16/J

 

 

 

der Abg. Dr. Pumberger , Dr. Povysil , Dr. Partik-Pable , Dr. Preisinger

an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz

betreffend Tuberkulosegefahr in der Bundeshauptstadt

 

 

Am 22.1.1996 präsentierte der zuständige SPÖ-Stadtrat von Wien ,

Dr. Sepp Rieder , den Gesundheitsbericht 1994 der Bundeshauptstadt .

Dazu meldet die APA: " Die Zahl der Neuerkrankungen an Tuberkulose

ist in den letzten 15 Jahren praktisch gleichgeblieben und schwankt

zwischen 5oo und 6oo pro Jahr. ''

 

Damit ist die Beantwortung der Anfrage Nr. 986/J des Erstunterzeichners

durch die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz ( Nr.

962 /AB vom 7.6.1995 ) klar widerlegt . Die dieser Beantwortung beigelegte

Tabelle weist hinsichtlich der TBC-Neuerkrankungen wesentlich niedrigere

Zahlen aus . Die Gesamtzahl der erkrankten Personen wird überhaupt nicht

erwähnt .

 

Das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz hätte ,

unbeschadet der verspäteten Vorlage des Gesundheitsberichtes 1994

der Stadt Wien , bereits dem Gesundheitskapitel in : ''Die Verwaltung

der Stadt Wien 1993 '' , herausgegeben vom Magistrat der Stadt Wien ,

folgende Warnhi nweise entnehmen können :

 

''Ein Überblick über die Tuberkulosesituation in Wien im letzten Jahrzehnt

zeigt insgesamt einen leichten Anstieg dieser Infektionskrankheit . 1993

erkrankten 559 Personen , davon 191 Ausländer , neu an einer aktiven Tuber-

kulose ; das waren insgesamt um 4 % weniger als 1992 , aber um 34 % mehr

Ausländer als 1992 . . . . Die seuchenhygienisch bedeutendste Gruppe , die

Erkrankung an ansteckender Lungentuberkululose , hat seit 1986 um 36 %

zugenommen. Der Anteil der Kinder-Tuberkulose an al1en Tuberkuloseformen

nahm 1990 nach jahrzehntelangem Absinken erstmals wieder zu. 1993 er-

krankten 17 Kinder ( 6 weniger als 1992 ) an dieser Infektionskrankheit ,

davon 7 Kinder an offener Lungentuberkulose . 9 der 17 erkrankten Kinder

waren Gastarbeiterkinder. Der Anteil der Gastarbeitertuberkulose an allen

Tuberkuloseformen hat in den letzten 10 Jahren zunächst von 18 % auf 15 %

abgenommen und ist seit 1987 wieder angestiegen , 1993 betrug er 34 %.

 

Derzeit leben in Wien rund 1.800 an Tuberkulose Erkrankte , die einer

Behandlung und einer besonderen Betreuung bedürfen. Die größten seuchen-

hygienischen und therapeutischen Schwierigkeiten bereiten nach wie vor

die an Tuberkulose erkrankten Alkoholiker und Insassen von Obdachlosen-

heimen. Weiters waren 1992 76 % der an Tuberkulose Verstorbenen der

Tuberkulosefürsorge noch nicht bekannt , was darauf hinweist , daß es in

Wien noch viele unbekannte Infektionsquellen gibt und die organisierte

planmäßige Bekämpfung dieser Infektionskrankheit im Rahmen des öffent-

lichen Gesundheitsdienstes weitergeführt werden muß. Die völlige Aus -

rottung der Tuberkulose ist trotz modernster und bewährtester Bekämpfungs-

maßnahmen noch nicht in Sicht .

Die Dienst-und Untersuchungsstellen des Tuberkulosereferates wurden im

Jahre 1993 von insges amt 281.845 Personen in Anspruch genommen. . . .

Durch die Einstellung der BCG-Impfungen an Schulkindern und durch die

Abmahme der Untersu. chungen vonn Ausländern nach dem Ausländerbeschäfti-

gungsgesetz ist die Gesamtfrequenz rückläufig.

 

. . . 1993 wurden 395 Gastarbeiter, das waren um 75 % weniger als im Vorjahr,

nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz untersucht . Allen diesen Gastarbeitern

die erstmals im J ahre 1993 nach Österreich eingereist waren , konnte die

Arbeitsbewilligung erteilt werden. Auf Grund der Ausländerbeschäftigungs-

verordnung vom 28. September 1990 , BGBl . Nr. 609/1990 , ist für die ärzt-

iche Begutachtung nunmehr weder eine Blut- noch eine Harnuntersuchung

erforderlich - eine Maßnahme , die das Erbringen eines amtsärztlichen

Untersuchungsergebnisses erschwert. Durch diese Verordnung und die Ver-

ordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 19.  September

1990 über die ärztliche Untersuchung von Ausländern hinsichtlich der

Infektionskrankheiten , BGBl. Nr. 610/1990 , ist der Kreis jener Personen ,

die bei einem Aufenthalt in Österreich untersucht werden müssen , eingeengt

worden. Ausländer , die sich nachweislich bereits länger als drei Monate

im österreichischen Bundesgebiet aufhalten , müssen sich nun keiner ärztli-

chen Untersuchung mehr unterziehen. . . .

An Flüchtlingen aus Bosnien wurdrden 1993 2.894 Lungenröntgen und 169

Tuberkulinproben vorgenommen. Dabei wurdurden 17 Fälle von aktiver Tuberkulose

sowie 1o weitere behandlungsbedürftige Lungenbefunde festgestellt. ''

 

Es ist schockierend , mit welch sträflichem Leichtsinn sozialistische

Gesundheits- und Sozialpolitiker im Range von Bundesministern und Stadt-

räten die Warnungen verantwortungsbewußter Wiener Beamter seit Jahren

in den Wind schlagen.

 

Erstens ist bekannt , daß viele Obdachlose nicht in den dafür vorgesehenen

Unterbringungsstätten , sondern, zum Teil aus Platzmangel , in abgestellten

U-Bahn-Garnituren übernachten , die am nächsten Tag, oftmals in total

verschmutztem Zustand , wieder als Massenbeförderungsmittel fungieren.

 

Zweitens ist bekannt , daß zahlreiche Ausländer in der Bundeshauptstadt

und der Umgebung - angemeldet oder unangemeldet - bezahlten Tätigkeiten

auf Iebensmittelmärkten , im Gastgewerbe , bei privaten Dienstleistungen ,

ja sogar im Gesundheitswesen nachgehen. Jede unterlassene TBC-Untersuchung

dieses Personenkreises gefährdet die Bevölkerung.

 

Drittens ist bekannt , daß nicht alle Flüchtlinge einer TBC-Untersuchung

unterzogen werden , obwohl die bedauernswerten Opfer von Kriegshandlungen

durch die Lebensumstände besonders krankheitsgefährdet sind.

 

Viertens ist bekannt , daß gerade in der Bundeshauptstadt ein hoher Anteil

an Ausländerkindern die Schulen besucht. Die Aufhebung des BCG-Impfung

gegen Tuberkulose angesichts der steigenden TBC-Gefahr bedeutet Lebens-

gefahr für die Wiener Kinder.

 

Die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz ist bisher

lediglich durch eine Anfragebeantwortung , die anscheinend von einem

Beschwichtigungshofrat verfaßt wurde , zum Thema '' Tuberkulose in Wien''

in Erscheinung getreten.

 

Der Magistratsbericht beweist dagegen , daß seit spätestens 1993 dringendster

Handlungsbedarf bestand !

 

Daher richten die unterzeichneten Abgeordneten an die Frau Bundesminister

für Gesundheit und Konsumentenschutz die nachstehende

 

A n f r a g e :

 

 

1 . Wie erklären Sie die Diskrepanz zwischen Ihrer Anfragebeantwortung

vom 7.6.1995 samt Tabelle , wo von ca. 3oo TBC-Erkrankungen in Wien

pro Jahr die Rede ist , und dem Gesundheitsbericht 1994 der Stadt

Wien , wonach die Zahl der Neuerkrankungen an Tuberkulose in den

letzten 15 Jahren praktisch gleichgeblieben sei und zwischen 500

und 6oo p.a. schwanke ?

 

2 . Wie lautet die berichtigte , nach Bundesländern aufgeschlüsselte ,

Tabelle hinsichtlich

a ) Neuerkrankungen , Gesamterkrankungen und Todes fällen jeweils

an ansteckender TBC pulmonal ,

b ) Neuerkrankungen , Gesamterkrankungen und Todes fällen jeweils

an ansteckender TPC extrapulmonal,

jeweils für die Jahr 1990 bis 1994 ?

 

3 . Konnte Ihnen der zuständige SPÖ-Stadtrat von Wien erklären , wieso

die Erkrankungs- und Todes falls-Meldungen für 1993 , seinen Bereich

betreffend , von den Zahlen abweichen , die die Magistratsbeamten

der Stadt Wien in ''Die Verwaltung der Stadt Wien 1993 '' schriftlich

niedergelegt haben ?

 

4 . Iegt Ihr Ressort die einlangenden Bundesländer-Meldungen über

ansteckende Erkrankungen ungeprüft zu den Akten ?

 

5 . Wenn nein : in welcher Art und Weise überprüfen Sie den Wahrheits-

gehalt der Bundesländer-Meldungen über ansteckende Krankheiten ?

 

6 . Da dies offenbar nicht ausreicht : welche zusätzlichen Überprüfungen

und Kontrollen werden Sie gegenüber den meldenden Stellen ausüben ?

 

7 . Wie lautet die Stellungnahme Ihres für die Volksgesundgheit zuständigen

Ressorts zu dem Umstand , daß Obdachlose , also Personen mit hohem

TBC-Erkrankungsrisiko , in abgestellten Wiener U-Bahn-Garnituren

nächtigen , wodurch ein Massenbeförderungsmittel systematisch durch-

seucht wird ?

 

8 . Welche Maßnahmen zum Schutz der Volksgesundheit werden Sie in

Verhandlungen mit den zuständigen Wiener SPÖ-Politikern in Hinblick

auf seuchenfreie Massenbeförderungsmittel verlangen ?

 

9 . Wie lautet die Stellungnahme Ihres für die Volksgesundheit zuständigen

Ressorts zu dem Hinweis der Wiener Magistratsbeamten , daß es in der

Bundeshauptstadt noch viele unbekannte Infektionsquellen gibt ?

 

10. Welche Maßnahmen zum Schutz der Wiener Bevölkerung vor TBC-Infektion

werden Sie von dem für den Wiener Gesundheitsdienst verantwort1ichen

SPÖ-Stadtrat angesichts des Umstandes verlangen , daß 1992 76 % der

an Tuberkulose Verstorbenen der TBC-Fürsorge gar nicht bekannt waren ?

 

11 . Wie lautet die Stellungnahme Ihres für die Volksgesundheit zuständigen

Ressorts , zur Kritik der Wiener Magistratsbeamten an der Einengung

der TBC-Untersuchungen bei Ausländern infolge Novellierung der Ver-

ordnungen zum Ausländerbeschäftigungsgesetz ?

 

12. Welche Maßnahmen zum Schutz der österreichischen , insbesondere aber

der Wiener Bevölkerung vor Ansteckung durch TBC-erkrankte Ausländer

werden Sie in Verhandlungen mit dem Bundesminister für Arbeit und

Soziales verlangen ?

 

13 . Können Sie als für das Lebensmittelwesen zuständiges Mitglied der

Bundesregierung garantieren , daß an TBC erkrankte Personen weder

in der Bundeshauptstadt noch im übrigen Österreich mit dem Inver-

kehrbringen von Iebensmitteln und daraus hergestellten Speisen

beschäftigt werden ?

 

14 . Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen , um die österreichische

Bevölkerung vor TBC-Infektion im Wege des Inverkehrbringens von

Lebensmitteln zu schützen ?

 

15 . Können Sie als für das Bäderwesen zuständiges Mitglied der Bundes-

regierung garantieren , daß es in Österreichs Schwimm- , Heil- und

Kurbädern nicht zur TBC-Übertragung kommen kann ?

 

16 . Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen , um die Bäderhygiene zu verbessern

 

17. Können Sie als für das Impfwesen zuständiges Mitglied der Bundesregierung

garantieren , daß insbesondere für die Wiener Kinder trotz Einstellung

der BCG-Impfung kein TBC-Übertragungsrisiko in Schu1en mit hohen

Ausländerquoten besteht ?

 

18. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen , um das TBC-Infektionsrisiko

in den Wiener Schulen auszuschalten ?

 

19 . Wie lautet die Stellungnahme Ihres Ressorts zu dem Hinweis auf erhöhtes

TBC-Ris iko bei bosnischen Flüchtlingen im Wiener Magistratsbericht 1993 ?

 

20 . Welche Maßnahmen zum Schutz der österreichischen , insbesondere aber der

Wiener Bevölkerung vor TBC-Ansteckung durch Flüchtlinge werden Sie in

Verhandlungen mit dem Bundesminister für Inneres verlangen ?

 

21 . Wann hat jene von Ihnen in Aussicht gestellte Konferenz von Iandes-

Sanitätsdirektoren stattgefunden , auf der ''über erforderliche gezielte

Reihenuntersuchungen'' und diesbezügliche ''Verordnungen der Iandes-

hauptmänner gemäß § 23 Abs . 1 des Tuberkulosegesetzes '' diskutiert

werden sollte ?

 

22 . Welche konkreten Ergebnisse hat diese Diskussion hinsichtlich gezielter

Reihenuntersuchungen gebracht ?

 

23 . Welche sonstigen konkreten Ergebnisse hat diese Konferenz der Landes-

sanitätsdirektoren hinsichtlich meldepflichtiger übertragbarer Krank-

heiten , insbesondere TBC, gebracht ?

 

24 . Werden Sie die BCG-Pflichtimpfung für Säuglinge ( mit geeignetem

Impfstoff ) wieder einführen ?