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der Abg. Rosenstingl,

an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr

betreffend dem Unfall des lntercityzuges Wien - Bregenz im Ortsgebiet von

Braz/Vorarlberg

 

 

 

Am 11.8.1995 entgleiste infolge eines Murenabganges der lntercityzug Wien -

Bregenz und verunglückte schwer. ln der Folge wurden Fahrgäste getötet und

verletzt. Den schwer verletzten Passagieren stünden nach den Schadensersatz-

ansprüchen außerhalb des EKHGes (Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz)

hohe Entschädigungen wegen Schmerzen und Verunstaltung und teiIweise auch

Renten wegen Erschwerung des Fortkommens zu. Die Bestimmungen des EKHGes

schränken diese Beträge auf einen Bruchteil der oben genannten Ansprüche ein.

Um die Haftungsbegrenzung des EKHGes ausschließen zu können, müßte der ÖBB

Verschulden nachgewiesen werden. Die ÖBB hat bereits teiIweise Zahlungen

geleistet, die sich in ihrer Höhe an der niedrigeren Entschädigung durch EKHG

orientiert. Diese Zahlungen erfolgten mit der Information, daß bei Anstrengung eines

gerichtlichen Prozesses im Falle des Unterliegens auch diese Summe zurück-

zuzahlen wäre.

 

Ein Verschulden der ÖBB wird von dieser grundsätzlich abgelehnt, kann aber aus

verschiedenen Gründen angenommen werden. Zusätzlich erschweren die Organe

der ÖBB Untersuchungen, indem sie Aussagen über die Frage des UnfalIherganges

zurückhalten.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für öffentliche

Wirtschaft und Verkehr die nachstehende

 

 

 

Anfrage:

 

1 . Besteht eine Anordnung oder eine sonstige Verpflichtung für die Bediensteten

der ÖBB, über Ursache, Hergang oder Folgen des Zugunglücks vom 11.8.1995

Wissen zurückzuhalten?

 

2. War der ÖBB bewußt, daß es sich bei dem betroffenen Streckenabschnitt der

Arlbergstrecke auch im Bereich der Brücke über den Masonbach im

Gemeindegebiet Braz/Vorarlberg um ein bekannt gefährliches Gebiet handelt?

 

3. Warum wurde dann trotz mehrfacher Warnung der Sachverständigen über die

besondere geologische Gefährlichkeit dieses Gebietes die Verbauung des

Masonbaches nicht durchgeführt, sondern andere Investitionen bevorzugt?

 

4. Warum wurde das Bachbett des Masonbaches jahrelang vor dem Unfall nicht

gesäubert und geräumt und die Büsche darin entfernt, unmittelbar danach

jedoch großzügig ausgeholzt? lst die ÖBB nicht verpflichtet, im Bereich ihrer

BahnanIagen dafür zu sorgen, daß die Wasserläufe, Abläufe und Bachbette,

wie die des Masonbaches, den notwendigen Umfang haben, und so einen

ungehinderten Ablauf von Wasser und GeröIl ermöglichen?

 

5. Warum wurden dann gerade heuer, kurz nach diesem tragischen Unfall,

umfangreiche Planungsarbeiten zur Entschärfung dieser Situation begonnen?

 

6. Der Abgang der Mure kam nicht unerwartet. 25 Minuten zuvor wurde durch

Sirenensignal über die zu erwartende Unwetterfront gewarnt. Der Anrainer des

der Brücke benachbarten Gebäudes hat rechtzeitig vor dem Abgang sein Hab

und Gut entfernt. Wie kann die unvorbereitete Befahrung einer gefährlichen

Strecke in dieser zu erwartenden Gefahrensituation gerechtfertigt werden?

 

7. Warum war die für Notfälle von der ÖBB eingerichtete Fernmeldeeinrichtung

bei dem Haus des oben genannten Anrainers nicht in Betrieb?

 

8. Warum wurde diese rechtzeitig vor der Begehung der für dieses UngIück

zuständigen Kommission entfernt?

 

9. Warum wurde die BahnsignalanIage nach dem UngIück entfernt?

 

10. Für die Wintermonate gilt auf dieser Strecke ein Gefahrenplan. Dabei darf der

Zug eine Geschwindigkeit von nur 25 - 30 km/h fahren. Bei dieser

Geschwindigkeit wäre das Unglück nicht passiert. Leider fuhr der Zug mit 70

km/h. Warum gilt in Gefahrensituationen wie dieser im Sommer kein AlarmpIan,

der eine der Situation angepaßte Geschwindigkeit vorschreibt?

 

11 . Die Bruchüberwachung der Arlbergstrecke hat ihre Sensoren in den

Oberleitungsmasten. An der Unglücksstelle im Bereich des Masonbaches

befinden sich keine Masten. Das System konnte also bei Einsturz der Brücke

nicht reagieren. Gibt es Sicherheitssysteme, die einen Brückeneinsturz

registrieren und das Anhalten dieses Zuges veranlassen hätte können?

 

12. Warum verwendet die ÖBB auf dieser bekannt gefährlichen Strecke ein

technisch unzureichendes Sicherheitssystem?

 

13. Es ist bekannt, daß die Waggons der neuen Bauart wesentlich sicherer sind,

als die alten. lm lntercityzug war einzig ein neuer Waggon im Einsatz, der den

BeIastungen des Unfalles gut standgehaIten hat. Warum wurden gerade auf

dieser gefährlichen Strecke hauptsächlich die alten Waggons eingesetzt?

 

14. Der Abgang der Mure im oberen Bereich wurde durch das von dieser erzeugte

Donnern bereits fünf bis zehn Minuten vor Ankunft des Zuges in der Gemeinde

wahrgenommen. Welche Sicherheitsbestimmungen bestehen, um in solchen

Situationen die Weiterfahrt eines Zuges zu verhindern?

 

15. Der Bahnhof Bludenz wurde von der Gendarmerie über die drohende Gefahr

verständigt. Warum wurde nichts unternommen?

 

16. Die Landstraße war bereits wegen Vermurung genau in diesem Abschnitt

gesperrt. Auch Einsatzkräfte waren schon bei der Arbeit, um die Straße zu

räumen. Wie kommt es, daß selbst bei solchen Vorkommnissen und nach

dieser Zeitspanne von der ÖBB noch keine Maßnahmen ergriffen wurden?

 

17. Die ÖBB hat eine Haftpflichtversicherung für derartige FälIe abgeschlossen.

Warum werden die Ansprüche aus dieser Versicherung nicht ausgenutzt und

gegenüber den für das ganze Leben schwer geschädigten Bahnbenutzern

Entgegenkommen gezeigt?