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der Abgeordneten Dr. Haider, Dr. Partik-Pable, Haller, Dolinschek, Apfelbeck
an den Bundesminister für Arbeit und Soziales
betreffend Einstufung der Werkverträge im Rahmen der Behindertenhilfe und (Früh)förderung
als sozialversicherungspflichtige Dienstverträge
Seit der Beschlußfassung über das Bundespflegegeldgesetz wurde immer wieder darauf
gedrängt, die in der Vereinbarung über gemeinsame Maßnahmen des Bundes und der Länder
für pflegebedürftige Personen vom Bund versprochene ''sozialversicherungsrechtliche Absiche-
rung der pflegenden Personen" nicht nur durch die Möglichkeit zur Selbstversicherung, sondern
durch eine fimanziell und organisatorisch zumutbare Lösung zu erfüllen. Die Freiheitlichen
haben eine einfache und billige Sozialversicherung für Personen gefordert, die jemanden gegen
Bezahlung aus dem Pflegegeld versorgen und darauf gedrängt, die im Zusammenhang mit der
Beschäftigung einer Pflegeperson als Dienstnehmer auftretenden Probleme (die auch durch die
geringe Höhe des Pflegegeldes bedingt sind) zu lösen. Bedauerlicherweise sind bisher diese
Bestrebungen im Bundesministerium für Arbeit und Soziales auftaube Ohren gestoßen, obwohl
zu befürchten war, daß es nur von der "Zurückhaltung'' der zuständigen Stellen bzw. der
Beschäftigten selbst abhängt, ob Pflegepersonen gerade im privaten Bereich oder bei privaten
Hilfseinrichtungen als Dienstnehmer mit allen damit verbundenen Pflichten und Lasten für den
Arbeitgeber eingestuft werden.
Nun scheinen sich die freiheitlichen Befürchtungen zu bewahrheiten: Der Landesverband
Steiermark der Gehörlosenvereine weist in einem Offenen Brief darauf hin, daß die Steier-
märkische Gebietskrankenkasse die bisher von den Kontrollorganen tolerierte Beschäftigung
mobiler Frühförderer auf Werkvertragsbasis nicht mehr duldet und Nachforderungen in Höhe
von etwa S 400.000,-- stellt. Andere Behindertenvereine, aber auch Behinderte. die ihre Ver-
sorgung privat auf Werkvertragsbasis organisiert haben, müssen ähnliche Folgen - und ev. auch
arbeitsrechtliche Nachforderungen - befürchten. Die Versorgung behinderter Menschen auf
privater Basis (so wie durch das Pflegegeld eigentlich angestrebt) ist damit ernsthaft gefährdet.
Die Anfragesteller befürchten, daß dieses neue Vorgehen der Sozialversicherungsträger nicht
nur im Zusammenhang mit dem finanziellen Engpaß im Bereich der Krankenversicherung
sondern auch mit der angekündigten Einbeziehung der Werkverträge in die Sozialversicherung
steht und die Situation deshalb noch wesentlich schlechter werden wird, als dies derzeit
absehbar ist; sie richten daher an den Herrn Bundesminister für Arbeit und Soziales die
nachstehende
Anfrage:
1 . Ist es richtig, daß allein der Landesverband Steiermark der Gehörlosenvereine für
Werkverträge etwa S 400.000,-- an die Gebietskrankenkasse nachzahlen soll?
2. Welche Änderungen sind beim Landesverband Steiermark der Gehörlosenvereine
eingetreten, die eine andere Beurteilung der Werkverträge rechtfertigen?
3. Welche anderen Vereine sind von einem derartigen Vorgehen der Sozialversicherungs-
träger bisher betroffen? Um welche Beträge geht es etwa in den einzelnen Fällen?
4. Warum werden bisher von den Gebietskrankenkassen tolerierte Werkverträge nunmehr
als Dienstverträge betrachtet?
5. Gehen Sie davon aus, daß im sozialen Bereich auf Werkvertragsbasis tätige Vereine ihre
Dienste noch weiterhin der Allgemeinheit werden anbieten können, wenn sie mit
solchen zusätzlichen Kosten belastet werden und das Pflegegeld, aus dem viele ihrer
Leistungen finanziert werden sollen, nicht einmal valorisiert wird?
6. lst es bereits zu Nachforderungen der Gebietskrankenkassen bei pflegebedürftigen
Personen gekommen, die private Hilfe und Pflege auf Werkvertragsbasis organisiert
haben?
7. Wenn nein, entspräche die Einstufung der als Werkverträge titulierten Vertragsver-
hältnisse als Dienstverträge nicht auch in diesem Bereich dem Gesetz, wie es von den
Gebietskrankenkassen offenbar im Fall der Vereine neuerdings ausgelegt wird?
8. Werden Sie sich dafür einsetzen, daß für den Fall einer Einbeziehung der Werkverträge
in die Sozialversicherungspflicht - wie sie derzeit im Gespräch ist - jedenfalls auf die
fimanziell bedrängte Lage von pflegebedürftigen Menschen und sozialen Vereinen
Rücksicht genommen wird?
9. Welche arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen hätte es, wenn alle Werkverträge in die
Sozialversicherung miteinbezogen würden, die Ausgaben für die so entlohnten Tätigkei-
ten aber nicht steigen (können)?
10. Werden Sie sich dafür einsetzen, bisher nicht steuerlich relevante Ausgaben im
Dienstleistungsbereich von der Steuer absetzbar zu machen, damit im Bereich der
privaten Haushalte tätige Arbeitskräfte vermehrt offiiziell beschäftigt werden?