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der Abgeordneten Mag. Kukacka

und Kollegen

an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr

betreffend ungeklärte Fragen bei der Vereinbarung über lnfrastrukturvorhaben der

ÖBB

 

 

Am 4. Jänner 1996 wurde bekannt, daß der ehemalige Bundesminister für Finanzen

Dr. Staribacher und der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr

Mag. Klima eine Vereinbarung geschlossen hätten, wonach den ÖBB ein Kredit-

rahmen für lnfrastrukturvorhaben in der Höhe von insgesamt 60 Mrd. Schilling bis

zum Jahr 2000 gewährt wird. Da diese Vereinbarung sehr überraschend

geschlossen und außerdem dem Parlament nicht vorgelegt wurde, ergeben sich

daher eine Reihe von offenen Fragen nach der gesetzlichen Grundlage dieser

Vorgangsweise sowie der Auswahl der geplanten Vorhaben.

 

Gemäß Art. 18 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur aufgrund der

Gesetze ausgeübt werden. Dies bedeutet aber auch, daß die Mitglieder der Bundes-

regierung Vollzugsakte nur gesetzeskonform setzen können. Für finanzielle

Vorhaben, so wie es die gegenständliche Vereinbarung über die lnfrastruktur-

investitionen darstellt, ist ebenso eine gesetziche Grundlage in Gestalt des Bundes-

finanzgesetzes notwendig. Es ist daher zu hinterfragen, ob die Vereinbarung ihre

Deckung im derzeit in Geltung stehenden Bundesfinanzgesetz findet bzw. ob über-

haupt diese lnvestitionsvorhaben im Budgetprogramm des Bundes gemäß § 12

Bundeshaushaltsgesetz festgelegt wurden. Gänzlich ungeklärt ist auch, woher die in

der Vereinbarung festgelegten 60 Mrd. Schilling kommen sollen. ln verschiedenen

Zeitungsberichten wird gemutmaßt, daß diese eine reine Kreditermächtigung an die

ÖBB darstellt. Dies bedeutet aber wiederum, daß die ÖBB dann eine Gesamt-

verschuldung in der Höhe von nahezu 100 Mrd. Schilling zu verzeichnen haben

werden. Diese der ÖBB alleine aus dem Titel lnfrastruktur aufgebürdeten Schulden

sind darauf zurückzuführen, daß der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und

Verkehr bisher den ÖBB die gesamten Kosten für die Bereitstellung und für den

Ausbau der lnfrastruktur - so wie dies in § 2 Bundesbahngesetz festgelegt ist - nicht

ersetzt hat.

ÖBB-GenDir. Draxler begrüßt ausdrücklich diese lnvestitionsmittel und hofft, damit

die Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem LKW verbessern zu können. lnsbesondere

will er ,,den LKW von Transitachsen verjagen und dort der billige Michel werden".

Damit stellt sich aber die Frage, ob diese Mittel tatsächlich entsprechend dem

Auftrag für lnfrastrukturvorhaben oder etwa gar für die Defizitabdeckung des Absatz-

bereiches verwendet werden.

 

ln verschiedenen Zeitungsberichten ist ÖBB-GenDir. Draxler mit Aussagen wider-

gegeben, wonach er zumindest einen Teil der lnfrastrukturinvestitionsmittel unter

anderem für Bahnhöfe verwenden will. Dies betrifft beispielsweise Baumaßnahmen

an den Bahnhöfen in Graz, in Wörgl, in Salzburg und in Wien, die mit den gegen-

ständlichen Mitteln finanziert werden sollen. lnsbesondere ist nach den Zeitungs-

berichten eine zeitgemäße und neue Architektur ein Anliegen des ÖBB-General-

direktors. ln diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage, ob das Bundes-

bahngesetz unter dem vom Bund zu finanzierenden Bereich lnfrastruktur auch

Bahnhöfe versteht. Wenn nicht, so werden jedenfalls diese Mittel nicht gesetzes-

konform verwendet.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für

öffentliche Wirtschaft und Verkehr folgende

 

A n f r a g e :

 

1) Auf welcher gesetzlichen Grundlage beruht die zwischen dem Bundesminister

für Finanzen und dem Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr

getroffene Vereinbarung über einen mehrjährigen lnvestitionsrahmen im

Bereich der Schieneninfrastruktur?

 

2) ln welchen Ansätzen des Bundesfinanzgesetzes finden die gegenständliche

Vereinbarung bzw. die darin festgelegten lnvestitionsmittel ihre Grundlage?

 

3) ln welchem Passus des von der Bundesregierung gemäß § 12 Bundeshaus-

haltsgesetz zu erstellenden Budgetprogrammes ist die gegenständliche

Vereinbarung mit den darin vorgesehenen Beträgen enthalten?

 

4) Welche Rechtsnatur besitzt für Sie die gegenständliche Vereinbarung?

 

5) Werden durch diese Vereinbarung Rechtsansprüche Dritter begründet?

Wenn ja, welche und für wen?

6) Werden für die aufzunehmenden Kredite Bundeshaftungen gewährt?

 

7) Aufgrund welcher gesetzlichen Bestimmung gem. § 66 Bundeshaushaltsgesetz

beruhen die Haftungen des Bundes für diese Kredite?

 

8) Wie erklären Sie die Differenz zwischen den Bestimmungen im ÖBB-Gesetz,

wonach der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr im Einver-

nehmen mit dem Bundesminister für Finanzen im Rahmen der Grundsätze des

Bundeshaushalts einen mehrjährigen Rahmen für die Mittel für die Eisenbahn-

infrastruktur festzulegen hat, mit den Bestimmungen dieser Vereinbarung,

nämlich daß der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr im Ein-

vernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen jeweils einzelne Verein-

barungen über den Ausbau der Schieneninfrastruktur mit den Eisenbahnunter-

nehmen abschließen kann?

 

9) Warum wurden in den Jahren 1994 und 1995 die gesamten Aufwendungen der

ÖBB für den Bereich lnfrastruktur nicht aus dem Budgetansätzen des Bundes-

ministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr abgedeckt?

 

10) Wie hoch war in diesen Jahren jeweils der Betrag , den die ÖBB durch eigene

Kreditaufnahmen abdecken mu ßte?

 

11 ) Steht diese Vorgangsweise nicht in Widerspruch zu § 2 Bundesbahngesetz,

der festlegt, daß der Bund die Kosten für die Bereitstellung und den Ausbau der

Eisenbahninfrastruktur zu tragen hat?

 

12) Wann wurde die gegenständliche Vereinbarung zwischen dem Bundesminister

für öffentliche Wirtschaft und Verkehr und dem Bundesminister für Finanzen

unterzeichnet?

 

1 3) Warum wurde diese Vereinbarung nicht dem Parlament zur Kenntnis gebracht?

 

14) Für welche Vorhaben sollen die vereinbarten lnvestitionsmittel zur Verfügung

stehen?

 

15) Sind von den abgedeckten lnfrastrukturvorhaben auch Hochleistungsstrecken

erfaßt?

Wenn ja, welche?

16) Wie viele lnvestitionsmittel sind jeweils für die ÖBB, die HL-AG, die Brenner-

eisenbahn-Gesellschaft und die Privatbahnen vorgesehen?

 

17) Auf welcher gesetzlichen Basis beruht die Kreditermächtigung an die Hoch-

leistungsstreckengesellschaft?

 

18) Auf welcher gesetzlichen Basis beruht die Kreditermächtigung an die Brenner

Eisenbahngesellschaft?

 

19) Auf welcher gesetzlichen Basis beruht die Kreditermächtigung für die Privat-

bahnen?

 

20) An Hand welcher objektiven Kriterien werden die zu finanzierenden lnfra-

strukturvorhaben ermittelt?

 

21) Wird für jedes lnfrastrukturvorhaben eine einzelne Vereinbarung über den

Ausbau der Schieneninfrastruktur mit den Eisenbahnunternehmen abgeschlos-

sen?

Wenn ja, entsprechen diese Vereinbarungen über Einzelvorhaben auch den

diesbezüglichen gesetzlichen Vorgaben in § 23 Bundeshaushaltsgesetz?

 

22) Auf welche entsprechenden EU-Regelungsmechanismen nimmt die Verein-

barung Bezug, insbesondere welche Artikel von welchen EU-Verordnungen

bzw. Richtlinien werden damit umgesetzt?

 

23) Wie wird sichergestellt, daß die Mittel tatsächlich für lnfrastrukturvorhaben ver-

wendet werden?

 

24) Welche Anlagen fallen unter den vom Bund zu finanzierenden lnfrastruktur-

bereich der ÖBB gemäß § 2 Abs. 1 Bundesbahngesetz?

 

25) Sind insbesondere Bahnhofsumbauten und -neubauten vom lnfrastruktur-

bereich der ÖBB zu finanzieren oder fallen diese nicht vielmehr in den Absatz-

bereich?

 

26) Wie wird in diesem Fall die Trennung zwischen lnfrastruktur- und Absatzbe-

reich durchgeführt, insbesondere welche von den oben angeführten Bahnhofs-

umbauten bzw. -neubauten werden tatsächlich vom lnfrastrukturbereich

finanziert?

27) Wie entsprechen die in der Vereinbarung festgelegten Kontrollrechte und

Berichtspflichten dem ÖBB-Gesetz, insbesondere den Paragraphen 12, 13

und 14?

 

28) Wie werden Sie sicherstellen, daß finanzielle Mittel des lnfrastrukturbereiches

nicht zur Defizitabdeckung von Absatzbereichen herangezogen werden?

 

29) lst trotz dieser Vereinbarung sichergestellt, daß der Semmering-Basistunnel,

sofern er überhaupt gebaut wird, entsprechend lhren Aussagen ohne

Bundeshaftung realisiert wird?

 

30) Gem. § 2 (2) ÖBB-Gesetz hat die Bereitstellung und der Ausbau der

Eisenbahninfrastruktur nach dem vom Bundesministerium für öffentliche

Wirtschaft und Verkehr vorzugebenden verkehrspolitischen Grundsätzen

(Verkehrswegeplan) zu erfolgen. Ein derartiger Verkehrswegeplan liegt bis

heute nicht vor. Da somit eine wesentliche gesetzliche Voraussetzung für den

Schienenausbau nicht gegeben ist, erscheint eine derartige Vereinbarung -

selbst wenn sie ordnungsgemäß zustande gekommen wäre - nicht sinnvoll. Wie

stehen Sie zu dieser Problematik?

 

31) lst diese Vorgangsweise der lnfrastrukturerrichtung mit § 2 (2) ÖBB-Gesetz und

dem Nichtvorhandensein des Verkehrswegeplanes vereinbar?