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der Abgeordneten Petrovic, Anschober, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend ÖBB- Infrastrukturfinanzierung 60 Milliarden

 

 

Am 11 .Dezember 1995 wurde vom scheidenden Finanzminister Dr.Staribacher und

Verkehrsminister Klima eine Vereinbarung getroffen, mit der zur Finanzierung von

ÖBB-Infrastrukturvorhaben 60 Mrd.S FinanzierungsvoIumen mit einer Bundesgarantie

aufgebracht werden soIl. Zu dieser Vorgangsweise sind massive rechtliche Bedenken

in foIgender Hinsicht geItend zu machen:

1 . Einer soIchen Vereinbarung zwischen den beiden Ressortministern kommt

lediglich der Charakter einer poIitischen Absichtserklärung zu, da nach § 2 (6)

Eisenbahngesetz 1992 nur vorgesehen ist, daß beide Minister im Einvernehmen im

Rahmen der Grundsätze des BundeshaushaIte einen mehrjährigen Rahmen für

Mittel für die Eisenbahninfrastruktur festzuIegen haben. Nach § 2 (6) ist nur ein

Arbeitsauftrag für beide Bundesminister gegeben, eine mehrjährige

Rahmenplanung auszuarbeiten, jedoch nicht eine Ermächtigung, eine derart

weitreichende Finanzierungsentscheidung zu fälIen. Eine gesetzliche Deckung für

eine Finanzierungsentscheidung mit Bundesgarantie über 60 Mrd.S kann aus § 2

(6) des Bundesbahngesetzes 1992 somit nicht abgeleitet werden.

2. Zum Zeitpunkt der Entscheidung am 11 .Dezember 1995 waren beide

Bundesminister nur mehr provisorisch mit der Fortführung der

Regierungsgeschäfte bzw. ihrer Ministerverantwortlichkeit betraut, da im Hinbiick

auf die Nationalratswahl vom 17.Dezember 1995 die Regierung zurückgetreten

war und nur provisorisch mit der Fortführung der Amtsgeschäfte vom

Bur,despräsidenten beauftragt war. Die laufende Bedeckung bzw. Verankerung

eines ÖBB-Finanzierungsrahmens war weder im Budget 1995 festgeIegt noch gibt

es bis auf weiteres ein Budget für das Jahr 1996; ebensowenig Vereinbarungen

über eine Weiterführung mehrjähriger Budgetvorhaben.

3. Es steIIt sich daher die Frage, ob eine derart weitreichende Entscheidung über ein

ÖBB-FinanzierungsvoIumen von 60 Mrd.S mit Übernahme einer Bundeshaftung

von über 60 Mrd.S nicht die Entscheidungsbefugnisse einer zur provisorischen

Geschäftsfortführung betrauten Regierung übersteigt.

4. ln formeIIer Hinsicht erscheint es erforderIich. daß über eine derartige bilateraIe

Ressortvereinbarung nach Maßgabe der Ministerzuständigkeit im Ministerrat

berichtet wird und ein entsprechender MinisterratsbeschIuß formeIl zu erfoIgen hat.

5. Nach dem Bundeshaus.haltsgesetz (Bundesverfassungsgesetz 1986) darf der

Bundesminister für Finanzen Haftungen nur nach Maßgabe der hiefür im

Bundesfinanzgesetz oder in einem besonderen Bundesgesetz im Sinne des

ArtikeIs 42 Abs.5 B-VG enthaItenen Ermächtigungen übernehmen. Da die

Textierung des § 2 (6) des Bundesbahngesetzes keine gesetzIiche Ermächtigung

mit bundesfinanzgesetzIichen Bestimmungen darstelIt, die den Bundesminister für

Finanzen ermächtigt, ohne vorausgehende Zustimmung des NationaIrates gegen

nachträgliche Rechtfertigung über Bundeseigentum zu verfügen, ohne daß der

lnhaIt der Rechtsgeschäfte vorausbestimmt ist, Iiegt eine verfassungswidrige

Delegation von Befugnissen des Nationalrates vor. Ebenso ist eine Vorschrift, die

wohl den Zweck der vom Bundesministerium für Finanzen durchzuführenden

Kreditoperationen nennt und die Höhe begrenzt, aber keine weiteren

Bestimmungen über den lnhaIt der abzuschließenden Rechtsgeschäfte enthäIt, als

Verletzung der Budgethoheit des Nationalrates zu werten und verstößt im Hinblick

auf ihre Unbestimmtheit gegen Artikel 18 Abs.1 B-VG.

6. Auf Grund dieser Verfassungssituation steht mit Sicherheit fest, daß ein

entsprechendes Sondergesetz über die Finanzierung und Garantieübernahme für

ein ÖBB-lnfrastrukturinvestitionsprogramm in der Größenordnung von 60 Mrd.S

vom Parlament als Gesetzgeber zu verabschieden sein wird, bevor mit potentieIlen

Kreditgebern in Verhandlungen eingetreten werden kann.

7. Es wäre auch die Frage zu klären, wer als Kreditwerber für e ne Finanzierung von

60 Mrd.S auftreten kann. Nach § 2 (2) hat trotz Privatisierung der Bundesbahn der

Bund weiterhin die Kosten für die Bereitstellung und den Ausbau jener

Eisenbahninfrastruktur zu tragen, die zur Erfüllung des Betriebszweckes der ÖBB

notwendig ist, soweit die Kosten nicht durch Dritte aufgebracht werden können,. ln

Anbetracht der derzeitigen Budgetsituation des Bundes kann sicherlich nicht damit

gerechnet werden, daß eine Sonderfinanzierung in der Großenordnung von 60

Mrd.S aus BudgetmitteIn aufgebracht bzw. tiIgungsmäßig aus BudgetmitteIn

bedient werden kann.

Ebenso würde die Bahn aIs Kreditnehmer auf Grund von notwendigen

Rentabilitätsberechnungen nicht in der Lage sein, die Kreditrückzahlung

einschließlich Verzinsung im Hinblick auf eine wirtschaftIiche

Rentabilitätsberechnung aus EigenmitteIn aufzubringen. Nach privatrechtlichen

Gesichtspunkten würde die Aufbringung und Bedienung eines derartigen Kredites

in der Größenordnung von 60 Mrd.S durch die ÖBB als privatrechtIiche

Gesellschaft den Status einer ÜberschuIdung erfülIen und zu einem AusgIeichs-

oder Konkursverfahren führen.

Es wäre eine äußerst bedenkliche und riskante Finanztransaktion in doppeIter

Hinsicht, einer nicht in diesem Umfang kreditwürdigen ÖBB eine Bundesgarantie in

diesem Ausmaß zu gewähren, die beim Garantiegeber Bund zu einer budgetären

Überbelastung führen würde. faIls der GarantiefalI notfaIls aus BundesmitteIn

abzudecken wäre. .

Es besteht die Gefahr, daß ähnlich wie bei Verlustabdeckungen in der früheren

verstaatlichten lndustrie der Bund in Milliardenhöhe am Garantieweg für

Kreditrückzahlungen der ÖBB aus Budgetmitteln herangezogen wird. Auch in der

BRD besteht eine heftige Diskussion über ähnliche Finanzierungskonstruktionen

durch Bundesfinanzminister Waigel, wobei angestellte Rentabilitätsberechnungen

klar nachgewiesen haben, daß die Finanzierung und Rückzahlung bzw.

garantiemäßige Verpflichtung die BeIastungsfähigkeit des Bundeshaushaltes bei

weitem übersteigt.

Der einzig formell richtige Weg ist für ein derartiges Projekt die Verabschiedung

eines Eisenbahn-Infrastrukturgesetzes durch das ParIament, in dem die

Übernahme einer Bundeshaftung für einen bestimmten Investitionsrahmen

ausdrücklich festgeIegt wird. Gleichzeitig muß dieser parlamentarischen

Entscheidung auch ein verbindlicher und nicht mehr nachträglichen Abänderungen

und Überschreitungen unterliegender lnvestitionsvorhabensplan der ÖBB vorgelegt

werden, in dem die einzelnen Investitionsprojekte genau beschrieben und einem

exakten lnvestitionsfinanzierung,svolumen zugeordnet werden. Eine präzise

Bindung der Investitionsmittel an konkrete Investitionsvorhaben muß aus

Kostendämpfung,sgründen unbedingt vorgesehen werden.

9. Es ist verfassungsrechtlich somit nicht ausreichend, der ÖBB eine

,.Blankofinanzierung" mit Bundesgarantie im Ausmaß von 60 Mrd.S ohne

entsprechende gesetzIiche Zweckbindunoen zur Verfügung zu steIlen. Dies wäre

im lnteresse der Kreditgeber, aber auch der zur ErsteIIung der ÖBB-

Investitionsvorhaben beauftragten Firmen unbedingt notwendig, um eine

ausreichende gesetzIiche Grundlage und entsprechende finanztechnische

Absicherung, sowohl im Verantwortungsbereich des Gesetzgebers (Parlament).

aber auch im Rahmen der MinisterverantwortIichkeit der zuständigen

Ressortminister zu erreichen.

10.Der ÖBB selbst kommt nach ihrer Restrukturierung als Wirtschaftskörper der

Status einer GeseIlscha mit eigener Rechtspersönlichkeit im Sinne des Ges.mbH-

Gesetzes zu. Es gelten für sie die für VoIIkaufleute maßgebIichen

Rechtsvorschriften einschließlich Kon urs- und AusgIeichsrecht.

Für den Bund sind die Bestimmungen der Bundesverfassunc Art.18 Abs.1 und

Art.42 Abs.5, des Bundesfinanzgesetzes sowie des Haushaltsg-esetzes (§ 66

Bundeshaftungen) einzuhalten.

Bei Übernahme einer gesonderten bundesgesetzlichen Haftung müßte jährlich. im

Amtsbehelf zum Bundesfinanzgesetz Titel 54 -Titel 54 / diese Haftungsübernahme

des Bundes ausgewiesen und das HaftungsobIigo jeweils jährlich errechnet

werden. Laut AmtsbeheIf zum Bundesfinanzgesetz für 1995 hat das

Haftungsobligo des Bundes bereits für 1993 insgesamt den Stand von 677 Mrd.S

erreicht.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

 

ANFRAGE :

 

 

1 : Sie haben in der Funktion als Verkehrsminister vor der Nationalratswahl 1995 mit dem

damaligen Finanzminister auf die in der Begründung dargestellte Vorgangsweise

hinsichtlich eines Finanzierungspaketes von 60 Milliarden Schilling geeinigt. Gehen Sie

als sein Nachfolger von der rechtlichen Wirksamkeit dieses ''Paktes" aus und sehen Sie

sich bzw. das Resor daran gebunden ? Wenn ja, wie begründen Sie dies im Lichte der in

der Begründung dargestellten verfassungsmäßigen Bedenken ? Wenn nein, welche

korrekte Vorgangsweise schlagen Sie vor, um ehebaldigst zu einem

verfassungskonformen, vom Parlament beschlossenen Finanzierungspaket zum Ausbau

des Schienverkehrs in Österreich zu kommen.

 

2. Falls Sie an dem Finanzierungspaket wie von Ihrem Amtsvorgänger vorgelegt festhalten,

wie begegnen sie im einzelnen den in der Begründung dargestellten 10 Argumenten, die

die Verfassungsmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der gewählten Vorgangsweise als nicht

gegeben ansehen ? (Bitte auf alle Argumente einzeln eingehen).

 

3. Welchen Wert hat der ''Ministerpakt" vor der Wahl, falls das Parlament im Rahmen der

künftigen Beschlußfassung über den Bundeshaushalt andere Prioritäten setzt ?

 

4. In der breiten Öffentlichkeit erweckt ein ''Pakt" zwischen Ministern den Eindruck der

Verbindlichkeit - auch wen es an der Verfassungs- und Gesetzeskonformität mangelt.

Wie werden Sie allfälligen Schadenersatzansprüchen von Unternehmungen begegnen, die

im Vertrauen auf die künftige Verfügbarkeit von 60 Milliarden Schilling für den

Infrastrukturausbau bereits jetzt Aufwendungen tätigen ?

 

5. Derartige verfassungs- und gesetzwidrige Festlegungen aufMinisterebene erschweren eine

konstruk:tive und produktive Kooperation mit dem Parlament, insbesondere mit der

Opposition. Sehen Sie sich in diesem Lichte veranlaßt, eine Erklärung gegenüber dem

Parlament abzugeben bzw. Schritte zur Verbesserung der Vertrauensbasis zu

unternehmen. Wenn nein, wie begründen Sie dies ?