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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Dr. Preisinger, Dr. Krüger und Kollegen

an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten

betreffend die Auswirkungen der Rechtschreibreform

 

"Nur Herr Duden wird sich die Hände reiben" meinte Engelbert Washietl in einem Artikel der Salzburger Nachrichten vom 21.11.1994 zum Thema Rechtschreibreform und traf damit den Nagel

 

auf den Kopf.

 

Am 1. Juli dieses Jahres soll nämlich in Wien die Unterzeichnung einer internationalen Vereinbarung zur Reform der deutschen Rechtschreibung erfolgen, von der selbst Sprachexperten sagen, daß es sich bestenfalls um eine "sanfte Reform handelt" und "der eigentliche Durchbruch

 

ausgeblieben sei".

Eine Rechtschreibreform also, die in ihrer Endfassung bei weitem nicht mehr das hält, was man sich zumindest auf seiten der Verantwortlichen von ihr anfänglich versprochen hat.

 

Von der anfänglichen Absicht, auf die Großschreibung gänzlich zu verzichten, blieb ein Ausnahmendschungel übrig, in dem man hinsichtlich der Groß - oder Kleinschreibung zu beachten haben wird, ob es sich zum Beispiel um 'jeden Einzelnen " oder um "ziele " handelt.

"Des Näheren " wird man künftig mit einem Großbuchstaben - "von fern" weiterhin mit einem Kleinbuchstaben zu beginnen haben.  Das briefliche Du, Dich, Dein etc.  " darf in Zukunft klein geschrieben werden, "ihr und Ihnen" bleibt aber groß, mit Ausnahme jenes als Plural von "Dir" gebrauchte "Ihr"- dieses wird nämlich klein geschrieben.

Schreibt man nunmehr entsprechend dem Stammprinzip belämmert, Gamse oder Stangel mit a, so .dürfen die Eltern das e behalten, stellen aber mit diesem e eine weitere Ausnahme dar, die zur Unübersichtlichkeit der deutschen Sprache beiträgt.

Die nach Expertenmeinung äußerst Reformbedürftige s-Schreibung wurde insofern reformiert als man nunmehr zur "Vereinfachung" das "ß" zwar nicht abgeschafft hat, es aber bei dem als Konjunktion gebrauchten "daß" durch ss 11 ersetzt hat.

Daß man künftig Kuß mit "ss", Gruß aber weiterhin mit ",ß" schreibt, wird wohl auch kaum zu der von den Befürwortern der Rechtschreibreform ins Treffen geführt Vereinfachung der deutschen Sprache führen können.

 

Abgesehen von der Frage nach der Sinnhaftigkeit so mancher Änderung der deutschen Sprache im Zuge dieser Reform liegt nach Auffassung der unterfertigten Abgeordneten der eigentliche Skandal darin, daß eine derartige für alle Bevölkerungs- und Altersgruppen maßgebliche Rechtschreibreform unterzeichnet wird, ohne dem Gesetzgeber bzw. den Volksvertreter auch nur über die Ergebnisse der Rechtschreibreform zu berichten.

Daß die Freiheitlichen mit ihrer diesbezüglichen Kritik nicht alleine sind, beweist ein Artikel der Oberösterreichischen Nachrichten vom 15.6.1996, in welchem folgendes zu lesen ist: "SP-Sprecher Erwin Niederwieser möchte zwar auch eine Behandlung im Parlament, schränkt aber die praktische Umsetzung ein.  Man müsse die Kosten bereden.  "

Keinen Handlungsbedarf des Parlaments sieht in dieser Frage erwartungsgemäß der VP­Klubobmann Andreas Khol, wie dem oben angeführten Artikel zu entnehmen ist.

 

Ähnliche Bedenken über das Zustandekommen der Rechtschreibreform gibt es in Deutschland, wo ein Hochschulprofessor aus Jena eine Verfassungsbeschwerde gegen die Rechtschreibreform beim deutschen Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt hat, um so die geplante Reform zu Fall zu bringen.  Er beruft sich in diesem Zusammenhang auf den verfassungsrechtlich festgelegten Grundsatz, daß alle für den Bürger maßgeblichen Entscheidungen vom Gesetzgeber getroffen werden müßten und nicht ins Belieben der Bürokratie gestellt werden dürften.

 

 

Abgesehen von den Schwierigkeiten, mit denen jeder einzelne aufgrund der Rechtschreibreform konfrontiert sein wird, und abgesehen von den verfassungsrechtlichen Bedenken, löst diese eine Kostenlawine von ungeahntem Ausmaß aus.

Allein die aus der Rechtschreibreform resultierende Notwendigkeit der Adaptierung der rd. 3500 Schulbücher wird Kosten in der Höhe von rd. hundert Millionen öS verursachen.

 

Wie bereits einleitend angeführt, sind die eigentlichen Gewinner dieser Reform die Buchverlage.  Noch einen Schritt weiter geht in diesem Zusammenhang der ehemalige Unterrichtsminister und Altbürgermeister Dr. Zilk, wenn er aus seinem Urlaubsdomizil verlauten läßt: "Die Reform sei letztlich im Husch-Pfusch-Verfahren durchgezogen worden, weil der Dudenverlag, der seine Bücheln verkaufen will, das Messer angesetzt hat.  Nicht die Kultur- und Bildungspolitiker hätten in Wahrheit die Reform gemacht, sondern sich diesen Quatsch diktieren lassen.  "

 

 

 

 

Aus diesen Gründen richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten folgende

 

 

 

ANFRAGE:

 

 

 

1        Wurde das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten von der bereits eingelegten Verfassungsbeschwerde beim deutschen Bundesverfassungsgericht offiziell in Kenntnis gesetzt?

 

 

2)      Wurde im Zuge der Diskussionen über die Rechtschreibreform der Verfassungsdienst zur Klärung von verfassungsrechtlichen Fragen, wie sie in Deutschland aufgetreten sind,

bemüht?

 

2a)    Wenn ja, zu welchen Ergebnissen kam der Verfassungsdienst?

 

 

3)      Auf welcher gesetzlichen Grundlage beruht die Unterzeichnung der Vereinbarung über die deutsche Rechtschreibreform am 1. Juli dieses Jahres?

 

4)         Halten Sie es für ausreichend, eine derartig tiefgreifende Veränderung einer Sprache, die alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes uneingeschränkt betrifft, einzig und allein mit der Kenntnisnahme eines Berichtes über die Rechtschreibreform durch den Ministerrat bewenden zu lassen?

 

5)         In welcher Form gedenken Sie, die österreichische Bevölkerung über die Rechtschreibreform zu informieren?

 

6)         Wann soll diese Information erfolgen?

 

7)         Welche Kosten werden dadurch entstehen?

 

8)      Wurden betreffend die Finanzierung der Mehraufwendungen im Zuge der Umstellung der Schulbücher bereits Gespräche mit dem Familienministerium aufgenommen?

 

8a)    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

 

 

9)      In welcher Form wird eine Umschulung der an Österreichs Schulen unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer auf die neue Rechtschreibreform erfolgen?

 

 

10)    Wann kann mit dem Beginn der erforderlichen Umschulungen gerechnet werden?

 

 

11)    Welche Kosten werden durch die Umschulung der Lehrer entstehen?

 

 

12)    Was gedenken sie zu tun, um Härten zu vermeiden, die dann entstehen können, wenn Schüler während oder knapp vor Ende ihrer schulischen Ausbildung mit dem Ende der

Übergangsfrist für die Einführung der Rechtschreibreform konfrontiert werden?