1387/J

 

 

 

 

der Abgeordneten Petrovic, LangthaIer, WabI, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz

 

betreffend Inanspruchnahme von Art. 16 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG

 

Ab Herbst 1996 werden erstmaIs ungekennzeichnete LebensmitteI in den

Verkaufsregalen stehen, die zum TeiI aus genmanipuIierten US-Sojabohnen

hergestelIt wurden. In den USA werden seit heuer gentechnisch veränderte

Sojabohnen mit konventionelI gewonnenen vermischt. ln den VerhandIungen mit

der EU-Kommission wurde von dem multinationalen Konzern MONSANTO darauf

hingewiesen, daß aufgrund der Vermischung in den USA eine Unterscheidung

zwischen konventioneIl und gentechnisch erzeugten Sojabohnen nicht mehr mögIich

sei. Aus diesem Grund sei auch eine Kennzeichnung, wie etwa ''gentechnisch

verändertes Produkt'', vor alIem gegenüber den konventioneIl anbauenden

Landwirten unfair, da ja diese auf den Einsatz der Gentechnik verzichtet haben. Die

EU-Kommission hat daraufhin den Sojabohnenimporten -ohne

Kennzeichnungsvorschriften- aus den USA ihre ErIaubnis erteilt. Somit werden

erstmals im diesjährigen Herbst gentechnisch veränderte Sojaprodukte

ungekennzeichnet auf den Markt kommen.

 

Die Lebensmittel, die davon am meisten betroffen sein werden, sind Pflanzenfette

zum Braten und Backen, sowie in verarbeiteter Form aIs Margarine, Brotaufstriche,

Kuchen, Süßwaren, Feinkostsaucen etc. In Österreich wurden 1994 rund 11.600 t

SojaöI importiert; dies entspricht rund 6% der Gesamtmenge der auf dem

österreichischen Markt befindIichen PfIanzenöle. Um ein VieIfaches größer sind

dagegen die Einfuhren von ÖIkuchen und Preßrückständen von Soja, die

hauptsächlich als Futtermittel dienen. Laut Statistik wurden 1994 davon rund

460.000 t importiert. Diese ÖIkuchen und Preßrückstände werden zu eiweißhaltigem

Schrot verarbeitet, der vornehmIich an Schweine und GefIügel verfüttert wird und so

über diesen Umweg in die LebensmitteIkette geIangen kann.

 

Zahlreiche Mitglieder der Bundesregierung, sowie die Spitzenkandidaten der

Regierungsparteien zur EU-Wahl haben im Zuge des EU-Wahlkampfes eine

fortschrittliche und auch mutige Umwelt- und Konsumentenschutzpolitik Österreichs

in der EU versprochen. Vor aIIem im Bereich des Einsatzes der GentechnoIogie in

Landwirtschaft und LebensmitteIproduktion wurden viele Versprechen gemacht, die

auch nationale AlIeingänge miteinschlossen.

Es geht nicht nur um die Glaubwürdigkeit österreichischer QualitätspoIitik in der EU,

sondern es geht vor allem auch um die GIaubwürdigkeit österreichischer Politik vor

der eigenen Bevölkerung.

Nicht nur, daß die gesundheitIichen und ökoIogischen Langzeitwirkungen und

Risiken weiterhin ungeklärt sind, fordern rund 82% der österreichischen

Bevölkerung laut Umfragen des Meinungsforschungsinstitutes FesseI, Wien, daß

keine gentechnisch veränderten Lebensmittel auf den heimischen Markt kommen

solIen. 94o/o der österreichischen und 95% der deutschen Bevölkerung fordern

zudem die lückenIose Kennzeichnung gentechnisch veränderter Produkte, solIten

diese doch auf den Markt gelangen. Auch der Großteil der Handelsketten hat sich -

im lnteresse der österreichischen Konsumenten und Konsumentinnen - gegen das

lnverkehrbringen von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ausgesprochen.

 

Es besteht für die österreichische Bundesregierung die Möglichkeit und die

Verpflichtung, im Interesse und zum Schutz der österreichischen BevöIkerung von

Artikel 16 der FreisetzungsrichtIinie 90/220/EWG Gebrauch zu machen und den

Import von gentechnisch verändertem Soja und Produkten, die gentechnisch

verändertes Soja enthalten, zumindest vorübergehend zu unterbinden. Zudem

würde eine derartige Entscheidung eine EU-weite Diskussion einIeiten. Auch andere

EU-MitgIiedstaaten erwägen derzeit ein derartiges Vorgehen nach Artikel 16 der

Freisetzungsrichtlinie.

 

Artikel 16 der EU-Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG besagt:

''(1 ) Hat ein Mitgliedstaat berechtigten Grund zu der Annahme, daß ein Produkt, das

nach dieser Richtlinie vorschriftsmäßig angemeldet wurde und für das eine

schriftliche Zustimmung erteilt worden ist, eine Gefahr für die menschliche

Gesundheit oder die Umwelt darstellt, so kann er den Einsatz und/oder Verkauf

dieses Produkts in seinem Gebiet vorübergehend einschränken oder verbieten. Er

unterrichtet hiervon unter Angabe von Gründen unverzüglich die Kommission und

die übrigen Mitgliedstaaten.

(2) Eine Entscheidung hierüber ergeht innerhalb von drei Monaten nach dem in

Artikel 21 festgeIegten Verfahren.''

 

Die österreichische Bundesregierung hat nun die einmalige Chance, im Interesse

der Umwelt und zum Schutz der Gesundheit der österreichischen Konsumentinnen

und Konsumenten aktiv tätig zu werden und dadurch auch wieder Vertrauen in die

Handlungsfähigeit österreichischer Politik zu wecken. Es wird jetzt zu ermessen

sein, ob die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für

Gesundheit und Konsumentenschutz den Willen und die Ängste der

überwältigenden Mehrheit der österreichischen Bevölkerung bezüglich Gentechnik

ernst nimmt oder den Interessen einiger multinationaIer Konzerne in die Hände

spielt.

 

Da gentechnisch verändertes Soja und Produkte, die gentechnisch verändertes Soja

beinhalten, aIIer Voraussicht nach im November bzw. Dezember 1 996

ungekennzeichnet auf den Markt geIangen werden, wenn nicht raschest von Art. 16

der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG Gebrauch gemacht wird, stellen die

unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Gesundheit und

Konsumentenschutz foIgende

 

 

DRlNGLlCHE ANFRAGE

 

1 . Werden Sie zum Schutz und im Interesse der österreichischen Bevölkerung

hinsichtlich der lmporte von gentechnisch verändertem Soja (mit erhöhter

VerträgIichkeit gegenüber dem Herbizids GIyphosat - 96/281/EWG) und der

Produkte, die gentechnisch verändertes Soja enthaIten, die in Kürze

ungekennzeichnet auf den Markt gelangen werden, von Art. 16 der

FreisetzungsrichtIinie 90/220/EWG Gebrauch machen, um deren

Inverkehrbringen zu unterbinden?

 

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage unter Verweis auf § 93 Abs.2 GOG verlangt.