1284/J
gem § 93 Abs 1 GOG
der Abgeordneten Friedhelm Frischenschlager, Thomas Barmüller,
Volker Kier und weitere Abgeordnete
betreffend eine beschäftigungs- und umweltpolitisch wirksame
Steuerreform
an den Bundesminister für Finanzen
Ziel einer effektiven Wirtschaftspolitik muß die Sicherung einer tragfähigen
Basis für eine sozial und ökologisch nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung
sein. Um diese Zielsetzung zu erreichen ist die internationale
Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, die Beschäftigungssituation zu verbessern
sowie die Energie- und Materialeffizienz wirtschaftlicher Prozesse zu steigern.
Staatliche lnterventionen und ordnungspolitische Maßnahmen, die schon
bisher nicht im vollen Umfang oder nicht dauerhaft die in sie gesetzten
wirtschafts- und umweltpolitischen Erwartungen erfüllt haben, sind in der
aktuellen budgetären Situation nicht oder nur schwer finanzierbar. AIs
Alternative und Ergänzung bieten sich marktwirtschaftliche politische Ansätze
an.
Neben anderen politischen Handlungsfeldern bietet die Finanzpolitik im
besonderen Maße die Möglichkeit, mit marktgerechten politischen
lnstrumenten die beschäftigungs- und die umweltpolitischen
Rahmenbedingungen zu gestalten. Einen entsprechenden marktkonformen
Ansatz Iiefert das Konzept eines ökologisch orientieren Umbaus des
Steuersystems.
Mit einer ökologischen Steuerreform sollen die Steuer- und
Abgabenbelastungen für den Faktor Arbeit gesenkt und der daraus
resultierende Einnahmenausfall durch Energie- und Ressourcensteuern
budgetär aufkommensneutral ausgeglichen werden. Damit werden
wirtschaftIiche Voraussetzungen für das Entstehen neuer Arbeitsplätze und für
einen grundsätzlichen Kurswechsel in Richtung höhere Energie- und
Materialeffizienz geschaffen.
Neben der Preiselastizität für Energie besteht eine Substitutionselastizität
zwischen Arbeit und Energie sowie zwischen Kapital und Energie. Höhere
Energiepreise bewirken einen geringeren Energieverbrauch. Energie wird
eingespart und durch Arbeitskraft ersetzt bzw durch lnvestitionen
ausgeglichen. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Die Substitution bewirkt
keine Rückkehr zu mehr manueller Arbeit. Die Substitution findet oft nicht direkt
für vergleichbare Prozesse statt, sondern indirekt. Durch höhere Energiepreise
sind energiesparende Investitionen rentabler als energieintensive. Mit der
lnvestition verbessert sich die Wettbewerbsfähigkeit. Damit wächst der
Arbeitseinsatz. Eine andere Substitution findet statt, wenn Unternehmen
vorgeIagerte Produktionsstufen auflassen und lnvestitionsmöglichkeiten im
Verarbeitungsbereich suchen. Für die Unternehmen ergibt sich eine Erhöhung
des Arbeitseinsatzes pro Energieeinsatz, nicht aber ein direkter Ersatz der
Energie durch Arbeit bei gleichem Produkt und Prozeß. Bewirkt wird somit eine
Vorwärtsstrategie zu höherer Wertschöpfung und größerem Einsatz von Know-
how und qualifizierter Arbeit. lnsbesondere die Öko-Branche, ein Bereich mit
überdurchschnittlichen Wachstumsraten, sucht laut Einschätzung der OECD
vorwiegend Personal mit höherer Ausbildung.
Das Deutsche lnstitut für Wirtschaftsforschung und das Österreichische
Wirtschaftsforschungsinstitut haben jeweiIs für Deutschland und Österreich die
Wirkung einer Energiesteuer ohne internationalen GIeichklang untersucht,
deren autonome Einführung EU-rechtlich durchaus möglich ist. ln beiden
Fällen sind bestimmte Varianten einer ökologischen Steuerreform wirtschaftlich
vorteilhaft.
Das WlFO berechnete in der Untersuchung der Einführung einer Energiesteuer
ohne internationalen Gleichklang einen induzierten Beschäftigungszuwachs
von 0,4% oder 11.000 Personen innerhalb von 5 Jahren im Vergleich zum
Referenzszenario ohne Energiesteuer. Wesentlich ersc.heinen gezielte
flankierende lnvestitionsförderungen. Bei gänzlicher Aufkommensneutralität
der Steuerreform müssen diese Förderungen durch budgetäre
Umschichtungen im Ausmaß von jährlich öS 6 bis 15 Mrd. finanziert werden.
Ähnliche Effekte beschreibt das Deutsche lnstitut für Wirtschaftsforschung für
Westdeutschland. Eine autonom eingeführte Energiesteuer schafft innerhalb
von 10 Jahren 300.000 bis 800.000 zusätzliche Beschäftigte in den ''alten
Bundesländern''. Zu den ''Gewinnern'' der veränderten Rahmenbedingungen
zählen Iaut Studie sämtliche Dienstleistungen, der Elektrotechnik- und
Maschinenbau sowie der Hoch- und Tiefbau. Höheren Belastungen sind die
Bereiche Grundstoffe (Eisen, Stahl, chem. Basiserzeugnisse, NE-Metalle,
Steine und Erden) sowie teilweise Nahrungsmittel und Textilien ausgesetzt.
Ökologische Steuerreformen wurden unter anderem bereits in Finnland,
Kanada, den Niederlanden, Schweden und besonders weitgehend in
Dänemark umgesetzt. Dänemark hat mit 1.1.96 die seit drei Jahren erhobene
CO2-Steuer erhöht und vier neue Umweltabgaben eingeführt. Private
Haushalte zahlten bereits rund öS 1000,-- pro Tonne CO². Die Tarife für
Haushalte und lndustrie steigen stufenweise bis zum Jahr 2000.
Energiesparende lnvestitionen können steuerlich geltend gemacht werden.
Neu eingeführt wurden Abgaben auf SO², Pestizide, Nickel-Cadmium-Akkus
und chlorierte Lösungsmittel. Die Mehreinnahmen werden über Förderungen
und eine Senkung der Lohnnebenkosten rückvergütet. Gleichzeitig gehört
Dänemark zu den wenigen Ländern der EU, deren Arbeitslosenrate seit den
Rezessionsjahren 1992/93 - allerdings von hohem Niveau ausgehend (12%) -
rückläufig ist (1996: 8%). Diese Entwicklung wird auf eine generell offensive
Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik zurückgeführt.
Richtig ist, daß jede Änderung der umwelt- und wirtschaftspolitischen
Rahmenbedingungen UmstelIungskosten vor alIem in der den internationalen
Wettbewerb ausgesetzten Industrie, aber auch in privaten Haushalten
verursacht. Deshalb erfordert die Umstellung Zeit, um den bestehenden
Kapitalstock nicht plötzlich abschreiben zu müssen. Andererseits soll die
laufende Beeinträchtigung der Umwelt und Dritter möglichst baId reduziert
werden, um die laufend anfallenden externen Kosten zu beseitigen. Die Reform
muß den Weg zwischen plötzlicher Änderung und damit verbundenen hohen
Umstellungskosten sowie langsamen Veränderungen und damit anhaltender
Belastung durch externalisierte Kosten gehen. Ein früher Beginn der Reform
ermöglicht längere Umstellungszeiträume, die an die speziellen Gegebenheiten
der jeweiligen Volkswirtschaft angepaßt sind. Umweltfolge- und KontroIlkosten
werden zu einem möglichst frühen Zeitpunkt abgebaut. Damit ist ein
Nettowohlfahrtsgewinn verbunden.
Darüber hinaus darf der langfristige Vorteil für den ''First Mover'' nicht
übersehen werden. Die Nachfrage nach Umwelttechnologie und nach Know-
how über ressourcen- und energieeffiziente Produktionsweisen wächst. Trotz
fehlender Konvention zur Abgrenzung von Umweltgütern und -dienstleistungen
kann der aktueIl erzielte weltweite Umsatz in den Bereichen
Wasserbehandlung, Abfallmanagement, Luftreinhaltung und Umweltdienste auf
öS 3.500 Mrd. geschätzt werden. Dabei sind japanische Firmen im Markt für
Luftreiningungsanlagen, für Entstickungsausrüstung und für Prozesse der
Entschwefelung von Schweröl führend. Ein schwedisches Unternehmen und
deutsche und französische Firmen führen bei Technologien für
Abwasserbehandlung, US-amerikanische in der Abfall- und BiotechnoIogie.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende
DrlngllChe Anfrage
1. Wie treten Sie dem Umstand entgegen, daß die im Rahmen des
Strukturanpassungsgesetzes 1996 eingeführte Elektrizitäts- und
Erdgasabgabe, die eine einnahmenseitigen Maßnahme zur
Budgetsanierung darstellt, vom WlFO schon 1995 in einer vom BMU,
BMWFK und dem BMLF in Auftrag gegebenen Studie als die
beschäftigungspolitisch nachteiligste Variante einer Energiebesteuerung
ausgewiesen wurde?
2. Wie vermeiden Sie den Eindruck der Sprunghaftigkeit, Unberechenbarkeit
und Wirtschaftsfeindlichkeit vor dem Hintergrund unvorhersehbarer,
massiver Erhöhungen der Verbrauchssteuern auf Energie, wie im Fall des
Strukturanpassungsgesetzes 1996 bzw. der Mineralölsteuererhöhungen
1995? .
3. Stimmen Sie der im Nationalen Umweltplan formulierten Notwendigkeit
einer sozial und ökologisch nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung zu?
a. Wenn nein, mit welcher Begründung?
b. Wenn ja, welche Strategie werden Sie verfolgen, um die internationale
Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, die Beschäftigungssituation zu
verbessern sowie die Energie- und Materialeffizienz wirtschaftlicher
Prozesse zu steigern?
4. Welche RoIle weisen Sie staatlichen lnterventionen und
ordnungspolitischen Maßnahmen bei der Erreichung von beschäftigungs-
und umweltpoIitischen Zielsetzungen zu?
5. Welche realen Möglichkeiten zur Anwendung neuer marktkonformer
politischer Instrumenten sehen Sie im Bereich der Wirtschafts- und
Umweltpolitik?
6. Sehen Sie HandIungsbedarf hinsichtlich der Senkung der Steuer- und
Abgabenbelastung auf den Produktionsfaktor Arbeit?
a. Wenn nein, wie begründen Sie dies, und wird sich aus lhrer Sicht in
absehbarer Zeit Handlungsbedarf ergeben?
b. Wenn ja, welche Maßnahme werden Sie bis wann setzen?
7. Wie beurteilen Sie den beschäftigungspoIitischen Gestaltungsspielraum,
der sich durch Reformen im Bereich der Bundesabgaben erschließt?
8. Wie begegnen Sie dem Vorwurf, daß Unternehmen mit einer hohen
Fertigungstiefe und damit einer überdurchschnittlichen Wirkung auf die
Beschäftigungssituation, in Österreich besonders hohen Belastungen durch
Lohnnebenkosten ausgesetzt und so in ihrer Wettbewerbsfähigkeit
beeinträchtigt sind?
9. Wann und mit welchen Strategien werden Sie der zunehmenden
Absiedelungstendenz von lndustriebetrieben - wie beispielsweise im Falle
von Semperit - mit effektiven finanzpolitischen Maßnahmen begegnen?
10.Wann und mit welchen finanzpolitischen Maßnahmen werden Sie Anreize
schaffen, um die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich
im Wettbewerb um zukunftsträchtige lnvestitionen zu stärken, und um der
Umleitung von Kapital, wie im Falle Siemens, in andere EU-Staaten zu
begegnen?
11. Welche Maßnahmen werden Sie treffen, um die Rahmenbedingungen für
den weiteren Ausbau von Biomasse-, Biogas-, Solarenergie- und
Windkraftanlagen zur Erzeugung elektrischer Energie zu begünstigen, der
mit einer überproportionalen Wertschöpfung im lnland verbunden ist?
ln formaler Hinsicht wird vor Eingang in die Tagesordnung die dringliche
Behandlung der Anfrage zum frühest möglichen Zeitpunkt verlangt.