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DRINGLICHE ANFRAGE

der Abgeordneten Anschober, Petrovic, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten

betreffend „Chaotische Zustände in der Elektrizitätswirtschaft am Beispiel Lambach“

 

 

Chaos in der Elektrizitätswirtschaft:

Der energiewirtschaftlich vollkommen unnotwendige Bau des Kraftwerks Lambach an der Traun durch die Oberösterreichische Kraftwerke AG (OKA) ist ein Zeichen für das Chaos und die fehlende Koordination in der österreichischen Elektrizitätswirtschaft. Obwohl die Verbund­gesellschaft (VG) mit erheblichen Stromüberschüssen kämpft, bauen die Landesversorger munter weiter Kraftwerke. Da aber der Stromabsatz der Landesversorger stagniert, wird stattdessen der Strombezug von der Verbundgesellschaft weiter reduziert, womit sich die dortige Überschußsituation noch weiter verschärft. Die Kraftwerke der Verbundgesellschaft stehen zunehmends still bzw. arbeiten zu Schleuderpreisen für den Export - beides kann aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll sein. Der Wirtschaftsminister muß daher endlich die ihm zustehende Koordinierungskompetenz wahrnehmen.

 

Yes, Minister!

Zwischen Verbundgesellschaft und Landesversorgern tobt ein Wirtschaftskrieg zum Schaden der heimischen Volkswirtschaft. Doch die Öffentlichkeit soll davon nichts erfahren. „Der Minister hat uns gebeten, unseren Kampf nicht in der Öffentlichkeit auszutragen“1, appellierte Verbundvorstand Dr. Herbert Schröfelbauer erst vor wenigen Tagen an die Verschwiegenheit seiner Branchenkollegen. Auch der zuständige Sektionsleiter im Wirtschaftsministerium, SC Dr. Bruno Zluwa, ist in Fragen der Elektrizitätswirtschaft ein scheues Reh: „über die Energieorganisation spreche ich nur mit meinem Minister - und sonst niemand!“2 Womit Verbundvorstand Schröfelbauer und SC Zluwa in der Branche sicher auf  Verständnis stoßen, denn alzuviel Öffentlichkeit war unter den Monopolisten noch nie gefragt.

 

Koordination der Kraftwerksbauten durch den Wirtschaftsminister:

Um Eine Koordiniation der Elektrizitätsversorgungsunternehmen zu gewährleisten und um volkswirtschaftliche Schäden zu vermeiden, wird der Bundesregierung bzw. dem Wirtschaftsminister im Elektrizitätswirtschaftsrecht (2. VerstaatlichungsG) eine koordinierende Kompetenz beim Bau von Großkraftwerken eingeräumt. Auf Grund der bestehenden Überkapazitäten und der negativen Auswirkungen weiter paralleler Kraftwerksausbauten muß der Wirtschaftsminister von dieser Kompetenz Gebrauch machen. Als dringlicher erster Schritt zur unmittelbaren Schadensbegrenzung ist der OKA die Berechtigung zum Bau des Wasserkraftwerks Lambach zu entziehen. Daß es sich bei Lambach um ein „Großkraftwerk“ im Sinne des 2. Verstaatlichungsgesetzes handelt, wird auch indirekt immer wieder vom OÖ LH Josef Pühringer betont, der ständig stolz darauf hinweist, daß Lambach unter den 1.600 österreichischen Laufkraftwerken zu den 100 größten zählt.

 

Dramatisch Überkapazitäten:

Daß in Österreich erhebliche (und teure) Überkapazitäten bei der Strombereitstellung bestehen, ist offensichtlich. Erst vor kurzem bekräftigte Verbund-Vorstandsdirektor Hans Haider, daß es „... im Moment aber sicher so (ist), daß wir keinen weiteren Kraftwerksbedarf haben“3. Die Verbundgesellschaft sieht sich insbesondere in den Sommermonaten gezwungen, überschüssigen Strom aus Wasserkraftwerken zu Billigsttarifen auf den internationalen Spotmärkten zu verschleudern. Kein Wunder, daß die Draukraft AG, eine Tochtergesellschaft der Verbund, vor wenigen Tagen auf den Ausbau der Oberen Drau endgültig verzichtet hat.

 

Exportstützung für Strom aus Lambach:

Im Jahr 1995 lag der österreichische Exportüberschß bei Strom bei 2.455 Mio. KWh. Das ist die 34fache energiemenge des Kraftwerkes Lambach (71 Mio kWh). Aufgrund der europaweiten Überkapazitäten sind die Erlöse, die mit dem Stromexport erzielt werden können, denkbar gering. Nach Aussagen der Verbundgesellschaft kann auf den internationalen Spotmärkten ein Preis von 20 bis 25 Groschen/kWh erzielt werden. Da der Bau des Kraftwerks Lambach den sommerlichen Stromüberschuß weiter verschärfen würde, müßte mehr Strom ins Ausland exportiert werden, will man das Wasser nicht ungenutzt über die Wehr laufen lassen. Die Differenz aus den Gestehungskosten in Lambach (etwa 75 g) und Exporterlös (etwa 20 - 25 g) würde jedoch eine Art „Exportstützung“ notwendig machen, die von den österreichischen Stromkunden zu finanzieren wäre.

 

Stagnierender Stromverbrauch:

Die bestehenden Überkapazitäten im österreichischen Kraftwerkspark sind die Folge einer bis zuletzt überzogenen Investitionstätigkeit der Elektrizitätsversorgungsunternehmen aufgrund zu 2optimistischer“ Stromverbrauchsprognosen. Seit Anfang der 90er Jahre stagniert der Stromverbrauch in Österreich. Im Bereich der öffentlichen Elektrizitätsversorgung stieg der Absatz zwischen 1991 und 1995 nur mehr um bescheidene 1,7 %. 1992 und 1994 sank der Stromverbrauch jeweils gegenüber dem Vorjahr sogar um 1,7 % bzw. 0,3 %. 1993 und 1995 stieg der Verbrauch um 0,7 bzw. 3 % auf zuletzt 43.909 Mio kWh (ohne Pumpspeicherung).

 

Unrealistische Verbrauchsprognosen:

Doch man könnte meinen, die Elektrizitätsversorger - und insbesondere die Landesversorger - haben aus den überhöhten Stromprognosen der 80er Jahre nichts gelernt. In der „Koordinierten Planung 1995“ legen die Elektrizitätsversorger ihren Ausbauplänen trotz Stagnation des Stromverbrauchs im Bereich der öffentlichen Versorgung einen deutlich überhöhten jährlichen Verbrauchszuwachs von 2,2 % in den nächsten 10 Jahren zugrunde. Und das, obwohl bereits in der Periode 1980 bis 1989 der durchschnittliche jährliche Stromverbrauchszuwachs nur mehr 2,7 % betrug.

 

Kraftwerksbau nach Eigeninteressen:

Die Vorlage einer gemeinsamen „Koordinierten Planung“ der Elektrizitätsversorgungsunter­nehmen ist somit - wie die Vergangenheit und Lambach zeigen -, keine Garantie, daß es zu einer volkswirtschaftlichen Optimierung des Kraftwerksbaus kommt. Die 2koordinierte Planung“ besitzt auch keine rechtliche Relevanz. In einer parlamentarischen Anfragebeant­wortung vom 6. September 1995 (1631/AB) teilte Wirtschaftsminister Johannes Ditz dazu mit: „Die koordinierte Planung 1995 ist eine Planungsgrundlage eines Wirtschaftszweiges, der aufgrund eigener Bedarfs- und Deckungsszenarien erstellt wurde. Weder die Bundesregierung noch der Wirtschaftsminister ist befugt, in irgendeiner Weise einzugreifen, Vorgaben zu machen oder das Programm zu genehmigen oder abzulehnen“. Da die Elektrizitätswirtschaft den Kraftwerksbau nicht volkswirtschaftlich optimiert, sondern Eigeninteressen vorherrschen, ist die koordinierende Hand der Politik gefordert. Nimmt jedoch Wirtschaftsminister Ditz auch weiterhin seine Kompetenzen im Rahmen des 2. Verstaatlichungsgesetzes nicht wahr, so drohen aufgrund der suboptimalen Abstimmung der Kraftwerksbauten und der überzogenen Stromprognosen weitere milliardenschwere Fehlinvestitionen, die von den österreichischen Stromkunden zu zahlen sein werden.

 

Rückläufiger Stromabsatz der OKA:

Besonders „dramatisch“ ist die Bedarfsentwicklung in Oberösterreich, wo die OKA seit Jahren mit rückläufigem Stromabsatz „kämpft“. Nach einem Höchststand im Jahre 1991 sank die OKA-Stromabgabe kontinuierlich bis 1994 um etwa 4 %. Verursacht wird diese Entwicklung vor allem durch den industriellen Strukturwandel und die zunehmende Eigenproduktion von Strom in Industrieunternehmen. In den nächsten Jahren wird sich dieser Trend fortsetzen, da weitere Industrieunternehmen - etwa die VOEST Linz - große Eigenerzeugungsanlagen (Cogeneration-Anlagen) in Betrieb nehmen werden.4

 

Chauvinistische Energiepolitik zum Schaden Österreichs:

Trotz der rückläufigen Stromabgabe und der zunehmenden Eigenerzeugung elektrischer Energie hält die OKA am Kraftwerk Lambach fest. Das eigentliche Motiv für den weiteren Kraftwerksausbau ist nicht die „Reduktion der Auslandsabhängigkeit“, wie LH Pühringer fälschlicherweise immer wieder behauptet, sondern die Reduktion des Strombezuges der OKA von der VG. Ziel der OKA ist es, den derzeitigen Verbundstromanteil von 50 % auf ein Drittel zu reduzieren. Dazu ist im naturschutzrechtlichen Bescheid zum Kraftwerk Lambach zu lesen: „Es (ist) eines der wesentlichen Unternehmensziele der OKA, die über Jahrzehnte gehaltene Fremdbezugsquote von rund 1/3 wieder zu erreichen.“ Da aber die VG bereits jetzt erhebliche Stromüberschüsse aufweist, entsteht durch eine derartige chauvinistische Energiepolitik ein erheblicher volkswirtschaftlicher schaden, den der Wirtschaftsminister durch Wahrnehmung seiner Kompetenzen zu verhindern hat.

 

Wasserkraftüberschuß in Oberösterreich:

Wie es tatsächlich um die „Auslandsabhängigkeit“ Oberösterreichs bei elektrischer Energie bestellt ist, zeigt ein simpler Vergleich. 1993 betrug allein die Stromerzeugung der Elektrizitätsversorgungsunternehmen aus oberösterreichischen Wasserkraftwerken 9964,4 Mio. kWh. Oberösterreich weist damit eine Überdeckung des Stromabsatzes alleine durch Wasserkraft (ohne kalorische Kapazitäten) um 32 % (!) auf. Doch der Preis für diese Überschußsituation ist hoch: Oberösterreich weist bereits einen Ausbaugrad der  Fließstrecken von 91,4 % auf.5

 

Zerstörung einer der letzten freien Fließstrecken:

Das Wasserkraftwerk Lambach ist aus energiewirtschaftlicher Sicht nicht nur unnotwendig, sondern auch mit umfangreichen Naturzerstörungen der Traun-Auen verbunden. Im naturschutzrechtlichen Gutachten ist zu lesen: „... das bedeutendste derartige Ökosystem in Oberösterreich ... hier auftretende Tierarten sind bedroht und in ihrem Bestand gefährdet ... Der Erhalt eines derartigen Fließgewässerabschnitts, der noch einer weitgehend unbeeinflußten Dynamik unterliegt, besitzt daher große Bedeutung ... die Errichtung der Staustufe Lambach (muß) aus naturschutzfachlicher Sicht abgelehnt werden ...“.

 

Entzug der Verfahrenskompetenz:

Um trotz dieses negativen Gutachtens den Bau des Kraftwerks zu ermöglichen, hat Landeshauptmann und Eigentümervertreter Josef Pühringer der zuständigen OÖ Naturschutz­landesrätin Barbara Prammer gegen ihren Willen die Verfahrenskompetenz entzogen und einen positiven naturschutzrechtlichen Bescheid erstellen lassen. Einer VwGH-Prüfung würde dieser Bescheid nicht standhalten, doch eine Beeinspruchung ist nicht möglich. Naturschutzaspekte sprechen somit eindeutig gegen den Bau des Kraftwerks. Doch die Bundesregierung hat es auch diesbezüglich verabsäumt, klare Worte gegen den Bau dieses unsinnigen Kraftwerks zu finden. Auch Umweltminister Martin Bartenstein hält es offenbar nicht für notwendig, sich eindeutig gegen die Zerstörung dieser einzigartigen Fluß- und Aulandschaft auszusprechen. Er hat damit jegliche Glaubwürdigkeit als Umweltminister eingebüßt.

 

Lambach ist unwirtschaftlich:

Lambach ist nicht nur unnotwendig und naturzerstörend, sondern auch als Einzelprojekt unwirtschaftlich. Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen kämen deutlich günstiger. Die aktuelle Studie „Least-Cost-Planning in Österreich“ der Energieverwertungsagentur (E.V.A.) und des WIFO zeigt, daß in Österreich Energiesparpotentiale in der Höhe von zumindest 5.600 Mio kWh bestehen, deren Nutzung wirtschaftlich günstigerk äme, als der Bau weiterer Kraftwerke. Die Strommenge des Kraftwerks Lambach könnte somit deutlich umweltfreundlicher - und billiger - bereitgestellt werden, wenn lediglich 1,3 % dieses Energiesparpotentials genutzt werden würde.

 

Windkraft statt Wasserkraft:

Die Kosten alternativer Energieerzeugungsformen - insbesondere jene von Windkraftanlagen - sind inzwischen soweit gesunken, daß sie mit Wasserkraftprojekten wie jenes in Lambach bereits konkurrieren können. Im burgenländischen Zurndorf ist beispielsweise ein Windpark mit einer Leistung von 6 Megawatt in Planung, der bei einem Investitionsaufwand von 90 Mio S jährlich eine Energiemenge von 10 Mio. kWh „ernten“ wird. Umgelegt auf die Größe von Lambach heißt dies, daß heute bereits mit Investitionen von 630 Mio. S in Windkraftanlagen die gleiche Energiemenge wie in Lambach, bei annähernd gleichen Investitionskosten (Lambach: 600 Mio. öS), erzeugt werden kann. Doch die Windkraft besitzt einen entscheidenden weiteren Vorteil: Strom aus Windkraftanlagen fällt überwiegend im Winter­halbjahr an, jener von Wasserkraftanlagen überwiegend im Sommer. Windkraftanlagen wären somit eine ideale Ergänzung zu den bereits bestehenden Wasserkraftanlagen. Ein weiterer Ausbau der Wasserkraft würde hingegen nur die sommerlichen Stromüberschüsse weiter entschärfen.

 

Diskriminierung der Alternativenergien:

Doch der Wirtschaftsminister ist auch hinsichtlich der notwendigen Rahmenbedingungen für Alternativenergien untätig. Obwohl vor Jahren ein Pilotprogramm für die Markteinführung von Windkraftanlagen versprochen wurde (siehe Energiebericht 1993 der Bundesregierung), ist nichts geschehen. Im Gegenteil: die derzeitige Regelung der Einspeisetarife von Strom aus Windkraftanlagen ins öffentliche Netz ist äußerst unbefriedigend und muß als prohibitiv eingestuft werden. Anstatt seine Kompetenzen wahrzunehmen und attraktive Einspeisetarife zu verordnen, die der Diskriminierung von Windkraftanlagen durch die meisten Elektrizitäts­versorgungsunternehmen ein Ende bereiten würde, hat der Wirtschaftsminister seine Kompetenzen an die Landeshauptleute delegiert und mit der Elektrizitätswirtschaft lediglich ein freiwilliges Übereinkommen zur „Förderung“ u.a. von Windkraftanlagen abgeschlossen. Dieses Übereinkommen, das jedoch in seiner restriktiven Ausgestaltung („Förderung“ von Anlagen mit max. 1 MW Leistung, „Förderung“ auf drei Jahre begrenzt, Anlage muß primär der Eigenversorgung dienen, etc.) kaum eine Verbesserung darstellt, läßt jedenfalls beispielhaft den wahren energiepolitischen Geist erkennen, der im Wirtschaftsministerium bei Alternativ­energien offenbar noch immer vorherrscht.

 

Energiepolitik gescheitert:

Die eklatanten Mängel der Energiepolitik des Wirtschaftsministers und seines Vorgängers Wolfgang Schüssel haben Umweltminister Martin Bartenstein vor wenigen Wochen zu der für ihn mutigen Aussage bewogen, Österreichs Energiepolitik sei gescheitert, Österreich muß nach den Worten von Minister Bartenstein in der Energiepolitik völlig neue Wege gehen, „die bisherigen Maßnahmen zur Einsparung von Energie reichen nicht aus, um die vorgeschriebenen Ziele zu erreichen.“6

 

Vorbild Dänemark:

Ein energiepolitisches Vorbild könnte Dänemark sein. Dort ist es gelungen, den Gesamtenergiebedarf zw. 1980 und 1992 um 0,6 % zu senken, während er in Österreich im gleichen Zeitraum um 10,4 % gestiegen ist. Dänemark kann aber auch Vorbild im Hinblick auf die Koordination der Elektrizitätswirtschaft und die Nutzung der Stromsparpotentiale sein. 1994 wurde das Prinzip des Least-Cost-Plannings verbindlich in der Elektrizitätswirtschaft eingeführt. In zweijährigen Abständen muß nun ein Integrierter Ressourcenplan erstellt werden, mit dem leitungsgebundene Energieträger abgestimmt und Sparpotentiale erschlossen werden.

 

Energie-Koordinierungsbehörde notwendig:

Die Ereignisse um Lambach haben offenbar auch bei Bundeskanzler Vranitzky die Einsicht reifen lassen, daß es um die Koordination der Elektrizitätswirtschaftsunternehmen in Österreich nicht optimal bestellt ist. „Ich bin überzeugt, daß generell eine bessere Abstimmung der Energiegesellschaften untereinander notwendig wäre“, führte Vranitzky erst kürzlich aus.7  Vranitzky greift damit eine langjährige Forderung der österreichischen Umweltbewegung auf und schlägt „... eine unabhängige Behörde zur Energiekoordination vor, die die Koordinierung der Ausbauprogramme, die Vergabe der Konzessionen, die Entscheidung über neue Kapazitäten ...“ übernehmen könnte. Ergänzend zu den Vorschlägen von Kanzler Vranitzky ist zu fordern, daß die unabhängige Koordinierungsbehörde Kraftwerksbauten nur dann ausschreibt und gestattet, wenn keine günstigere Möglichkeit zur Bereitstellung der Energie durch Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen vorhanden sind.

 

Energiepolitik ist mehr als der Bau von Wasserkraftwerken:

Trotz der offensichtlichen Defizite des Schüssel-Ditz-Kurses in der Energiepolitik der  vergangenen Jahre hat Österreich gute Voraussetzungen für eine moderne, zeitgemäße Energiepolitik. Die enormen Energiesparpotentiale bieten ein breites Gebiet für Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. Auch abseits der Wasserkraft besteht in Österreich ein großes Angebot an alternativen, erneuerbaren Energiequellen, die genutzt werden könnten, ohne die letzten freien Fließstrecken unserer Flüsse zu ruinieren. Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten müssen jedoch erst unter Beweis stellen, daß sie in der Lage sind, sich zum Wohle Österreichs vom Gängelband der etablierten Energieversorgungsunternehmen zu lösen und eine moderne, ökologisch orientierte Energiepolitik zu gestalten.

 

Aufgrund der anstehenden, dringend notwendigen Entscheidungen des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten im Hinblick auf den Bau des Kraftwerkes Lambach stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

 

D r i n g l i c h e   A n f r a g e :

 

Verbund-Vorstand Herbert Schröfelbauer und andere Vertreter der Elektrizitätswirtschaft sprechen von einem „Kampf“ zwischen den Unternehmen.

            Was werden Sie unternehmen, um diesen „Kampf“ im Interesse der österreichischen Volkswirtschaft ehebaldigst zu beenden?

 

Bundeskanzler Franz Vranitzky meinte vor wenigen Tagen: „Ich bin überzeugt, daß generell eine bessere Abstimmung der Energiegesellschaften untereinander notwendig wäre“ (OTS103, 14.2.96).

            Teilen Sie die Meinung von Bundeskanzler Vranitzky?

            Wenn nein, warum nicht?

            Wenn ja, welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

 

3.         Bundeskanzler Vranitzky hält die Einführung einer unabhängigen Energie-Koordinierungsbehörde für notwendig, „... die die Koordinierung der Ausbauprogramme, die Vergabe der Konzessionen, die Entscheidung über neue Kapazitäten ...“ übernehmen soll.

            Halten Sie die Einführung einer unabhängigen Energie-Koordinierungsbehörde für notwendig?

            Wenn ja, welche Aufgaben soll diese Behörde besitzen?

            Wird eine Energie-Koordinierungsbehörde Teil des „modernen Energieorganisations­gesetzes“ sein, das im Arbeitsübereinkommen 1994 der Bundesregierung angekündigt wurde?

 

4.         Halten Sie es für zweckmäßig, daß künftig, bei (größeren) Kraftwerksbauten von den derzeitigen Genehmigungsverfahren auf Ausschreibungsverfahren übergegangen wird?

            Wenn nein, warum nicht?

 

5.         Die Verhandlungen zur Schaffung eines europäischen Elektrizitätsbinnenmarktes gehen zwar schleppend voran, die Liberalisierung der Elektrizitätsmärkte wird jedoch früher oder später mit Sicherheit kommen.

            Wie wollen Sie die österreichische Elektrizitätswirtschaft auf die Liberalisierung vorbereiten und wie wollen Sie verhindern, daß es zu umfangreichen Atomstromimporten z.B. aus Bayern oder Frankreich kommt?

 

6.         Für wie realistisch halten Sie die Prognosen der E-Wirtschaft, daß der Stromverbrauch in den nächsten 10 Jahren im Bereich der öffentlichen Versorgung (!) jährlich um 2,2 % steigen wird, obwohl bereits in den 80er Jahren der Stromverbrauch nur mehr um durchschnittlich 2,7 % wuchs und derzeit beinahe europaweit stagnierende Märkte zu beobachten sind?

 

7.         Verbund-Vorstandsdirektor Hans Haider meinte erst vor kurzem, daß es „... im Moment aber sicher so (ist), daß wir keinen weiteren Kraftwerksbedarf haben“?

            Teilen Sie die Meinung, daß im Bereich der Verbundgesellschaft derzeit erhebliche Überkapazitäten hinsichtlich der verfügbaren Strommengen bestehen und daher in absehbarer Zeit keine weiteren Kraftwerksbauten notwendig sind?

 

8.         Auf welche Summe belaufen sich die Kosten, die im Bereich der Verbundgesellschaft durch die überhöhten Strombedarfsprognosen entstanden sind (Investition in teure Wasserkraftwerke, ungenützte kalorische Kapazitäten, Abschluß überzogener Kohle­liefer­verträge und Stromimportverträge, etc.?)

 

9.         Der Stromabsatz der OKA stagniert seit mehreren Jahren bzw. ist sogar rückläufig. Der weitere Bau von industriellen Eigenerzeugungsanlagen wird diese Situation weiter verschärfen. Dennoch ist es Unternehmensziel der OKA, durch zunehmende Eigenproduktion Strombezug von der Verbundgesellschaft zu substituieren, obwohl im Bereich der VG erhebliche Überkapazitäten bestehen.

            Teilen Sie die Meinung, daß im Hinblick auf den gesamtösterreichischen Stromverbund Landesversorger wie die OKA auf weitere Kraftwerksbauten verzichten sollten, solange im Bereich der VG erhebliche Überkapazitäten bestehen?

 

10.       LH Josef Pühringer betont immer wieder, daß0 es sich bei der Staustufe Lambach mit einem Regelarbeitsvermögen von 71 Mio. kWh durchaus um ein Großkraftwerk handle. Er verweist darauf, daß Lambach unter den 1.600 österreichischen Laufkraftwerken zu den 100 größten gehören würde.

            Ist es richtig, daß das KW Lambach unter den österreichischen Laufkraftwerken zu den größten 10 % gehört, also für österreichische Verhältnisse und im Sinne des ‘
2. Verstaatlichungsgesetzes als Großkraftwerk zu bezeichnen ist?

 

Das 2. Verstaatlichungsgesetz bietet Ihnen bzw. der Bundesregierung die Möglichkeit, koordinierend in den Kraftwerksausbau der Elektrizitätswirtschaft einzugreifen. § 4 Abs. (5) 2. VerstaatlG sieht vor, daß die Bundesregierung - bzw. der für die Vollziehung des Gesetzes zuständige Wirtschaftsminister - nach Anhörung der Verbundgesellschaft unter Bedachtnahme auf energie- und wasserwirtschaftliche Rücksichten entscheidet, ob ein Kraftwerksprojekt durch Landesversorger errichtet werden darf.

            In welcher Form gedenken Sie, von dieser Kompetenz Gebrauch zu machen? Wurde eine Anhörung der Verbundgesellschaft hinsichtlich des Kraftwerks Lambach durchgeführt? Wenn nein, warum nicht und wann wird eine Anhörung durchgeführt?

            Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis wurde die Anhörung durchgeführt?

            Wurde die Entscheidung in Übereinstimmung mit der Verbundgesellschaft gefaßt?

            Wenn nein, warum nicht?

 

12.       Die niederösterreichische EVN plant den vollständigen Neubau von Block B des kalorischen Kraftwerks Theiß. Die Leistung von Block B soll um etwa 200 MW auf 450 MW aufgestockt werden.

            Teilen Sie die Meinung, daß es sich beim Neubau von Block B des Kraftwerks Theiß um die Errichtung eines Großkraftwerkes handelt?

 

13.       Die Verbundgesellschaft wäre nach eigenen Angaben jederzeit in der Lage, etwa die Hälfte der Jahresproduktion des Atomkraftwerks Krsko durch Ersatzstromlieferungen aus dem Kraftwerk Voitsberg 3 (330 MW) bereitzustellen.

            Wurde im Hinblick auf den Neubau von Block B des Kraftwerks Theiß eine Anhörung der Verbundgesellschaft nach § 4 Abs. (5) 2. VerstaatlG durchgeführt?

            Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

 

14.       Zu welchen sonstigen Kraftwerksprojekten wurden bislang Anhörungen nach § 4 Abs. (5) 2. VerstaatlG durchgeführt?

            Wann wurden diese Anhörungen durchgeführt und mit welchen Ergebnissen?

            Wurden die Entscheidungen in Übereinstimmung mit der Verbundgesellschaft gefaßt?

 

15.       Welche Maßnahmen gedenken Sie in Zukunft generell im Interesse einer besseren Koordination des Kraftwerkparks zu setzen?

 

16.       Die Studie „Least-Cost-Planning in Österreich“ der Energieverwertungsagentur (E.V.A.) und des WIFO, die auch vom Wirtschaftsministerium mit in Auftrag gegeben wurde, zeigt, daß in Österreich erhebliche Energiesparpotentiale in der Höhe von zumindest 5.600 Mio. kWh bestehen, deren Nutzung volkswirtschaftlich günstiger käme, als der Bau weiterer Kraftwerke.

            Wie beurteilen Sie die vorliegenden Ergebnisse?

            Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um Least-Cost-Planning zu einem fixen Bestandteil der österreichischen Energiepolitik zu machen?

            Wie wollen Sie die aufgezeigten Energiesparpotentiale erschließen?

 

17.       Vor wenigen Wochen wurde von Ihnen mit der Elektrizitätswirtschaft ein neues Preisaufsichtssystem vereinbart, das Sie von der lästigen Strompreisfestsetzung entbindet und den Elektrizitätsversorgern eine fixe Monopolrente garantiert.

            Warum sind in diesem neuen Strompreisverfahren keine Least-Cost-Planning-Mechanismen vorgesehen, die die konsequente Nutzung der Energiesparpotentiale durch die EVU’s vor weiteren Kraftwerksbauten gewährleisten würde?

 

18.       In der Vergangenheit hat man sich zumindest offiziell bemüht, der Privilegienwirtschaft in der E-Wirtschaft ein Ende zu bereiten. Dennoch stiegen die durchschnittlichen Monatsgehälter und -löhne auch in den letzten Jahren. Das Medianeinkommen (inkl. Sonderzahlungen) lag 1994 bei 36.000 S im Gegensatz zu 29.000 S im Jahre 1990 (plus
24 %!). Damit liegt der Medianverdienst (50 % verdienen mehr und 50 % verdienen weniger) in der E-Wirtschaft 1994 um rund 65 % über der Gesamtwirtschaft.8

            Wie erklären Sie diese deutlichen Lohn- und Gehaltssteigerungen in den vergangenen Jahren? Meinen Sie, daß der Privilegienabbau in der Elektrizitätswirtschaft erfolgreich war?

 

19.       Mit der Förderung von Alternativenergien ist es auf Bundesebene schlecht bestellt. Wann ist mit der Umsetzung des im Energiebericht 1993 versprochenen Pilotprogramms für Windkraftanlagen zu rechnen und welchen Umfang wird es haben?

 

20.       Das 1994 mit der E-Wirtschaft geschlossene Generalübereinkommen zur „Förderung“ der Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien ins öffentliche Netz läuft in wenigen Monaten aus.

            Welche Regelung wollen Sie in Hinkunft treffen, um für die Stromerzeugung aus Alternativenergien angemessene und nicht-diskriminierende Tarife für die Stromeinspeisung ins öffentliche Netz zu gewährleisten?

 

21.       Die Landeshauptleute haben von der an sie delegierten Kompetenz zur Regelung der Einspeisetarife kaum Gebrauch gemacht.

            Halten Sie es aufgrund dieser situation nicht für zweckmäßig, diese Kompetenz wieder auf Bundesebene wahrzunehmen?

            Wenn nein, warum nicht?

 

22.       Die EVN, die erst gar nicht dem Generalübereinkommen zur „Förderung“ der Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien beigetreten ist, verlangt neuerdings von den Betreibern von Windkraftanlagen eine sogenannte „Netzbereitstellungsgebühr“ im Umfang von 375 öS pro Kilowatt für Anlagen über 0,1 MW. Für viele NÖ Windkraftprojekte war diese Gebühr das endgültige wirtschaftliche Aus.

            Wie beurteilen Sie diese „Windkraftverhinderungsgebühr“ der EVN und auf welcher gesetzlichen Regelung beruht sie?

 

23.       In der Oststeiermark haben sich betroffene Gemeinden in einer Abstimmung deutlich gegen den Bau der 380-kV-Leitung der Verbundgesellschaft ausgesprochen.

            Halten Sie es für sinnvoll, daß die VG mit dem Bau der 380 kV-Leitung zw. Wien-Südost und dem Südburgenland beginnt, solange die Möglichkeit einer Verlängerung in die Steiermark (UW Kainachtal) ungeklärt ist?

 

Ihr Parteifreund und Regierungskollege Umweltminister Martin Bartenstein behauptet doch tatsächlich, Österreichs Energiepolitik sei gescheitert. Im Hinblick auf die mäßigen Erfolge führt er aus, „die bisherigen Maßnahmen zur Einsparung von Energie reichen nicht aus, um die vorgeschriebenen Ziele zu erreichen.“ (Der Standard, 239.11.95)

            Teilen Sie die Meinung von Umweltminister Bartenstein?

            Wenn ja, welche Maßnahmen wollen Sie setzen, um zumindest in Hinkunft sicherzustellen, daß die vorgeschriebenen Ziele erreicht werden?

 

In Dänemark sank der Gesamtenergieverbrauch lt. OECD zwischen 1980 und 1992 um
0,6 % - in Österreich stieg er im gleichen Zeitraum um 10,4 %.

            Worauf führen Sie diesen Unterschied zurück?

 

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage zum frühestmöglichen Zeitpunkt verlangt.

 

 

 

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Vortrag beim Symposium Energieinnovation, Innsbruck, 7.2.19; Schröfelbauer bezog sich offenbar auf eine Aussage des zuständigen Wirtschaftsministers Johannes Ditz

Symposium Energieinnovation, Innsbruck, 7.2.19

Wirtschaftswoche, 23.11.1995

Die Schließung der Elektrolyse Ranshofen ist nicht für den rückläufigen Stromabsatz der OKA verantwortlich, da Ranshofen direkt von der Verbundgesellschaft beliefert wurde.

Österreichische Zeitschrift für Elektrizitätswirtschaft, Oktober 1982, Seite 499.

Der Standard, 29.11.1995

7OTS103, 14.2.1996

Consultingbüro Kreutzer Fischer & Partner, Der Standard, 19.02.96