366/J
der Abg. Rosenstingl,
an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr
betreffend dem Unfall des lntercityzuges Wien - Bregenz im Ortsgebiet von
Braz/Vorarlberg
Am 11.8.1995 entgleiste infolge eines Murenabganges der lntercityzug Wien -
Bregenz und verunglückte schwer. ln der Folge wurden Fahrgäste getötet und
verletzt. Den schwer verletzten Passagieren stünden nach den Schadensersatz-
ansprüchen außerhalb des EKHGes (Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz)
hohe Entschädigungen wegen Schmerzen und Verunstaltung und teiIweise auch
Renten wegen Erschwerung des Fortkommens zu. Die Bestimmungen des EKHGes
schränken diese Beträge auf einen Bruchteil der oben genannten Ansprüche ein.
Um die Haftungsbegrenzung des EKHGes ausschließen zu können, müßte der ÖBB
Verschulden nachgewiesen werden. Die ÖBB hat bereits teiIweise Zahlungen
geleistet, die sich in ihrer Höhe an der niedrigeren Entschädigung durch EKHG
orientiert. Diese Zahlungen erfolgten mit der Information, daß bei Anstrengung eines
gerichtlichen Prozesses im Falle des Unterliegens auch diese Summe zurück-
zuzahlen wäre.
Ein Verschulden der ÖBB wird von dieser grundsätzlich abgelehnt, kann aber aus
verschiedenen Gründen angenommen werden. Zusätzlich erschweren die Organe
der ÖBB Untersuchungen, indem sie Aussagen über die Frage des UnfalIherganges
zurückhalten.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für öffentliche
Wirtschaft und Verkehr die nachstehende
Anfrage:
1 . Besteht eine Anordnung oder eine sonstige Verpflichtung für die Bediensteten
der ÖBB, über Ursache, Hergang oder Folgen des Zugunglücks vom 11.8.1995
Wissen zurückzuhalten?
2. War der ÖBB bewußt, daß es sich bei dem betroffenen Streckenabschnitt der
Arlbergstrecke auch im Bereich der Brücke über den Masonbach im
Gemeindegebiet Braz/Vorarlberg um ein bekannt gefährliches Gebiet handelt?
3. Warum wurde dann trotz mehrfacher Warnung der Sachverständigen über die
besondere geologische Gefährlichkeit dieses Gebietes die Verbauung des
Masonbaches nicht durchgeführt, sondern andere Investitionen bevorzugt?
4. Warum wurde das Bachbett des Masonbaches jahrelang vor dem Unfall nicht
gesäubert und geräumt und die Büsche darin entfernt, unmittelbar danach
jedoch großzügig ausgeholzt? lst die ÖBB nicht verpflichtet, im Bereich ihrer
BahnanIagen dafür zu sorgen, daß die Wasserläufe, Abläufe und Bachbette,
wie die des Masonbaches, den notwendigen Umfang haben, und so einen
ungehinderten Ablauf von Wasser und GeröIl ermöglichen?
5. Warum wurden dann gerade heuer, kurz nach diesem tragischen Unfall,
umfangreiche Planungsarbeiten zur Entschärfung dieser Situation begonnen?
6. Der Abgang der Mure kam nicht unerwartet. 25 Minuten zuvor wurde durch
Sirenensignal über die zu erwartende Unwetterfront gewarnt. Der Anrainer des
der Brücke benachbarten Gebäudes hat rechtzeitig vor dem Abgang sein Hab
und Gut entfernt. Wie kann die unvorbereitete Befahrung einer gefährlichen
Strecke in dieser zu erwartenden Gefahrensituation gerechtfertigt werden?
7. Warum war die für Notfälle von der ÖBB eingerichtete Fernmeldeeinrichtung
bei dem Haus des oben genannten Anrainers nicht in Betrieb?
8. Warum wurde diese rechtzeitig vor der Begehung der für dieses UngIück
zuständigen Kommission entfernt?
9. Warum wurde die BahnsignalanIage nach dem UngIück entfernt?
10. Für die Wintermonate gilt auf dieser Strecke ein Gefahrenplan. Dabei darf der
Zug eine Geschwindigkeit von nur 25 - 30 km/h fahren. Bei dieser
Geschwindigkeit wäre das Unglück nicht passiert. Leider fuhr der Zug mit 70
km/h. Warum gilt in Gefahrensituationen wie dieser im Sommer kein AlarmpIan,
der eine der Situation angepaßte Geschwindigkeit vorschreibt?
11 . Die Bruchüberwachung der Arlbergstrecke hat ihre Sensoren in den
Oberleitungsmasten. An der Unglücksstelle im Bereich des Masonbaches
befinden sich keine Masten. Das System konnte also bei Einsturz der Brücke
nicht reagieren. Gibt es Sicherheitssysteme, die einen Brückeneinsturz
registrieren und das Anhalten dieses Zuges veranlassen hätte können?
12. Warum verwendet die ÖBB auf dieser bekannt gefährlichen Strecke ein
technisch unzureichendes Sicherheitssystem?
13. Es ist bekannt, daß die Waggons der neuen Bauart wesentlich sicherer sind,
als die alten. lm lntercityzug war einzig ein neuer Waggon im Einsatz, der den
BeIastungen des Unfalles gut standgehaIten hat. Warum wurden gerade auf
dieser gefährlichen Strecke hauptsächlich die alten Waggons eingesetzt?
14. Der Abgang der Mure im oberen Bereich wurde durch das von dieser erzeugte
Donnern bereits fünf bis zehn Minuten vor Ankunft des Zuges in der Gemeinde
wahrgenommen. Welche Sicherheitsbestimmungen bestehen, um in solchen
Situationen die Weiterfahrt eines Zuges zu verhindern?
15. Der Bahnhof Bludenz wurde von der Gendarmerie über die drohende Gefahr
verständigt. Warum wurde nichts unternommen?
16. Die Landstraße war bereits wegen Vermurung genau in diesem Abschnitt
gesperrt. Auch Einsatzkräfte waren schon bei der Arbeit, um die Straße zu
räumen. Wie kommt es, daß selbst bei solchen Vorkommnissen und nach
dieser Zeitspanne von der ÖBB noch keine Maßnahmen ergriffen wurden?
17. Die ÖBB hat eine Haftpflichtversicherung für derartige FälIe abgeschlossen.
Warum werden die Ansprüche aus dieser Versicherung nicht ausgenutzt und
gegenüber den für das ganze Leben schwer geschädigten Bahnbenutzern
Entgegenkommen gezeigt?