744/J

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Van der Bellen, Öllinger, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Nichtvorlage des Verteilungsberichtes

 

Am 21.  März 1991 im Zuge der Debatte über den Bundeshaushalt 1991 brachte der damalige Abgeordnete Dr. Ditz den Entschließungsantrag der Abgeordneten Nowotny, Ditz, Schreiner, Petrovic und Genossen betreffend die Erstellung einer neuen umfassenden Studie über die Wirkung der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben, Allokation und die Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Zeitablauf und im internationalen Vergleich, ein.  Abgeordneter Ditz meinte damals: 'Ich glaube, wenn uns diese Studie bei der nächsten Debatte zur Verfügung steht, wird es möglich sein, einige Irrtümer auszuräumen.' (Stenographisches Protokoll der 23.  Sitzung am 21.  März 1991, XVIII GP, Seite 2138)

 

Tatsache ist, daß die Verteilungsstudie zu den Budgetberatungen 1992 nicht zur Verfügung stand.  Sie stand auch nicht für die Budgetberatungen 1993 bis 1997 zur Verfügung.  Bei den Verhandlungen über das Strukturanpassungsgesetz 1995 wurde von seiten des Finanzministeriums zugesagt, daß der Verteilungsbericht rechtzeitig für die Verhandlungen über das Budget 1996 dem Parlament zugewiesen würde.  Doch bis zum heutigen Tag fünf Jahre nach Beschlußfassung des entsprechenden Entschließungsantrages wurde der Verteilungsbericht dem Nationalrat nicht zugewiesen.

 

Die Studie 'Umverteilung durch öffentliche Haushalte in Österreich' des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen wurde im November 1995 fertiggestellt.  Die Studie wurde überarbeitet und liegt seither im Finanzministerium.  Sie wurde weder öffentlich präsentiert noch dem Nationalrat zugewiesen.

 

Es ist wohl mehr als verwunderlich, daß der Gesetzgeber, der diese Studie in Auftrag gegeben hat, offiziell noch immer nicht in Kenntnis gesetzt wurde, dafür aber den Medien ausführliche Berichte über besagte Studie entnehmen kann.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1)    Warum hat sich die Erstellung der Studie über fünf Jahre erstreckt?

 

2)      Warum wurde diese Studie dem Nationalrat bisher nicht offiziell übermittelt bzw. wann wird diese Studie dem Nationalrat zugewiesen?

 

3)      Wie beurteilen Sie die Tatsache, daß die Mitglieder des Nationalrates, die einstimmig die Erstellung dieser Verteilungsstudie initiiert haben, die Ergebnisse der Studie den Medien entnehmen müssen?

 

4)      Welche Konsequenzen haben Sie aus den Ergebnissen dieser Verteilungsstudie gezogen bzw. werden Sie ziehen?

 

5)      Die Verteilungsstudie kommt zu dem Ergebnis, daß die meisten Sozialmaßnahmen wie Arbeitslosengeld und Notstandshilfe aber auch das Karenzgeld zu den eindeutig progressiv wirkenden Maßnahmen zählen, während beispielsweise von der Wohnbauförderung eindeutig die oberen Einkommensschichten profitieren.

          Warum wurde bei den Strukturanpassungsgesetzen 1995 und 1996 auf diese Ergebnisse nicht Rücksicht genommen und genau bei jenen Transferleistungen Kürzungen bzw. Einschränkungen vorgenommen, die tatsächlich unteren Einkommensschichten zugute kommen, während bei der Wohnbauförderung abermals eine Reform verabsäumt wurde?

 

6)      Wie beurteilen Sie das Ergebnis der Studie, daß das österreichische Steuer- und Abgabensystem kaum progressiv ist und daß die progressiven Effekte der Lohnsteuern und die regressiven Effekte anderer Abgaben einander weitgehend ausgleichen?

 

7)      Im Kapitel 'Die Vermögenssteuern und ihre Verteilung' wird sowohl die steuerliche Begünstigung der Finanzanlagen als auch die Abschaffung der Vermögenssteuern kritisch beurteilt.  Es heißt: 'Aus Wachstums- und beschäftigungspolitischer Perspektive werden Investitionen in risikoreiches Realkapital gegenüber Finanzanlagen benachteiligt und aus allokationstheoretischer Perspektive wurden damit Steuerobjekte dem Fiskus weitgehend entzogen, die nach der modernen Steuerlehre stärker als Steuerquelle herangezogen werden sollten, (... )'

a)       Halten Sie die steuerliche Begünstigung von Finanzanlagen gegenüber Investitionen in Realkapital für gerechtfertigt?

b)       Wenn ja, warum?

c)       Wenn nein, welche steuerpolitischen Maßnahmen werden Sie setzen, um zumindest

          eine steuerliche Gleichbehandlung zu erzielen? d) Welche Anreize können bzw. sollen gesetzt werden, um die Veranlagung erzielter Gewinne in Realinvestitionen gegenüber Finanzinvestitionen zu fördern?

 

8)    Werden die Ergebnisse dieser Verteilungsstudie bei der Erstellung des Budgetprogramms, zu dessen Vorlage die Bundesregierung im Herbst 1996 verpflichtet ist, berücksichtigt?

       Wenn ja, in welcher Form?

 

9)    Haben Sie zu den Resultaten der Verteilungsstudie und allfälliger Konsequenzen bereits mit Ihren Ressortkollegen Gespräche aufgenommen?

       Wenn ja, zu welchen Ergebnissen haben diese Gespräche geführt?