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der Abgeordneten Langthaler, Anschober, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten
betreffend Wahrnehmung der energiewirtschaftlichen Kompetenzen der Bundesregierung
zur Koordinierung und Optimierung des österreichischen Kraftwerkparks im
Hinblick auf den Bau des Wasserkraftwerks Lambach
Der Bau des Wasserkraftwerks Lambach ist aus verschiedensten Gründen nicht sinnvoll und
daher abzulehnen:
. Das Kraftwerk ist naturzerstörend; es würde eine der letzten freien Fließstrecken eines
Flusses von der Größe der Traun und - laut Naturschutzbescheid der OÖ LReg. - "das
bedeutendste derartige Ökosystem in Oberösterreich " zerstören.
: Das Kraftwerk ist unnotwendig; auf Grund bestehender Überkapazitäten im Bereich der
Verbundgesellschaft (VG) ist derzeit kein weiterer Bedarf an Kraftwerken gegeben. Die
Oberösterreichische Kraftwerke AG (OKA) will damit lediglich ihren Strombezug von
der Verbundgesellschaft reduzieren.
: Das Kraftwerk reduziert nicht die Auslandsabhängigkeit; Österreich ist bereits jetzt
Stromexportland. Lambach würde den österreichischen Exportüberschuß und den
Stromüberschuß der VG weiter erhöhen.
. Das Kraftwerk ist unwirtschaftlich; zudem wären Investitionen in Energieeffizienzmaß-
nahmen billiger.
. Das Kraftwerk ist beschäftigungspolitisch nicht in dem Maß bedeutend, als daß damit
derart umfangreiche Natureingriffe zu rechtfertigen wären. Investitionen in Wärme-
dämrnaßnahmen würden beispielsweise mehr Menschen Arbeit bieten.
. Art und Weise der Erteilung der Baugenehmigung durch die OÖ LReg. bezw. LH Josef
Pührigner sind demokratiepolitisch mehr als bedenklich. Ein VwGH-Verfahren sowie
naturschutzrechtliche Beschwerden bei der EU-Kommission sind überdies noch offen.
Die Bundesregierung hat es bislang verabsäutnt, klare Worte gegen den Bau dieses in mehr-
facher Hinsicht unsinnigen Kraftwerksprojekts zu finden. Umweltminister Martin Barten-
stein hält es offenbar nicht für notwendig, sich eindeutig gegen die Zerstörung dieser ein-
zigartigen Fluß- und Aulandschaft auszusprechen.
Wirtschaftsminister Johannes Ditz hat es in seiner Funktion als Energieminister bislang
nicht für notwendig erachtet, seine energiewirtschaftlichen Kompetenzen wahrzunehmen
und im lnteresse der österreichischen Volkswirtschaft eine Koordinierung und Optimierung
der Kraftwerksbauten von Landesversorgern und Verbundgesellschaft vorzunehmen, um
unnotwendige Kraftwerksprojekte zu unterbinden und wirtschaftlichen Schaden von der
Verbundgesellschaft abzuwenden.
Beim Bau von Wasserkraftwerken ist das öffentliche Interesse an der Erzeugung elektrischer
Energie mit dem Interesse der Vermeidung weiterer Naturzerstörungen abzuwägen. Ober-
österreichs Landeshauptmann Josef Pühringer ist offenbar mit den örtlichen Gegebenheiten
in Lambach und dem eindeutig negativen Naturschutzgutachten, das im Zuge der natur-
schutzrechtlichen Genehmigung erstellt wurde, nicht vertraut. Anders ist es nicht zu erklä-
ren, daß LH Pühringer nach eigenen Aussagen meint, die Staustufe Lambach werde in
einen "Maisacker" gebaut.
lm naturschutzrechtlichen Gutachten zum Kraftwerk Lambach ist jedenfalls anderes zu
lesen: ". .. das bedeutendste derartige Ökosystem in Oberösterreich .. . hier auftretende
Tierarten sind bedroht und in ihrem Bestand gefährdet .. . Der Erhalt eines derartigen
Fließgewässerabschnitts, der noch einer weitgehend unbeein,flußten Dynamik unterliegt,
besitzt daher große Bedeutung .. . die Errichtung der Staustufe Lambach (muß) aus natur-
schutzfachlicher Sicht abgelehnt werden. .. ".
Um trotz dieses negativen Gutachtens den Bau des Kraftwerks zu ermöglichen, hat Landes-
hauptmann Josef Pühringer der zuständigen Naturschutzlandesrätin Barbara Prammer ent-
gegen ihren Willen die Verfahrenskompetenz entzogen und einen positiven naturschutz-
rechtlichen Bescheid erstellen lassen. Einer VwGH-Prüfung würde dieser Bescheid nicht
standhalten, doch eine Beeinspruchung ist nicht möglich.
Naturschutzaspekte sprechen eindeutig gegen den Bau des Kraftwerks. Doch auch aus
energiewirtschaftlicher Sicht kann kein Interesse der Öffentlichkeit am Bau dieses Kraft-
werks vorliegen. Im Gegenteil: Verbund-Vorstandsdirektor Hans Haider bekräftigte erst vor
kurzem, daß es ".. . im Moment aber sicher so (ist), daß wir keinen weiteren Kraftwerks-
bedarf haben " (Wirtschaftswoche, 23.11.1995).
Daß in Österreich erhebliche (und teure) Überkapazitäten bei der Strombereitstellung beste-
hen, ist offensichtlich. Die Verbundgesellschaft sieht sich insbesondere in den Sommer-
monaten bereits gezwungen, überschüssigen Strom aus Wasserkraftwerken zu Billigsttarifen
auf den internationalen Spotmärkten zu verschleudern. Kein Wunder, daß die Draukraft
AG, eine Tochtergesellschaft der Verbund, vor wenigen Tagen auf den Ausbau der Oberen
Drau endgültig verzichtet hat.
Die bestehenden Überkapazitäten sind die Folge einer bis zuletzt überzogenen Investitions-
tätigkeit der Elektrizitätsversorgungsunternehmen aufgrund zu "optimistischer" Stromver-
brauchsprognosen. Denn seit Anfang der 90iger Jahre stagniert der Stromverbrauch in
Österreich. Im Bereich der öffentlichen Elektrizitätsversorgung stieg der Absatz zwischen
l99l und 1995 nur mehr um bescheidene 1,7 %. 1992 und 1994 sank der Stromverbrauch
sogar um - 1,7 % bzw. - 0,3 % . 1993 und l995 stieg der Verbrauch um + 0,7 bzw.
+ 3 % auf zuletzt 43.909 Mio. kWh (ohne Pumpspeicherung).
Doch man könnte meinen, die Elektrizitätsversorger - und insbesondere die Landesversor-
ger - haben aus den überhöhten Stromprognosen der Achtziger Jahre nichts gelernt. In der
"Koordinierten Planung l995 " legen die Elektrizitätsversorger ihren Ausbauplänen weiter-
hin einen jährlichen Stromverbrauchszuwachs von 2,2 % pro Jahr zugrunde. Und das, ob-
wohl bereits in der Periode l980 bis 1989 der durchschnittliche jährliche Stromverbrauchs-
zuwachs nur mehr 2,7 % betrug. Damit kündigen sich bei weiterer Untätigkeit des Wirt-
schaftsministers weitere milliardenschwere Fehlinvestitionen an, die - aufgrund des derzei-
tigen Strompreisverfahrens für die Unternehmen praktisch risikolos -, von den österreichi-
schen Stromkunden zu zahlen sein werden.
Besonders "dramatisch" ist die Situation in Oberösterreich, wo die Oberösterreichische
Kraftwerke AG (OKA) seit Jahren mit rückläufigem Stromabsatz "kämpfen" muß. Nach
einem Höchststand im Jahre 1991 sank die OKA-Stromabgabe kontinuierlich bis 1994 um
etwa 4 % . Verursacht wird diese Entwicklung vor allem durch den industriellen Struktur-
wandel und die zunehmende Eigenproduktion von Strom in Industrieunternehmen. In den
nächsten Jahren wird sich dieser Trend fortsetzen, da weitere Industrieunternehmen - etwa
die VOEST Linz - große Eigenerzeugungsanlagen (Cogeneration-Anlagen) in Betrieb neh-
men werden. (Die Schließung der Elektrolyse Ranshofen ist nicht für den rückläufigen
Stromabsatz der OKA verantwortlich, da Ranshofen direkt von der Verbundgesellschaft be-
liefert wurde.)
Trotz dieser rückläufigen Stromabgabe und der zunehmenden Eigenerzeugung elektrischer
Energie hält die OKA am Kraftwerk Lambach fest. Das eigentliche Motiv für den weiteren
Kraftwerksausbau ist nicht die " Reduktion der Auslandsabhängigkeit ", wie von LH Pührin-
ger fälschlicherweise immer wieder behauptet wird, sondern die Reduktion des Strombezugs
der OKA von der VG. Ziel der OKA ist es den derzeitigen Verbundstromanteil von 50 %
auf ein Drittel zu reduzieren, Dazu ist im naturschutzrechtlichen Bescheid zu lesen: "ES (ist)
eines der wesentlichen Unternehmensziele der OKA, die über Jahrzehnte gehaltene Fremd-
bezugsquote von rund 1/3 wieder zu erreichen. " Da aber die VG bereits jetzt erhebliche
Stromüberschüsse aufweist, entsteht durch eine derartige sezessionistische Energiepolitik ein
erheblicher volkswirtschaftlicher Schaden, den der Wirtschaftsminister durch Wahrnehmung
seiner Kompetenzen zu verhindern hat.
Das Kraftwerk ist jedoch aus gesamtösterreichischer Sicht nicht nur unnotwendig, sondern
auch unwirtschaftlich. Die Kosten für die erzeugte Kilowattstunde im Kraftwerk Lambach
werden sich bei Baukosten von 680 Mio. S (frühere OKA-Angaben sprachen von 740 Mio.
S) auf 80 Groschen/kWh belaufen. Der Verbundtarif liegt im Vergleich dazu bei rund 70
Groschen.
Auch Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen kämen günstiger. Die aktuelle Studie
" Least-Cost-Planning in Österreich" der Energieverwertungsagentur (E.V.A.) und des
WIFO zeigt, daß in Österreich Energiesparpotentiale in der Größe von zumindest
5 600 Mio. kWh bestehen, deren Nutzung wirtschaftlich günstiger käme, als der Bau weite-
rer Kraftwerke. Die Strommenge des Kraftwerks Lambach könnte somit deutlich umwelt-
freundlicher - und billiger - bereitgestellt werden, wenn lediglich 1,3 % dieses Energiespar-
potentials genutzt werden würde.
Des weiteren sind bereits d ie Kosten alternativer Energieerzeugungsformen - besonders von
Windkraftanlagen - soweit gesunken, daß sie mit Wasserkraftprojekten wie Lambach bereits
konkurrieren können. Im burgenländischen Zurndorf ist beispielsweise ein Windpark mit
einer Leistung von 6 Megawatt in Planung, der bei einem Investitionsaufwand von
90 Mio. S jährlich eine Energiemenge von 10 Mio. kWh "ernten" wird. Umgelegt auf die
Größe von Lambach heißt dies, daß heute bereits mit Investitionen von 630 Mio. S in
Windkraftanlagen die gleiche Energiemenge wie in Lambach, bei annähernd gleichen
Investitionskosten, erzeugt werden kann. Doch die Windkraft besitzt einen weiteren, ent-
scheidende weiteren Vorteil: Strom aus Windkraftanlagen fällt überwiegend im Winterhalb-
jahr an, jener von Wasserkraftanlagen überwiegend im Sommer. Windkraftanlagen wären
somit eine ideale Ergänzung zu den bereits bestehenden Wasserkraftanlagen. Ein weiterer
Ausbau der Wasserkraft würde hingegen nur die sommerlichen Stromüberschüsse weiter
verschärfen.
Im Jahr 1995 lag der österreichische Exportüberschuß bei Strom bei 2455 Mio. kWh. Das
ist die 34fache Energiemenge des Kraftwerkes Lambach. Auf Grund der europaweiten
Überkapazitäten sind die Erlöse, die mit dem Stromexport erzielt werden können, denkbar
gering. Nach Aussagen der Verbundgesellschaft kann auf den internationalen Spotmärkten
ein Preis von 20 bis 25 Groschen/kWh erzielt werden. Da der Bau des Kraftwerks Lambach
den sommerlichen Stromüberschuß weiter verschärft, müßte mehr Strom ins Ausland ex-
portiert werden, will man das Wasser nicht ungenutzt über die Wehr laufen lassen. Die Dif-
ferenz aus Baukosten (mind. 80 g) und Exporterlös (etwa 20 g) würde jedoch eine Art
" Exportstützung " notwendig machen, die wiederum von den österreichischen Stromkunden
zu finanzieren wäre.
Der energiewirtschaftlich vollkommen unnotwendige Bau des Kraftwerks Iambach ist ein
Zeichen für die fehlende Koordination im Bereich der österreichischen Elektrizitätswirt-
schaft. Obwohl die Verbundgesellschaft mit erheblichen Stromüberschüssen kämpft, bauen
die Landesversorger munter weiter Kraftwerke. Da aber der Stromabsatz der Landesver-
sorger stagniert, wird stattdessen der Strombezug von der Verbundgesellschaft weiter redu-
ziert, womit sich die dortige Überschußsituation noch weiter verschärft. Die Kraftwerke der
Verbundgesellschaft stehen zunehmends still bzw. arbeiten zu Schleuderpreisen für den
Export - beides kann aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll sein.
Um exakt solche Situationen zu vermeiden, und um eine Koordination der Elektrizitätsver-
sorgungsunternehmen zu gewährleisten, wird der Bundesregierung bzw. dem Wirt-
schaftsminister im bestehenden Elektrizitätswirtschaftsrecht (2. VerstaatlichungsG) eine ko-
ordinierende Kompetenz bei Kraftwerksbauten eingeräumt. Auf Grund der bestehenden
Überkapazitäten und der negativen Auswirkungen weiterer paralleler Kraftwerksausbauten
muß der Wirtschaftsminister von dieser Kompetenz Gebrauch machen und der Oberösterrei-
chischen Kraftwerke AG die Berechtigung zum Bau weiterer Kraftwerke mit nennenswerter
Leistung (Großkraftwerke) entziehen.
Der derzeitige Wirtschaftsminister - und insbesondere auch sein Vorgänger und nunmehrige
Außenminister, Wolfgang Schüssel, - haben es nicht nur verabsäumt, zeitgerecht koordinie-
rend in den weiteren Kraftwerksausbau einzugreifen, sondern auch jene unverzichtbaren
energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Nutzung der vorhandenen
Energiesparpotentiale und alternativer Energiequellen wirtschaftlich attraktiv macht.
Eines von vielen möglichen Beispielen, welch geringe Bedeutung der effizienten Energie-
nutzung - trotz gegenteiliger Beteuerungen in diversen Energiekonzepten - in der offiziellen
Energiepolitik tatsächlich beigemessen wird, ist die Fernwärmeförderung. Die ohnehin
bereits sehr niedrig dotierte Bundesfernwärmeförderung ist Ende 1994 ersatzlos ausgelau-
fen. Die bisherigen Bemühungen eine rechtlich tragfähige Basis für die Verlängerung und
Aufstockung der Fernwärmeförderung zu schaffen, verliefen sich erfolglos im Sand.
Nachdem eine erste, rechtlich fragwürdige Regelung am Widerstand des Bundesrates ge-
scheitert ist, wurden seitens des Wirtschaftsministers keine weiteren nennenswerten Initia-
tiven für die so dringend notwendige Bundesfernwärmeförderung ergriffen.
Ein anderes deutliches Beispiel für die Untätigkeit des Wirtschaftsministers betrifft die För-
derung alternativer Energien und hier insbesondere die Windenergie. Obwohl seit Jahren
ein Pilotprogramm für die Markteinführung von Windkraftanlagen versprochen ist (siehe
Energiebericht 1993 der Bundesregierung), ist nichts geschehen. Im Gegenteil: die derzei-
tige Regelung der Einspeisetarife von Strom aus Windkraftanlagen ins öffentliche Netz ist
äußerst unbefriedigend und muß als prohibitiv eingestuft werden. Anstatt seine Kompeten-
zen wahrzunehmen und attraktive Einspeisetarife zu verordnen, die der Diskriminierung
von Windkraftanlagen durch die Elektrizitätsversorgungsunternehmen ein Ende bereiten
würde, hat der Wirtschaftsminister seine Kompetenzen an die Landeshauptleute delegiert
und mit der Elektrizitätswirtschaft lediglich ein freiwilliges Übereinkommen zur
"Förderung " u.a. von Windkraftanlagen abgeschlossen. Das Übereinkommen, das jedoch in
seiner restriktiven Ausgestaltung ("Förderung " von Anlagen mit max. l MW Leistung,
" Förderung" auf drei Jahre begrenzt, Anlage muß primär der Eigenversorgung dienen)
kaum eine Verbesserung darstellt, läßt jedenfalls beispielhaft den wahren energiepolitischen
Geist erkennen, der im Wirtschaftsministerum bei Alternativenergien offenbar vorherrscht.
Die eklatanten Mängel der Energiepolitik des Wirtschaftsministers und seines Vorgängers
haben U mweltm in ister Martin Bartenstein vor wenigen Wochen zu der Aussage bewogen ,
Österreichs Energiepolitik sei gescheitert (Der Standard, 29. November 1995). Österreich
muß nach den Worten von Minister Bartenstein in der Energiepolitik völlig neue Wege ge-
hen. Bartenstein meinte im Hinblick auf die kläglichen Versuche Österreichs , die CO²-
Emissionen zu senken, "die bisherigen Maßnahmen zur Einsparung von Energie reichen
nicht aus, um die vorgeschriebenen Ziele zu erreichen. "
Daß die bisherige Laisser-faire-Politik nicht zum Ziel führt, wird im Rahmen der österrei-
chischen Klimapolitik sichtbar. Zwischen 1988 und 1994 stiegen die CO²-Emissionen um
6,5 % von 56,4 auf 60, 1 Mio. Tonnen, zwischen l993 und l994 um rd. 2 % . Wenn nicht
umgehend jene Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Förderung alter-
nativer Energien umgesetzt werden, die seit Jahren in diversen Energiesparprogrammen und
Energiekonzepten der Bundesregierung angekündigt werden, so wird Österreich seine Ver-
pflichtungen im Rahmen des Toronto-Abkommens (Reduktion der CO²-Emissionen um 20
% zwischen 1988 und 2005) nicht erfüllen können. Derzeit liegt Österreich um 15 Mio. t
bzw. 34 % über dem Toronto-Ziel von 45 Mio. t. Ein energiepolitisches Vorbild könnte
beispielsweise Dänemark sein. Dort ist es gelungen, den Gesamtenergiebedarf zw. 1980
und l992 um - 0,6 % zu senken, während er in Österreich im gleichen Zeitraum um
10,4 % gestiegen ist. Mit einer weiteren Steigerung bei weiterer energiepolitischer Untätig-
keit kann jedenfalls gerechnet werden.
Trotz dieser offensichtlichen Defizite des Schüssel-Ditz-Kurses in der Energiepolitik hat
Osterreich gute Voraussetzungen für eine moderne, zeitgemäße Energiepolitik. Die enor-
men Energiesparpotentiale bieten ein breites Gebiet für Maßnahmen zur Steigerung der
Energieeffizienz. Auch abseits der Wasserkraft besteht in Österreich ein großes Angebot an
alternativen, erneuerbaren Energiequellen, die genutzt werden könnten, ohne die letzten
freien Fließstrecken unserer Flüsse zu ruinieren. Es wird sich allerd ings erst zeigen, ob die
Bundesr egierung und insbesondere der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten
in der Lage sind , sich von den Interessen und dem Einfluß der etablierten Energieversor-
gungsunternehmen zu emanzip ieren und eine eigenständige, moderne, klimaschutzorien-
tierte Energiepolitik zu gestalten.
Auf Grund der anstehenden, dringend notwendigen Entscheidungen des Bundesministers für
wirtschaftliche Angelegenheiten im Hinblick auf den Bau des Kraftwerk Lambach stellen
die unterfertigten Abgeordneten folgende
DRINGLICHE ANFRAGE:
1 . Wie beurteilen Sie die Aussage von Verbund-Vorstandsdirektor Hans Haider, daß es
". . . im Moment aber sicher so (ist), daß wir keinen weiteren Kraftwerksbedarf
haben ".
2. Teilen Sie die Meinung, daß im Bereich der Verbundgesellschaft derzeit erhebliche
Überkapazitäten hinsichtlich der verfügbaren Strommengen bestehen?
3. Auf welche Summe belaufen sich die Kosten, die im Bereich der Verbundgesellschaft
durch die überhöhten Strombedarfsprognosen entstanden sind (Investition in teuere
Wasserkraftwerke, Abschluß überzogener Kohlelieferverträge und Stromimportver-
träge, etc.)?
4. Wie beurteilen Sie das erklärte Unternehmensziel der OKA, durch zunehmende
Eigenproduktion Strombezug von der Verbundgesellschaft zu substituieren, obwohl
im Bereich der VG erhebliche Überkapazitäten bestehen?
5. Der Stromabsatz der OKA stagniert seit mehreren Jahren bzw. ist sogar rückläufig.
Der weitere Bau von industriellen Eigenerzeugungsanlagen wird diese Situation weiter
verschärfen.
Teilen Sie die Meinung, daß im Hinblick auf den gesamtösterreichischen Stromver-
bttnd Landesversorger wie die OKA auf weitere Kraftwerksbauten verzichten sollten,
solange im Bereich der VG erhebliche Überkapazitäten bestehen?
6. LH Josef Pühringer betont immer wieder, daß es sich bei der Staustufe Lambach mit
einem Regelarbeitsvermögen von 7l Mio. kWh durchaus um ein großes Kraftwerk
handle. Er verweist darauf, daß Lambach unter den 1600 österr. Laufkraftwerken zu
den 100 größten gehören würde.
Ist es richtig, daß das KW Lambach unter den österr. Laufkraftwerken zu den größten
10 % gehört, also für österreichische Verhältnisse ein Großkraftwerk ist?
7. Das 2. Verstaatlichungsgesetz bietet Ihnen bzw. der Bundesregierung die Möglichkeit,
koordinierend in den Kraftwerksausbau der Elektrizitätswirtschaft einzugreifen.
In welcher Form gedenken sie, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen?
8. § 4 Abs. (5) 2. VerstaatlG sieht vor, daß die Bundesregierung - bzw. der für die
Vollziehung des Gesetzes zuständige Wirtschaftsminister - nach Anhörung der Ver-
bundgesellschaft unter Bedachtnahme auf energie- und wasserwirtschaftliche Rück-
sichten entscheidet, ob ein Kraftwerksprojekt durch Landesversorger errichtet werden
darf.
Wurde eine Anhörung der Verbundgesellschaft hinsichtlich des Kraftwerks Lambach
durchgeführt? Wenn nein, warum nicht und wann wird eine Anhörung durchgeführt?
Wenn ja, wann und mit welcher Entscheidung wurde die Anhörung durchgeführt?
9. Wurde die Entscheidung in Übereinstimmung mit der Verbundgesellschaft gefaßt?
Wenn nein, warum nicht?
10. Die niederösterr. EVN plant den vollständigen Neubau von Block B des kalorischen
Kraftwerks Theiß. Die Leistung von Block B soll um etwa 200 MW auf 450 MW
aufgestockt werden.
Teilen Sie die Meinung, daß es sich beim Neubau von Block B des Kraftwerks Theiß
um die Errichtung eines Großkraftwerks handelt?
11 . Die Verbundgesellschaft wäre nach eigenen Angaben .jederzeit in der Lage, etwa die
Hälfte der Jahresproduktion des Atomkraftwerks Krsko durch Ersatzstromlieferungen
aus dem Kraftwerk Voitsberg 3 (330 MW) bereitzustellen.
Wurde im Hinblick auf den Neubau von Block B des Kraftwerks Theiß ein Anhörun-
gen der Verbundgesellschaft nach § 4 Abs. (5) 2. VerstaatlG durchgeführt? Wenn ja,
wann und mit welchem Ergebnis?
12. Zu welchen sonstigen Kraftwerksprojekten wurden bislang Anhörungen nach § 4 Abs.
(5) 2. VerstaatlG durchgeführt? Wann wurden diese Anhörungen durchgeführt und
mit welche Entscheidungen wurden gefaßt? Wurden die Entscheidungen in Überein-
stimmung mit der Verbundgesellschaft gefaßt?
13. Welche Maßnahmen gedenken Sie in Zukunft hinsichtlich einer besseren Koordination
des Kraftwerkparks zu unternehmen?
14. Die Studie " Least-Cost-Planning in Österreich" der Energieverwertungsagentur
(E.V.A.) und des WIFO, die auch vom Wirtschaftsministerium mit in Auftrag gege-
ben wurde, zeigt, daß in Österreich erhebliche Energiesparpotentiale in der Größe von
zumindest 5 600 Mio. kWh bestehen, deren Nutzung volkswirtschaftlich günstiger
käme, als der Bau weiterer Kraftwerke.
Welche Maß nahmen werden Sie ergreifen, um Least-Cost-Planning zu einem fixen
Bestandteil der österreich ischen Energiepolitik zu machen? Wie wollen S ie die aufge-
zeigten Energiesparpotentiale erschließen?
15. Vor wenigen Wochen wurde von Ihnen mit der Elektrizitätswirtschaft ein neues Preis-
aufsichtsystem vereinbart, das Sie von der lästigen Strompreisfestsetzung entbindet
und den Elektrizitätsversorgern eine fixe Monopolrente garantiert.
Warum sind in diesem neuen Strompreisverfahren keine Least-Cost-Planning-Mecha-
nismen vorgesehen, die die konsequente Nutzung der Energiesparpotentiale durch die
EVUs vor weiteren Kraftwerksbauten gewährleisten würde?
16. Welche Schritte werden Sie hinsichtlich der Wiedereinführung einer Bundesfern-
wärmeförderung setzen?
17. Mit der Förderung von Alternativenergien ist es auf Bundesebene schlecht bestellt.
Wann ist mit der Umsetzung des im Energiebericht 1993 versprochenen Pilotpro-
gramms für Windkraftanlagen zu rechnen und welchen Umfang wird es haben?
18. Das l994 mit der E-Wirtschaft geschlossene Generalübereinkommen zur " Förderung"
der Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien ins öffentliche Netz läuft in wenigen
Monaten aus.
Welche Regelung wollen Sie in Hinkunft treffen, um für die Stromerzeugung aus
Alternativenergien angemessene und nicht-diskriminierende Tarife für die Stromein-
speisung ins öffentliche Netz zu gewährleisten?
19. Die Landehauptleute haben von der an sie delegierten Kompetenz zur Regelung der
Einspeisetarife kaum Gebrauch gemacht.
Halten Sie es aufgrund dieser Situation nicht für zweckmäßig, diese Kompetenz wie-
der auf Bundesebene wahrzunehmen? Wenn nein, warum nicht?
20. Die EVN, die erst gar nicht dem Generalübereinkommen zur "Förderung" der
Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien beigetreten ist, verlangt neuerdings von
den Betreibern von Windkraftanlagen eine sogenannte "Netzbereitstellungsgebühr" im
Umfang von 375 S/kW für Anlagen über 0, l MW. Für viele NÖ Windkraftprojekte
war diese Gebühr das endgültige wirtschaftliche Aus.
Wie beurteilen Sie diese "Windkraftverhinderungsgebühr" der EVN und auf welcher
gesetzlichen Regelung beruht sie?
21 . Ihr Parteifreund und Regierungskollege Umweltminister Martin Bartenstein meint,
Österreichs Energiepolitik sei gescheitert. Im Hinblick auf die mäßigen Erfolge zur
Reduktion der CO2-Emissionen führt er aus , "d.ie bisherigen Maßnahmen zur Einspa-
rung von Energie retchen nicht aus, um die vorgeschriebenen Ziele zu erreichen. "
Teilen Sie die Meinung von Umweltminister Martin Bartenstein? Wenn ja, welche
Maßnahmen wollen Sie setzen, um zumindest in Hinkunft sicherzustellen, daß die
vorgeschriebenen Ziele zu erreichen? Wenn nein, heißt das , daß Sie die österreichi-
sche Klimaschutzpolitik hinsichtlich der Erreichung des Toronto-Ziels als erfolgreich
einstufen?
22. Zwischen l988 und 1994 stiegen die österreichischen CO2-Emissionen um 6,5 % von
56,4 auf 60,1 Mio. Tonnen, zwischen 1993 und 1994 um rd. 2 % . Derzeit liegt
Österreich um 15 Mio. t bzw. 34 % über dem Toronto-Ziel von 45 Mio. t.
Wie beurteilen Sie die Möglichkeiten, daß Österreich trotz dieses Trends doch noch
das Toronto-Ziel erreicht?
23. In Dänemark sank der Gesamtenergieverbrauch lt OECD zw. 1980 und 1992 um -
0,6 % - in Österreich stieg er im gleichen Zeitraum um 10,4 %.
Worauf führen Sie diesen Unterschied zurück?
24. In der Oststeiermark haben sich die betroffenen Gemeinden in einer Abstimmung
deutlich gegen den Bau der 380-kV-Leitung ausgesprochen.
Halten S ie es für sinnvoll, daß die VG mit dem Bau der 380-kV-Leitung zw. Wien-
Südost und dem Südburgenland beginnt, solange die Möglichkeit einer Verlängerung
in die Steiermark (UW Kainachtal) ungeklärt ist?
In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage zum ,frühestmöglichen
Zeitpunkt verlangt