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ANFRAGE

der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst

betreffend Benutzbarkeit der ÖBB für behinderte Menschen

 

Seit 1. Juni 1996 sind die neuen Fahrpläne der ÖBB gültig, die eine wesentliche Verschlechterung des öffentlichen Personennah- und Fernverkehrs mit sich bringen.  Nicht nur, daß es zu extremen Verlängerungen der Fahrzeiten kommt, beinhaltet der neue Fahrplan auch Maßnahmen, die eine große Gruppe von Fahrgästen von der Möglichkeit, die Bahn zu benutzen, wieder ausschließt.  Dazu gehören vor allem Menschen, die RollstuhlbenutzerInnen sind.  Aufgrund der Tatsache, daß weniger Waggons eingesetzt werden, wurde das Mitführen der Großraumwaggons mit Rollstuhltoiletten drastisch reduziert.

 

Im Behindertenkonzept der österreichischen Bundesregierung (März 1993) steht zum Thema Eisenbahnen: 'Von den ÖBB wurden in den letzten Jahren zahlreiche Verbesserungen für behinderte Menschen geschaffen'.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.       Wie viele Großraumwaggons mit Rollstuhltoiletten werden täglich auf der West- und Südbahnstrecke mitgeführt?

Westbahn:   Stand bis zum 1. Juni 1996, Stand ab 2. Juni 1996

Südbahn:     Stand bis zum 1. Juni 1996, Stand ab 2. Juni 1996

 

2.    Warum sind Züge, die lt.  Handbuch der ÖBB einen Großraumwaggon mitfahren, in vielen Fällen dann ohne Großraumwaggon unterwegs?

 

3.    Welche Alternativen haben RollstuhlbenutzerInnen bei Zügen, die keinen Großraumwaggon mit Rollstuhltoilette mitführen?

 

4.    Ist Ihnen bekannt, daß das Zugpersonal sehr häufig gezwungen ist, RollstuhlfahrerInnen im Paketwagen der ÖBB mitzunehmen, weil kein Großraumwaggon vorhanden ist?

       Wenn ja: Wie lautet der Text dieser Beförderungsbestimmung?

       Wer trägt die Haftung bei etwaigen Unfällen und Verletzungen?

 

       Muß bei einem Transport im Paketwagen der volle Fahrpreis bzw. die

       Ermäßigung aufgrund eines Behindertenausweises bezahlt werden? 

       Wenn ja: Warum?

       Wenn nein: Wie werden laut Ihren Informationen Rollstuhlbenutzerlnnen mit den ÖBB befördert, die keinen Großraumwaggon mitführen?

 

5.       Warum gibt es in sg.  Behindertenwaggons keine Stellplätze im Raucherbereich?

 

6.       Ist beabsichtigt, in Behindertenwaggons Stellplätze im Raucherbereich zu schaffen?  Wenn ja: Bis wann werden diese geschaffen?

          Wenn nein: Warum nicht?

 

7.       Ist Ihnen bekannt, daß die sg.  Behindertenabteile von RollstuhlbenutzerInnen nicht benützt werden können, da diese einerseits viel zu klein sind, um mit dem Rollstuhl hineinzukommen, bzw. es auch in diesen Waggons keine Möglichkeit der Toilettenbenutzung gibt?

          Wenn ja: Was wurde unternommen um diese Abteile für Rollstuhlbenutzerlnnen benutzbar zu     machen? Wenn nein: Was gedenken Sie zu tun?

 

8.       Seit 1992 gibt es mechanische Hebelifte.

          Welche Bahnhöfe sind bereits mit mechanischen Hebeliften ausgestattet? (Aufzählung der          Bahnhöfe)

          Auf welchen Bahnhöfen gibt es noch keine mechanischen Hebelifte? (Aufzählung der     Bahnhöfe)

 

9.       Gibt es Bahnhöfe, die mechanische Hebelifte ablehnen?

 

10.     Welchen Bahnhöfen wurde von Seiten der ÖBB ein mechanischer Hebelift abgelehnt?

 

11.     Aufgrund welcher Bestimmungen dürfen ÖBB-Bedienstete die Verwendung von mechanischen Hebeliften Rollstuhlfahrerlnnen verweigern?

 

12.     Gibt es Bestimmungen, die ÖBB-Bedienstete verpflichten, mechanische Einstiegshilfen für Rollstuhlfahrerlnnen zu verwenden?

 

13.     Wer ist schadenersatzpflichtig, wenn aufgrund der Nichtbenutzung eines mechanischen Hebeliftes durch die Bediensteten der ÖBB Rollstuhlbenutzerlnnen zu Schaden kommen?

 

14.     Wer ist schadenersatzpflichtig, wenn aufgrund eines Nichtvorhandenseins eines mechanischen Hebeliftes der ÖBB RollstuhlbenutzerInnen zu Schaden kommen?

 

15.     Gibt es ein Handbuch über die gesamten Bahnhöfe in Österreich, aus dem ersichtlich ist, welcher Bahnhof im Besitz mechanischer Hebelifte ist?

 

16.     In welcher Form werden Ein- und Ausstiegshilfen auf unbesetzten Bahnhöfen für Rollstuhlfahrerlnnen gewährleistet?

 

17.       Ist daran gedacht, in Eil- und Regionalzügen mechanische Einstiegshilfen mitzuführen, damit ein Ein- und Aussteigen an unbesetzten Bahnhöfen möglich ist?  Wenn ja: Ab wann werden diese mitgeführt?

          Wenn nein: Welche Alternativen schlagen Sie vor und bis wann werden diese umgesetzt?

 

18.       An Bahnhöfen mit nicht befestigten Bahnsteigen kann die mechanische Einstiegshilfe nicht verwendet werden.  Wie wird das Ein- u. Aussteigen für RollstuhlfahrerInnen an solche Bahnhöfe gewährleistet?

 

19.       Viele Bahnhöfe Österreichs verfügen über keine Liftanlagen, die ein gefahrloses Wechseln der Bahnsteige für Rollstuhlbenutzerlnnen und gehbehinderte Menschen ermöglichen.

Bis wann werden welche Maßnahmen getroffen, um ein gefahrloses Wechseln der Bahnsteige für diese Personengruppe zu gewährleisten?

 

20.     Sind auch Ihnen 'Fälle' bekannt, wo Personen über die Gleisanlagen gehen oder rollen mußten, weil kein Lift bzw. keine barrierefreie Unterführung vorhanden war, und dabei von einem herannahenden Zug getötet wurden?

 

21.     Wieviel Menschen mußten auf diese tragische Weise in den letzten Jahren sterben?

 

22.     Trägt die ÖBB die Verantwortung und ist sie auch schadenersatzpflichtig, wenn es trotz Begleitung eines ÖBB-Bediensteten beim Überqueren der Geleise zu einem Unfall kommt, bei dem die behinderte Person verletzt oder getötet wird?

          Wenn ja: An wieviel verletzte Personen wurden Schadenersatzansprüche ausbezahlt?

          Wie hoch ist die Summe der in den letzten 5 Jahren ausbezahlten Leistungen an verletzte Personen?

          Wie hoch ist die Summe der in den letzten 5 Jahren ausbezahlten Leistungen an die Hinterbliebenen, wenn Menschen getötet wurden?  Wenn nein: Wie gedenken Sie diese in Zukunft zu ändern und bis wann wird es einen Schadenersatzanspruch an oben genannte Personen geben?

 

23.     Bis wann gedenken Sie diese enormen Gefahrenquellen für gehbehinderte Menschen und RollstuhlfahrerInnen auszuschließen, indem es gesichterte Möglichkeiten gibt, die ein gefahrloses Wechseln der Bahnsteige möglich machen?

 

24.     Neben den oben genannten Gefahrenquellen im Bahnhofsbereich gibt es auch in den Zügen enorme Hindernisse.  So wurden auf Personennahverkehrsstrecken Triebwagen.. in Betrieb genommen, die zum Öffnen bzw.  Schließen der Einstiegstüren Sensortasten haben.  Blinde und schwerst sehbehinderte Personen bekommen bei diesen Tasten keine Rückmeldung, ob sie gedrückt wurden oder nicht, bzw. ob die Tür geöffnet oder geschlossen wurde.

          Warum wurde das System der Sensortasten bei den Waggontüren eingebaut, obwohl es in        der ÖNORM 1600 unter Punkt 3.3.3.6. heißt: 'Sensortasten sind nicht zulässig'?

 

25.     Der Stufenauf- bzw. abgang wird in den meisten Waggons durch das Schließen der Waggontür nicht abgedeckt.  Diese künstliche 'Fallgrube' wurde bereits vielen Menschen zum Verhängnis und stellt eine Gefahrenquelle dar, die ohne großen Aufwand durch eine Abdeckung, die an der Waggontür angebracht ist, ausgeschaltet werden kann.

          Warum ist diese seit Jahren bekannte Gefahrenquelle bis heute nicht behoben?  Bis wann          werden diese Abdeckungen an allen Waggontüren angebracht sein?

 

26.     Viele Wagentüren lassen sich im Haltestellenbereich beidseitig öffnen.  Für blinde, sehbehinderte, alte Menschen und Kinder ist daher nicht erkennbar, auf welcher Seite der beiden geöffneten Ausstiegsmöglichkeiten sich der Bahnsteig befindet.  Diese ­Gefahrenquellen könnten durch das Installieren einer seitenselektiven Türsteuerung ausgeschlossen werden.

          Bis wann werden auch alte Züge, die vor allem im Regionalverkehr eingesetzt sind, mit   seitenselektiven Türsteuerungen nachgerüstet?

 

27.     Sind auch Ihnen 'Fälle' bekannt, wo Menschen zu Schaden kamen oder getötet wurden, weil sie aufgrund der fehlenden seitenselektiven Türsteuerung auf der falschen Seite ausstiegen, sich verletzten oder von einem herannahenden Zug getötet wurden?

 

28.     Eine barrierefreie Benutzung des öffentlichen Personennah- und fernverkehrs setzt voraus, daß nur mehr neue Waggons in Betrieb genommen werden, die nicht nur im Waggoninneren zur Gänze barrierefrei adoptiert sind, sondern zusätzlich durch wagengebundene Einstiegshilfen barrierefrei zugänglich sind.

Werden Sie sich dafür einsetzen, daß diese Forderungen umgesetzt werden?  Wenn ja: Bis wann werden alle Züge, sowie der Bahnhofsbereich für alle (auch für behinderte Menschen) barrierefrei benutzbar sein?

Wenn nein: Warum nicht?

 

29.     Werden Sie sich in Ihren Bereichen dafür einsetzen, daß behinderte Menschen nicht mehr diskriminiert werden, indem Sie die Schaffung eines

          Behindertengleichstellungsgesetzes (Antidiskriminierungsgesetz) unterstützen?

 

30.     Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um Diskriminierung an behinderten

Menschen in Ihren Bereichen nicht mehr zuzulassen?