102/J

 

 

 

der Abgeordneten Rosenstingl und Kollegen

 

an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr

 

betreffend: '60 Mrd.S Paket' für die ÖBB

 

Am 11.12.1995 haben der damalige Finanz- und Verkehrsminister ein Papier unterzeichnet,

das den ÖBB und den übrigen Bahnbaugesellschaften des Bundes Investitionen im Umfang

von 60 Mrd.S in den nächsten 5 Jahren ermöglichen soll.

 

Dieser Vorgang wurde und wird in öffcntlichen Erklärungen als ' Kreditermächtigung' bzw.

'Haftungsübernahme des Bundes' für entsprechcnde Kredite der ÖBB, HL-AG usw.

bezeichnet, was bedeutet, daß diese Gesellschaften nun offensichtlich mit den zugesagten

Geldern 1996 zu bauen beginnen.

 

Dies ist - unbeschadet der möglichen Sinnhaftigkeit der konkretcn Baumaßnahmen,

allerdings fehlt bekanntlich bis heute ein Bundesverkehrswegeplan oder ein sonstiges

Instrumentarium zur Prioritätenreihung der Baumaßnahmen - insoferne nicht unbedenklich,

als eine entsprechende Haftungsübernahme gemäß §66(1) Bundeshaushaltsgesetz

ausdrücklich nur 'nach Maßgabe der hierfür im Bundesfinanzgesetz oder einem besonderen

Bundesgesetz im Sinne des Art.42 Abs.5 B- VG enthaltenen Ermächtigungen ' erlaubt ist, eine

solche Ermächtigung aber weder im Budget noch in einem entsprechenden Sondergesetz

vorliegt. Demgegenüber wird seitens des Verkehrsministeriums - zumindest in der

Öffentlichkeit - argumentiert, eine solche Ermächtigung sei aus dem Bundesbahngesetz

abzuleiten: §2(6) 'Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr legt im

Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen im Rahmen der Grundsätze des

Bundeshaushaltes einen mehrjährigen Rahmen für Mittel für die Eisenbahninfrastruktur

fest. ,.

 

Diese Bestimmung, die interessanterweisc - obwohl scit 1.1.1994 in Kraft - bisher nie

angewendet wurde, erfüllt aber jedenfalls keine der genannten Bedingungen des

Bundeshaushaltsgesetzes, dcnn weder ist sie Teil des Budgets, noch ein Gesetz nach Art42(5)

B-VG, dies sind nämlich jene (Finanz-) Gesetze, die dem Einspruchsrecht des Bundesrates

entzogen sind, und um ein solches handelt es sich beim Bundesbahngesetz keinesfalls, es war

vielmehr sehr wohl - und zwar völlig korrekterweise - Verhandlungsgegenstand im

Bundesrat.

Auch erscheint es eigenartig, daß nun aufgrund dieses 'Rahmens' die HL-AG, deren

Finanzierung laut HL-Gesctz ausdrücklich durch die ASFINAG erfolgt, ohne entsprechende

Gesetzesänderung plötzlich Gelder aus dem ÖBB-lnfrastruktur ' Rahmen, erhalten soll.

 

Alles in allem sind hier eine ganze Reihe von rechtlichen Ungereimtheiten festzustellen, die

sich nach Ansicht der unterzeichneten Abgeordneten jedenfalls nur durch eine sorgfältige

parlamentarische Behandlung der Materie beheben lassen werden.

 

Darüberhinaus ist auch die Frage der mit den in Frage stehenden Mitteln zu realisierenden

Projekte eine durchaus interessante, gibt es doch nach wie vor keinen

Bundesverkehrswegeplan oder eine sonstige, objektiv begründbare Prioritätsreihung der

einzelnen Maßnahmen. Dies aber ist der Nährboden für die Verschwendung von

Steuergeldern, denn während unbestritten ist, daß manche Infrastrukturausbauten sinnvoll und

notwendig, nicht zuletzt auch beschäftigungswirksam sind, kann man dies leider keineswegs

von allen derartigen Projekten bchaupten. Angesichts leerer Kassen und der Tatsache, daß für

die Bahninfrastruktur (-schulden) jedenfalls der Steuerzahler geradestehen muß, erscheint es

dringend geboten, hier die Auswahl aufgrund objektiver Kriterien vorzunehmen.

 

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für öffentliche

Wirtschaft und Verkehr nachstehende

 

 

Anfrage :

 

 

1. Auf welcher gesetzlichen Basis ist es dem Verkehrs- bzw. Finanzminister ohne Befassung

des Parlaments möglich, Kreditermächtigungen bzw. Haftungszusagen für

Bahnbauprojektc der ÖBB, HL-AG, Brcnnereisenbahn, usw. zu gcben?

 

2. Wer soll konkret als Kreditnehmer im genannten ' Rahmen' , der 'dem Bundesminister für

öffentliche Wirtschaft und Verkehr zur Verfügung' steht, auftreten?

 

3. Welchen genauen rechtlichen Charakter hat Ihrer Meinung nach die genannte

Vereinbarung mit dem Finanzminister?

 

4. Ist es richtig, daß Sie sich in diesem Punkt auf §2(6) BBG92 stützen?

 

5. Wenn nein; auf welcher sonstigen Rechtsgrundlage ist eine derartige Kreditermächtigung

bzw. Haftungsübernahme möglich?

6. Wie vereinbaren Sie diese Begründung mit den Bestimmungen dcs

Bundeshaushaltsgesetzes, insbersondere §66(1) BHG, auf das im Bundesbahngesetz

ausdrücklich Bezug genommen wird 'im Rahmen der Grundsätze des Bundeshaushaltes '

und das Haftungsübernahmen nur aufgrund des Budgets oder aufgrund eines besonderen

Bundesgesetzes im Sinne des Art.42(5) B- VG zuläßt?

 

7. Warum wurde diese Bestimmung in §2(6) des BBG92 erst mit nahezu zwei Jahren

Verspätung berücksichtigt, nachdem §2 bereits mit 1.1.1994 in Kraft getreten ist?

 

8. Wie begründen Sie aufgrund dieser - nach Ansicht der Fragesteller zumindest äußerst

vagen - gesetzlichen Basis die Absicht, auch der HL-AG, deren Finanzierung gemäß §11

HLG ausdrücklich durch den Bund oder die ASFINAG, nicht aber über selbst

aufzunehmende Kredite zu erfolgen hat, und anderen Bahngesellschaften Mittel zur

Verfügung zu stellen?

 

9. Welche konkreten Auswirkungen hat die genannte Vereinbarung bereits jetzt bzw. wann

soll Sie ihrer Meinung nach welche Wirkungen entfalten?

 

10.Wann werden bzw. wurden von Ihnen und dem Bundesminister für Finanzen

Vereinbarungen gemäß Art.l(2) in jeweils welchem Umfang mit welchen Unternehmen

abgeschlossen?

 

11.Welche 'EU-Regelungsmechanismen' sind im einzelnen mit dem Zitat in Art.II(1)

gemeint?

 

12.Welche begleitenden Maßnahmen rechtlicher Art (Gesetzesinitiativen, Verordnungen,..)

wcrden Sie im Zusammenhang mit diesem ' 60 Mrd.S-Paket' noch ergreifen bzw.

erscheinen Ihnen erforderlich?

 

13.Wie sollen die Rationalisierungsvorgaben gemäß Art.Il(4) bei der ÖBB-Infrastruktur

erreicht werden, wenn die Junktimierung mit der Mittelzuteilung ausdrücklich

ausgeschlossen ist und auch sonst kcinerlei Sanktioncn vorgesehen sind?

 

14.Warum fordern Sie nur bei den ÖBB, nicht aber etwa bei der auch nicht gerade durch

geringe Personalkosten auffallendcn HL-AG Rationalisierungcn?

 

15.Wie hoch sind im einzelnen die Werte des Jahres 1994 für Personalkosten,

Betriebsaufwendungen und Dienstgüter- und Arbeitszüge, die gemäß der Vereinbarung zu

reduzieren sind und ab welchcm Einsparungserfolg in jeweils welchem Jahr werden Sie

diesen als zufriedenstellend betrachten?

 

16.Welche konkreten Projekte sollen mit den in Aussicht gestellten Mitteln finanziert werden?

 

17.Wer trifft die Entscheidung über die Priorität bei der Realisierung der einzelnen Vorhaben?

 

18.Ist es richtig, daß eine Studie über die Prioritätcnreihung dcr Bahnbauprojckte in Auftrag

gegeben wurde?

 

19.Sind Sie bereit, diesc Studie, die doch offensichtlich als Entscheidungsgrundlage dienen

soll, inklusive der von lhrem Haus bzw. den ÖBB dafür definierten Vorgaben dem

Parlament zur Verfügung zu stellen, wenn nein, warum nicht?

 

20.Wann wird der lange versprochene Bundesverkehrswegeplan vorliegen?

 

21.Halten Sie es für sinnvoll, derart weitreichende lnvestitionsentscheidungen, wie sie sich

aus dem Rahmcn von 60 Mrd.S ergeben, ohnedas Vorliegen des

Bundesverkehrswegeplans zu treffen, wenn ja, wozu soll dieser dann noch dienen?

 

22.ln welcher Form wird die nun gewählte Vorgangsweise zur Bahnfinanzierung zu einer -

von lhnen stets versprochenen - Beteiligung Privater an der Errichtung von Bahnanlagen

führen?

 

23.Wie ist das Ergebnis der Privatinteressentensuche für eine Finanzierung des

Semmeringbasistunnels und warum haben Sie der Entschließung des Nationalrates, die

eine Berichterstattung darüber bis September 1995 festlegte, bis heute nicht entsprochen?