als vor zwei Jahren gestellt sei. Die EU sei zwar auf dem Weg dazu, die Beschäftigungspolitik eingedenk der kommunizierenden Gefäße im Zusammenhang mit Wirt­schafts- und Finanzpolitik sowie anderen fiskalischen politischen Maßnahmen im begleitenden Bereich – wie etwa der Regionalentwicklung, der Grenzlandförderung und so weiter – zu betrachten, aber von einer Gleichstellung werde noch lange keine Rede sein können.

Abgeordneter Mag. Haupt fügt hinzu, er werde erst dann, wenn diese Gleichstellung erreicht sein werde, solche Aussagen wie die aus den Presseaussendungen von Bundesministerin Hostasch zitierten mit Freude begrüßen. Bis dahin aber werde er derartige Aussagen als das betrachten, was sie seien, nämlich als Absichtserklärungen. Denn sie stünden auch im Gegen­satz zu der seiner Ansicht nach rechtlich zutreffenden Stellungnahme der Europäischen Kom­mission, wonach solche Absichtserklärungen leider nicht verbindlich seien, sondern daß dieser Bereich nach wie vor stärker der nationalen Souveränität unterworfen und daher kritisch zu hinterfragen sei.

Gerade Regierungsmitglieder, Politiker in verantwortlicher Position sollten der Bevölkerung auch dort die Wahrheit sagen, wo man sich auf gutem Weg befinde, das Ziel aber noch nicht erreicht habe. Es sei nichts davon zu halten, daß der Bevölke­rung ein Ziel vorgegaukelt wird, welches noch nicht erreicht sei, und damit falsche Hoffnungen in den wichtigen Bereichen der sozialen Sicherheit und der Beschäftigungspolitik erweckt werden.

Abgeordneter Mag. Haupt stellt klar, daß er auch die Euphorie im Zusammenhang mit den am Vortag abgeschlossenen Transitverträgen nicht teile, da ihm noch in Erinnerung sei, daß Bun­desminister Dr. Einem lautstark angekündigt habe, er werde bei einem Unterschied der Mautge­bühren zwischen Österreich und der Schweiz im Ausmaß von 20 ECU zurücktreten oder seine Unterschrift verweigern. Den heute vorliegenden Presseaussendungen über den Vertrag mit der Schweiz sei zu entnehmen, daß der Unterschied mehr als das Fünffache des damals genannten Betrages ausmache.

Im österreichischen Parlament hätten seinerzeit die beiden Regierungsparteien eine Resolution zur Transitproblematik verabschiedet, und diese sei jetzt gebrochen worden. Dies lasse keine Anzeichen einer Verantwortung der Bundesregierung vor der Hoheit des Parlamentes und auch nichts von der verfassungsmäßigen Verantwortung dem Parlament gegenüber erkennen. Da das Parlament verfassungsgemäß das Recht der Mitsprache habe, wäre es nach der mit abso­luter Mehrheit verabschiedeten Resolution von ÖVP und SPÖ im Nationalrat zumindest notwen­dig gewesen, das Parlament in entsprechender Form über eine abgeänderte Haltung im Hinblick auf die Resolution und die Bindungsmöglichkeiten zu informieren. Auch dies sei nicht gesche­hen. Daher sei es angebracht, das eine oder andere aus parlamentarischer Sicht zu hinter­fragen.

Derzeit habe die Regierung, wie zugegeben werden müsse, die Euphorie der Medien hinter sich. Aber in einem oder in eineinhalb Jahren werde das faktische Bewußtsein der Bevölkerung, die an den Transitrouten lebt, die heutigen Medienberichte in geeigneter Form korrigieren. Denn auch das Verhandlungspaket mit der Schweiz über die 40-Tonnen-LKW mache den Verzicht Österreichs auf entsprechende Notregelungen evident. Dies stelle eine Kapitulation dar, und für den Fall, daß der Transfer der Kapazität in die Schweiz nicht funktioniert, werde sich erweisen, daß die im Vertrag festgeschriebenen erhöhten Kontingente nichts anderes als eine politische Fassade seien, um diese Kapitulation zu kaschieren. Eine solche Vorgangsweise sei zwar legitim, aber ebenso sei es eine legitime Vorgangsweise der Opposition, darauf hinzuweisen und die Sache in dieser Weise zu betrachten.

Abgeordneter Mag. Haupt fügt hinzu, daß er sich mehr gewünscht hätte, auch im Hinblick auf die Verantwortung um die Bundesverfassung und die Rechte des Parlamentes. Wünschenswert wäre bei diesem Vertrag eine größere Akzeptanz von mehrheitlich verabschiedeten Resolutio­nen und Entschließungen des Parlamentes gewesen. Beides aber sei unterblieben. Die Bewer­tung werde die Öffentlichkeit vornehmen, nicht hier und heute der Hauptausschuß. Aber es sei angebracht, die Positionen bereits hier aus der Sicht der Opposition zu relativieren.

Mit Bezug auf die drei von Bundeskanzler Mag. Klima genannten Kriterien für die Osterweite­rung, nach denen die österreichische Bundesregierung vorgehen werde und die für den Zeitplan ins Treffen geführt worden seien – Demokratie, Menschenrechte und Wirtschaftslage –, stellt Abgeordneter Mag. Haupt fest, daß aus seiner Sicht die Osterweiterung auf Slowenien und die Tschechische Republik hinterfragenswert sei, solange in diesen Staaten die Menschenrechte für die deutschsprachige Minderheit nicht in entsprechender Form gewahrt würden. Langfristig werde der Weg der bilateralen Verhandlungen, auf den die Bundesregierung setze, nicht zum Erfolg führen.

Es habe sich am Beispiel Sloweniens gezeigt, daß die italienische Vorgangsweise, mit hartem Veto zu arbeiten, zu größerem Erfolg führe als der weiche, bilaterale Verhandlungskurs, den Österreich verfolge. Wenn dies so weitergehe, würden zwar alle anderen EU-Staaten ihre Rechte in den späteren neuen Mitgliedstaaten erreicht haben, aber Österreich werde für seine dort noch lebenden Minderheiten die Wahrung ihrer Rechte versäumt haben, und dies noch dazu in dem Bewußtsein, daß auch die Menschenrechte ein wichtiges Kriterium der Osterweite­rung seien. Daher müsse man dieser Frage in den jetzigen bilateralen Gesprächen größeres Augenmerk widmen und stärkeren Nachdruck verleihen.

Es sei zwar für positiv zu erachten, daß in der Atompolitik gegenüber diesem Bereich einiges in die Wege geleitet worden sei, aber im Fall der Minderheitenrechte in Slowenien und in der Tschechischen Republik sei nichts bewegt worden. In der Gottschee sei jetzt ein von der deutschen Minderheit abstammender Bürgermeisterkandidat unter wirtschaftlichem Druck ge­zwungen worden, seine Kandidatur zurückzuziehen. Von seiten der österreichischen Bundesre­gierung und von den entsprechenden Dienststellen sei dazu nichts zu hören gewesen. Der Vorfall lege aber davon Zeugnis ab, daß im bilateralen Bereich Probleme bestehen, die ein Nachdenken der Bundesregierung über ihre Vorgangsweise und über die Rechte der altösterrei­chischen Minderheiten angezeigt sein ließen.

Zur Frage des Umgangs mit Dokumenten und in bezug auf deren Publikation führt Abgeordne­ter Mag. Haupt aus, daß ihm die Publikation des genannten Papiers durch Bundesministerin Hostasch nicht allzu großes Kopfzerbrechen bereite, weil damit nur um ungefähr einen Tag vorweggenommen worden sei, was heute im Hauptausschuß ohnehin diskutiert und nach dieser Sitzung medial vermarktet werde. Mehr Sorgen hätten ihm die auch von den zukünftigen Ver­teidigungs- und Sicherheitspartnern Österreichs vernommenen Aussagen von Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner über die auf den Kosovo bezogenen Aufmarsch- und Rückholpläne für den Katastrophenfall gemacht. Ein solches Verhalten, daß eine übereifrige Staatssekretärin im Aus­land den Medien Sicherheitspläne der NATO mitteilt, werde sich Österreich in seiner Sicher­heitspolitik nicht leisten können. Daher werde die NATO in der nächsten Sitzung den anwesen­den Österreichern mit Recht in aller Klarheit und Härte vor Augen führen, daß dies nicht die neue Sicherheitspartnerschaft in Europa sein könne.

Abgeordneter Mag. Haupt ersucht Bundeskanzler Mag. Klima, so etwas im Bereich seiner eigenen Bundesregierung abzustellen. Denn es könnten dadurch unter der Voraussetzung, daß die einander gegenüberstehenden Parteien im Kosovo auf diese Informationen reagieren und sie in ihren Plänen berücksichtigen, österreichische Soldaten oder Freiwillige, die dort im Frie­denseinsatz stehen, unter Umständen zu Schaden kommen. Daher seien in diesem Fall gravie­rende Mängel zutage getreten, die tatsächlich massiv stören würden.

Eine erste Evaluierung des österreichischen nationalen Beschäftigungsplanes habe zu dem Er­gebnis geführt, daß Österreich im Bereich des von Bundeskanzler Mag. Klima erwähnten lebenslangen Lernens überdurchschnittlich schlecht abschneide. Es stehe also den relativ guten Werten auf der Seite des Bildungssystems eine sehr schlechte Position beim lebenslangen Lernen und den entsprechenden Initiativen gegenüber. Der Hinweis im Bericht der EU-Kommis­sion auf die Sozialpartnerschaft und die dort über Jahrzehnte hinweg geübte zögerliche Behand­lung dieses Problems sollte zu denken geben. Daher wäre zu überlegen, ob nicht für die Initiative des lebenslangen Lernens eine zusätzliche Akzentsetzung im Schoße der Bundesre­gierung zur Ergänzung der vorliegenden sozialpartnerschaftlichen Übereinkünfte notwendig wäre, um der harschen Kritik von seiten der Kommission im Vorfeld eines “blauen Briefes” an Österreich zu begegnen.

In bezug auf das Kapitel Frauengleichstellung sei zu vermerken, daß damit zwar das einzige österreichische Vorzeigeprojekt für soziale Bereiche vorhanden sei, daß Österreich jedoch im Kommentar zu den Vorzeigeprojekten in allen anderen Punkten nirgends unter den ersten drei Positionen zu finden sei. Auch dies müsse einmal klar festgestellt werden. Über das Projekt, das Bundesministerin Hostasch zu der Bemerkung veranlaßt habe, daß es sie überrasche und freue, sei aus Sicht der Freiheitlichen festzustellen, daß es auf einem alten Programm des früheren Sozialministers Hesoun aus dem Jahr 1990 beruhe, das innerstaatlich umgestellt und fortgesetzt worden sei. Es habe aber de facto nichts mit dem neu entwickelten nationalen Be­schäftigungsprogramm zu tun. Daher seien in Österreich auch im Hinblick auf die Frauenbe­schäftigung und auf die entsprechenden Arbeitslosenzahlen dringend Anstrengungen nötig, um die schlechte Position in diesem Bereich zu verbessern.

Ein Wort müsse auch über den Mißbrauch der Finanzierungen gesagt werden. Dem Abgeordne­ten Dr. Cap sei darin zuzustimmen, daß sich ein österreichischer Abgeordneter zum Europäi­schen Parlament als Vorsitzender des entsprechenden Gremiums einige Verdienste erworben habe; er habe auch medial Erfolge zu verzeichnen gehabt. Aber die Situation könne für Öster­reich als Nettozahler keineswegs befriedigend sein.

Im Agrarbereich seien die Fehlleitung von Geldern, das ewig gleiche Versickern von Förde­rungsmitteln an den stets gleichen Stellen, die Fleischmafia in Belgien und in Holland – welche 14 veterinärmedizinische Berufskollegen das Leben gekostet habe, weil diese mit den dortigen Mißständen hätten aufräumen wollen – und das Nachgeben auf dem Sektor der Fleischimporte aus England keine beruhigenden Akzente für die Konsumenten. Es sei auch nicht beruhigend, daß die Kennzeichnungspflicht in diesem Bereich noch immer im Rückstand sei.

Abgeordneter Mag. Haupt stellt fest, er erwarte sich für die restliche Zeit der österreichischen Präsidentschaft zwar nicht mehr alles, er hoffe aber darauf, daß wenigstens in den von Bundes­kanzler Mag. Klima als Schwerpunkten genannten Bereichen mehr herauskommen werde als die in Pörtschach erstellten Vorgaben. Dort habe das konkreteste Ergebnis darin bestanden, daß in den informellen Gesprächen ein vorbereitender Entwurfshorizont gegeben worden sei, um in diesem Rahmen in Wien etwas Bleibendes zu schaffen. Derzeit lasse sich noch nichts Bleibendes erkennen, außer daß die sechsmonatige Präsidentschaft nach Ablauf dieses Jahres eben absolviert sein werde und daß Österreich ungefähr sieben Jahre später – sofern die Oster­weiterung keine Veränderung bringen werde – wieder mit einer Präsidentschaft rechnen könne. Abgeordneter Mag. Haupt fügt hinzu, er könne die Euphorie der Abgeordneten Dr. Cap und Schieder nicht teilen, da Österreich von der Kraft des Faktischen eingeholt worden sei. Die Wei­terschreibung der Traditionen und das Beharrungsvermögen hätten schwerer gewogen als die innovativen Anstrengungen zu einer Neuordnung in der Organisation der Europäischen Union.

Abgeordneter Mag. Haupt weist den Abgeordneten Dr. Cap darauf hin, daß das Thema Bürger­nähe von der österreichischen Bundesregierung für die sechsmonatige Präsidentschaft auf ihre Fahnen geschrieben worden sei, nicht aber von der österreichischen Bevölkerung, von der Opposition oder von sonst jemandem. Daher sei es das legitime Recht der Opposition, die Bür­gernähe zu hinterfragen. Wer sich selbst ein Ziel gesteckt habe, müsse damit rechnen, daß nach vier Fünfteln der entsprechenden Tätigkeit auch überprüft werde, was daraus geworden ist. Es sei auch danach zu fragen, was man von der Bürgernähe, die man plakativ vorgetragen habe, auf dem Wiener Gipfeltreffen zu finalisieren gedenke.

Obmannstellvertreter MMag. Dr. Willi Brauneder teilt mit, es sei von Beamten des Hauses darauf aufmerksam gemacht worden, daß das inzwischen verteilte Papier mit der Num­mer 58576 am 26. November im Parlament eingelangt sei. Hingegen sei das Dokument vom 26. November 1998 bis jetzt nicht im Hause eingetroffen und habe daher nicht verteilt werden können.

Nach Ansicht des Abgeordneten Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP) ist die österreichische Präsidentschaft in Europa durchwegs positiv aufgenommen worden. Dabei habe Österreich wegen der Bundestagswahl in Deutschland nur ein eingeschränktes Aktionsfeld zur Verfügung gehabt.

Es sei erfreulich, daß das 5. Forschungsrahmenprogramm unbeschadet der ausständigen Eini­gung über den Finanzrahmen abgeschlossen und beschlossen werden konnte und daß weiters ein verkehrspolitischer Abschluß mit der Schweiz erreicht werden konnte. Damit sei die Voraus­setzung für eine Rückverlagerung des als Umwegverkehr aus der Schweiz nach Österreich gekommenen Transitverkehrs geschaffen worden. Auf diese Weise könne die Schweiz in ein integriertes europäisches Verkehrskonzept eingebunden werden.

Sehr wichtig sei auch die Einigung darauf, bezüglich der EU-Erweiterung auf die Vorbeitritts­strategie – also auf eine Hilfe zur Annäherung an EU-Standards in allen Bereichen – zu setzen. Dies werde auch finanzierbar sein, nicht nur über PHARE-Mittel, sondern auch über die dafür zusätzlich zur Verfügung gestellten Finanzmittel.

Abgeordneter DDr. König stellt mit Bezug auf den Beschluß des Europäischen Parlamentes, mit 3,75 Milliarden ECU eine strategische Reserve im Ausmaß der Differenz auf das Beitragslimit von 1,27 Prozent des Bruttoinlandsproduktes einzustellen, Bundeskanzler Mag. Klima die Frage, ob der österreichische Vorsitz diese Vorgangsweise unterstützen werde. Eine solche strate­gische Reserve könne, falls erforderlich, im Rahmen der Vorbeitrittsstrategie sinnvoll eingesetzt werden. Dies wäre der beste Einsatz, weil dadurch die Beitrittskandidaten rascher an die EU-Standards – auch im Sicherheitsbereich – herangeführt werden könnten.

Zugestimmt werden könne der Auffassung der Abgeordneten Dr. Gredler, daß es für Österreich ein Anliegen sein müsse, die Slowakei in der ersten Verhandlungsrunde einzubeziehen. Es wäre aber zu optimistisch, zu glauben, daß dieses Ziel auf dem Wiener Gipfeltreffen erreicht werden könnte. Abgeordneter DDr. König fragt, ob in Wien die Vorbereitung dafür getroffen werden könnte, daß unter deutscher Präsidentschaft ein entsprechender Beschluß zustande kommt.

Die Finanzvorschau stelle ein sehr schwieriges Verhandlungskapitel dar, und erst unter deut­schem Vorsitz werde versucht werden, dafür eine Lösung zu finden. Dies sei im Hinblick auf die EU-Wahlen wichtig. Es werde in jedem Fall nur ein Zwischenschritt erfolgen können, weil die Empfängerländer keine radikalen Schnitte akzeptieren würden und die Geberländer nicht über das Limit von 1,27 Prozent hinausgehen könnten. Daher ergebe sich die Frage, ob eine Chance dafür bestünde, bereits im Zuge der entsprechenden Verhandlungen darauf zu dringen, daß für die nächste finanzielle Vorschau – beginnend mit dem Jahr 2006 – neue Kriterien für die Regio­nalförderung vereinbart werden, die es dann möglich machen würden, den Beitritt der Länder, die durch die Vorbeitrittsstrategie herangeführt werden, tatsächlich zu finanzieren.

Eine vierte Frage stellt Abgeordneter DDr. König in bezug auf die bereits vom Abgeordneten Gaugg erwähnten Fusionen. Vor allem im Bereich der modernen Technologie seien Fusionen in Europa notwendig und könnten nicht ausgeschlossen werden. Meistens seien sie mit der Frei­setzung von Arbeitskräften verbunden. Von seiten der Regierungen – und damit auch von der EU-Kommission – sollten Wettbewerbs- und Fusionskontrolle stärker berücksichtigt werden, um zu vermeiden, daß europäische Monopole wie etwa im Bereich der großen Handelsketten entstehen, die so großen Druck auf die kleinen und mittleren Unternehmen – beispielsweise im Lebensmittelsektor – ausüben, daß dort Arbeitsplätze verlorengehen. Dies wäre ein uner­wünschter Effekt von Fusionen, und da wäre es nötig, von der Härte der Amerikaner hinsichtlich Wettbewerbs- und Fusionskontrolle zu lernen.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) stellt fest, die Ausführungen des Abgeord­neten Dr. Cap hätten sie dazu veranlaßt, einige Konkretisierungen vorzunehmen.

Was die Kritik an der Osterweiterung betrifft, sei zu ergänzen, daß die Nettozahlerdebatte, die neben Deutschland auch Österreich mitgetragen habe, angesichts der Versprechungen, sich aktiv in die Osterweiterungsdebatte einzubringen, kontraproduktiv gewesen sei. Auch die De­batte darüber, daß die zukünftigen Mitgliedstaaten dem Schengen-Abkommen beitreten sollten, noch bevor ihr Beitritt zur Europäischen Union diskutiert werde, sei kontraproduktiv gewesen. Dies gelte auch für die vor allem von Gewerkschaftsseite geführte Debatte über längere Über­gangsfristen, deren Zweck die Abwehr von Arbeitsmigration sei. All dies seien gegenüber der Osterweiterung kontraproduktive Maßnahmen.

Ein Vorschlag von Vizekanzler Dr. Schüssel sei interessant gewesen, und es stelle sich die Frage, in welchem Ausmaß dessen Verwirklichung heute noch möglich und denkbar wäre. Die Osterweiterung werde jedenfalls Kosten verursachen. Die Eigenmittelobergrenze von 1,27 Pro­zent werde derzeit nicht ausgeschöpft, sondern nur 1,11 Prozent würden tatsächlich genutzt, und dabei gehe es um einen Betrag von ungefähr 180 Milliarden Schilling. Der erwähnte Vor­schlag habe darauf gelautet, die bisher ungenutzten Finanzmittel für die Heranführung der Bei­trittsländer zu verwenden oder damit die für die Erweiterung vorgesehenen Mittel – die PHARE-Mittel seien tatsächlich unterdotiert – aufzustocken. Eine entsprechende Debatte werde jedoch überhaupt nicht geführt, sondern hier werde offensichtlich nur billig und populistisch unter Aus­schluß der Öffentlichkeit politisches Kleingeld geschlagen.

In dem Antrag der Grünen werde darauf Bezug genommen. Aus Sicht der Grünen werde das “Non-Paper” begrüßt. Vereinzelte kritische Worte in dem Antrag darüber, daß es ein entspre­chendes “Policy Mix” nicht gebe, müßten im Hinblick darauf gewertet werden, daß bis zum gestrigen Tag nur die Vorlage der Europäischen Kommission vorgelegen sei, und darin sei das in der Tat nicht vorgesehen. Das “Non-Paper” stelle jetzt einen Schritt in die Richtung dar, die bereits vor einem Jahr in Luxemburg signalisiert worden sei. Die Grünen würden seit einem Jahr entsprechende Anträge stellen – auch wenn es populistisch wäre, zu behaupten, daß die Grünen es vor einem Jahr schon gewußt hätten.

Aber die Herausforderung, dies zu sagen, habe sich auch daraus ergeben, daß Bundeskanzler Mag. Klima, als er noch Finanzminister war, Belehrungen darüber erteilt hätte, daß die Abgeord­nete Mag. Kammerlander von der Europäischen Zentralbank vielleicht nicht soviel verstehen würde wie “unser Professor”, nämlich der Bundessprecher der Grünen. Abgeordnete Mag. Kam­merlander fügt hinzu, sie habe jetzt mit Erstaunen gelesen, daß die Sozialministerin – die wohl ebensoviel wie sie selbst von der EZB verstehe – durchaus richtige Vorschläge mache, und nehme dies erfreut zur Kenntnis.

Es könnte der Pingpongball, der aus Verlegenheit – weil Bundeskanzler Mag. Klima sonst wahr­scheinlich nichts zu sagen habe – in Form von “Oppositionswatschen” gespielt werde, ohne weiteres mit Hilfe einer Liste zurückgespielt werden, auf welche heute noch einzugehen sein werde. Denn es werde später die Gelegenheit geben, den Beitrag Österreichs zum Menschen­rechtsjahr und zum Schwerpunkt Menschenrechtspolitik zu diskutieren, namentlich den “originel­len” Beitrag von Bundesminister Mag. Schlögl, der de facto die Abschaffung der Genfer Flücht­lingskonvention bedeuten würde.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP) stellt fest, daß die ÖVP das vielbesprochene “Non-Paper” – eigentlich gehe es um die Leitlinien zur Beschäftigungspolitik in Europa – als einen ganz großartigen Fortschritt betrachte. Es erfolge damit eine Kehrtwendung der Arbeits­markt- und Beschäftigungspolitik grundsätzlicher Art, und dadurch werde klar zum Ausdruck gebracht, daß es um aktive Arbeitsmarktpolitik gehe. Fortan müsse der Versuch unternommen werden, daß Menschen Arbeitsplätze bekommen, und es gehe nicht mehr nur um eine Versor­gung von Arbeitslosen.

Diese klare Aussage und die Abkehr von traditionellen Methoden der Arbeitsmarktpolitik – Methoden, wie sie in den Papieren der Grünen und des Liberalen Forums noch aufscheinen würden, weil darin von Arbeitszeitverkürzung und dergleichen gesprochen werde – sei für sehr wichtig zu erachten, denn damit liege eine klare Zuwendung zur aktiven Arbeitsmarktpolitik vor. Es sei verständlich, daß die Partei der Grünen mit dieser neuen Arbeitsmarktpolitik keine Freude habe, weil sie andere Vorstellungen hege.

Abgeordneter Dr. Feurstein fragt Bundeskanzler Mag. Klima, ob er sich der Meinung an­schließen könne, daß sich aufgrund dieser neuen Leitlinien auch für die österreichische Arbeits­marktpolitik gewisse Konsequenzen ergeben werden. Diese würden in Richtung einer aktiven Arbeitsmarktpolitik für die Frauen, für die älteren Menschen und für die Langzeitarbeitslosen gehen. In bezug auf diese Bereiche seien die großen Fortschritte erblicken.

Nach Ansicht von Bundeskanzler Mag. Viktor Klima läßt es sich gemeinsam festzustellen – dies sei auch nachlesbar –, daß der österreichischen Präsidentschaft nicht nur – beispielsweise im Hinblick darauf, was der Außenminister, der Finanzminister oder der Verkehrs- und Wissen­schaftsminister erreicht hätten – im operativen Geschäft des Managens der Europäischen Union Erfolge gelungen seien, sondern daß Österreich auch in den zwei spannenden Prozessen, welche die Europäische Union derzeit durchlaufe, nämlich in der Vertiefung der politischen Be­ziehungen und in der Erweiterung, nachhaltige Punzen gesetzt habe.

Am Vortag habe der Präsident des belgischen Parlamentes beim Treffen der Parlamentspräsi­denten in Wien seine Vorstellungen in einer Rede dargelegt, und dabei habe er sehr häufig das Wort “Pörtschach” verwendet. Denn dort sei tatsächlich ein Signal dafür gegeben worden, daß sich die Europäische Union in den zwei wichtigsten Fragen der Bürgernähe, nämlich Beschäfti­gung und innere Sicherheit, dazu verpflichten werde, neue Wege zu gehen. Künftig werde es keine Diskussion mehr darüber geben, daß Beschäftigungspolitik ausschließlich nationale Ange­legenheit sei, und damit sei der österreichischen Präsidentschaft Nachhaltiges gelungen. Ge­meinsam und ohne Egoismus sei dies vom Außenministerium, vom Bundeskanzleramt und von den anderen Ressorts erarbeitet worden.

Heute sei klar, daß zwischen Stabilität und Wachstum sowie Beschäftigung kein ideologischer Widerspruch mehr bestehe. Beschäftigungspolitik sei ein Dreifaches: Strukturpolitik, aktive Arbeitsmarktpolitik – im Sinne einer Politik für benachteiligte Gruppen – und Wachstumspolitik. Daher sei es wichtig, Dialogplattformen zu bilden.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank habe bereits auf europäischer Ebene Dialoge mit den Sozialpartnern sowie mit den Sozial- und Wirtschaftsministern geführt, aber – und darüber habe es nie ein Mißverständnis gegeben – ohne die Autonomie der EZB anzutasten. Es sei je­doch klargestellt worden, daß die Autonomie nicht im Sinne eines Elfenbeinturms aufzufassen sei und daß es die Autonomie zulasse, einen Dialog unter gleichberechtigten autonomen Part­nern zu führen. Denn es könne in der Wirtschaftspolitik nicht isoliert vorgegangen werden, auch nicht in der Geld-, Budget-, Fiskal- oder Steuerpolitik und ebensowenig in der Beschäftigungs- und Sozialpolitik. Darin sei die nachhaltige Wirkung zu erblicken.

Österreich habe zum Beispiel erreicht, daß es auch zu einer Frage der Beschäftigungspolitik ge­worden sei, einen Prozeß zur Eindämmung des unfairen Steuerwettbewerbs in Gang zu setzen. Damit solle verhindert werden, daß die Lasten zur Finanzierung des Sozialsystems sowie auch des Steuersystems nur am Arbeitnehmer oder am kleinen Gewerbetreibenden hängenbleiben. Es bedürfe dafür einer Harmonisierung beziehungsweise einer Koordination der Steuerpolitik. In dieser Hinsicht habe Österreich sehr kräftige, nachhaltige Signale geben können, und dies wer­de auch häufig zitiert.

Bundeskanzler Mag. Klima weist die Abgeordnete Mag. Kammerlander darauf hin, daß er nicht darauf eingegangen sei, als sie ihm vor dem Gipfeltreffen von Pörtschach im Hauptausschuß habe aufzwingen wollen, im Rahmen dieses Treffens über die Frage der Institutionenreform zu diskutieren. Denn es sei völlig klar gewesen, daß alle 15 Mitgliedstaaten beschlossen hatten, das Thema Institutionenreform nicht zu diskutieren, bevor der Vertrag von Amsterdam in allen Mitgliedstaaten ratifiziert worden ist. Trotzdem habe die Abgeordnete Mag. Kammerlander ihn in dieses Chaos hineinführen wollen, und jetzt sei sie darüber böse, daß er – Gott sei Dank – nicht so gehandelt hat.

Statt dessen sei es die Absicht gewesen, darüber zu diskutieren, was “bürgernahe Politik” be­deutet. Jede Umfrage in Europa bringe zutage, was die Menschen unter Politik, die für sie ge­macht wird, verstünden: Beschäftigung und innere Sicherheit. In dieser Hinsicht habe es sehr klare Signale einer bürgernahen Politik gegeben, und ebenso im Hinblick auf die Subsidiarität.

Nicht nur in bezug auf die vom Abgeordneten Schieder angesprochene Frage der Einbeziehung der COSAC sei es zu einer Erweiterung gekommen. In Wien werde auch die Erklärung erfolgen, daß der Subsidiaritätsbericht der Europäischen Kommission rechtzeitig dafür vorliegen soll, eine ordentliche Auseinandersetzung, einen Diskurs, eine Präsentation der Kommission über den Subsidiaritätsbericht auch vor der COSAC sowie weiters vor dem Ausschuß der Regionen zu ermöglichen. Es solle ein Diskussionsprozeß entstehen, eine Kultur im Denken über die Sub­sidiarität und über die Frage, auf welcher Ebene was am besten geregelt werden könne, damit es zu einem europäischen Mehrwert komme. Es liege bereits ein klares Bekenntnis dazu vor, daß es die Frage der Beschäftigungspolitik sei.

Die Verhandlungen über die Erweiterung hätten nicht, wie von der Abgeordneten Dr. Gredler be­hauptet, automatisch begonnen. Es habe eines sehr schwierigen Beschlusses aller 15 Mitglied­staaten bedurft, um die Verhandlungen mit den sechs Kandidaten in sieben Kapiteln aufnehmen zu können. Nicht ein Automatismus, sondern ein guter Erfolg des österreichischen Außenmini­steriums sei zu vermerken. Der nun vorliegende Fortschrittsbericht der EU-Kommission werde als Diskussionsbasis dienen. Dieser Bericht weise für einzelne Staaten wesentliche Fortschritte aus.

Aber die Europäische Union dürfe, was die Slowakei betrifft, nicht dem Prinzip Hoffnung in be­zug darauf folgen, was die neue demokratisch gewählte Regierung jetzt tun werde. Es müsse auch darauf geachtet werden, wie die Fragen des Demokratie- und Minderheitenbereiches – zum Beispiel die Frage der ungarischen Minderheit – konkret gelöst werden und welche Ge­setze dazu erlassen werden. Zwar seien die Änderungen zu begrüßen, und die Europäische Union wolle alles dafür tun, dieses Momentum aufrechtzuerhalten, aber es bedürfe – schon der Ehrlichkeit halber – eines objektiven, für alle nachvollziehbaren, transparenten Entscheidungs­vorganges und einer entsprechenden Diskussion der Fortschrittsberichte.

Bei einer Fortsetzung der bisherigen Fortschritte würden im Lauf des Jahres 1999 auch Entscheidungen formaler Art gemäß Artikel O über Regierungskonferenz und Beginn der Ver­handlungen getroffen werden können. Dies werde jedoch von den möglichen Fortschritten in den betroffenen Ländern abhängen, daher könne heute noch kein Versprechen über einen Ent­scheidungstermin abgegeben werden. Auf dem Wiener Gipfeltreffen werde festgehalten werden, daß die Europäische Kommission nochmals die Überprüfung im Sinn eines Fortschritts­berichtes durchzuführen und vorzulegen haben werde.

Ein “Upgrading” in der Frage der Türkei sei für die bevorstehende Tagung nicht vorgesehen. Es werde nur zur Kenntnis genommen werden, was im Fortschrittsbericht der Kommission steht.

Grundsätzlich sei zum Erweiterungsprozeß zu sagen, daß es einfach ehrlich sei, was die öster­reichische Präsidentschaft dazu sagt. Ihre Repräsentanten seien nicht populistisch in die Haupt­städte von Beitrittskandidatenländern gefahren, und sie hätten dort auch nicht gesagt: Ihr seid schon morgen Mitglied. – Dies wäre unehrlich, und es würde Frustration erzeugen. Die öster­reichische Präsidentschaft sage statt dessen: Wir wollen die Erweiterung, aber wir wollen diesen Prozeß gut vorbereiten, und wir wissen, daß ihr in diesem Prozeß unsere Hilfe braucht, nicht nur im Reden, sondern auch in Form von Geld.

Daher sei es erfreulich, daß es möglich sein werde, die Vorbeitrittsperspektive ziemlich klar zu definieren. Aber ehrlicherweise werde hinzugefügt, daß beide Seiten in bestimmten Bereichen an Übergangsperioden interessiert seien.

Bundeskanzler Mag. Klima führt aus, er habe in Gesprächen mit Vertretern der Beitrittskandida­ten die Erfahrung gemacht, daß es nicht das Ziel der Menschen dort sei, den höheren Sozial- und Einkommensstandard in der Europäischen Union auf ihr Niveau hinunterzudrücken. Statt dessen hätten sie den Wunsch nach einer Übergangsperiode, um sich dem EU-Standard an­nähern zu können. Es sei also keine Nivellierung auf unterem Niveau beabsichtigt, und daher bestehe auch großes Verständnis dafür, daß vorgesehen ist, ohne “Zahlenfeilscherei” und auf Basis von Tatsachen über Übergangsperioden zu verhandeln und zu einem gemeinsamen Ent­schluß darüber zu kommen, unter welchen Bedingungen die Übergangsperioden beendet werden sollten. Dabei werde ein Beitritt vor Beendigung dieser Perioden möglich sein.

Der Erweiterungsprozeß werde daher aus politischen Gründen, aus Gründen der Stabilität und des Friedens in Europa angestrebt. Er werde so gut vorbereitet, daß er tatsächlich seine Ziele, Stabilität und Wohlstand in Europa zu sichern, erreichen werde. Dies werde überhastet nicht möglich sein. Bundeskanzler Mag. Klima wertet es als sehr positiv, daß die österreichische Prä­sidentschaft dies stets dazusage.

In der Frage der Agenda 2000 werde es möglich sein, in Wien erstens einen Bericht darüber vorzulegen und zweitens sehr klar und offen ein Dokument über die entscheidenden politischen Schlüsselfragen zu erstellen. Daran werde in genauer Koordinierung gearbeitet. Vizekanzler Dr. Schüssel werde im Allgemeinen Rat und im zuvor stattfindenden Konklave Diskussionen zur Aufbereitung dieser Fragen abhalten lassen. Es stehe zu hoffen, daß auf dem bevorstehenden Gipfeltreffen eine gute Basis für die deutsche Präsidentschaft geschaffen wird. Aber ein finan­zieller Abschluß werde klarerweise bis zur letzten Sekunde nicht möglich sein.

Was die Strukturpolitik betrifft, antwortet Bundeskanzler Mag. Klima dem Abgeordneten zum Europäischen Parlament Dr. Rack, daß dessen Anregung sehr gut und wichtig sei und daß Staatssekretär Dr. Wittmann diese Frage derzeit im entsprechenden Ausschuß des Euro­päischen Parlamentes diskutiere. Es gehe darum, auch in der Frage der Strukturpolitik ein ge­meinsames Verständnis zu finden. Aber eine Zustimmung werde nur vorbehaltlich der Zustim­mung zum Gesamtpaket erfolgen, und niemand werde seine Zustimmung geben, solange die wichtige Frage der Finanzierung offenbleibt.

In puncto innere Sicherheit werde eine Weiterentwicklung der Ansätze von Pörtschach in Wien und darüber hinausgehend erfolgen müssen.

Bundeskanzler Mag. Klima antwortet der Abgeordneten Mag. Kammerlander in bezug auf die Nettozahlerdebatte, er könne als österreichischer Bundeskanzler von den Österreicherinnen und Österreichern nicht auf der einen Seite Sparsamkeit und die Stabilisierung des Bundeshaushalts verlangen und auf der anderen Seite sagen, daß ihn die Vorgänge in Brüssel nicht interessieren würden. Die Position eines sorgfältigen Umgangs mit dem Geld der Steuerzahler müsse auch in Brüssel vertreten werden. Die Idee der österreichischen Präsidentschaft, grundsätzlich von einer Stabilisierung des Haushalts auszugehen – unter Berücksichtigung der Inflation, der unter­schiedlichen Jahresströme und so weiter –, sei ein guter Ansatz.

Die Umsetzung der Vorhaben des “Non-Papers” zum Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung werde zum Beispiel im Bereich der älteren Arbeitnehmer oder der Ausbildung wichtig sein. Über Anreize zur Lösung dieser Probleme werde auch im Rahmen der Diskussion über die Steuerre­form nachzudenken sein. Entsprechende Maßnahmen seien bereits eingeleitet worden, so zum Beispiel mit dem von Bundesminister Dr. Farnleitner und Bundesministerin Hostasch ausgear­beiteten Projekt “New Start”, wodurch etwa Menschen in Sozialberufen durch anfängliche öffent­liche Unterstützung eine Chance bekämen. Dies sei ein sehr gutes Beispiel dafür, daß mit der Problemgruppe Langzeitarbeitslose nun aktiv, positiv und zukunftsorientiert umgegangen werde.

Bundeskanzler Mag. Klima weist den Abgeordneten Gaugg darauf hin, daß die Bundesregierung jetzt beschlossen hat, das Sicherheitsnetz für Lehrlinge des Jahrgangs 1998 auch dem Jahr­gang 1997 zu öffnen. Denn von den 4 000 für 1998 zur Verfügung stehenden Plätzen seien 1 000 Plätze nicht in Anspruch genommen worden. Auch dies sei ein gutes Beispiel für Maß­nahmen, welche die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit dem Parlament ergriffen habe.

Zur Frage nach der “gläsernen Decke” für Frauen in europäischen Institutionen antwortet Bun­deskanzler Mag. Klima der Abgeordneten Dr. Gredler, daß zwar noch viel zu tun sei, aber auch zum Beispiel folgendes beachtet werden müsse: Eines der Argumente dafür, daß Österreich seinen Kandidaten für das Direktorium der Europäischen Zentralbank nicht bis zum Ende leiden­schaftlich mit Vetos vertreten hat, habe darauf gelautet, daß die Alternative eine ausgezeichnete finnische Frau sei. Bundeskanzler Mag. Klima merkt an, daß diese Frau jetzt im Direktorium ver­treten ist. Er verweist darauf, daß mit Pauline Green eine Frau die Vorsitzende der sozialdemo­kratischen Fraktion im Europäischen Parlament ist, und erhält auf die Frage nach dem Vorsitz der liberalen Fraktion die Antwort, daß dieser von einem Mann eingenommen wird. In puncto Gleichberechtigung der Frauen sei die Lage zwar noch nicht perfekt, aber es werde mit einigem Schwung auf eine Verbesserung hingearbeitet.

Besonders unterstrichen worden seien in dem “Non-Paper” die Fragen der Indikatoren für selbstgewählte quantitative Ziele in beschäftigungspolitischer Hinsicht, das “Mainstreaming” der Chancengleichheit, die stärkere Betonung der älteren Arbeitnehmer, die Einbeziehung der Sozialpartner hinsichtlich einiger Leitlinien und die stärkere Betonung der Frauenpolitik im Rah­men der Beschäftigung.

Eine gemeinsame europäische Währung werde nur dann nachhaltigen Erfolg haben, wenn sie von einer besser koordinierten europäischen Wirtschaftspolitik begleitet wird. Auch in dieser Hin­sicht habe das Gipfeltreffen von Pörtschach der Zukunft der Europäischen Union eine österrei­chische Punze aufgedrückt.

Obmannstellvertreter MMag. Dr. Willi Brauneder schließt die Debatte zu diesem Tagesord­nungspunkt und leitet über zur Abstimmung über die vorliegenden zwei Anträge auf Stellung­nahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG.

Der Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Gredler betreffend Vorschläge für Leitlinien für die Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten 1999 bleibt in der Minderheit und ist abgelehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander betreffend Leitlinien für die Euro­päische Beschäftigungspolitik bleibt ebenfalls in der Minderheit und ist abgelehnt. (Bundes­kanzler Mag. Klima verläßt die Sitzung. Bundesminister Mag. Schlögl findet sich zur Teilnahme an den Beratungen ein.)

3. Punkt

Innere Sicherheit

RAT 11844/98 ASIM 211 EURODAC 6

Ergebnisse des K.4-Ausschusses vom 5. Oktober/EURODAC

(55859/EU XX. GP)

RAT 11611/98 CK4 45

Aktionsplan für Freiheit, Sicherheit und Justiz

(55288/EU XX. GP)

RAT 9809/98 REV 1 CK4 27 ASIM 170

Strategiepapier zur Migrations- und Asylpolitik

(55283/EU XX. GP)

Obmannstellvertreter MMag. Dr. Willi Brauneder gibt bekannt, daß Bundesminister Mag. Schlögl dem Hauptausschuß bis ungefähr 16.15 Uhr für Auskünfte zur Verfügung stehen wird.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) verweist darauf, daß die Grünen aus mehreren Gründen um die Aufnahme dieses Tagesordnungspunktes ersucht haben.

Die Vorlage des Strategiepapiers zur Migrations- und Asylpolitik von Bundesminister Mag. Schlögl sei auf reges öffentliches Interesse gestoßen und habe dazu geführt, daß jetzt eine umgearbeitete Fassung vorliegt. Die Grünen seien daran interessiert, zu erfahren, wie die Debatte auf europäischer Ebene weitergegangen ist und welche Reaktionen im letzten Minister­ratstreffen zu vernehmen waren.

Zu diskutieren wäre auch der nach dem genannten Strategiepapier vorgelegte Aktionsplan zum Aufbau eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Vieles, was darin enthalten ist, werde von den Grünen begrüßt und unterstützt, und dazu haben sie einen Antrag auf Stel­lungnahme eingebracht, um vier Punkte besonders herauszustreichen.

Diese Punkte stünden auch im Zusammenhang mit dem Strategiepapier zur Migrations- und Asylpolitik und beträfen zunächst Mindestgarantien für Asylverfahren in der Europäischen Union. Darin sollten auf alle Fälle Verfahrensgarantien enthalten sein, wie sie vom UNHCR, der Caritas Europa und von Amnesty International ausgearbeitet und vorgeschlagen worden sind. Diese stünden in gewissem Widerspruch zu den Vorschlägen, die Bundesminister Mag. Schlögl in Dis­kussion gebracht habe.

Ein weiterer Punkt betreffe das Recht auf Familiennachzug. Auch in dieser Hinsicht ergebe sich ein Widerspruch zum Strategiepapier zur Migrations- und Asylpolitik.

Der dritte Punkt sehe vor, Personen mit legalem Aufenthalt freien Zugang zum Arbeitsmarkt in der Europäischen Union zu verschaffen.

Viertens gehe es darum, Personen mit legalem Aufenthalt nach längstens fünf Jahren den EU-BürgerInnen gleichzustellen und ihnen insbesondere aktives und passives Wahlrecht auf be­trieblicher Ebene und für andere Interessenvertretungen sowie auf kommunaler Ebene einzu­räumen.

Aus Sicht der Grünen sei es beachtlich, daß der Aktionsplan zum Aufbau eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts von einer Vorstellung ausgehe, die zu jener der Debatte in Österreich konträr sei. Die Vorstellung, daß Migration nicht als Belastung, sondern als Chance gesehen werden solle, finde bei den Grünen Unterstützung. Im Mittelpunkt stehe dabei die Integration und die Sicherung der Rechte jener Angehörigen von Drittstaaten, die sich recht­mäßig in der Europäischen Union aufhalten. Die Debatte, die durch das Strategiepapier zur Migrations- und Asylpolitik mit ausgelöst worden ist, habe eher das Gegenteil bewirkt, und dies gelte auch für die letzten Debatten im Hohen Haus.

Eines der Grundübel bestehe nach Meinung der Grünen darin, daß immer wieder eine Vermi­schung der Begriffe “Asylgrund” und “Migrationsgrund” vorgenommen werde. Diese würden völlig verschiedene Vorgangsweisen bedingen. Die konsequente Vermischung von Migrantinnen und Migranten mit politischen Flüchtlingen erschwere die Debatte, weil sie einem psycho­sozialen Klima Vorschub leiste, wonach Migration als Gefahr und Bedrohung, nicht jedoch als Chance gesehen werde.

Das dritte Dokument, das neben den beiden genannten unter dem jetzigen Tagesordnungs­punkt zu diskutieren ist, stehe in Zusammenhang mit der Atmosphäre, die bereits vorhanden und durch die Politik von Bundesminister Mag. Schlögl sowie durch die unter österreichischer Präsidentschaft ergangenen Vorschläge verstärkt worden sei. Es gehe um die EURODAC-Kon­vention und somit darum, es zu ermöglichen, daß Fingerabdrücke von illegal eingereisten Per­sonen genommen und innerhalb der EURODAC-Datei verwertet werden.

Aus Sicht der Grünen sei dies vor allem deshalb bedenklich, weil EURODAC eigentlich nur zur Prüfung der Zuständigkeit im Asylverfahren diene. Dieses sei aber genau festgelegt. Auch vom Juristischen Dienst des Rates sei untermauert worden, daß die Abnahme von Fingerabdrücken sowie die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten Eingriffe in das Recht auf Ach­tung des Privatlebens bedeuten würden und daß dies im Sinne von EURODAC nicht vorge­sehen sei.

Auch zu diesem Punkt haben die Grünen einen Antrag auf Stellungnahme eingebracht. Damit wird der zuständige Bundesminister aufgefordert, der EURODAC-Konvention nur unter folgen­den Bedingungen zuzustimmen: Personenbezogene Daten werden nur gespeichert, wenn ein Asylantrag gestellt und als unbegründet abgewiesen wird; das Übereinkommen wird einer Über­prüfung durch den Europäischen Gerichtshof sowie der Kontrolle des Europäischen Parlamen­tes unterworfen.

Eine der zentralen Forderungen des Aktionsplans für Freiheit, Sicherheit und Justiz bestehe – sofern dessen Inhalt ernst genommen werde – darin, die Freiheit durch eine ganze Palette von Grundrechten zu ergänzen. Dies umfasse eine Reihe von Schutzrechten gegen jede Form von Diskriminierung, selbstverständlich auch den Schutz der Privatsphäre und insbesondere den Schutz personenbezogener Daten.

In diesem Sinn sei das Anliegen der Grünen zu verstehen, die drei genannten Dokumente in der heutigen Sitzung zu diskutieren. Außerdem werde um einen Bericht von Bundesminister Mag. Schlögl über den letzten Ministerrat und über die Debatte dieser Punkte auf europäischer Ebene ersucht.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche) erachtet den ersten Teil – den Analyse-Teil – des Strategiepapiers zur Migrations- und Asylpolitik für ein vernichtendes Urteil über die bisherige europäische Politik auf diesem Gebiet. Die tatsächliche Auswanderung sei keineswegs geringer geworden, die Kontrolltätigkeit funktioniere nicht, es liege kein umfassendes Konzept vor und es seien keine nachhaltigen Ergebnisse erzielt worden. Anscheinend sei es der Europäischen Union bisher trotz aller Versuche – wie zum Beispiel dem Schengener Übereinkommen – nicht gelungen, dieses Problem in den Griff zu bekommen.

Aus dem Teil des Papiers, der den Ist-Stand aufzeigt, gehe deutlich hervor, daß sehr wenig getan werden könne. Es seien zuwenig Reformen durchgeführt worden, um die Einwanderung für Asylanten und vor allem für Scheinasylanten nicht mehr so attraktiv zu machen. Das Konzept der vorübergehenden Aufnahme habe völlig versagt, und Österreich gehöre zu den am stärk­sten darunter Leidtragenden. Denn jetzt würden 80 000 bis 90 000 Bosnier in Österreich leben, die nach Aussagen führender Politiker ursprünglich nur vorübergehend in Österreich hätten bleiben sollen. Nun aber würden sie mehr als 1 Prozent der österreichischen Bevölkerung aus­machen, und eine solche Entwicklung sei den Österreichern anfangs nicht in Aussicht gestellt worden.

In dem Strategiepapier werde auch Kritik daran geübt, daß wirksame Maßnahmen gegen ille­gale Beschäftigung fehlen. Die aufgezeigten Trends erachtet Abgeordneter Jung für ausgespro­chen gefährlich. In Afrika seien 100 Millionen Menschen in Bewegung, unter denen eine “Über­schwappmöglichkeit” nach Europa im Ausmaß von 1,5 Millionen jährlich gegeben sei. Es sei daher mehr als an der Zeit, etwas zu unternehmen, und Beschwichtigung sei völlig fehl am Platz. Denn es bestehe die Gefahr, daß die europäische Einigung nicht funktionieren und die fast offene Seegrenze Italiens eine Fülle entsprechender Probleme bereiten werde, die sich in nächster Zeit in Österreich unmittelbar auswirken würden.

Aus Berichten der letzten Zeit gehe hervor, daß bestimmte Teile des Rauschgifthandels in der Hand einzelner afrikanischer Ethnien seien. Dazu, daß in dieser Hinsicht alles offen sei, trete – dem Strategiepapier zufolge – auch immer wieder ein Trend zutage, Illegale zu legalisieren. Dadurch werde eine gefährliche Entwicklung eingeleitet.

Abgeordneter Jung bezeichnet das Strategiepapier als ein “echtes Schlögl-Papier”, in dem – zu­mindest nach außen hin – versucht werde, es beiden Seiten recht zu machen. In einer kürzlich erschienenen Ausgabe der “Kronen Zeitung” habe es geheißen, daß der Innenminister über die Entwicklung der Illegalen besorgt sei. In Wirklichkeit habe Bundesminister Mag. Schlögl eine Än­derung bewirkt, die eine Entschärfung und eine Erleichterung für die Asylanten mit sich gebracht habe.

Auf dieser Welle versuche der Bundesminister für Inneres weiterzuschwimmen, aber dies sei kein wünschenswerter Trend. Er greife zunächst dort ein, wo die Lage akut werde und die Bürger nicht mehr folgen könnten, mache es dann aber doch, und zwar in kleinen Schritten, in­dem er die Raten erhöhe und Erleichterungen schaffe. Dies zeige sich auch in den im Strategie­papier dargestellten langfristigen Trends, wonach beispielsweise eine Legalisierung der Zuwan­derung oder eine schrittweise Erweiterung der Bewegungsfreiheit derjenigen, die sich schon in Österreich befinden, vorgesehen seien.

Die Freiheitlichen seien nicht in der Lage, diesen Weg mitzugehen und dem Strategiepapier zu­zustimmen. Denn es bringe nicht den erforderlichen Zuwanderungsstopp und keine Überprüfung der in Österreich befindlichen Ausländer im Hinblick darauf, ob sie hier wirklich noch die Berech­tigung zum Aufenthalt hätten.

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP) kündigt an, daß er nach einigen einleitenden Worten über die EURODAC-Konvention zwei Fragen an Bundesminister Mag. Schlögl richten werde.

Die Abgeordnete Mag. Kammerlander habe vorhin ebenso konsequent argumentiert und agiert wie bereits im Plenum und in den Ausschüssen. Abgeordneter Kiss wertet dies als den Versuch, einmal mehr Dinge zu negieren, die beiden Gruppierungen schaden, denen vorgeblich geholfen werden solle. Die Österreicher seien mit dieser Linie nicht nur nicht zufrieden, sondern würden sich gegen die Argumentation der Grünen auch wehren, und erst recht gelte dies für die Asylan­ten, weil die Grünen mit dieser Argumentation in der österreichischen Öffentlichkeit – mit Recht – Schiffbruch erleiden müßten.

Wenn in dem Strategiepapier zur Definition des illegalen Einwanderers ein Satz wie “Jedenfalls sollen solche Personen nicht erfaßt sein, die in dem betreffenden Staat bereits einen Wohnsitz eingerichtet haben” stehe, dann sei die Welt nicht mehr zu verstehen. Denn dies bedeute nicht mehr und nicht weniger, als daß derjenige, der irgendwann illegal in ein Land eingewandert ist und sich daher in ungesetzlichem Zustand in dem Land befindet, praktisch vor jeglichem Zugriff verschont sei, wenn er nur erst seinen Wohnsitz begründet hat.

Abgeordneter Kiss fragt, wie dieser Satz in der Vorlage zur EURODAC-Gruppe zu verstehen sei. Er selbst habe dafür kein Verständnis, da aus seiner Sicht derjenige, der sich illegal, also unge­setzlich, in einem Land befindet, nicht berechtigt sei, sich in diesem Schutzbereich zu befinden.

Zum zweiten verweist Abgeordneter Kiss darauf, daß die EURODAC-Konvention auf die Ermög­lichung eines weitergehenden Datenvergleichs abziele. Dabei stelle sich die Frage nach dem, was bezweckt wird. Es sei nur rechtens, von jemandem, der illegal einwandert und daher auf ungesetzliche Art und Weise versucht, in ein Land zu kommen, Fingerabdrücke zu nehmen. Weiters sei es – nach der Logik der Österreichischen Volkspartei – klar, daß mit Hilfe dieser Fingerabdrücke Vorkehrungen dagegen zu schaffen seien, daß dieselbe Person Gelegenheit bekommt, ein zweites oder drittes Mal beim Begehen desselben Deliktes gefaßt zu werden. Überdies solle diese Person, sobald man ihrer Fingerabdrücke habhaft geworden ist, das Delikt der illegalen Einwanderung auch in anderen Staaten der Europäischen Union nicht mehr be­gehen können.

Unter der Voraussetzung, daß diese Argumentation logisch ist, sei die in dem Strategiepapier erhobene Forderung nicht zu verstehen, daß zwar ein Datenabgleich möglich sein, aber unter keinen Umständen eine Speicherung der Daten erfolgen solle. Abgeordneter Kiss verweist dazu auf die von der Sitzung des K.4-Ausschusses am 5. Oktober 1998 vorliegenden Ergebnisse. Es könne unter der Voraussetzung, daß die geschilderte Argumentation logisch ist, nicht die Folge sein, daß die Fingerabdrücke der Personen, die illegal nach Österreich eingewandert sind, nicht gespeichert werden. Dann könne es weiters nicht die Folge sein, daß diese gespeicherten Daten nicht auch den anderen EU-Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt werden.

Wenn aber diese Argumentation unlogisch sei, dann möge Bundesminister Mag. Schlögl dahin gehend Auskunft geben, was hinter der Forderung stecke, daß die Speicherung von Daten jener Illegalen unterbleiben solle, die bei ihrem Grenzübertritt gefaßt und von denen Fingerabdrücke genommen wurden.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche) führt in bezug auf die EURODAC-Konven­tion – zu welcher Abgeordneter Kiss seine Bedenken sehr moderat und in fast untertäniger Wei­se vorgebracht habe – aus, sie könne sich nicht vorstellen, daß Bundesminister Mag. Schlögl tatsächlich meine, es solle nur derjenige als Illegaler angesehen werden, der in engem zeit­lichem Zusammenhang mit dem Grenzübertritt stehe, denn im innerstaatlichen Recht hätten be­stimmte Normen über Legalität und Illegalität Gültigkeit, und dabei werde stets nicht nur vom Wohnsitz, sondern sogar vom ordentlichen Wohnsitz ausgegangen. Jetzt drohe man sich von dieser Bestimmung total zu entfernen.

Außerdem sei bekannt, daß Probleme insbesondere diejenigen bereiten würden, die bereits in Österreich sind und hier schwarzarbeiten, diejenigen, die illegal eingereist sind und sich in Österreich niedergelassen haben. Mit diesen Illegalen hätten sich riesige Probleme ergeben, sodaß es nicht zu verstehen sei, wie überhaupt nur daran gedacht werden könne, eine derart enge Eingrenzung vorzunehmen. Bundesminister Mag. Schlögl möge darüber Auskunft geben. Da er von bereits erfolgten Fortschritten gesprochen habe, sei zu hoffen, daß auch bei den anderen Beteiligten inzwischen Vernunft eingekehrt sei und daß klargeworden sei, daß man von einem so engen Begriff der Illegalen nicht ausgehen könne.

Die Bestimmung, Fingerabdrücke zwar vergleichen zu können, aber nicht speichern zu dürfen, erinnere an das Wort “Wasch mir den Pelz und mach mich nicht naß!”. Es stelle sich die Frage, wie dies funktionieren solle und ob diese Bestimmung vielleicht nur auf die zur gleichen Zeit An­wesenden zu beziehen wäre. Abgeordnete Dr. Partik-Pablé erachtet es für technisch nicht durchführbar, Fingerabdrücke ohne Speicherung entsprechend zu verwenden. Bundesminister Mag. Schlögl möge, nachdem er schon auf eine diesbezügliche Weiterentwicklung hingewiesen habe, darüber Auskunft geben, denn es werde notwendig sein, die Fingerabdrücke abzuneh­men und auch zu speichern, um spätere Vergleiche vornehmen zu können.

Abgeordnete Dr. Partik-Pablé erinnert daran, daß sie ihre großen Bedenken in bezug auf das Strategiepapier zur Migrations- und Asylpolitik bereits in einem Gespräch im Ministerium vorge­bracht habe. Dieses Dokument werde offensichtlich nicht nur von den Freiheitlichen abgelehnt, sondern stoße auch in EU-weitem Rahmen auf sehr große Ablehnung. Einer Information aus “European Voice” zufolge habe ein Diplomat ausgesagt, daß niemand eine große Vorliebe für dieses Papier habe. Abgeordnete Dr. Partik-Pablé fragt, welche Rückmeldungen auf dieses Strategiepapier Bundesminister Mag. Schlögl im Rahmen einer Besprechung am 30. November in Brüssel bekommen habe, welche Staaten dazu bereits Stellungnahmen abgegeben und wie diese Stellungnahmen gelautet hätten.

Abgeordnete Dr. Partik-Pablé fragt weiters, welche Mitgliedstaaten sich gegen den Lastenaus­gleich ausgesprochen hätten. Denn gerade diejenigen Länder, welche die lautesten Einwände erheben und für eine großzügige Asylpolitik eintreten würden, seien oft diejenigen, die selbst die wenigsten Asylanten aufnehmen wollten. Aufgrund entsprechender Auskünfte von Bundesmi­nister Mag. Schlögl wäre es möglich, sich eingehender mit diesem Thema zu beschäftigen.

Die Bezeichnung “Schlögl-Papier” des Abgeordneten Jung sei treffend, da es sich wieder einmal um eine Dokument handle, das eine hervorragende Analyse des Ist-Zustandes wiedergebe und die dramatische Fremdenentwicklung in Österreich angemessen darstelle, dann aber keine effi­zienten Vorschläge unterbreite, sofern es nicht gar zu falschen Maßnahmen rate. Insofern trage es mit Recht den Namen “Schlögl-Papier”.

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ) erachtet manche Aspekte der Darstellung der Abgeordneten Mag. Kammerlander für nicht ganz richtig. Mit dem Aktionsplan für Freiheit, Sicherheit und Justiz gelinge es Österreich – und in erster Linie Bundesminister Mag. Schlögl – sehr gut, die Europäische Union auf der Grundlage des Vertrages von Amsterdam sicherheits­politisch homogener zu machen und in diesem Sinn weiterzuentwickeln.

Asylfragen und alle Migrationsfragen – Abgeordneter Schwemlein spricht sich dafür aus, diese Fragen bewußt nicht zu mischen – würden ein gemeinsames Vorgehen verlangen. Es sei immer problematisch, Betrachtungen darüber anzustellen, wer ein Guter und wer ein weniger Guter sei, wer etwas aushielte und wer dies nicht aushielte. Auf politischer Ebene sei ein sehr guter Weg eingeschlagen worden. Dieser Weg setzte klarerweise voraus – so sei es auch in dem Aktions­plan festgehalten worden –, daß in verschiedensten Bereichen zusammengearbeitet wird, sei es auf polizeilicher Ebene oder auf Justizebene.

Daher werde es in weiterer Folge geboten sein, sich mit den zu diesem Tagesordnungspunkt eingebrachten Anträgen im Detail auseinanderzusetzen. Denn das, was phasenweise an Kritik und an Wunschvorstellungen geäußert worden ist, sei sehr wohl bereits umgesetzt worden.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum) stellt einen Antrag der liberalen Fraktion auf Stellungnahme vor, dessen Hauptintention darin bestehe, das Problem in einem Antrag gesamt­haft zusammenzufassen. Daher seien darin die Aspekte sowohl des Aktionsplans als auch des EURODAC in einheitlicher Form aufbereitet.

In bezug auf das Strategiepapier zur Migrations- und Asylpolitik spricht sich Abgeordneter Dr. Kier gegen die Bezeichnung “Migrationspapier” aus. Dies bedeute nicht bloß eine sprach­liche Spielerei, sondern aus Sicht des Liberalen Forums bestehe eines der kritischen Elemente des Strategiepapiers darin, daß es Asylfragen und Migrationsfragen in einer unrichtigen Weise miteinander verknüpfe und vermenge. In diesem Sinn sei dieses Dokument – unabhängig von der Qualität des Inhaltes – kein “Migrationspapier”, aber bedauerlicherweise auch kein “Asyl­papier”, sondern dieses Strategiepapier sei ein “Vermengungspapier”, und darin bestehe vom Standpunkt des Liberalen Forums aus sein Hauptfehler, obwohl die Notwendigkeit von Abgren­zungen nicht verkannt werde.

Gerade deshalb sei die “Fingerabdrucksfrage” eine wesentliche Frage. In dem – auch vom Ab­geordneten Kiss kritisierten – Dokument erachtet sich Abgeordneter Dr. Kier für deutlich besser “aufgehoben” als in den Argumenten des Abgeordneten Kiss.

In der Frage der Speicherung der Fingerabdrücke von sogenannten illegalen Einwanderern müsse man sich folgenden Zusammenhang überlegen. Das Dokument sei sympathisch, weil es frei von dem Verdacht sei, daß es aus irgendeiner Spinnerei heraus geschrieben worden wäre. Abgeordneter Dr. Kier stellt fest, dieses Papier sei nicht sozusagen von irgendwelchen humani­tären Randgruppen entwickelt worden, sondern von Leuten, die wüßten, was Sache ist, und deren Weichherzigkeit er nicht überschätzen möchte. Diese seien vielmehr “straight” vorgegan­gen: Sie hätten erkannt, daß es notwendig sein kann, von Menschen, die einwandern, dies je­doch in illegaler Form tun – also von illegalen Wanderern –, festzustellen, ob sie einen anderen Status haben als jemand, der zwar im Jargon des wienerischen Alltages auch als “illegaler Einwanderer” bezeichnet wird, allerdings tatsächlich vielleicht ein Asylwerber sei, der mit seinen Asylgründen nicht durchkomme. Dann sei er jedoch kein illegaler Einwanderer, sondern ein gescheiterter Asylwerber.

Wenn der Asylantrag nicht rechtens sei, werde der Antragsteller im Regelfall auch nicht in Österreich bleiben können, es sei denn im Falle des “teuflischen Rückschiebungsverbotes”. Es gebe auf internationaler Ebene ein paar Bestimmungen, die wirklich “unangenehm” seien. Denn in einem solchen Fall entstehe ein “Meta-Illegaler”: Er sei zwar nicht berechtigt gewesen, Asyl zu erlangen, müsse aber trotzdem in Österreich verbleiben dürfen, weil man ihn leider nicht der Todesstrafe ausliefern könne oder weil es zumindest noch keinen Weg gegeben habe, dies zu erreichen. Daher sei er dann nicht “legal”, weil er zwar Asyl beansprucht, es aber nicht erlangt habe. Es wäre jedoch böse, ihn dann als “illegalen Einwanderer” zu bezeichnen. Vielmehr sei er ein steckengebliebener Asylwerber.

Damit ergebe sich ein sehr unangenehmes Problem. Abgeordneter Dr. Kier stellt fest, daß er mit diesem Phänomen keine Freude habe, daß es aber real vorhanden und humanitär nur in der Weise auflösbar sei, daß diese Menschen nicht abgeschoben werden. Für sie müsse man sich etwas einfallen lassen, denn derzeit würden sie in einem Schwebezustand, sozusagen “im Orbit” gehalten: Sie seien “hinaufgeschossen” worden, sie seien energielos, und sie würden nicht “her­untergeholt” werden. Sie bekämen auch keine Beschäftigungserlaubnis und würden systema­tisch “illegalisiert” werden. Es bestehe keine Phantasie für den Umgang mit diesem Problem. Dies sei ein Faktum.

Es sei nicht möglich, die wahre Gesinnung dieser Menschen zu erkennen. Zwar könne man mit einem Vorurteil an dieses Thema herangehen und sagen, daß diese Menschen auf jeden Fall “Schurken” seien, die sich eines bösen Tricks bedient hätten. Es könne aber auch sein, daß die Asylgründe nicht ausreichend waren, diese Menschen jedoch trotzdem nicht zurückgeschoben werden könnten. Daraus ergebe sich im Regelfall die Sachlage, daß sie in dem Land, in dem sie beheimatet waren, an ihrem Leben bedroht seien. Es bestehe daher eine entsprechende Reziprozität.

Um diesen Bereich von jenem der illegalen Einwanderung abzugrenzen, sei zwar – wenn erken­nungsdienstliche Mittel Anwendung finden sollen – die Fingerabdruckabnahme von illegalen Einwanderern erforderlich, aber diese Abdrücke brauchten nicht gespeichert zu werden. Denn nach dem Abgleich seien sie nicht mehr nötig. Zwar müßten die Fingerabdrücke eine Zeitlang zur Verfügung stehen, aber sie zu speichern hieße, sie für eine längere Dauer aufzubewahren. Daher sei das vorliegenden Papier vom 8. Oktober so unweise nicht, denn es anerkenne die Notwendigkeit der folgenden Abgrenzung: Ist die Person A, die sich im Staat X als Asylwerber “eingeloggt” hat und im Staat Y in der Gestalt des ertappten illegalen Einwanderers auftritt, dieselbe Person?

Eine Antwort auf diese Frage bringe einen Erkenntnissprung mit sich. Denn in diesem Fall könne mit Fug und Recht gesagt werden, daß die Angaben von jemandem, der für sich in An­spruch nehme, Asylwerber im Staat X zu sein, gleichzeitig aber sich selbst als illegalen Ein­wanderer darstelle, der ertappt worden sei, weil er nicht “legal” gewesen sei, einander so stark widersprechen würden, daß sie einen hohen Erkenntnisgrad für die Einschätzung dieser Person hätte. Dafür seien diese Daten erforderlich.

Wenn aber jemand ohne Reisepaß eingereist sei und sich in keinem vom Dubliner Überein­kommen erfaßten Land als Asylwerber gestellt habe, würden, nachdem dies abgeglichen wurde, die Fingerabdrücke nicht mehr gespeichert bleiben müssen. Denn dann sei diese Person illegal eingereist – ohne Dokument, mit gefälschtem Dokument oder sonstwie –, habe keinen Schutz­status und sei also nicht Flüchtling. Vielmehr handle es sich um einen “mißlungenen Einwan­derer”, einen, der sich nicht als Asylwerber getarnt, sondern versucht habe, sich an den Geset­zen vorbei hier niederzulassen. Denn dadurch sei der illegale Einwanderer gekennzeichnet, daß er versuche, sich an den Gesetzen vorbei niederzulassen und nicht die “Direttissima” eines vielleicht trickreichen Asylantrags nehme.

Dies sei keine sympathische Vorgangsweise, weil es die echten Asylwerber “beschädige”. Aber die Nachweisführung sei schwierig, und man müsse darauf achten, im Ergebnis nicht bei der Inquisition zu landen und nicht die Schubhaft vielleicht als inquisitorische Beugehaft einzusetzen.

Sobald der entsprechende Befund vorliege, seien alle nötigen Erkenntnisse vorhanden. Es wäre selbstgerecht, jemandem von vornherein eine bestimmte Absicht zu unterstellen, sondern es müsse ein ordentliches Asylverfahren abgewickelt werden. Danach stelle sich heraus, ob je­mand ein berechtigter Asylwerber sei oder nicht. Im positiven Fall bekäme diese Person Aufent­halt.

Trotzdem gebe es Fälle, in denen eine Abschiebung aus humanitären Gründen nicht möglich sei. Dies sei zwar nicht angenehm, aber es sei trotzdem der Fall. Es gäbe zwar die einfachere Möglichkeit, überhaupt keine Anträge zuzulassen, sodaß dieses Problem nicht bestehen könnte, aber so weit werde hoffentlich keiner von den in diesem Raum Anwesenden gehen wollen. Diese im Extrem zu Ende gedachte Alternative wolle – zumindest den Bekundungen nach – ohnehin niemand.

Wenn aber die Erkenntnis über den illegalen Einwanderer infolge des Abgleichs von erken­nungsdienstlichen Daten vorliege, dann könne diese Person außer Landes gebracht werden, sofern sie keinen Schutzanspruch habe. Diesen habe sie nicht, wenn sie nicht behauptet habe, Flüchtling zu sein. Dann sei es nicht nötig, die Fingerabdrücke gespeichert zu lassen. Darin be­stehe die “Philosophie” des Europapapiers – keine weichherzige, sondern eine pragmatische, die besage: Der Abgleich hat gezeigt, daß diese Person nirgends im EU-Raum als Flüchtling aufgetreten, jedoch illegal eingewandert ist, sodaß sie mit den Mitteln des Rechtsstaates darum gebeten werden kann, das Land wieder zu verlassen.

Denn wer nicht zur Einreise berechtigt sei, könne “ausreisend gemacht” werden, sofern er nicht behaupte, Flüchtling zu sein. Deshalb sei in dem Papier vorgesehen, daß von diesen Leuten die Daten nicht benötigt werden. Wenn jemand hingegen in einem anderen Land Asylwerber und dort erkennungsdienstlich erfaßt worden sei – sodaß seine Fingerabdrücke bereits dort genom­men und gespeichert worden seien –, müßten sie nicht ein zweites Mal gespeichert werden, sondern es wäre die Information hinreichend, daß es sich um dieselbe Person handle. Aus diesem Grund sei der Ansatz in dem Papier logisch und stringent. Wer sich gegen diese Position wehre, habe die genannten Argumente nicht bedacht.

Abgeordneter Dr. Kier ersucht darum, die Sache in diese Richtung durchzudenken. Dann werde sich zeigen, daß mehr verlangt werde, als selbst bei strenger Auslegung der Vorschriften not­wendig sei. Insofern ziele der Antrag des Liberalen Forums darauf ab, die Position dieses euro­päischen Dokumentes zu übernehmen und nicht weitere, überflüssige Fingerabdruckskarteien einzurichten.

Es komme vielmehr darauf an, endlich Harmonisierungsfortschritte in den Bereichen zu erzielen, die in der Union gemeinsam getragen werden könnten. Allfällige Sorgen wegen einer Nivellie­rung – wie in einem Antrag der Freiheitlichen zum Ausdruck gebracht – seien unbegründet. Wer Harmonisierung wolle und gleichzeitig gegen Nivellierung sei, müsse sich fragen lassen, wie er sich eine Harmonisierung auf gleichem Niveau sonst vorstelle. Dies sei nichts anderes als Nivel­lierung, und das müsse nichts Schlechtes sein. Vielmehr sollte es ein Ziel sein, ein gemein­sames Niveau zu erreichen.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ) verweist auf das in dem Strategiepapier angeführte Dublin-Verfahren. Die Erfahrung damit habe gezeigt, daß es dringend notwendig wäre, Vereinfachungen zu erzielen. Mit diesem Verfahren dauere die Abgleichung drei bis vier Monate, wenn nicht länger. Ein Teil der betroffenen Asylwerber sei während dieses Zeitraums in Schubhaft. Auch die ausführenden Behörden würden es sehr begrüßen, auf kürzerem Weg als über die jeweiligen Zentralstellen zu einem Datenabgleich und damit zu einer rascheren Ent­scheidung zu kommen.

Abgeordneter DDr. Niederwieser fragt Bundesminister Mag. Schlögl nach diesbezüglichen Bemühungen.

Das Strategiepapier habe eine sehr umfangreiche Materie zum Inhalt. Dazu liege eine Ent­schließung des Europäischen Parlamentes mit dem Thema “Achtung der Menschenrechte in der Europäischen Union” vom Februar 1998 vor. Darin sei auch ein Kapitel über Einwanderung und Asylrecht enthalten. Abgeordneter DDr. Niederwieser fragt, ob es ein Ziel der österrei­chischen Präsidentschaft sein werde, wesentliche Teile dieser Entschließung in die künftige gemeinsame europäische Politik zu Asylrecht und Einwanderung einzuarbeiten.

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche) verweist darauf, daß vor einigen Tagen in Deutschland eine ähnliche Diskussion wie in Österreich vor sich gegangen sei. Dort sei diese Diskussion um Asylanten und Flüchtlinge vor allem vom neuen Innenminister Schily ausgelöst worden. Er habe darüber gesprochen, daß die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Aufnahme­kapazität begrenzt und daher für Flüchtlinge nicht mehr aufnahmefähig sei. Dies habe zu zahl­reichen Reaktionen geführt.

Abgeordneter Dr. Kurzmann fügt hinzu, er habe bisher – vor allem beim Lesen der “Kronen Zeitung” – den Eindruck gehabt, daß Bundesminister Mag. Schlögl eine ähnliche Auffassung vertrete. Deshalb habe er sich darüber gewundert, daß in dem vorliegenden Positionspapier zwar der Hinweis auf den sich verschärfenden Arbeitsplatzdruck hervorgehoben, dann aber in einem zweiten Schritt eine Erweiterung der Aufnahmequoten ins Auge gefaßt werde. Dies sei ein unlogisches Vorgehen, denn wer dieser Meinung wäre, müßte die Zuwanderung auf Null reduzieren, nicht aber eine Ausweitung vorsehen.

In diesem Positionspapier sei auch die Rede davon, daß die rasche Behandlung offensichtlich unbegründeter Asyl- oder Zuwandereranträge notwendig wäre. Aber in der vergangenen Woche sei im Parlament ein Beschluß gefaßt worden, der dies unmöglich mache. Daher würden Theorie und Praxis einander offensichtlich widersprechen.

Abgeordneter Dr. Kurzmann fragt, ob Bundesminister Mag. Schlögl sich vorstellen könne, den Anwendungsbereich der EURODAC-Konvention über den Bereich der Asylwerber hinaus auf illegale Einwanderer auszuweiten.

Dazu haben die Freiheitlichen einen Antrag auf Stellungnahme eingebracht, mit dem der zu­ständige Regierungsvertreter aufgefordert wird, im Rahmen der Diskussion um die EU-Migra­tions und -Asylpolitik folgende österreichische Anliegen zu vertreten: effiziente Bekämpfung des illegalen, organisierten, kriminellen Menschenschmuggels; konsequente Rückführung der illega­len Einwanderer; effiziente Bekämpfung der organisierten Kriminalität; befristete Senkung der Höchstzahlen der Ausländerbeschäftigung für die Dauer der hohen Arbeitslosigkeit; Einwande­rungsstopp bis zur Senkung der Arbeitslosigkeit; sofortige Ausweisung und Aufenthaltsverbot straffällig gewordener Illegaler und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bei straffällig ge­wordenen Fremden; europaweiter personeller und finanzieller Lastenausgleich; Ausweitung der EURODAC-Konvention auf illegale Einwanderer; keine Ausweitung der Familienzusammenfüh­rung; generell keine Nivellierung der nationalen Standards durch EU-Regeln.

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) erachtet die Verkürzung von Menschenschicksalen darauf, Gegenstand von Kriminalstatistiken zu sein, oder auf die Fragen, wie effizient die Datenfindung sei und wie Grenzen überwacht werden könnten, für unangemessen.

Die Sache sollte in größeren Zusammenhängen gesehen werden. Wenn zum Beispiel Frank­reich das Problem einer Immigration habe, die an die Grenzen der Akzeptanz in der Bevölke­rung und der ökonomischen Möglichkeiten stoße, dann kämen – wie auch in Österreich, wenn es um Asylverfahren und Immigranten geht – immer die Innenminister an die Reihe, und sie seien wahrlich die Letzten, die mit den Folgewirkungen ungelöster Probleme konfrontiert wer­den. Tatsächlich sei es eine ökonomische Frage, ob es zum Beispiel gelingt, in Nordafrika, in den Maghreb-Ländern Infrastrukturen ökonomischer und sozialer Natur zu errichten, die ge­eignet wären, den Menschen dort Anreize zum Bleiben zu geben.

Es werde auch darauf ankommen, ob es langfristig gelingen werde, den ökonomischen und sozialen Integrationsprozeß der ehemaligen COMECON-Länder in Europa so zu gestalten – deren Akzeptanz, das Acquis communautaire, das soziale und ökologische Niveau und so weiter –, daß die Menschen dort bleiben wollen. Dies sei zum Beispiel eine wirtschaftspolitische Aufgabe, eine sozial- und außenpolitische Aufgabe, aber trotzdem lande die Sache immer, wenn Probleme nicht gelöst werden, ganz am Schluß beim jeweiligen Innenminister. Der Innenmi­nister habe jedoch nicht die Möglichkeit, jene Probleme zu lösen, die oft Jahre oder Jahrzehnte zurücklägen.

Wenn dies auch noch zum Gegenstand von Emotionen und Polarisierungsstrategien gemacht werde, dann sei dies der falsch Weg.

Im Hinblick darauf, daß der deutsche Innenminister Schily zitiert worden ist, könne auch auf ent­sprechende ideologische Hintergründe verwiesen werden, die zum Beispiel in Deutschland darin bestünden, daß diejenigen Deutschen, die, am Don lebend, das Begehren zur Rückkehr in die deutsche Heimat verspürten, auch nach Deutschland kommen würden. Dies gelte für andere vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten ausgewanderte Deutsche ebenfalls. Solange für sie die Blutsdefinition Gültigkeit habe und sie das Recht zur Rückkehr hätten, würden sie zurückkehren. Darüber müsse jenseits der Asylantendebatte gesprochen werden, und dabei würden sich dann ebenfalls Akzeptanzgrenzen zeigen.

Abgeordneter Dr. Cap richtet an die Zuhörer den Appell, im “Wording” und im Umgang mit dem Problem zu versuchen, sich damit in einer Form auseinanderzusetzen, daß ein ganzheitliches politisches Problem damit begriffen wird, und nicht bloß auf eine Weise, die auf eine lückenlose Datenerfassung mit Hilfe der EDV abziele. Dies greife zu kurz, wie sich in Diskussionen immer wieder zeige. Denn die Machbarkeit und die Handlungsspielräume seien viel enger, solange die Sache nicht lang­fristiger und in weiterem Rahmen gesehen werde.

Dieser Appell sei auch nicht als Kritik gemeint, sondern es gehe darum, diese Aspekte zu be­rücksichtigen.

Abgeordnete Dr. Sonja Moser-Starrach (ÖVP) erinnert daran, daß im Europäischen Parla­ment Österreich, Deutschland und das Nicht-EU-Land Schweiz als die beliebtesten Zufluchts­stätten genannt worden sind. Es bestehe dort die Absicht, eine Strategie dafür auszuarbeiten, personenbezogene Leistungen auf die EU-Mitgliedstaaten aufzuteilen.

Abgeordnete Dr. Moser-Starrach fragt, wie weit dieses Vorhaben bereits gediehen sei.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche) legt dar, daß die Politik der Freiheitlichen es vorsehe, gerade den Krisenregionen vermehrt finanzielle Mittel zukommen zu lassen. Es seien die Freiheitlichen gewesen, die als erste einen von der Bundesregierung ins Leben zu rufenden Osteuropafonds verlangt hätten, als 1989 die große Einwanderungswelle stattgefun­den habe. Dies könne in allen parlamentarischen Protokollen nachgelesen werden. Die Freiheit­lichen hätten die Einrichtung eines Fonds im Ausmaß von 5 Milliarden Schilling verlangt, um diese Einwanderungswelle zu verhindern.

Abgeordnete Dr. Partik-Pablé merkt an, daß die positiven Wirkungen, die von hochentwickelten Staaten ausgehen würden, von der Bundesregierung selbst zum Beispiel mit ihrer Politik gegen­über den Bosniern ad absurdum geführt worden sei. Gerade jene Leute, die schon drei Jahre in Österreich gearbei­tet und entsprechendes Know-how erworben hätten, seien nicht zurückge­kehrt, um am Wiederaufbau mitzuwirken; nur 10 000 Bosnier seien zurückgekehrt. Damit habe die Bundesregierung selbst im Gegensatz zu dem gehandelt, was zuvor auch der Abgeordnete Dr. Cap gefordert habe.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl spricht dem Hauptausschuß Dank für die Diskussion aus. Diese sei im wesentlichen so wie immer verlaufen: Die Rollenspiele seien im Prinzip beibehalten worden. Bundesminister Mag. Schlögl verspricht, daß auch er seine Rolle nicht ändern werde.

Allerdings habe die heutige Debatte neue Aspekte bekommen, und zwar zunächst dadurch, daß Abgeordnete Mag. Kammerlander auf ihren fundamentalistischen Positionen geblieben sei. Hin­gegen gebe Abgeordneter Dr. Kier Anlaß zu der Feststellung, daß er in vielen Bereichen Stand­punkte vertrete, die mit der Politik von Sektionschef Dr. Matzka zu vergleichen seien. Dies sei ein wenig überraschend gekommen.

Abgeordnete Mag. Kam­merlander habe eine Darstellung gegeben, als ob die Politik Österreichs im Bereich Justiz und Inneres – und damit auch die Politik der zuständigen Bundesminister Dr. Michalek und Mag. Schlögl in deren Eigenschaft als Präsidenten des jeweiligen Rates – im letzten halben Jahr ausschließlich an Fragen der Migrations- und Asylpolitik orientiert gewesen wäre. Dies sei falsch. Ganz im Gegenteil seien in vielen anderen Bereichen Ver­suche unternom­men worden, Initiativen zu starten, und manches sei weitergebracht worden.

Jedenfalls seien die genannten Bereiche – verglichen mit der gesamten sicherheitspolizeilichen Zusammenarbeit, mit allen Aktivitäten zur Konstituierung und Umsetzung von Europol, mit den Fragen in bezug auf Kinderpornographie, Internet, organisierte Kriminalität et cetera – nur als ein Teilaspekt der gesamten Arbeit zu betrachten. Daher habe die Abgeordnete Mag. Kammer­lander unrecht, wenn sie den Vorwurf erhebe, daß die Aktivitäten ausschließlich auf die Fragen der Migrations- und Asylpolitik konzentriert gewesen seien.

Es sei zuzugeben, daß diese Fragen in der öffentlichen Debatte – daran seien die Grünen nicht unbeteiligt gewesen – ein deutliches Übergewicht gegenüber anderen Fragen gehabt hätten. Aber in der sachpolitischen Diskussion habe auch das wichtige Feld der Zusammenarbeit inner­halb Europas Berücksichtigung gefunden. Die Tagesordnung für das bevorstehende Wiener Gipfeltreffen zeige ebenfalls, daß Migrations- und Asylfragen nur einen Teilbereich neben vielen anderen Punkten ausmachen.

Bundesminister Mag. Schlögl zeigt sich darüber erfreut, daß im vorliegenden Antrag des Libera­len Forums die Ausarbeitung eines umfassenden Strategiepapiers zu Asyl- und Migrationsfra­gen angesprochen wird. Ein solches sei im wesentlichen bereits erarbeitet worden. Es sei auch erfolgreich der Versuch einer Verzahnung in dem im Antrag angedeuteten Sinn unternommen worden.

Abgeordnete Mag. Kammerlander habe sich in der heutigen Sitzung bedeutend vorsichtiger als in der letzten Beratung über diesen Punkt im Hauptausschuß ausgedrückt. Heute habe sie von einer regen öffentlichen Debatte über diese Fragen gesprochen. Dies treffe zu, denn die kontro­versielle Debatte habe sich im Verlauf der letzten Wochen sehr beruhigt. In der Sitzung des Ausschusses für Justiz und Inneres des EU-Parlamentes am 30. November habe der Ab­geord­nete zum Europäischen Parlament der Grünen, Voggenhuber, wie immer sehr forsch und kri­tisch Fragen gestellt. Darunter habe sich aber überraschenderweise keine einzige Frage auf das Strategiepapier zur Migrations- und Asylpolitik bezogen. In allen anderen Diskussionsbeiträ­gen zu diesem Thema sei im wesentlichen starke Zustimmung zum Ausdruck gekommen, vor allem von deutscher Seite und insbesondere von seiten Bayerns. Aber auch zum Beispiel fran­zösische sozialdemokratische Abgeordnete hätten diesem Strategiepapier ihre Unterstützung gegeben. Es sei deutlich betont worden, daß dieses Dokument notwendig sei.

Über dieses Strategiepapier sei auf europäischer Ebene ausgiebig diskutiert worden. Anfang September habe es damit einige Probleme gegeben, diese seien aber dadurch entstanden, daß manche Teile des Inhalts – bewußt oder unbewußt – falsch dargestellt worden seien oder daß den Verfassern dieses Papiers unterschoben worden sei, sie hätten damit die Genfer Flücht­lingskonvention abschaffen wollen. Bundesminister Mag. Schlögl ruft in Erinnerung, daß er immer wieder hervorgehoben habe, es sei dies in keiner Weise beabsichtigt, und es sei viel­leicht nötig, manche Formulierung zu überdenken. Die politische Absicht aber sei klar gewesen: Die Genfer Flüchtlingskonvention solle als ein wesentliches Dokument und als ein Grundsatz der internationalen Gemeinschaft auch in Zukunft erhalten bleiben und ausgebaut werden.

Am 29. und 30. Oktober hätten sich im Rahmen des informellen Ministerratstreffens in Wien die Minister ausführlich mit diesem Strategiepapier befaßt. Es habe dafür in großem Umfang Unter­stützung gegeben, alle Minister hätten sich hinter dieses Dokument gestellt. Hinsichtlich des einen oder anderen Bereichs seien Wünsche geäußert worden, daß manches stärker hervorge­hoben und manches klarer formuliert werden sollte. Dies gelte beispielsweise dafür, daß es mittelfristig notwendig sein werde, die Harmonisierung des Asylrechtes in der Europäischen Union zu erreichen, daß Migration, Integration und Zuwanderung nicht nur als Bedrohung, son­dern in manchen Bereichen auch unter positiven Aspekten gesehen werden sollten, oder daß in­ternationale Politik stärker einbezogen werden sollte, wie es zuvor bereits Abgeordneter Dr. Cap gefordert und Abgeordnete Dr. Partik-Pablé in Teilbereichen unterstützt habe.

Es wäre falsch, zu glauben, daß man je sämtliche Fragen der Migration – der Migration und nicht des Asyls – in den Griff bekommen werde. Dies werde keinem Land gelingen. Bundesmi­nister Mag. Schlögl berichtet von einem Urlaub letzten Sommer in den Vereinigten Staaten, daß es “sensationell” sei, was dort an der Grenze zu Mexiko vor sich gehe. Es sei dort ein System geschaffen worden, das bei weitem besser als in allen europäischen Staaten sei. Dort seien High-Tech-Mittel im besten Sinne, dort seien gigantische Mauern, Stacheldraht und eiserne Vorhänge im Einsatz, aber trotzdem könne die illegale Migration von Armuts- oder Wirtschafts­flüchtlingen aus dem mittelamerikanischen und dem mexikanischen Bereich in keiner Weise gestoppt werden.

Daher müsse klar sein, daß die Ursache der Migration in den unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Systemen auf der Welt zu erblicken sei. Solange es nicht gelingen werde, diese einigermaßen anzugleichen, würden die Probleme weiterbestehen, sodaß zum Beispiel Flucht­bewegungen aus dem Maghreb in den Süden Europas oder aus dem Osten Europas ins Zentrum erfolgen würden. Immer häufiger kämen Flüchtlinge aus Indien, Sri Lanka, Pakistan, Bangladesch und vielen anderen Staaten, dies nehme “in gigantischem Ausmaß” zu. Es sei nötig, die Entwicklungshilfe gezielt als unterstützendes Mittel gegen Migrationsbewegungen ein­zusetzen. Auch humanitäre Hilfe werde in größerem Ausmaß als bisher erforderlich sein.

Die Minister hätten sich im Rahmen des genannten Treffens für eine klare Trennung – in diesem Punkt hätten auch die Abgeordneten Mag. Kammerlander und Dr. Kier recht – zwischen Migra­tion und Asyl ausgesprochen. Die Forderung nach einer noch klareren Unterscheidung sei be­reits aufgegriffen worden.

In bezug auf die EURODAC-Konvention habe der Abgeordnete Dr. Kier den Sachverhalt sehr gut erklärt. Diese Konvention werde seit mehr als zwei Jahren diskutiert und stelle im wesent­lichen eine politische Vereinbarung zwischen den Staaten dar. Es gehe darum, die Fingerab­drücke von Asylwerbern solange zu speichern, bis ihr Verfahren positiv abgeschlossen ist. Falls es zu einem negativen Abschluß komme, würden die Daten zehn Jahre lang aufgehoben.

Dieses Vorhaben sei im wesentlichen während der österreichischen Präsidentschaft umgesetzt worden, es bedürfe dafür nur noch der Lösung einiger technischer Probleme wie zum Beispiel des Ortes der Speicherung. 14 Mitgliedstaaten träten dafür ein, die Daten bei der EU-Kom­mission zu speichern, nur ein Staat wolle sie in seinem Bereich sammeln. Das zweite Problem sei die Gerichtshofszuständigkeit in bezug auf Großbritannien und Irland. Aber mit der Ratifizie­rung des Vertrages von Amsterdam werde auch dieses Problem gelöst sein.

Es könne auch der Punkt, ein Protokoll für Illegale zu schaffen, abgehakt werden. Es wäre wünschenswert gewesen, keine Einschränkung auf den Grenzbereich vorzunehmen, sondern auch das Aufgreifen von Illegalen im Binnenland – wie vom Abgeordneten Kiss angesprochen – einzubeziehen. Doch sei es nicht möglich gewesen, dazu für 15 Mitgliedstaaten eine gemein­same Linie zu finden. Eine Reihe von Staaten hätte es am liebsten überhaupt nicht dazu kommen lassen, und der Kompromiß habe dann auf das Aufgreifen im unmittelbaren Grenzbe­reich gelautet.

Im wesentlichen hätten sich jene Staaten dagegen ausgesprochen, welche die erste Anlaufstelle für illegalen Grenzübertritt nach Europa seien. Aber obwohl diese Staaten erste Anlaufstelle seien, finde sich dort die geringste Anzahl von Asylwerbern.

In der EURODAC-Konvention sei vorgesehen, daß Asylwerberdaten abgeglichen werden. Wenn ein Illegaler aufgegriffen wird, werde sein Fingerabdruck abgenommen und mit der Asylwerber­kartei verglichen. Wenn er dort aufscheine, dann “passe alles”; wenn sein Fingerabdruck nicht enthalten sei, komme es nicht darauf an, ob er in der Illegalenkartei aufscheint, da es nicht not­wendig sei, dies zu wissen. Jemand, auf den dies zutreffe, werde wahrscheinlich in die Schengen-Informationsdatei aufgenommen werden. Ob die Speicherung für zwei Jahre erfolgen werde – wie im Entwurf vorgesehen – oder nur für den Zeitraum, in dem festgestellt wird, ob ein Abdruck in der Asylwerberkartei aufscheint, darüber werde noch in der laufenden Woche disku­tiert und entschieden werden. Wichtig sei, daß es ausschließlich darum gehe, festzustellen, ob der Illegale irgendwo schon Asyl bekommen hat. Darin bestehe der Zweck dieses Protokolls.

Bundesminister Mag. Schlögl bietet an, darüber hinausgehende Informationen in Form einer von Sektionschef Dr. Matzka erstellten Übersicht zur Verfügung zu stellen.

Die Aussage des Abgeordneten Jung, daß das Konzept der vorübergehenden Aufnahme ver­sagt habe, hänge von der Wahl des Gesichtspunktes ab. Unter dem Aspekt, daß Menschen, die in Not flüchteten, gerettet worden sind, habe dieses Konzept nicht versagt. Denn viele der aus Bosnien geflüchteten Menschen hätten sich durch ihre Flucht ein schreckliches Schicksal er­spart. Andererseits habe das Konzept insofern versagt, als es nicht zu einer kurzfristigen Auf­nahme gekommen sei, sondern die Aufnahme sehr lang gedauert habe und eine Vielzahl der Menschen in Österreich geblieben sei.

Insofern sei es kein kurzfristiges Aufnahmeinstrument gewesen, sondern eine Vorkehrung, die dazu geführt habe, daß 70 bis 75 Prozent der nach Österreich geflüchteten Menschen hier ge­blieben und integriert worden seien. Dies sei aber – offen gesagt – beabsichtigte Politik gewe­sen. Denn dies hätten diejenigen, die damals an verantwortlicher Stelle waren, durch entspre­chende gesetzliche Initiativen und Voraussetzungen eingeleitet. Aus Deutschland hingegen sei ein Großteil der Menschen unter den verschiedensten Umständen zurückgestellt worden.

Bundesminister Mag. Schlögl fügt hinzu, daß sich auch im Fall einer kurzfristigen Aufnahme­aktion für Kosovo-Flüchtlinge eine ähnliche Situation ergäbe und ein Großteil der aufgenomme­nen Menschen kein Interesse an der Rückkehr hätte. Deshalb sei er sehr vorsichtig mit einer kurzfristigen Aufnahme.

Bundesminister Mag. Schlögl stellt die Ansichten des Abgeordneten Jung – daß der Bundesmi­nister für Inneres das Asylgesetz entschärft habe –, der Abgeordneten Mag. Kammerlander – daß der Bundesminister für Inneres ständig Schritte setze, um das Asylgesetz zu verschärfen – und des Abgeordneten Dr. Kier – darin komme eine Unterstützung der Position des Bundes­ministers für Inneres zum Ausdruck – einander gegenüber und stellt fest, daß er sich angesichts dieser Unterschiede schwertue, eine entsprechende Linie zu finden. Die Einschätzung dessen, was das neue Asylgesetz bedeute, beruhe offensichtlich auf äußerst unterschiedlichen Bewer­tungen der politischen Parteien.

Es sei sinnvoll, das Gesetz in der jetzigen Form gemacht zu haben. Dieses Gesetz habe in manchen Bereichen punktuell Verschärfungen gebracht, in anderen Bereichen sei der Versuch größerer Treffsicherheit unternommen worden. Dies zeige, daß das neue Asylgesetz offensicht­lich nicht so schlecht sei.

Zur Frage der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé, wer gegen den Lastenausgleich sei, könne nur gesagt werden, daß in den nächsten Tagen wieder ein Schritt erfolgen werde, um einer Lösung näherzukommen. In dem vorliegenden Aktionsplan sei auch der Lastenausgleich als mittelfristi­ges Ziel enthalten. Bundesminister Mag. Schlögl fügt hinzu, er sei nicht optimistisch, dafür in den beiden kommenden Tagen die Zustimmung aller 15 Mitgliedstaaten zu bekommen.

Es gelte wieder die alte Weisheit, daß das Sein das Bewußtsein bestimme. Jene Staaten, die von Massenfluchtbewegungen und Asylwerbern stark betroffen sind – Österreich, Deutschland, die Niederlande und Schweden –, hätten großes Interesse an einem Lastenausgleich. Die da­von weniger betroffenen Staaten hingegen hätten dieses Interesse nur in geringerem Ausmaß. Zwei oder drei Staaten würden den Kern des Widerstandes gegen den Lastenausgleich bilden, und einige Staat hielten sich im Hintergrund. Sie gäben den zwei großen Staaten den Vortritt und sähen es mit Sympathie, daß der Lastenausgleich nicht in größerem Ausmaß zustande kommt.

Im wesentlichen solle mit dem Lastenausgleich – Bundesminister Mag. Schlögl merkt an, daß er die Bezeichnung “Solidarausgleich” vorziehe – erreicht werden, daß bei Fluchtbewegungen, aber auch in bezug auf Asylwerber eine vernünftige Aufteilung auf die einzelnen Mitgliedstaaten erfolgt, nicht nur als personeller Ausgleich, sondern auch in Form finanzieller Unterstützung. Noch am heutigen Tag werde ein Treffen mit dem deutschen Innenminister Schily stattfinden, und es werde der Versuch einer Verzahnung vorgenommen werden, damit dieses Thema in der deutschen Präsidentschaft weiter forciert werde.

Zur Frage des Abgeordneten DDr. Niederwieser führt Bundesminister Mag. Schlögl aus, es treffe leider zu, daß Dublin-Verfahren relativ lange dauern würden. Es werde notwendig sein, zu erreichen, daß dieses Vertragswerk tatsächlich umgesetzt wird. Denn jeder Staat habe großes Interesse daran, einen Asylwerber, der bereits in einem anderen Staat um Asyl angesucht hat oder in einem anderen Staat erstmals in Europa vor Verfolgung sicher war, wieder dorthin zu bringen, und es bestehe kein Interesse an einer Aufnahme.

Österreich habe versucht, in bilateralem Kontakt zwischen den Asylämtern Österreichs und Deutschlands eine Beschleunigung zu erreichen. Zwischen Österreich und Deutschland sei die Zusammenarbeit bereits recht gut, nicht jedoch mit Italien. Davon sei der Hauptteil der “Dublin-Flüchtlinge” betroffen. Probleme mit anderen Staaten hätten nur ein relativ geringes quantitati­ves Ausmaß, aber auch in dieser Hinsicht seien Verbesserungsbestrebungen im Gange.

In bezug auf die Frage des Abgeordneten Dr. Kurzmann nach der Behandlung unbegründeter Asylanträge und der entsprechenden Fristen vorige Woche im Nationalrat stellt Bundesminister Mag. Schlögl fest, er stehe nach wie vor zu der ursprünglich im Asylgesetz beschlossenen Zwei­tagesfrist bei offensichtlich unbegründeten Anträgen. Es müsse jedoch das Erkenntnis des Ver­fassungsgerichtes berücksichtigt werden, mit dem die Zweitagesfrist aufgehoben wurde. Damit habe automatisch die Frist von 14 Tagen Gültigkeit erlangt, und diese sei in der Sitzung vorige Woche auf 10 Tage reduziert worden. Dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nach seien mindestens 7 Tage erforderlich.

Nun trete die Philosophie der Betrachtungsweise ins Blickfeld. Denn Abgeordnete Mag. Kam­merlander habe festgestellt, daß 10 Tage viel zu kurz und 14 Tage nötig seien, wo­gegen nach Ansicht der Freiheitlichen 10 Tage zu lang und 7 Tage ausreichend seien. Daher könne die in der Mitte zwischen diesen Forderungen liegende Frist von 10 Tagen als “Schlögl-Variante” be­zeichnet werden. Damit sei versucht worden, der Kritik Rechnung zu tragen.

Die Zuwanderung in Österreich sei in den letzten Jahren deutlich reduziert worden. Zu Beginn der neunziger Jahre habe die Zuwanderung einige Zehntausend umfaßt, wogegen in den Jahren 1998 und 1999 nicht mehr als rund 8 700 Personen zuwandern würden. Im wesentlichen gehe es dabei um einige wenige Spitzenarbeitskräfte und um Familienzusammenführungen. Die Zahl von 8 700 Zuwanderern sei für Österreich zweifellos vertretbar. Unter Einbeziehung der Personen, die durch Heirat oder im Rahmen der Möglichkeiten für Studienaufenthalte zuwan­dern, werde eine Quote von 15 000 bis maximal 20 000 Personen erreicht werden.

Da gleichzeitig sehr viele Menschen Österreich verlassen und, weil nicht mehr im arbeitsfähigen Alter oder aus anderen Gründen, wieder in ihre Heimat zurückkehren würden, werde 1998 und wahrscheinlich auch 1999 in Österreich de facto keine nennenswerte Neuzuwanderung erfol­gen. Der Anteil der ausländischen Mitbürger mit legalem Aufenthaltsstatus werde 1998 und 1999 annähernd gleichbleiben. Dies sei auch richtig, weil Österreich in den letzten Jahren sehr viele Menschen aufgenommen habe. Bundesminister Mag. Schlögl erachtet es aufgrund der Arbeitsplatzsituation und der wirtschaftlichen Entwicklung für sinnvoll, daß es auf dem jetzigen Stand sozusagen zu einem Einfrieren kommt. Dies sei bei einer Zuwanderungsquote im Aus­maß von 8 700 Personen garantiert, dadurch sei aber auch gesichert, daß in den nächsten Jahren die notwendigen Familienzusammenführungen durchgeführt werden.

Obmannstellvertreter MMag. Dr. Willi Brauneder stellt fest, daß zu diesem Punkt keine Wort­meldung mehr vorliegt, schließt diese Debatte und leitet über zur Abstimmung über die vier vorliegenden Anträge auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG.

Der erste Antrag der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander, betreffend EURODAC-Konven­tion, bleibt in der Minderheit und ist abgelehnt.

Der zweite Antrag der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander, betreffend Aktionsplan zum Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, bleibt in der Minderheit und ist abgelehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Wolfgang Jung und Kollegen betreffend Strategiepapier zur Migrations- und Asylpolitik bleibt in der Minderheit und ist abgelehnt.

Der Antrag des Abgeordneten Dr. Volker Kier betreffend Aktionsplan zum Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bleibt in der Minderheit und ist abgelehnt. (Die Sit­zung wird um 16.08 Uhr unterbrochen und um 16.09 Uhr wiederaufgenommen. – Obmann­stell­vertreter Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz. – Bis 16.35 Uhr erfolgen die Beratungen zu den Tagesordnungspunkten 4 und 5.)

6. Punkt

Verkehrspolitik

RAT 7641/98 TRANS 55 FISC 67

Eurovignette

(47300/EU XX. GP)

COM KOM (98) 480 endg.

Eisenbahnunternehmen

(55522/EU XX. GP)

Obmannstellvertreter Dr. Heinrich Neisser begrüßt Bundesminister Dr. Einem und verweist darauf, daß dieser bis 18 Uhr für eine Debatte zur Ver­fügung stehen werde.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem gibt einleitend einen Bericht über die jüngsten Beschlüsse zu den Themen Eurovignette und Abkommen mit der Schweiz. Es sei im Rahmen der Beratungen des Transportministerrates am 30. November und am 1. Dezember gelungen, in dieser Frage einen Durchbruch zu erzielen.

In den Verhandlungen, die von der Europäischen Kommission mit der Schweiz geführt wurden, hätten einige Wünsche und Forderungen der EU-Mitgliedstaaten durchgesetzt werden können. Im wesentlichen sei es um die Erhöhung der Kontingente für 40-Tonnen-LKW in der Übergangs­phase der Schweiz-Öffnung gegangen. Im Gegensatz zum Kompromiß von Kloten vom Jänner 1998 werde es jetzt dazu kommen, daß im Anfangsjahr nicht nur 120 000, sondern 250 000 40-Tonnen-LKW durch die Schweiz fahren dürfen. In den zwei darauffolgenden Jahren werde das Kontingent auf jeweils 300 000 dieser LKW erhöht werden, und in den danach folgen­den weiteren zwei Jahren würden jeweils 400 000 40-Tonnen-LKW diese Genehmigung bekom­men. Im Jahr 2005 werde dann die volle Liberalisierung für 40-Tonnen-LKW in der Schweiz eintreten.

Dies sei ein wesentliches Anliegen Österreichs gewesen, weil es durch den Umwegverkehr zur Umfahrung der Schweiz – insbesondere auf der Route zwischen Kufstein und dem Brenner – stark in Mitleidenschaft gezogen worden sei.

Weiters sei es gelungen, ein gesondertes Kontingent für sogenannte Leerfahrten auszuverhan­deln und zu erhöhen. Schon heute nutze eine relativ große Zahl von leichteren oder leeren Last­kraftwagen auf der Rückfahrt nach Italien den Weg durch die Schweiz. 50 Prozent der Leerfahr­ten würden auf italienische LKW entfallen. Von diesen Fahrzeugen werde heute beinahe gebührenfrei die Möglichkeit der Fahrt durch die Schweiz mit 28-Tonnen-LKW genutzt. Dies komme Österreich stark entgegen, weil diese LKW wenigstens in einer der beiden Fahrtrichtun­gen nicht Österreich durchqueren.

Es sei ein von allen anderen Mitgliedstaaten unterstütztes Anliegen Italiens gewesen, ein ent­sprechend großes Kontingent für Leerfahrten und leichte LKW zu bekommen und im übrigen dafür zu sorgen, daß sich die Mautsätze, die in der Übergangsperiode für diese Fahrzeuge ein­gehoben werden, in Grenzen halten. Beide Ziele seien erreicht worden. Ein beträchtliches Kontingent für “Light Trucks” – sowohl leer als auch beladen – sei ausverhandelt worden: Ur­sprünglich seien für 120 000 dieser LKW Kosten von jeweils 75 Schweizer Franken vorgesehen gewesen, jetzt seien 220 000 leichtere LKW betroffen, und diese hätten vom 1. Jänner 1999 an jeweils 40 Schweizer Franken als Maut zu entrichten. Im ersten Vertragsjahr – 2001 – werde der Betrag auf 50 und danach jedes weitere Jahr um jeweils 10 Schweizer Franken erhöht, sodaß sich die Maut im Jahr 2004 auf 80 Schweizer Franken belaufen werde.

Darüber hinaus sei es darum gegangen, die Gebührensätze für den Transit durch die Schweiz noch einmal substantiell zu reduzieren, um – insbesondere aus österreichischer Sicht – zu er­reichen, daß nicht nur die Gebührensätze vergleichbar sind – wie dies der Hauptausschuß dem Verkehrsminister im Juli 1997 aufgetragen hat –, sondern daß auch durch die Art der Mautsätze in der Schweiz ein Anreiz gegeben wird, den Umwegverkehr aus Österreich abzuziehen und diesen Verkehr wieder durch die Schweiz verlaufen zu lassen. Auch dieses Vorhaben sei ver­wirklicht worden.

Es sei gelungen, alle Gebührensätze des Kompromisses von Kloten um 10 Prozent zu reduzie­ren, sodaß im Jahr 2000 ein gewichteter Durchschnittssatz von 180 ECU statt der zuerst vor­gesehenen 200 ECU gegeben sein werde. Insgesamt gehe es um eine sehr differenzierte Gebührenpolitik, welche die saubereren und leiseren LKW begünstigt und die für die Umwelt stärker belastenden Fahrzeuge auch mit der Maut stärker belastet. Dies werde im Rahmen eines Systems geschehen, das mit 180 Schweizer Franken für alle Kategorien im Jahr 2000 be­ginnen werde, woraufhin in jeweils zwei Jahren schrittweise Steigerungen erfolgen würden. Die saubersten LKW würden in den Jahren 2001 und 2002 jeweils 178 Schweizer Franken, die schmutzigsten – jene der Stufe “Euro 0” – jeweils 252 Schweizer Franken zu bezahlen haben. Diese Beträge würden in den Jahren 2003 und 2004 auf 210 beziehungsweise 300 Schweizer Franken steigen.

In einem auf Österreich bezogenen Vergleich stelle sich dies folgendermaßen dar. Der Haupt­ausschuß habe in dem zuvor zitierten Beschluß aus dem Jahr 1997 dem Verkehrsminister drin­gend nahegelegt, dafür Sorge zu tragen, daß der Grundsatz eingehalten wird, einen EU-Mit­gliedstaat – insbesondere Österreich – hinsichtlich der Rahmenbedingungen – insbesondere der Höhe der Maut – nicht schlechter als einen Drittstaat zu stellen. Umgerechnet auf die gefahre­nen Kilometer ergebe sich für Österreich im Rahmen der Eurovignette ein Wert von 0,76 ECU pro Kilometer, der von der Europäischen Union anerkannt wird, und für die Schweiz ergäben sich aus den soeben genannten Gebührensätzen Werte von 0,36 ECU zu Beginn für den saubersten LKW und von 0,6 ECU am Ende für den schmutzigsten LKW. Daher befänden sich die Gebührensätze in der Schweiz durchwegs unter jenen, die in Österreich gelten, sodaß ein attraktives Angebot dafür vorliege, den Umweg durch Österreich zu meiden und den Verkehr in die Schweiz zu verlagern.

In Kombination mit den relativ großzügigen Kontingenten, die jetzt erreicht wurden, bedeute dies vom Inkrafttreten des neuen Abkommens an, daß beträchtliche Teile des Umwegverkehrs über den Brenner abgezogen werden. Laut einer Erklärung der Kommission werde es dazu kommen, daß der Umwegverkehr bis 2005 um zumindest 200 000 LKW verringert wird. Über die Erreich­barkeit dieser Perspektive bestehe kein Zweifel.

Bundesminister Dr. Einem stellt fest, er habe so ausführlich über diese Beschlüsse berichtet, weil sich demgegenüber die praktische Bedeutung der Richtlinie über die Eurovignette – darüber sei bei gleicher Gelegenheit verhandelt und ein entsprechender Beschluß gefaßt worden – für Österreich in relativ engen Grenzen halte. Die Zeitgebührensätze für die sogenannte Euro­vignette im engeren Sinn – die Abgabe für die Benützung des höchstrangigen Straßennetzes innerhalb der Europäischen Union – seien moderat angehoben worden, sodaß die Inflation seit der letzten Festlegung der Gebühren Berücksichtigung gefunden habe. Die Tagesgebühr werde statt 6 ECU künftig 8 ECU betragen, die Gebührensätze für die unterschiedlichen LKW würden zu gestaffelten Jahresgebührensätzen von 17 000 S bis 21 000 S führen.

Dies sei von geringerer praktischer Bedeutung, da es keinen sehr großen praktischen Beitrag zur Steuerung der Verkehrsprobleme in Europa leiste. Bedeutsamer sei demgegenüber, daß Deutschland eine Erklärung darüber abgegeben habe, welche Teil des Gesamtpaketes gewor­den sei und wonach Deutschland mit Wirksamkeit vom Jahr 2002 an ein elektronisches Road-pricing-System einführen werde. Dies werde auch für die entsprechenden Diskussionen in Österreich einen Anreiz bieten.

Zur Darstellung der spezifischen Eurovignetten-Fragen – also etwa im Hinblick auf die Frage, welche Auswirkungen zum Beispiel auf Tirol zu erwarten seien – müsse eine Spur tiefer ins De­tail gegangen werden. Im Rahmen der Richtlinie über die Eurovignette seien zwei für Österreich besonders wichtige Bestimmungen präzisiert und ergänzt worden. Dies sei erstens jene Bestim­mung, die festlege, daß es zulässig sei, daß Mitgliedstaaten die auf den Straßen eingehobenen Gebühren, sofern sie innerhalb des Gesamtrahmens der Infrastrukturkostendeckung bleiben, in einer Weise abstufen, daß zwischen der niedrigsten Gebührenstufe am Tag und der Nachtge­bühr ein Unterschied im Ausmaß von bis zu 100 Prozent besteht. Zweitens sei eine Differen­zierung zwischen sauberen und umweltbelastenden Fahrzeugen möglich, und zwar im Ausmaß von bis zu 50 Prozent zwischen der Gebühr für die sauberste und jener für die schmutzigste Kategorie.

Es lasse sich unschwer feststellen, daß mit dieser Regelung an der heute in Tirol tatsächlich gegebenen Mautstruktur Maß genommen worden sei. Somit habe Österreich dafür gekämpft, daß die Struktur der gegenwärtig in Tirol eingehobenen Maut jedenfalls für zulässig erklärt wird. Auf österreichischer Seite habe immer die Überzeugung bestanden, daß die Begrenzung auf die Infrastrukturkosten nicht bedeuten könne, es habe jeder seinen Stückanteil an den Infrastruk­turkosten zu zahlen, sondern daß nicht mehr hereinkommen dürfe, als der Summe der Infra­strukturkosten entspricht. Dieses Prinzip sei nun ebenfalls Teil des EU-Rechtsbestandes gewor­den. Darin sei ein wesentlicher Fortschritt zu erblicken.

Diese Regelung sei bestätigt und in die Erwägungsgründe aufgenommen worden. Zwar treffe es zu, daß die Erwägungsgründe selbst nicht Gesetzescharakter haben, doch sei es wichtig, auch an dieser Stelle schon deutlich zu machen, worum es geht. Die Gesamtobergrenze für die Ein­hebung von Mauten sei mit den Infrastrukturkosten festgeschrieben, und die Infrastrukturkosten würden sich aus den Kosten der Errichtung, des Betriebs und der Erhaltung der Infrastruktur zusammensetzen. Zwar könne weiterhin über die Art der Berechnung gestritten werden, aber die generelle Norm, die schon zuvor das Prinzip der Wegekostenrichtlinie gewesen sei, habe jetzt auch Aufnahme in die Erwägungsgründe gefunden.

Mit der Regelung, daß Österreich eingeräumt wird, die allgemeine Benützungsgebühr bezie­hungsweise die Vignette für die Strecke zwischen Kufstein und dem Brenner, sofern gewünscht, außer Kraft zu setzen, sei ein weiterer für Österreich spezifischer Passus in die Wegekosten­richtlinie aufgenommen worden. Dies stelle ebenfalls ein dem Mitgliedstaat Österreich einge­räumtes Recht, aber keine Pflicht dar.

Österreich habe eine – dem Inhalt nach schon lange bekannte – Erklärung abgegeben, die dar­auf hinauslaufe, daß Österreich vom 1. Juli 1999 an eine gewichtete Durchschnittsmaut von 84 ECU für die Strecke Brenner – Kufstein einheben wird. Diese Gebühr werde in nichtdiskrimi­nierender Weise eingehoben werden. Jede andere als eine nichtdiskriminierende Maut hätte rechtlich angreifbar sein können.

Zu dieser Erklärung Österreichs habe wiederum die Europäische Kommission die Erklärung ab­gegeben, daß sie die Gebühr von 84 ECU für im Einklang mit der Wegekostenrichtlinie stehend erachte. Somit liege eine entsprechende Bestätigung von seiten der Kommission als jener Insti­tution vor, die unter anderem dazu berufen ist, die Einhaltung der europäischen Normen zu kon­trollieren, zu überprüfen und im Fall der Abweichung entsprechende Maßnahmen zu ergreifen – aus diesem Grund sei ja derzeit eine Klage gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig –, und somit stehe es Österreich frei, in dieser Hinsicht eine mit der Wegekostenricht­linie konforme und daher durch die Kommission nicht klagsfähige Regelung einzuführen.

Die Erklärung der Europäischen Kommission besage daher, daß die 84 ECU als eine mit der Wegekostenrichtlinie konforme Gebühr die Infrastrukturkosten decken, und zwar unter der Vor­aussetzung, daß von der gesamten 110 Kilometer langen Strecke auf den Teil des Brenners eine deutlich höhere Wegekostenkomponente als auf den Rest entfällt. Es werde somit aner­kannt, daß die Bergstrecke sowohl in der Errichtung als auch im Betrieb und in der Erhaltung teurer ist.

Weiters besage die Erklärung, daß zu dem Zeitpunkt, zu dem Österreich eine seiner eigenen Erklärung entsprechende Mautregelung eingeführt haben wird, die Europäische Kommission die Klage gegen Österreich zurückziehen – im englischen Text der Vereinbarung heiße es “to with­draw” – und somit dieser Rechtsstreit beendet sein wird.

In einem Statement des Rates werde diese Erklärung der Kommission zur Kenntnis genommen, sodaß sich die Vorgangsweise der Kommission mit der Auffassung des Rates decke.

Österreich habe weiters in einer Erklärung zugesagt, das Ausmaß des Kombinierten Verkehrs über den Brenner und dessen Preis für den Fall, daß eine entsprechende Nachfrage besteht, und jedenfalls vom 1. Jänner 2000 an um bis zu 75 Prozent zu erhöhen. Zugleich werde es dieser Erklärung gemäß dafür sorgen, daß die dafür angelasteten Gebühren gegenüber dem heutigen Stand um 30 Prozent reduziert werden. Außerdem werde in dieser Erklärung festge­stellt, daß dies nur dann der Fall sein werde, wenn die Gebühren für die anderen Streckenteile – dies beziehe sich auf den deutschen Streckenteil – nicht gleichzeitig entsprechend erhöht wer­den. In der Vergangenheit sei es mehrfach dazu gekommen, daß die Gebühr für die deutschen Streckenteile erhöht wurde, als die Straßenbenützung in Österreich verbilligt wurde.

Die Behauptung in manchen Medien und politischen Erklärungen, daß infolge dieser Regelung das untere Inntal bemautet werden müsse, sei falsch. Richtig sei, daß Österreich drei Verhal­tensmöglichkeiten offenstehen. Erstens könnte ein “Stretching” der Maut auf der Basis von 84 ECU Gesamtkosten im Durchschnitt erfolgen. Dies hätte die Konsequenz, daß die auch dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten bekannte Einschätzung der Kommission zur Anwendung zu gelangen hätte, daß etwa 30 bis 40 Prozent der Gesamtmaut auf das untere Inn­tal und 60 bis 70 Prozent dieser Maut auf die Strecke Innsbruck – Brennersee entfallen. Eine solche Lösung wäre EU-rechtskonform.

Zweitens wäre es möglich, die Brenner-Maut auf der heutigen Strecke zwischen Innsbruck und Brennersee um einen Satz von 30 bis 40 Prozent zu reduzieren und keine Maut auf der Strecke durchs untere Inntal einzuheben. Auch diese Lösung ginge mit EU-Recht konform.

Drittens könnte der gegenwärtige Zustand beibehalten und die Entscheidung über das Verfah­ren vor dem Europäischen Gerichtshof abgewartet werden.

Somit liege die Wahl in österreichischer Hand, und sie werde primär vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten sowie von der Bundesregierung insgesamt zu treffen sein.

Im Tiroler Landtag werde – offenbar von allen dort vertretenen Parteien – die Auffassung vertre­ten, unbedingt Struktur und Höhe der heutigen Brenner-Maut aufrechtzuerhalten, also eine Ge­bühr in der genannten Höhe mit einer Differenzierung zwischen Tag und Nacht sowie zwischen schmutzigen und sauberen LKW einzuheben, und keine Reduktion dieser Maut zuzulassen. Im Lichte des jetzt gegebenen Rechts- und Handlungsrahmens für eine österreichische Entschei­dung könne dazu festgestellt werden, daß beides zugleich nicht möglich sein werde, sondern eine Entscheidung für eine der zwei Varianten werde fallen müssen.

Die hin und wieder zu vernehmende Aussage – so laute zum Beispiel heute eine Meldung in einer Tageszeitung –, daß es jetzt darum ginge, im unteren Inntal eine Maut für PKW einzufüh­ren, sei schlechterdings erfunden. Um PKW gehe es in dieser Frage überhaupt nicht, sondern ausschließlich um LKW und um deren gleichartige Behandlung auf einem bestimmten Strecken­abschnitt.

Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (Freiheitliche) weist darauf hin, daß Bundesminister Dr. Einem zum Tagesordnungspunkt Eisenbahnliberalisierung noch nicht Stellung genommen hat.

Zum Thema Eurovignette stelle sich die Frage, warum Bundesminister Dr. Einem das berichtete Verhandlungsergebnis als großen Erfolg feiere, obwohl der frühere britische Vorschlag um 25 Prozent höhere Durchschnittseinnahmen durch die Eurovignette vorgesehen hätte. Jetzt sei die Entscheidung für nur 1 430 ECU statt für 1 490 ECU gefallen.

Aus Tiroler Sicht sei die Brenner-Mautproblematik eine entscheidende, wie sich an der Kritik aus Westösterreich und an der Hinterfragung verschiedener Verhandlungsergebnisse bereits ge­zeigt habe. Abgeordneter Ing. Meischberger fragt Bundesminister Dr. Einem, warum er in diesen Verhandlungen als Vorsitzender des Ausschusses gegen den Auftrag des Parlamentes – es liege ein Antrag der Abgeordneten DDr. Niederwieser und Dr. Lukesch vom Juli 1998 vor, der im Parlament mehrheitlich beschlossen worden sei – gehandelt habe. Bundesminister Dr. Einem habe den Auftrag gehabt, der Euro­päischen Union mehr oder weniger die Rute ins Fenster zu stellen und ihr mitzuteilen, daß sie für den Fall, daß sie auf die österreichischen Möglichkeiten nicht einginge, Gegenmaßnahmen wie zusätzliche Ausbauten und auf dieser Grundlage in Rechnung gestellte Kostenerhöhungen zu gewärtigen habe.

Das Abkommen mit der Schweiz werfe weitere Fragen auf. Die genannte bestmögliche Vari­ante, daß 200 000 LKW-Fahrten in die Schweiz rückverlagert werden, stelle ein fragwür­diges Er­gebnis dar, denn es seien wegen der Schweizer Maßnahmen insgesamt 350 000 bis 400 000 LKW-Fahrten nach Tirol verlagert worden. Daher werde nur die Hälfte rückverlagert, und dies sie aus Tiroler Sicht nicht genug. Zwar wäre die Rückverlagerung von 200 000 Fahrten als ein Schritt in die richtige Richtung zu werten, sofern es dazu käme, aber daran seien Zweifel anzumelden. Diese Zweifel würden auf dem gewaltigen Unterschied in der Bemautung der bei­den Strecken beruhen, da eine Maut von 180 bis 300 ECU in der Schweiz einer Maut von durch­schnittlich 84 ECU in Österreich gegenüberstünde.

Der Korrektur von Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem, daß es sich bei der Schweizer Maut um 180 bis 300 Schweizer Franken handelt, hält Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (Freiheitliche) entgegen, daß der Unterschied trotzdem erheblich sei. Angesichts dieses Preisunterschiedes stelle sich die Frage, ob sich wirk­lich 200 000 LKW würden umleiten lassen.

Daß dies nicht nur die Ansicht der Freiheitlichen sei, könne zum Beispiel der neuen Ausgabe der Zeitschrift “Europe” entnommen werden. Darin werde ausgesagt, daß die von Österreich bean­tragte Brenner-Schutzklausel zugunsten des Abkommens mit der Schweiz fallengelassen wor­den sei und daß dies dabei behilflich sein dürfte, Verkehrsumlagerungen zu vermeiden. Die von Bundesminister Dr. Einem angesprochene Rückverlagerung werde also der Aussage in einem sozusagen halboffiziellen EU-Blatt zufolge nicht stattfinden.

Abgeordneter Ing. Meischberger verbindet den Hinweis darauf, daß Bundesminister Dr. Einem in seiner einleitenden Stellungnahme den vereinbarten Sicherungsverzicht nicht erwähnt habe, mit der Frage, warum er auf diese Sicherungsmaßnahme verzichtet habe.

In bezug auf die genannten österreichischen Wahlmöglichkeiten fragt Abgeordneter Ing. Meischberger, welche der drei Maßnahmen Bundesminister Dr. Einem bevorzuge.

Abgeordneter Ing. Meischberger bringt gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG den Antrag ein, daß der Hauptausschuß folgendes beschließen wolle: “Der zuständige Bundesminister wird aufgefordert, den vereinbarten Änderungen der Wegekostenrichtlinie die endgültige Zustimmung zu verwei­gern und Neuverhandlungen auf der Basis der ursprünglichen Verhandlungsposition Österreichs hinsichtlich einer generellen Ausnahme Österreichs von der Bindung der Mauthöhe an die Erhal­tungskosten sowie der Basis der Entschließung des Nationalrates vom 17. Juli 1998 zu ver­langen.”

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) gibt einleitend ihrer Erwartung Ausdruck, daß über den Tagesordnungspunkt Bahnliberalisierung in einer weiteren Gesprächsrunde zu debattieren sein werde.

Mit Bezug auf die österreichische Tradition lasse sich eine Erklärung dafür finden, daß die Medien das von Bundesminister Dr. Einem dargestellte Verhandlungsergebnis als Erfolg feiern und dem Verkehrsminister dazu geradezu gratulieren. Aber aus einer Gesamtsichtweise, die nicht dem Florianiprinzip – daß Österreich etwas abgenommen und der Schweiz aufgebürdet worden sei – anhinge, wäre die Sache anders einzuschätzen. Eine Gesamtbetrachtung des Problems der Alpenüberquerung führe zu der Bewertung, daß eine Niederlage auf allen Fronten und auf allen Seiten zu verzeichnen sei.

Es sei überhaupt kein Vorteil damit verbunden, daß auf der einen Seite Österreich – offensicht­lich um einer Klage auszuweichen – in bezug auf Tirol sowie auf die Strecke zwischen Brenner­see und Kufstein auf eine Kompromißformel eingegangen und auf der anderen Seite die Schweiz auf ungeheuerliche Art und Weise geradezu in die Knie gezwungen worden sei. Es sei ungeheuerlich, daß die 40-Tonnen-LKW wieder zugelassen werden, obwohl, wie Bundesmi­nister Dr. Einem selbst sehr zufrieden ausgeführt habe, die Tarife in der Schweiz im Durch­schnitt noch immer unter den österreichischen liegen würden, weshalb seiner Ansicht nach mit Sicherheit ungefähr 200 000 LKW in Richtung Schweiz zurück verlagert werden könnten.

Allerdings sei der Verkehrsminister eine Darstellung des damit verbundenen Vorteils aus ge­samtverkehrspolitischer Sicht schuldig geblieben. Bundesminister Dr. Einem sei derzeit nicht nur als österreichischer Verkehrsminister, sondern auch als Ratsvorsitzender tätig und müßte daher verkehrspolitische Interessen vertreten, die Europa insgesamt umfassen, sodaß auch die Aus­wirkungen auf die Schweiz Berücksichtigung finden müßten. Dies sei aber nicht erkennbar. Es sei eher erschreckend, entspreche aber der traditionellen Haltung Österreichs während der Ver­handlungen der letzten Jahre, daß die Schweiz schlecht oder so gut wie nicht unterstützt worden sei. Österreich habe nur versucht, die eigene Haut zu retten.

Noch bedenklicher werde die Sache dadurch, daß jegliche Sicherheitsklausel und “Plafonie­rung” unterblieben sei. Von 2003 an werde es keine Ökopunkte und keine entsprechende Sicherheits­klausel mehr geben. Angesichts dessen sei ein Ergebnis, das in einem Abtausch bestehe – Österreich verzichte auf etwas, die Schweiz übernehme etwas –, sehr dürftig.

In der Berechnung, die auf etwas mehr als 400 000 LKW beruht – wovon 200 000 auf die Schweiz entfallen würden –, werde völlig auf die Zuwachsraten vergessen. Es werde offensicht­lich angenommen, daß sich das jetzige Ausmaß in den nächsten Jahren nicht erhöhen werde, obwohl die Voraussetzungen für die Frächter künftig günstiger sein würden. Denn sie könnten sich die Routen jetzt wieder aussuchen und die kürzere, im Durchschnitt sogar billigere Strecke über die Schweiz wählen. Außerdem müsse beachtet werden, daß es von 2003 an keine Sicher­heitsklausel mehr geben werde, sodaß die Annahme, daß es nicht zu Steigerungsraten im LKW-Verkehr kommen werde, in Zweifel zu ziehen sei.

Außerdem bestehe ein Widerspruch zu den von Bundesminister Dr. Einem selbst vorgelegten Dokumenten. Abgeordnete Mag. Kammerlander erinnert an den “Masterplan”, der sich an den auf Kostenwahrheit beruhenden Szenarien des Grünbuches orientiere. Den jetzigen Ausfüh­rungen von Bundesminister Dr. Einem zufolge aber stehe zu erwarten, daß in Zukunft sowohl die Eurovignette als auch ein mögliches Road-pricing nicht der Forderung nach Kostenwahrheit entsprechen werde, weil nur die Infrastrukturkosten, nicht aber die Gesamtkosten Berücksichti­gung finden könnten. Es werde wieder nicht nach dem Prinzip der tatsächlichen Kosten vorge­gangen werden, und so gesehen sei es zu einem Rückschritt gekommen. Auf die Art, auf die das jetzt vorliegende Ergebnis zustande gekommen sei, werde die Kostenwahrheit nicht vor dem übernächsten Jahrhundert erreicht werden.

Es bestehe daher kein Grund zum Feiern. Österreich habe in zweierlei Hinsicht nachgegeben, sowohl in bezug auf das österreichische Interesse als auch hinsichtlich eines Gesamtinteresses. Aus gesamteuropäischer Sicht bestehe eher Anlaß zur Nachdenklichkeit.

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ) stellt fest, daß den Reaktionen in der internationalen und nationalen Presse zufolge der österreichischen Präsidentschaft ein bedeutender Erfolg ge­lungen sei, den Bundesminister Dr. Einem und EU-Kommissar Kinnock erreicht hätten.

Es sei bedauerlich, daß es in Österreich schwerfalle, Politiker der Opposition und manch andere, die sich mit ihrer Meinung festgefahren hätten, davon zu überzeugen, daß es ange­bracht sei, im Fall eines besonderen Erfolges für Österreich über den Schatten zu springen und dem zuständigen Minister dafür Anerkennung auszusprechen. Dies sei auch eine Kulturfrage. Abgeordneter Parnigoni spricht dem österreichischen und dem EU-Verkehrsminister zu diesem Erfolg, der objektiv feststellbar sei, seinen Glückwunsch aus. Auf eine rasche Umsetzung der vorgesehenen Maßnahmen sei zu hoffen.

Es lasse sich eine generelle Trendwende in der Verkehrspolitik orten. Das Ergebnis bedeute, daß es zur Anerkennung unterschiedlicher Straßenbenützungsgebühren in der Europäischen Union gekommen sei, und es stelle somit einen großen Schritt in Richtung Kostenwahrheit dar. Das nächste Jahrhundert stehe vor der Tür, und auch dann werde die Kostenwahrheit weiterhin ein politisches Ziel bleiben, das schrittweise näherrücken werde.

Die vorgesehenen Maßnahmen würde es mit sich bringen, daß ökologisch Wirtschaftende be­lohnt werden, wie es jetzt schon im österreichischen Ökopunktesystem vorgesehen sei. Es werde auch dazu kommen, daß pro Arbeitstag mindestens 1 000 LKW weniger im Transitver­kehr durch Österreich unterwegs sind.

Das Prinzip der Verlagerung auf die Schiene – wie auch von den Grünen gefordert – sei eben­falls durchgesetzt worden. Denn es werde jetzt die Anerkennung von Investitionen im Schienen­bereich erfolgen, dies sei notwendig und unausbleiblich. In der Schweiz sei es gelungen, mit einem Volksentscheid 260 Milliarden Schilling sozusagen lockerzumachen. Österreich sei auf gutem Weg, denn 140 Milliarden Schilling seien dem Eisenbahnbereich bereits gesichert wor­den, und im “Masterplan” seien grundsätzlich weitere 160 Milliarden Schilling vorgesehen.

Abgeordneter Parnigoni weist darauf hin, daß “Die Presse” in der Ausgabe vom 30. November 1998 über die Volksabstimmung in der Schweiz berichtete und in diesem Artikel zu lesen war: “Die ausländischen Transporteure werden mit 4,2 Milliarden Schilling pro Jahr zur Kasse gebe­ten.” Es sei bedauerlich, daß so etwas nicht in bezug auf die österreichische Situation zu lesen sei. Denn hierzulande seien 20 Prozent der LKW ausländischer Provenienz auf dem hoch­rangigen Straßennetz unterwegs, und Österreich bekomme dafür – von den 80 S aus der Schwerverkehrsabgabe abgesehen – keinen Groschen. Daher sei in dieser Hinsicht ein weiterer Schritt erforderlich.

Generell habe sich der Gestaltungswille als Regierungsprinzip durchgesetzt, entgegen den Aus­sagen derjenigen, die dem Kleinmut das Wort reden. Abgeordneter Parnigoni erwartet sich von dem vorliegenden Ergebnis, daß es Bewegung in die österreichische Verkehrspolitik bringen werde, sodaß es zu größerer Kostenwahrheit, einer streckenabhängigen Maut im Güterverkehr und insgesamt einer stärker ökologisch ausgerichteten Bewirtschaftung des Verkehrsbereiches kommen werde. Das positive Signal möge sich in der österreichischen Verkehrspolitik durch­setzen.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum) stellt fest, er könne nicht umhin, das in Brüssel erreichte Ergebnis angesichts einer politisch verfahrenen Situation des Stillstandes, in der keine Verhinderung der Steigerungsraten im Verkehr erkennbar gewesen sei, auch als posi­tiv anzusehen. Jetzt sei Bewegung in diese Situation gekommen. Nach bisher vorliegenden In­formationen seien “Euro II”-LKW im Preis gleichgeblieben und die alten teurer geworden.

Im Rechtsbestand sei es auf europäischer Ebene in Ansätzen auch zur Etablierung des öko­logischen Prinzips gekommen. Dies sei positiver, als wenn dieser Schritt unterblieben und die Sache in die nächste Präsidentschaft übergeführt worden wäre. Mit diesem Ergebnis werde nicht die Tür zu etwas Unabsehbarem oder Schlechterem geöffnet, denn die Steigerungsraten seien nur auf dem jetzt beschrittenen Weg begrenzbar, und es sei unbestritten, daß die Ge­schehnisse im Verkehrsbereich noch keineswegs als abgeschlossen angesehen werden könn­ten. Weitere Schritte im Hinblick auf wirkliche Kostenwahrheit würden folgen müssen.

Abgeordneter Mag. Barmüller ersucht Bundesminister Dr. Einem, den Parteien eine zumindest punktuelle schriftliche Darstellung des Inhalts der vereinbarten Regelungen zugänglich zu machen, sonst wären die Abgeordneten weiterhin auf Lektüre und Interpretation der in den Medien wiedergegebenen Informationen angewiesen. In bezug auf die Maut, die entsprechend den Kosten der Infrastruktur berechnet wird, seien zwei unterschiedliche Darstellungen vorzufin­den. Nach der einen Version würden Bau, Betrieb und Erhaltung der Straße Eingang in die Berechnung finden, nach der anderen sei in der Erhaltung der weitere Ausbau inbegriffen. Abge­ordneter Mag. Barmüller fragt, was davon gelte und ob im Tiroler Bereich Infrastrukturmaßnah­men vorgesehen seien, die entsprechend zu Buch schlagen würden.

Die Umsetzung des Verhandlungsergebnisses werde auch davon abhängig sein, daß Bundes­minister Dr. Farnleitner die Umsetzung der in diesem Bereich notwendigen Maßnahmen bis An­fang Juli 1999 zustande bringt. Bundesminister Dr. Farnleitner habe aber bereits angekündigt, daß er die Einhaltung eines solchen Terminplans nicht für möglich halte und diese Maßnahmen nicht werde treffen können. Daher stelle sich die Frage, ob das Verhandlungsergebnis hinsicht­lich der Möglichkeit, auf österreichischem Boden umgesetzt zu werden, nicht jetzt schon obsolet sei.

Abgeordneter Mag. Barmüller fragt, was der Verzicht auf die Sicherheitsklausel für den poli­tischen Handlungsspielraum bedeute. Denn die Sorge sei berechtigt, daß wegen der bestehen­den Steigerungsraten im LKW-Verkehr eine Rückverlagerung in die Schweiz nur auf Basis der heutigen Zahlen zustande kommen werde, sodaß nicht ausgeschlossen werden könne, daß die absolute Belastung dennoch steigen werde. Wenn aber die absolute Belastung trotz Rückver­lagerung stiege, stelle sich die Frage, welche Folgen dies für die Situation in Tirol und Vorarlberg hätte.

Abgeordneter Mag. Barmüller fragt schließlich, welche weiteren Schritte hinsichtlich erhöhter Kostenwahrheit auf europäischer Ebene zu welchem Zeitpunkt erwartet werden könnten. Es sei unbestritten, daß die Umweltkosten derzeit nicht inbegriffen seien, jedoch einbezogen werden müßten. Die Frage bestehe darin, ob in der jetzigen Lage abgeschätzt werden könne, wann ent­sprechende nächste Schritte zu erwarten sein würden.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ) stellt klar, daß man über das vorliegende Ver­handlungsergebnis zwar differenziert diskutieren müßte und könnte, aber wenn es von vorn­herein vorgezogen werde, die Debatte in Schwarzweißtönen zu führen, so könne auch dieser Stil aufgegriffen werden. Dann sei hinsichtlich der referierten Ergebnisse festzuhalten, daß diese noch am Tag vor den Verhandlungen niemand für möglich gehalten habe.

In den Medien aus der Zeit vor dem Verhandlungsabschluß könne nachgelesen werden, daß die Erwartung bestanden habe, es werde keinen Schritt weitergehen. Im Parlament sei ebenfalls mit dem allgemeinen Tenor diskutiert worden, daß sich in dieser Hinsicht unter österreichischer – und wahrscheinlich auch unter deutscher – Präsidentschaft überhaupt nichts rühren werde, weil diese selbst zu stark von diesem Problem betroffen wären.

Mit dieser Ausgangsposition seien die Verhandlungen geführt worden. Daß jetzt trotz einer seit Jahren verfahrenen Situation in bezug auf die allgemeine LKW-Bemautung ein Ergebnis vor­liege, das tatsächlich umgesetzt werden könne und in vielen anderen europäischen Ländern eine stärkere Belastung mit LKW-Verkehr zur Folge haben werde, stelle einen gewaltigen Fort­schritt dar. Bisher habe es nur eine aufgehobene Wegekostenrichtlinie gegeben, die proviso­risch weitergegolten habe. Hingegen stehe jetzt mit der Regelung über die Eurovignette eine Möglichkeit zur Verfügung, die Kosten des LKW-Güterverkehrs diesem Bereich selbst in deut­lich höherem Maße als bisher anzulasten.

Es könne hinzugefügt werden – ohne daß dadurch der Erfolg des Verkehrsministers in irgend­einer Weise geschmälert werde –, daß es manchmal darauf ankomme, eine Situation zu nützen. Daher sei auf politische Veränderungen in wichtigen Nachbarstaaten zu verweisen. Ohne Zwei­fel wäre ein solches Verhandlungsergebnis mit einer CDU-FDP-Koalition in Deutschland nicht möglich gewesen. Hingegen habe die neue Regierung Verständnis für die österreichischen An­liegen gezeigt, weil die entsprechenden Fronten auch in Deutschland in ähnlicher Weise verlau­fen seien. Bundesminister Dr. Einem sei dazu zu gratulieren, daß er diesen Ball sofort aufge­griffen habe, als es darum ging, mehrere Abkommen zu realisieren, nämlich den Beschluß über die Eurovignette umzusetzen und den Vertrag mit der Schweiz unter Dach und Fach zu bringen.

Bedenken meldet Abgeordneter DDr. Niederwieser im Hinblick darauf an, daß Österreich die Bestimmung, wonach 30 bis 40 Prozent der Kosten auf das untere Inntal entfallen würden, so rasch akzeptiert habe. Es lohne sich, dies im Hinblick auf die Kosten von Errichtung, Betrieb und Erhaltung genauer nachzurechnen. Dort bestehe eine längere Strecke, die durch ebenes Gebiet verlaufe und relativ geringen Aufwand benötige, sowie eine kürzere Strecke – hinauf auf den Brenner – mit sehr hohem Aufwand. Daher wären für die längere Strecke eher 30 als 40 Prozent anzusetzen, und vielleicht wären auch noch 30 Prozent dafür zuviel.

Abgeordneter DDr. Niederwieser verweist darauf, daß er als Abgeordneter des Wahlkreises Innsbruck-Land die örtlichen Gegebenheiten sehr gut kennt. Es sei auch eine Vorgangsweise im Sinn der Europäischen Union, mit sachlichen Argumenten zu diskutieren und Berechnungen exakt anzustellen. Daher wäre es angebracht, zu dieser Bestimmung noch einmal eine genaue Berechnung vorzunehmen.

Besonders wichtig sei in diesem Zusammenhang auch der Hinweis darauf, daß über viele Jahre hinweg tatsächlich ein Umwegtransit durch Österreich statt durch die Schweiz stattgefunden habe. Dies könne nicht unbedingt als gerecht bezeichnet werden. Die Verlagerung sei voll im Gange. Deutschland werde im Jahr 2002 das Road-pricing für LKW einführen. Es sei zu hoffen, daß Österreich dazu noch früher imstande sein werde. Alle dafür notwendigen Beschlüsse des Parlamentes lägen bereits vor.

Von der Schweiz könne gesagt werden, daß dort die für die Verlagerung auf die Schiene erfor­derlichen Tunnels errichtet werden. Österreich sei im Begriff, das Projekt eines dritten Gleises durchs Unterinntal zügig voranzutreiben. Es seien daher Entwicklungen im Gange, die weit in die Zukunft reichen würden und von denen gesagt werden könne, daß sie zu einer nachhaltigen Entlastung der Bevölkerung führen würden. Auch deshalb seien die jetzt geschlossenen Abkom­men positiv zu bewerten.

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP) verweist darauf, daß die Politik die Kunst des Möglichen sei. So gesehen, könne die vorliegende Lösung für durchaus vertretbar erachtet werden. Sie sei kein Grund zum Jubeln, aber auch keiner zur Enttäuschung.

Schwer verständlich sei die Aussage der Abgeordneten Mag. Kammerlander, mit der sie Bun­desminister Dr. Einem vorwirft, er habe ausschließlich die österreichischen Interessen im Auge gehabt und nicht so sehr die Schweiz vertreten. Was sonst sei von einem österreichischen Bun­desminister primär zu erwarten, als daß er die österreichischen Interessen vertritt!

Es stelle jedoch auch für die Schweiz einen Vorteil dar, daß es zu einem solchen Vertrag mit der Europäischen Union gekommen ist. Dies sei für Österreich günstig, weil die Schweiz in eine ge­samteuropäische Verkehrspolitik einbezogen werde, es bringe aber auch für die Schweiz einen Vorteil, weil sie aus ihrer Isolierung heraustrete. Auch andere verkehrspolitische Punkte wie zum Beispiel der Luftverkehr stünden mit dieser Lösung in Zusammenhang.

Die Forderung des Abgeordneten Ing. Meischberger nach Neuverhandlung erinnere an die vor dem EU-Beitritt erhobene Forderung der Freiheitlichen nach Neuverhandlung des gesamten EU-Vertrages. In Wirklichkeit laufe diese Forderung auf die genannte dritte Alternative hinaus: Österreich belasse alles beim alten, das Verfahren gegen Österreich werde vor dem Euro­päischen Gerichtshof verhandelt, und dort werde Österreich mit an absolute Sicherheit grenzen­der Wahrscheinlichkeit gleich doppelt verlieren. Die jetzt gefundene Lösung werde verloren­gehen, und Österreich werde Rückzahlungen zu leisten haben. So etwas könne insbesondere den Bürgern in Tirol auf keinen Fall als zielführende Strategie empfohlen werden, denn es stelle sich die Frage, was nach Eintritt der genannten Folgen geschehen könnte.

Das Ausmaß der Rückverlagerung in die Schweiz könne niemand konkret vorhersagen, weil dies eben nicht möglich sei. Aber daß überhaupt eine Möglichkeit für eine Rückverlagerung be­steht, werde nur durch die getroffene Lösung erreicht, also nur durch die Bereitschaft der Schweiz, den Widerstand gegen höhere Tonnagen aufzugeben und von ihrem totalen Transit­verbot abzurücken. Es müsse auch beachtet werden, daß dort durch den Ausbau von zwei Tunnelstrecken eine Ausweitung des Angebotes bevorsteht. Ein solches Angebot werde im Fall wirtschaftlicher Attraktivität auch angenommen werden. Daher werde ein zusätzliches Verkehrs­aufkommen auch dorthin verlagert werden.

Aus der Sicht eines Abgeordneten der Ostregion stellt Abgeordneter DDr. König – bei allem Ver­ständnis für die Sorgen aus Tiroler Sicht – fest, daß es die österreichische Solidarität auch verlange, der Entwicklung infolge der Öffnung der Ostgrenze Rechnung zu tragen. Heute werde die Ostregion in einer Größenordnung vom Verkehr überflutet, die das Ausmaß in Tirol – wo allerdings andere geographische Verhältnisse bestehen – bei weitem übersteige. Österreich könne daher auf keinerlei Einnahmen verzichten, sondern müsse vielmehr mit Priorität im öst­lichen Bereich investieren, um die EU-Erweiterung bewältigen und den Verkehr aus dem Osten überhaupt verkraften zu können. Daher könnte ein Ergebnis, bei dessen Eintreten kein Geld für den Ausbau in Ostösterreich vorhanden wäre, aus hiesiger Sicht sowie aus insgesamt solida­rischer Sicht in Österreich keine Lösung des Problems sein.

Den Aussagen des Abgeordneten DDr. Niederwieser betreffend Spreizung der Maut sei zuzu­stimmen. Es sollte jedenfalls die maximal mögliche Spreizung in Anspruch genommen werden, um die Flachstrecke im Unterinntal so gering wie möglich zu belasten, da es sonst zu einer Be­lastung des innerösterreichischen Verkehrs käme. Wenngleich mit dem Road-pricing künftig die Zahlungspflicht auf den gesamten Bereich ausgedehnt sein werde, stelle diese Lösung in Tirol einen Vorgriff darauf dar, und somit werde auch der interne Verkehr belastet. Dies sei ein Schönheitsfehler, dessen Ausmaß so gering wie möglich gehalten werden sollte.

Insgesamt sei das Verhandlungsergebnis vertretbar, auch im Hinblick darauf, nicht in eine Situa­tion hineinzuschlittern, aus der kein Ausweg mehr zu finden wäre.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem bestätigt, daß er im Eifer des Berichtes über Schweiz, Brenner und Eurovignette tatsächlich die Eisenbahnseite vernach­lässigt habe und dies später nachholen werde. Allerdings sei im Hinblick darauf in den letzten Verhandlungen auf europäischer Ebene kein großes Weiterkommen feststellbar gewesen, sodaß es nicht sonderlich viel zu berichten geben werde.

Die Frage des Abgeordneten Ing. Meischberger danach, warum die jetzige Lösung als Erfolg zu werten sei, obwohl die britische Kompromißlösung von vor einem dreiviertel Jahr einen um 25 Prozent höheren Satz für die Eurovignette vorgesehen hätte, beantwortet Bundesminister Dr. Einem damit, daß zwar jede mögliche Forderung erhoben werden könne, aber daß sich auch die Frage stelle, ob man tatsächlich noch in die Realität eingreifen wolle oder aber nicht. Wem – wie ihm – daran gelegen sei, tatsächlich etwas zu tun und nicht nur schöne Worte zu sprechen, dem gehe es auch darum, eine Lösung zustande zu bringen, der alle zustimmen können.

Das Grundproblem im Fall der Eurovignette habe darin bestanden, daß für den Beschluß Ein­stimmigkeit erforderlich war. Aus diesem Grund sei sie erst in der neunten der Sitzungen des Verkehrsministerrates, in denen darüber verhandelt wurde, verabschiedet worden. Daß die Ein­stimmigkeit in den acht vorangegangenen Sitzungen nicht zu erreichen war, habe eine Verzöge­rung von ungefähr drei Jahren mit sich gebracht. Erst jetzt sei es nach mühseligen Vorarbeiten gelungen, insgesamt ein Paket zu verabschieden. Der britische Vorschlag hätte zwar die Zu­stimmung Österreichs gefunden, aber den Ausschlag habe gegeben, daß mehrere andere Mit­gliedstaaten dessen Verwirklichung verhindert haben.

Der vom Abgeordneten Ing. Meischberger angesprochene Auftrag des Nationalrates habe darin bestanden, zusätzlich Kosten in Österreich zu generieren, um sie gemäß der Regelung über zu­lässige Infrastrukturkosten- und Wegekostendeckung unterzubringen. Darüber sei im Verkehrs­ausschuß bereits gesprochen worden. Diese Forderung sei zwar von großer Intelligenz, habe aber den Nachteil, daß sie nicht rückwärts wirke. Die Kosten hätten nämlich bereits vor einigen Jahren erhöht werden müssen, damit sie jetzt in Anrechnung gebracht werden könnten. So gehe es also nicht, denn es sei nicht möglich, daß jetzt im nachhinein zusätzliche Kosten veran­schlagt werden, um in der Vergangenheit eingehobene Mauten zu rechtfertigen.

In dem jetzigen Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof und in den jüngsten Verhandlun­gen sei es vielmehr darum gegangen, ob die heutige Maut gerechtfertigt sei, und als Antwort auf diese Frage sei sich knappes Ja ausgegangen. Dem Auftrag des Nationalrates ge­mäß vorzuge­hen, werde also nur für die Zukunft möglich sein. Bundesminister Dr. Einem er­sucht das Parla­ment, derartige Wünsche für die Zukunft an diejenigen zu richten, die auch die Kompetenz hätten, diese Wünsche zu erfüllen.

In bezug auf die Frage, ob unter den bestmöglichen Bedingungen 200 000 LKW zurück in die Schweiz verlagert werden könnten, stellt Bundesminister Dr. Einem fest, daß zwischen “min­destens” und “höchstens” unterschieden werden müsse. Er habe berichtet, daß laut Zusage der Europäischen Kommission mindestens 200 000 LKW aus Österreich hinausverlagert werden, sodaß damit keineswegs die Höchstzahl genannt sei. Daher sei allzu große Unzufriedenheit nicht am Platz.

Sofern dieses Ziel nicht erreicht wird – damit trete auch die Frage nach einer Schutzklausel ins Blickfeld, auf die angeblich verzichtet worden sei –, werde eine andere, bereits 1990 beschlos­sene Richtlinie zum Tragen kommen, die bereits zum Zeitpunkt des österreichischen Beitritts zum EU-Rechtsbestand gehört hat, nämlich die Verordnung (EWG) Nr. 3916/90 über Maß­nahmen bei Krisen auf dem Güterkraftverkehrsmarkt. In deren Artikel 4 sei vorgesehen, daß unter der Bedingung, daß bestimmte von der Gemeinschaft angestrebte Ziele nicht erreicht werden, die Kommission nach Anhörung eines Ausschusses eine Krise feststellen – im gege­benen Fall werde eine Krise relativ leicht festzustellen sein – und entsprechende Marktzu­gangsbeschränkungen verfügen könne.

Die Erklärung der Kommission wirke daher mit einer bereits existierenden Rechtsvorschrift zu­sammen, die es erlaube, für den Fall der Nichterreichung des Mindestziels Maßnahmen zu ergreifen. Daher sei ein Sicherungsmechanismus vorhanden, der nicht so schlecht sei.

Das Hauptziel Österreichs könne aber nicht darin bestehen, eine Sicherungsklausel zu erhalten, sondern das Hauptziel sei die Schaffung einer Regel, unter der im Alltag – mit höchster Sicher­heit und ohne Anwendung eines speziellen Verfahrens – der Verkehr, der nicht nach Österreich gehört, aus Österreich hinausverlagert wird. Dazu nennt Bundesminister Dr. Einem zwei Bei­spiele aus der “Euro II”-Klasse, der Klasse der saubersten und umweltfreundlichsten Lastkraft­wagen. Bereits 70 Prozent aller heute im Transitverkehr eingesetzten LKW seien dieser Klasse zuzuordnen, und da die LKW-Flotte im Transitverkehr ungefähr alle drei Jahre erneuert werde, könne damit gerechnet werden, daß in wenigen Jahren fast alle Lastkraftwagen der “Euro II”-Klasse angehören werden.

Der Gebührensatz in der Schweiz werde zum Anfangszeitpunkt der neuen Regelung 1 544 S für die 300 Kilometer lange Strecke betragen. Österreich habe einen Gebührensatz von 1 150 S für 110 Kilometer zugestanden bekommen. Unter der Annahme, daß die Hälfte des sogenannten Umwegverkehrs 100 Kilometer zusätzlich in Kauf nähme, um zur Strecke durch Österreich zu­zufahren, könne ein entsprechendes Kilometergeld angesetzt werden – die Höhe des amtlichen Kilometergeldes betrage schon pro PKW 490 S für 100 Kilometer –, und es werde bereits unter Hinzurechnung dieser Komponente – ungeachtet des Kostenanteils für den Fahrer und einer Abgeltung des zusätzlichen Zeitaufwands – der Schweizer Gebührensatz übertroffen. Daher müßte ein Frächter “jenseits von Gut und Böse” sein, um unter diesen Bedingungen nicht den Weg durch die Schweiz zu finden.

Bundesminister Dr. Einem nennt ein zweites Beispiel, das auf den in den Jahren 2004 und 2005 geltenden Gebührensatz von 1 830 S für die 300 Kilometer durch die Schweiz – bei weiterhin 1 150 S Mautgebühr für die Fahrt durch Österreich – bezogen ist. Unter der Annahme eines gleichbleibenden Kilometergeldes von fiktiven 500 S sowie unter Hinzurechnung der dann in Deutschland zu entrichtenden Road-pricing-Gebühr – dafür könne eine sehr moderate Höhe, wie sie auch in Österreich vorgesehen sei, nämlich 2 S pro Kilometer und LKW, angenommen werden, sodaß sich bei 100 Kilometer ein Betrag von 200 S ergebe – lägen die Kosten für die Fahrt durch Österreich neuerlich über dem Schweizer Gebührensatz. Daher werde auch dann der Gebührenvergleich bereits ohne Einbeziehung der zusätzlichen Fahrer- und Zeitkosten zu­gunsten Österreichs ausgehen.

Dazu zitiert Bundesminister Dr. Einem die “Oberösterreichischen Nachrichten” vom heutigen Tag, dem 2. Dezember: “‚Der bedeutendste Umgehungstransit durch Tirol findet zwischen den Industriezentren des Ruhrgebiets und der Mailänder Region statt‘, sagt Verkehrsexperte Karl Jachs von der Wirtschaftskammer Oberösterreich: ‚Diese LKW-Transporte nehmen künftig den kürzeren Weg durch die Schweiz.‘” – Bundesminister Dr. Einem fügt hinzu, er schließe sich dieser Meinung eines vollkommen unverdächtigen Zeugen an.

Es sei Österreich darum gegangen, dabei zu helfen, ein System zu entwickeln, das dazu bei­trägt, daß wirtschaftliche und umweltpolitische Vernunft einkehrt. Daher könne – auch gegen­über der Abgeordneten Mag. Kammerlander – auf folgendes umweltpolitisches Argument ver­wiesen werden. Wenn jetzt durch die neue Rege­lung die Möglichkeit bestehe, allein pro Tag 500 000 Kilometer Umwegverkehr von LKW vermei­den, dann handle es sich dabei um keine Kleinigkeit.

Wer dagegen einwende, daß dies zuwenig sei und der gesamte Verkehr vermieden werden sollte, müsse die Folgen für die sozialen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen beachten. Es könne nicht so getan werden, als ob es ganz ohne Verkehr ginge, und es müsse danach ge­trachtet werden, unnötigen Verkehr zu vermeiden. Dazu seien erstens der Umwegverkehr und zweitens die Leerfahrten zu zählen. In dieser Richtung wirke das angesprochene System.

Österreich sei es in den Verhandlungen um einen Erfolg in der Hauptsache und nicht an einer Nebenfront gegangen. Auch die Nebenfront sei aber nicht aufgegeben, sondern auf dem Wege der Verbindung der Kommissionserklärung mit der Richtlinie über Krisen im Straßengüterver­kehr gelöst worden. Dies sei sehr sinnvoll.

Die Frage des Abgeordneten Ing. Meischberger nach der Empfehlung einer Variante an Bun­desminister Dr. Farnleitner beantwortet Bundesminister Dr. Einem damit, daß gute Ratschläge eines nicht Ressortzuständigen unnötig seien.

Den Antrag der Freiheitlichen, daß Österreich für sich eine generelle Ausnahme von den Regeln der Europäischen Union verlangen solle, erachtet Bundesminister Dr. Einem für “toll”. Denn als Oppositionspartei müsse man geradezu Forderungen stellen, die niemand erfüllen könne, um dann sagen zu können: “Seht euch die Trottel an, wie unfähig sie sind!” Es werde sich zeigen, ob diese großartige Forderung eine Mehrheit findet.

Hinsichtlich der Feststellung der Abgeordneten Mag. Kammerlander über die angebliche Anwen­dung des Florianiprinzips verweist Bundesminister Dr. Einem darauf, daß der Abgeordnete DDr. König dazu das Notwendige bereits gesagt habe, nämlich daß Bundesminister Dr. Einem österreichischer Minister, nicht aber Alpenminister oder schweizerischer Verkehrsminister ist. Aber der schweizerische Verkehrsminister, Bundesrat Leuenberger, habe erst heute am Telefon seinen Dank ausgesprochen und Österreich zu diesem Verhandlungsabschluß gratuliert. Es zeige sich, daß – mit Ausnahme einiger weniger grüner Gruppen – auch die Öffentlichkeit in der Schweiz das Abkommen aus ihrer Sicht mit überwältigender Mehrheit begrüßt habe. Entspre­chendes gelte auch für dessen Wahrnehmung in Österreich.

Der behauptete Nachteil der Zulassung von 40-Tonnen-LKW in der Schweiz sei nicht einzuse­hen. Unter der Voraussetzung, daß für den Gütertransport auch LKW notwendig sind – obwohl tatsächlich ein möglichst großer Anteil mit der Bahn befördert werden sollte, aber es bleibe noch immer eine gewaltige Menge für den Transport auf der Straße übrig –, ergebe sich die Frage, was besser wäre: mehr Fahrten mit 28-Tonnen-LKW oder weniger Fahrten mit 40-Tonnern. Von der Umweltbelastung her gebe es dazwischen kaum einen Unterschied, sondern die verschie­denen Gewichte hätten vor allem Auswirkungen auf den Straßenunterbau.

Auch die Forderung der Abgeordneten Mag. Kammerlander nach Vertretung der gesamteuro­päischen Interessen sei nicht nachvollziehbar, da sich die Frage stelle, wie gesamteuropäische Interessen besser verfolgt werden könnten als dadurch, daß alle 15 EU-Mitgliedstaaten einstim­mig einen Beschluß fassen. Um die Alpenkonvention gehe es in diesem Fall nicht. Auch die Feststellung, daß Österreich die Schweiz nie unterstützt habe, sei nicht nachzuvollziehen.

Was die angesprochenen Zuwachsraten betrifft, stellt Bundesminister Dr. Einem die Frage, wie diese hätten berücksichtigt werden sollen. In den Verhandlungen sei es darum gegangen, insbe­sondere dafür Sorge zu tragen, daß die Richtung einer fairen und richtigen Anlastung der Kosten, auch der externen Kosten, im Verkehr eingehalten wird. Es werde nicht behauptet, daß dieses Ziel mit dem vorliegenden Abkommen schon vollständig erreicht sei, und es wäre eine Illusion gewesen, sich dies jetzt schon vorzunehmen.

Eine richtige Anlastung der Kosten müsse zu einer stärkeren Belastung des Straßenverkehrs führen, und dies werde mit dem vorliegenden Abkommen erreicht. Denn die Schweiz schaffe nicht ein Gebührensystem ab, sondern sie führe eines ein. Die Schweiz habe nicht zugunsten Europas auf etwas bereits Vorhandenes verzichtet, sondern sie habe zugunsten einer Einigung auf Forderungen verzichtet, die nicht durchsetzbar gewesen seien. Ebenso habe Österreich zu­gunsten einer Einigung auf eine zunächst vertretene Forderung im Rahmen der Eurovignette verzichtet, um eine Lösung zustande zu bringen, die viel mehr bringe, als wenn es zu keinem Ergebnis gekommen wäre.

Es sei richtig, daß die Infrastrukturkostendeckung als Grenze der Kostenanlastungsmöglichkei­ten die Anrechnung externer Kosten geradezu verhindere. Aber dies entspreche dem in der Wegekostenrichtlinie verankerten Prinzip. Es werde nun darauf ankommen, dieses Prinzip weiterzuentwickeln und gegebenenfalls zu überwinden. Dafür seien erste Ansätze in dem zuletzt vorgelegten Weißbuch der EU-Kommission enthalten, und diese fänden auch österreichische Unterstützung. Österreich habe gemeinsam mit Frankreich und zuletzt mit Deutschland ver­sucht, die relativ “grünste” Verkehrspolitik zu realisieren, und es sei schon seit geraumer Zeit be­strebt, eine Aufweichung dieses Prinzips zugunsten einer sinnvollen Anlastung externer Kosten an die jeweiligen Verursacher zu betreiben. Aber in den anderen 12 Mitgliedstaaten rufe dies keine Begeisterung hervor. Immerhin seien es jetzt schon drei, die dafür einträten – darunter zwei große Mitgliedstaaten, die für entsprechenden Druck sorgen könnten –, wogegen Öster­reich vor eineinhalb Jahren mit dieser Forderung allein gestanden wäre.

Österreich habe sicherlich nicht nachgegeben, sondern einiges erreicht. Es sei zu einer Trend­wende in der Verkehrspolitik gekommen, und es sei ein Schritt gesetzt worden, der näher an die Kostenwahrheit herangeführt habe. Es sei insoweit auch eine umweltorientierte Lösung, als mit dem ausgehandelten Paket sowohl in der Schweiz als auch in Österreich bedeutende Maßnah­men zur Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene verbunden seien.

Die Schweiz habe sich überdies verpflichtet, jährlich 200 Millionen Schweizer Franken – umge­rechnet 1,6 Milliarden Schilling – der Tarifsubvention für Kombinierten Verkehr zugute kommen zu lassen. Daher werde die Fahrt durch die Schweiz auf der Schiene im Ausbauzustand um 50 Schweizer Franken billiger als die Fahrt auf der Straße sein. Wer eine längere Strecke zu­rückzulegen habe, werde dieses Angebot annehmen.

Österreich habe sich verpflichtet, seine Rollende Landstraße oder Maßnahmen des Kombinier­ten Verkehrs auf der Brenner-Strecke nicht nur um 75 Prozent auszuweiten, sondern zugleich auch die Kosten dafür um 30 Prozent zu reduzieren. Seit Februar heurigen Jahres seien bereits zwei Zugspaare neu im Einsatz, die gut ausgelastet seien. Zwei Zugspaare pro Tag mehr bedeute, daß pro Jahr 25 000 LKW mehr auf der Schiene unterwegs sind. Auch dies sei ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung, und es werde noch mehr dafür getan werden.

Zu dem Wunsch des Abgeordneten Mag. Barmüller nach einer schriftlichen Fassung der Rege­lungen führt Bundesminister Dr. Einem aus, daß diese heute per Telefax dem Parlament schon zugegangen ist. Ein Problem habe darin bestanden, daß bei der gestrigen Abreise aus Brüssel erst der englische Text vorgelegen sei.

In bezug auf die Frage nach Bau, Erhaltung und Betrieb erläutert Bundesminister Dr. Einem, daß alle Baumaßnahmen an der zu bemautenden Straße in der Maut untergebracht werden können, wenn sie echte Infrastrukturkosten sind. In kurzfristiger Perspektive bestehe das erfreu­lichste Ergebnis darin, daß die Errichtung von Mautstellen ebenfalls unter die Infrastrukturkosten falle. Daher sei es möglich, auch Errichtungs- und Erhaltungsmaßnahmen für solche Baulichkei­ten zu verrechnen.

Bundesminister Dr. Einem weist den Abgeordneten DDr. Niederwieser darauf hin, daß das Argument, die Benützung der Brennerstrecke wäre im flachen unteren Teil billiger, gewisse Risiken in sich berge, und er warnt davor, “allzu heftig und allzu öffentlich darüber zu räsonie­ren”. Österreich habe im Interesse der Lösung in Tirol und insgesamt im Landesinteresse dafür gekämpft, daß ein Maximum an Gebühr in dem untergebracht werden könne, was die Anerken­nung der EU findet. Es sei ein Gutachten mit dem Ziel in Auftrag gegeben worden, alle Kosten, die heute verrechnet werden, auch begründen zu können. Weiters sei versucht worden, das politische Problem so gering wie möglich zu halten, denn es sei absehbar gewesen, daß es schwierig sein werde, dies im unteren Inntal durchzusetzen.

Zwar könnte Österreich dafür kämpfen, die Benützung der Strecke durch das untere Inntal billiger zu halten – auch das lasse sich mit Gutachten belegen –, aber dann müsse darauf ge­achtet werden, wieviel im oberen Teil verlangt wird. Wenn in Tirol der Wunsch bestehe, die Fahrt durch Tirol auf der Strecke von Kufstein bis zum Brenner insgesamt nicht billiger als heute zu machen, dann müsse mit dem genannten Argument sehr vorsichtig umgegangen werden. Diese Ausführungen seien im Sinn einer Argumentationshilfe gemeint, weil man dabei leicht ins Abseits geraten könne.

Hinsichtlich der Schritte zur Internalisierung externer Kosten verweist Bundesminister Dr. Einem auf eine Arbeitsgruppe, die das von der EU-Kommission heuer vorgelegte Weißbuch im Rah­men der österreichischen Präsidentschaft bearbeite. In dieser Arbeitsgruppe werde Österreich weiterhin für eine Erweiterung der Einbeziehung externer Kosten kämpfen.

Am Schluß der Beratungen in der Nacht von vorgestern auf gestern habe Österreich versucht, Frankreich in dem Bemühen, schon jetzt eine entsprechende Bestimmung festzulegen, zu unter­stützen, aber der Widerstand dagegen sei zu groß gewesen, sodaß nur ein “Ansatzerl” dazu herausgekommen sei. Denn Frankreich habe verlangt, daß – zusätzlich zu dem für die Euro­vignette zugelassenen Ausmaß – 15 Prozent für umweltorientierte Maßnahmen eingesetzt werden können, und dies habe zu dem Ergebnis einer 15-Prozent-Regelung, aber nur innerhalb der Infrastrukturkostendeckung, also einer ein wenig “nebbichen” Regelung, geführt. Denn wenn die Verwendung der entsprechenden Einnahmen freistehe, werde der Zweck nicht erreicht, sodaß sich dieser Versuch bedauerlicherweise als Schlag ins Wasser erwiesen habe.

Österreich habe diesen Versuch mit Sympathie begleitet. Die Präsidentschaft könne sich zwar nicht selbst für das Anliegen in die Bresche schlagen, aber sie habe die Möglichkeit, für ein freundliches Klima als Rahmen der Prozedur und der Abstimmung zu sorgen. Trotzdem sei ein Antrag wie dieser gegen 12 Gegner nicht durchzubringen gewesen.

Der Abgeordnete DDr. Niederwieser habe mit Recht festgestellt, daß vor der österreichischen Präsidentschaft niemand habe erwarten können, daß dieses Paket in deren Rahmen geschnürt werden könnte. Als nach dem Scheitern des Versuches im Dezember 1997 der schweizerische Verkehrsminister erklärt habe, daß er sich einen Abschluß unter österreichischer Präsident­schaft erwarte, habe Bundesminister Dr. Einem aus seiner Sicht diese Erwartung damals – er gebe dies zu – für gänzlich realitätsfern gehalten. Daß es jetzt dazu gekommen ist, sei ein Riesenerfolg, und es bestehe Anlaß zur Freude darüber.

Eine Richtigstellung sei in bezug auf die Behauptung nötig, Österreich habe zu schnell akzep­tiert, daß die Kosten im unteren Inntal nur 30 bis 40 Prozent betragen dürfen. Denn Österreich habe nichts dergleichen akzeptiert, sondern die EU-Kommission habe diese Auffassung vertre­ten, und die Kommission sei gemäß EU-Recht funktionell dazu berufen, die Einhaltung der Normen der Europäischen Union zu kontrollieren. Bundesminister Dr. Einem verweist darauf, daß er in seinem Bericht auch genau dies gesagt hat. Darin sei der Hinweis enthalten gewesen, daß diese Kommissionsauffassung maßgeblich für ein neuerliches Verfahren vor dem Euro­päischen Gerichtshof sein könnte. Dazu könne nicht geraten werden, sondern solche Probleme sollten letztlich politisch gelöst werden.

Dem Abgeordneten DDr. König könne darin vollkommen zugestimmt werden, daß der Ost-West-Transit und die Gesamtzahl der Verkehrszunahme auf den Straßen im Osten Österreichs weitaus dramatischer als im Inntal sei. Zwar seien die Anrainer in einem Trogtal – und zwar ins­besondere auch im Wipptal – vor allem durch den Verkehrslärm in besonderer Weise betroffen, und in solchen Tälern rufe die mangelnde Luftbewegung eine besonders starke Belastung her­vor – hingegen sorge der häufige Westwind in Ostösterreich dafür, daß ein relativ großer Teil der Luftbelastung weggeblasen wird –, aber es müsse auch im östlichen Österreich etwas gegen die Verkehrsbelastung unternommen werden.

Dafür stünden zwei Mittel zur Verfügung. Das eine sei ein vernünftiger Ausbau vor allem der schienengebundenen Infrastruktur – dieser sei auf der Westbahn bereits voll im Gange, hingegen gebe es auf der Südbahn gewisse Probleme –, und das zweite sei die Einführung des Road-pricing. Es müßten Maßnahmen ergriffen werden, damit alle durch Österreich fahrenden LKW einen Beitrag nicht nur zur Straßenerhaltung, sondern gegebenenfalls auch zur Verlage­rung dieses Verkehrs auf die Schiene leisten. Mittelfristig sei das Road-pricing dafür das einzige Instrument, denn die Wirkung der heute noch bestehenden Kontingentierungen würde gegen­über den künftigen Mitgliedern verpuffen.

Der vom Abgeordneten DDr. König vorgeschlagenen maximalen Spreizung der Maut in Tirol zwischen Flach- und Bergstrecke könne zugestimmt werden. Allerdings sei das Argument dafür – daß ein bißchen Diskriminierung vielleicht nicht ganz unwillkommen wäre und die vielen im unteren Inntal fahrenden Inländer nicht so stark belastet werden sollten – aus der Sicht eines überzeugten Europäers nicht ganz nachzuvollziehen. Es stehe zu erwarten, daß die Gesamtbe­lastung nicht allzu hoch sein werde.

Mit der Erhöhung des Preises für die Tagesvignette von 6 ECU auf 8 ECU – oder von 83 S auf 110 S – und mit der in der Wegekostenrichtlinie verankerten Sonderlösung für Österreich, auf diese 110 S auf der Strecke Kufstein – Brenner verzichten zu dürfen, stehe Österreich ein Potential zur Verfügung, den auf das untere Inntal entfallenden Teil zumindest um 110 S zu senken. Denn von diesen auf jeden Fall in Form einer Tagesvignette kommenden 110 S dürfe Österreich eine Ausnahme machen, falls dort eine Maut eingeführt wird. Dies werde nicht alle Probleme lösen, weil 110 S weniger als der auf das untere Inntal entfallende Betrag seien, aber zumindest zeige sich darin ein deutliches Entgegenkommen.

In bezug auf die Eisenbahninfrastruktur berichtet Bundesminister Dr. Einem, daß die Euro­päische Kommission anläßlich des Verkehrsministerrates am 1. Oktober eine mündliche Erläu­terung zu dem von ihr vorgelegten Infrastrukturpaket gegeben habe. Dieses Paket bestehe aus drei Richtlinien, die teils novelliert, teils neu geschaffen werden sollen. Dazu gehöre die Weiter­entwicklung der Richtlinie 91/440, in der die Ausgliederung der Bahnen aus der staatlichen Ver­waltung und ein Mindestmaß an Trennung zwischen Verkehrsleistungen und Infrastruktur vorge­sehen sei sowie Regelungen dafür geschaffen worden seien, daß es unter bestimmten Bedin­gungen im Kombinierten Verkehr und im Fall von Partnerschaften zwischen Bahnunternehmen zu einer grenzüberschreitenden Bahnliberalisierung kommen kann.

Das zweite sei die Ausdehnung des Geltungsbereichs der Richtlinie 95/18 im Bereich grenz­überschreitender Verkehrsleistungen, das dritte ein Entwurf für eine neue Richtlinie, nämlich eine Benutzungsentgeltregelung auf Grenzkostenbasis.

Bis jetzt seien in der Ratsarbeitsgruppe und in den Spezialarbeitsgruppen nur die beiden ersten Themen näher behandelt worden. Der Richtlinienentwurf sei bisher überhaupt nicht diskutiert, sondern nur einer ersten Lesung unterzogen worden.

In der Sache selbst habe es während der jüngsten Ratssitzung nur eine Diskussionsrunde zu der Frage gegeben, ob es sinnvoll wäre, die Einrichtungen zur Lizenzvergabe, zur Feststellung des Benutzungsentgelts und zur Festlegung der Trassenzuordnung von der Infrastruktur der Bahnunternehmen zu trennen. In den Diskussionen sei überwiegend die Meinung vertreten worden, daß eine Trennung sinnvoll zu sein scheine. Tatsächlich sei es sinnvoll, es nicht dem “incumbent operator” oder Quasi-Monopolunternehmer zu überlassen, selbst über die Berechti­gung eines anderen Unternehmens, auf Schienen zu fahren, zu entscheiden. Statt dessen sollten die Funktionen auseinandergehalten werden.

Gleiches gelte für die Frage der Infrastrukturbenützungsgebühren. Es sei im Prinzip nicht sinn­voll, wenn jemand, der die Konkurrenz fernhalten möchte, allein über die Gebühren entscheiden könnte, die von Fremdbahnen zu entrichten sind. Denn es wäre zuwenig, nur in Sonntagsreden vom Wettbewerb zu reden.

Insgesamt sei über diese Fragen in einem freundlichen Klima gesprochen worden. Von mehre­ren Mitgliedstaaten sei einer Marktöffnung eine klare Absage erteilt worden. Ein fester Block innerhalb der Europäischen Union spreche tendenziell dieselbe Sprache einer klaren Ablehnung der Marktöffnung.

Allerdings sei die Marktöffnung auch nicht das erste Mittel der Wahl, sondern es gehe zunächst darum, ein Mindestmaß an technischer Standardisierung zu schaffen. Derzeit seien noch sieben Stromsysteme und drei Schienenspurweiten in der Europäischen Union in Betrieb, und dieses Problem bedürfe einer Lösung. Zum Beispiel hätten drei Nachbarländer von Luxemburg jeweils ein anderes Stromsystem, aber derzeit gebe es nur Zweistromlokomotiven in Europa und keine Lokomotive, die drei verschiedene Systeme zugleich bedienen könnte. In diesem Fall wäre es glatter Unfug, zu sagen, daß mit einer Liberalisierung alle Probleme zu lösen wären.

Richtig sei, daß zuerst in großem Ausmaß technische Standardisierung und Vereinheitlichung als Voraussetzung für Liberalisierung vorgenommen werden müsse. Dazu seien alle Mitglied­staaten bereit, daher sollte das Schwergewicht der Bemühungen auch auf diesem Bereich und auf den institutionellen Voraussetzungen liegen. Die österreichische Präsidentschaft habe im Rahmen des informellen Ministerrates eine entsprechende Position vertreten, und auf dieser Linie werde sich auch etwas weiterbewegen.

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche) erachtet es als ein großes Problem für Österreich, daß gemäß dem angesprochenen Richtlinienentwurf nur die Grenzkosten für die ein­zelne Zugfahrt verrechnet werden dürften, denn mit dem Beitrittsvertrag sei Österreich – zwar in loser Form, aber doch – völkerrechtlich dazu verpflichtet worden, den entsprechenden Bahnaus­bau durchzuführen. Es dürfe aber nicht sein, daß nur die Kosten des laufenden Betriebes in das Benutzungsentgelt eingerechnet werden können, nicht jedoch der auf die Errichtung der Infra­struktur entfallende Löwenanteil. Denn das Kostenverhältnis zwischen Betrieb und Ausbau be­trage eins zu neun oder eins zu zehn.

Es seien daher eine klare Regelung und ein Verhaltenskodex für das weitere Vorgehen vor den Gremien der Europäischen Union erforderlich. Denn man könne Österreich nicht dazu verpflich­ten, große finanzielle Bürden in Form der Finanzierung dieses Infrastrukturpaketes auf sich zu nehmen, wenn man ihm dafür nicht mehr, als daß die Grenzkosten in das Benutzungsentgelt eingerechnet werden, zugestehe. Daher wäre eine Änderung der Rahmenbedingungen wichtig. Auch eine Änderung zum Beispiel in bezug auf die Mitfinanzierung der Transeuropäischen Netze wäre willkommen. Abgeordneter Mag. Firlinger ersucht Bundesminister Dr. Einem, zu be­richten, inwieweit in dieser Hinsicht ein Fortschritt erzielt worden sei.

Zwar wäre es wünschenswert und schön, die Eisenbahnnetze in ganz Europa so auszugestal­ten, daß tatsächlich Wettbewerb eintritt, aber dafür bestünden in der Praxis derzeit Hürden, die den Wettbewerbsbedingungen klar widersprächen und dieses Vorhaben nicht vollziehbar er­scheinen ließen. Man müsse sich dem Wettbewerb in Europa schrittweise annähern, und dafür fehle ein Zeitgerüst. Es wäre nötig, in der Europäischen Union Druck auszuüben, um einem solchen Zeitgerüst eine verbindliche Grundlage zu geben. Sieben unterschiedliche Strom­systeme schrittweise gemäß einem Zeitplan abzubauen, um eine Harmonisierung zu erreichen, wäre eine Aufgabe der Europäischen Union, aber in dieser Hinsicht sei gegenwärtig kaum ein Weiterkommen zu erkennen. Abgeordneter Mag. Firlinger fordert Bundesminister Dr. Einem auf, einen österreichischen Beitrag dazu einzubringen, daß die Vorstufe der Liberalisierung im euro­päischen Eisenbahnsystem zügig vorangebracht werde.

Um diese Forderung zu bekräftigen, bringt Abgeordneter Mag. Firlinger folgenden Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG betreffend Eisenbahnunternehmen ein: “Der zu­ständige Bun­desminister wird aufgefordert, im Zuge der Verhandlungen über die Eisenbahnlibe­ralisierung dafür zu sorgen, daß Österreich nicht gezwungen werden kann, seine Bahninfra­struktur den Eisenbahnunternehmen zu nicht alle Kosten deckenden Preisen zur Verfügung zu stellen.”

Denn es müsse vermieden werden, daß es zu einer ähnlichen Entwicklung wie im Straßenver­kehr kommt und daß unklare Bestimmungen zu unlösbaren Problemen führen.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) erinnert daran, daß seit zehn Jahren europa­weit darüber gesprochen wird, daß nur dann, wenn mehr Verkehr auf die Schiene verlagert wird, die Probleme des Verkehrs gelöst werden könnten. Bisher sei eher die gegenteilige Entwicklung eingetreten. Von 1990 bis 1995 habe die Verkehrsleistung auf der Bahn im Güterverkehr von 18,8 auf 14,4 Prozent, also fast um ein Viertel, abgenommen, und im Passagierbereich habe sich die Leistung von 6,8 auf 6 Prozent verringert. Es sei zu hoffen, daß der Schienenverkehr durch stärker liberalisierte Richtlinien wettbewerbsfähiger wird.

Auf der Westautobahn habe der LKW-Verkehr aus den Reformstaaten im Osten Europas sehr stark zugenommen. Dort erfolge eher eine Verkehrsverlagerung von der Schiene auf LKW, und wenn die Beförderung einmal mit LKW erfolge, werde sie auch in Österreich nicht mehr auf die Schiene verlegt. Abgeordneter Schwarzenberger fragt, ob es im Rahmen der Strukturförde­rungen für Beitrittskandidatenländer Möglichkeiten geben werde, Investitionen zu unterstützen, die insbesondere in dieser Hinsicht wieder eine gegenläufige Entwicklung einleiten könnten.

Der Brenner-Eisenbahntunnel stelle eine wesentliche Maßnahme für den europäischen Nord-Süd-Verkehr dar. Abgeordneter Schwarzenberger fragt, welche Priorität von seiten des österrei­chischen Verkehrsministeriums diesem Tunnel eingeräumt werde. Denn ÖBB-Generaldirektor Dr. Draxler habe dazu ausgesagt, daß dieser Tunnel für österreichische Verhältnisse keine vor­rangige Priorität habe, weil er sozusagen von Europäern benützt werde, sodaß eine wesentliche Mitfinanzierung von seiten der Europäer zu erfolgen hätte.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) erachtet einen engen Zusammenhang zwi­schen der zuerst zu diesem Tagesordnungspunkt geführten Debatte und der Frage der Liberali­sierung der Eisenbahnen für gegeben. Denn es gehe in beiden Fällen um die Verlagerung – vor allem – des Güterverkehrs auf die Schiene. Eine der Voraussetzungen dafür wäre nach Ansicht der Grünen eine leistungsfähige, kundenorientierte und wettbewerbsfähige Eisenbahn. In dieser Hinsicht könnte eine Liberalisierung im Sinne von Wettbewerb etwas nicht nur in Bewegung setzen, sondern auch bewirken, allerdings nur unter bestimmten Rahmenbedingungen oder Vor­aussetzungen, die im vorhinein auf politischer Ebene formuliert werden müßten.

Ein wesentlicher Inhalt dieser Rahmenbedingungen seien die tatsächlichen Kosten. Es könne – vor allem im Straßenverkehr – nicht nur um die Kosten für Errichtung, Betrieb und Erhaltung im engeren Sinn gehen, sondern es müßten auch Umwelt- und Sozialkosten einbezogen werden, da sonst nie ein fairer Wettbewerb zwischen Bahn und Straße zustande kommen könnte. Nach Ansicht der Grünen bestehe eine der Voraussetzungen in Kostenfairneß zwischen den verschie­denen Verkehrsträgern, die nur mit verursachergerechter Anlastung der tatsächlichen Kosten – einschließlich externer sozialer und ökologischer Folgekosten – erreicht werden könnte.

Eine wesentliche Voraussetzung wäre im Fall einer schrittweisen Marktöffnung der Eisenbahn auch die Berücksichtigung der sozialen Standards für die Beschäftigten des Eisenbahnunter­nehmens.

In diesem Sinne sei der Antrag auf Stellungnahme zu verstehen, den die Grünen zu diesem Punkt somit einbringen. Der zuständige Minister werde damit aufgefordert, sich dafür einzuset­zen, daß insbesondere dem Straßenverkehr seine extrem hohen ökologischen und sozialen Folgekosten angelastet werden sollen.

Abgeordnete Mag. Kammerlander wirft Bundesminister Dr. Einem vor, er sei ihr die Antworten auf die zuvor in der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt gestellten Fragen schuldig geblie­ben. Es sei zu befürchten, daß die Kostenwahrheit nicht erreicht werden könnte.

Die Berechnungen, die Bundesminister Dr. Einem zuvor in bezug auf Errichtung, Betrieb und Er­haltung von Verkehrswegen angestellt habe, würden in keiner Weise die Umweltfolgen und die sozialen Kosten berücksichtigen. Schuldig geblieben sei Bundesminister Dr. Einem eine Antwort auch im Hinblick darauf, bis wann es dauern werde, daß die externen Kosten tatsächlich berechnet werden können. Er habe mit der Regelung, die er im Verkehrsministerrat getroffen habe, eine Chance aus der Hand gegeben. Es habe die Chance bestanden, wirklich eine Debatte über die Kostenwahrheit zu führen.

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche) fragt Bundesminister Dr. Einem, welche Investitionen notwendig wären, um die von ihm zugesagten Tarifsenkungen um 30 Pro­zent für den Kombinierten Verkehr durchzusetzen. Er fragt weiters, in welcher Höhe Investi­tionen notwendig wären, um die zugesagte Erhöhung des Kombinierten Verkehrs bis zum Jahr 2000 um 75 Prozent zu erreichen.

Abgeordneter Ing. Nußbaumer fragt überdies, wo genau die Mautstelle im Gebiet Kufstein ge­plant sei, ob Bundesminister Dr. Einem nicht glaube, daß mit der getroffenen Regelung der Ver­kehr im Westen Österreichs über Deutschland umgeleitet werde und damit die Einnahmen des Arlberg-Tunnels sehr stark rückläufig würden, und ob es Schätzungen darüber gebe, wieviel Verkehr auf der Strecke Ulm – München – Lindau – San Bernardino – Mailand infolge der Schweizer Regelung künftig durch Vorarlberg führen werde.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem widerspricht der Aussage des Abgeordneten Mag. Firlinger, daß man nicht zulassen könne, daß von Österreich etwas ver­langt wird, mit der Feststellung, daß es diesen “man” nicht gebe. Die Entscheidungen in Europa würden im Rat fallen, und der Rat werde von den Mitgliedstaaten beschickt. Daher könne Österreich dort mitentscheiden.

Der genannte Vorschlag sei von der Europäischen Kommission unterbreitet worden. Ihr komme das Initiativantragsrecht zu, und entschieden werde im Rat. Bisher sei nicht einmal eine erste Lesung vorgenommen worden. Bundesminister Dr. Einem stellt im Hinblick auf die Sache fest, daß er den Grenzkostenvorschlag der Kommission für ungeeignet halte.

Im Hinblick auf die Fragen nach den TEN könne angemerkt werden, daß bis jetzt nahezu die gesamten Planungskosten für den Ausbau der Brenner-Strecke und insbesondere für die bisher angelaufenen Brenner-Tunnelplanungsarbeiten von der Europäischen Union im Rahmen der TEN-Finanzierungen gezahlt worden seien. Dies sei ein nicht so schlechtes Ergebnis.

Im Hinblick darauf, Druck auf die Europäische Union auszuüben, ersucht Bundesminister Dr. Einem um gelegentliche Anregungen, wie dies zu machen wäre. Derzeit werde in einer Rich­tung gearbeitet, die erstens deutlich mache, daß dort, wo im Interesse der Gemeinschaft und nicht primär im eigenen Interesse vorgegangen werde, vielleicht auch ein Beitrag der Gemein­schaft zu bekommen wäre, und womit zweitens ein Weg beschritten werde, der auch wirtschaft­lich sinnvoll sei. Im Fall der Bahnliberalisierung scheine die Grenzkostenlösung nicht der Weis­heit letzter Schluß zu sein. Der Antrag wäre zwar als starke Unterstützung geeignet, aber die Entscheidung werde in dieser Frage mit qualifizierter Mehrheit und nicht einstimmig getroffen. Dadurch werde die Steuerungsmöglichkeit für ein einzelnes Mitglied im Rat begrenzt.

Mit Recht habe der Abgeordnete Schwarzenberger festgestellt, daß die Dynamik der Verkehrs­entwicklung bis jetzt nicht zu einer Verlagerung auf die Schiene, sondern zu einem stärkeren Wachstum auf der Straße und einem vergleichsweise schwächeren auf der Schiene geführt habe. Der Grund dafür bestehe darin, daß die Straße bei weitem zu billig und die Eisenbahn zu teuer sei. Im letzteren Fall gebe es durchaus Möglichkeiten, die Kosten und damit den Preis zu reduzieren. Im anderen Fall sei es notwendig, zumindest die verursachten Kosten anzurechnen, was derzeit noch nicht geschehe.

Es sei denkbar, im Rahmen der Strukturfondslösungen Möglichkeiten zur Verlagerung des Ver­kehrs auf die Schiene in Beitrittskandidatenländern zu schaffen. Österreich nehme, da es als Nachbarstaat unmittelbares Interesse an entsprechenden Verlagerungen habe, selbst Investitio­nen in Schnittstellen für den Kombinierten Verkehr vor. Sopron sei dafür ein bereits sehr gut funktionierendes Beispiel.

Der Brenner-Eisenbahntunnel sei in den österreichischen Prioritäten und auch im “Masterplan” enthalten. Die Zielrichtung sei eine Errichtung bis zum Jahr 2015. Dieser Tunnel sei notwendig. Die Äußerung von ÖBB-Generaldirektor Draxler, daß keine solche österreichische Priorität be­stehe, sei in der Hinsicht richtig, daß auf dieser Strecke in erster Linie Transitzüge verkehren. Falsch sei diese Äußerung im Hinblick darauf, daß die ÖBB auf sonst keinem Streckenabschnitt ein so gutes Geschäft wie dort mache. Auch das sollte ein Geschäftsführer dieses Unterneh­mens im Auge behalten.

Bundesminister Dr. Einem zeigt sich darüber erfreut, daß auch die Abgeordnete Mag. Kammer­lander das Präsidentschaftspapier für den informellen Verkehrsministerrat unterstützt. Darin seien ebenfalls die Forderungen zu den sozialen Rahmenbedingungen und zur Internalisierung der Kosten enthalten. Eine Frage danach, wann es soweit sein werde, habe die Abgeordnete Mag. Kammerlander nicht gestellt, daher sei eine solche Frage auch nicht beantwortet worden. Eine entsprechende Antwort sei kaum möglich, weil es darauf ankomme, die Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der 15 Mitgliedstaaten zu finden. Diese Arbeit werde von österreichischer Seite gerne geleistet.

Für eine 30prozentige Tarifsenkung im Kombinierten Verkehr seien keine Investitionen nötig; sonst wäre dies nicht so rasch möglich.

In bezug auf Kostensenkungen seitens der Bahn bestünden einige Möglichkeiten. Auch die vor­handenen Mittel für die Verlagerung könnten eingesetzt werden, um die Preise zu reduzieren und die Menge zu steigern. Überdies sei ein sogenannter Verlagerungsbonus eingeführt wor­den. Erst kürzlich sei ein Bericht über die gemeinwirtschaftlichen Leistungen an die Bahn erstattet worden, der auch dem Parlament zur Verfügung stehe und in dem die einsetzbaren Instrumente dargestellt worden seien.

Für eine 75prozentige Steigerung im Kombinierten Verkehr auf der Brenner-Strecke seien genü­gend Trassen im Unterinntal vorhanden. Allenfalls könnten noch geringfügige Investitionen im Bahnhof Brennersee erforderlich werden, weil dort bereits die Grenzen erreicht würden. Dort werde eine Prüfung der noch bestehenden Möglichkeiten vorgenommen.

Vermutlich gebe es gewisse Kapazitätsprobleme der Deutschen Bahn im Raum München. Auch diese Frage sei derzeit in Behandlung. Das Ziel der österreichischen und der neuen deutschen Bundesregierung bestehe eindeutig in der Einlösung der Zusage, eine 75prozentige Kapazi­tätssteigerung und eine 30prozentige Preisreduktion herbeizuführen.

Zuständig für eine Auskunft über den Ort der vorgesehenen Mautstelle im Gebiet Kufstein sei der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten. Hinsichtlich der Sorge, daß die Mautein­nahmen geringer wären, wenn die Fahrzeuge auf anderen Strecken unterwegs wären, stellt Bundesminister Dr. Einem fest, daß eine Entscheidung in dieser Hinsicht davon abhänge, ob eher viel Geschäft oder eher viel Verkehr erwünscht wäre.

In bezug auf die Auswirkungen der Schweizer Regelung auf Vorarlberg verweist Bundesminister Dr. Einem auf Äußerungen des Vorarlberger Landesrates für Verkehr, wonach eine geringfügige Steigerung zu erwarten sei.

Obmannstellvertreter Dr. Heinrich Neisser schließt, da zu diesem Punkt keine Wortmeldung mehr vorliegt, diese Debatte und leitet über zur Abstimmung über die vorliegenden drei An­träge auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG.

Der Antrag der Abgeordneten Ing. Walter Meischberger, Ing. Wolfgang Nußbaumer und Kolle­gen betreffend Eurovignette/Wegekostenrichtlinie bleibt in der Minderheit und ist abgelehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Ing. Walter Meischberger, Mag. Reinhard Firlinger und Kollegen betreffend Eisenbahnunternehmen bleibt ebenfalls in der Minderheit und ist abgelehnt.

Auch der Antrag der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander betreffend Maßnahmen zur Stei­gerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Eisenbahnen bleibt in der Minderheit und ist abgelehnt.

Damit ist der Tagesordnungspunkt 6 und somit der letzte Punkt des öffentlichen Teiles dieser Sitzung des Hauptausschusses erledigt.

(Es folgt die der Eisenbahnen für gegeben. Denn es gehe in beiden Fällen um die Verlagerung – vor allem – des Güterverkehrs auf die Schiene. Eine der Voraussetzungen dafür wäre nach Ansicht der Grünen eine Beratung zu Tagesordnungspunkt 7.)

Schluß der Beratungen zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 3 sowie 6: 18.33 Uhr

                                        Österreichische Staatsdruckerei: 700401