2150/J XX.GP

 

der Abgeordneten Kier, Gredler und Partner/innen

an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales

betreffend Nichtgewährung der Notstandshilfe an Ausländer

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gab kürzlich der

Beschwerde eines türkischen Staatsbürgers gegen Österreich wegen Nicht-

Gewährung der Notstandshilfe im sog. Fall "Gaygusuz gegen Österreich" recht

(Urteil vom 16.9.1996, Zl 39/1995/545/631).

Der 1987 gestellte Antrag des seit 1973 in Österreich ansässigen Türken auf

Gewährung der Notstandshilfe war ausschließlich mit der Begründung abgelehnt

worden, daß er nicht die Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft

erfülle. Der Beschwerdeführer behauptete gegenüber dem EGMR eine Verletzung

von Art 14 iVm Art 11. ZPEMRK und bekam im Ergebnis recht. Der Anspruch auf

Notstandshilfe sei ein vermögenswertes Recht im Sinne des Art 11. ZPEMRK, da

die Gewährung von Notstandshilfe vorhergehende Beitragszahlungen des

Notstandshilfeempfängers voraussetze. Nach der ständigen Rechtsprechung des

EGMR ist eine unterschiedliche Behandlung dann diskriminierend im Sinne des Art

14 EMRK, wenn sie keine sachliche und vernünftige Rechtfertigung aufweist, dh.,

wenn sie kein legitimes Ziel verfolgt oder die Verhältnismäßigkeit zwischen den

eingesetzten Mitteln und den verfolgten Zielen nicht gewahrt ist. Eine unterschied-

liche Behandlung, die ausschließlich nach der Staatsangehörigkeit differenziert,

muß durch besonders gewichtige Gründe gerechtfertigt werden. Solche konnte der

EGMR im vorliegenden Fall nicht finden, da sich der Türke rechtmäßig im

Bundesgebiet aufhält, seinen Beruf ausübt und unter den gleichen Bedingungen wie

österreichische Arbeitnehmer Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet hat.

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgende

ANFRAGE

an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales:

l. Unter welchen Voraussetzungen wird Ausländern schon heute - abgesehen von

der Bestimmung des § 34 Abs 2 - Notstandshilfe gewährt?

2. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um das zitierte Urteil des EGMR in

Österreich umzusetzen?

3. Wird dem türkischen Beschwerdeführer ab sofort bzw. rückwirkend die Notstands-

hilfe gewährt? Wenn nein, warum nicht?

4. Wird in Zukunft - in Hinblick auf das Erkenntnis des EGMR ausländischen

Bürgern mit einer Aufenthaltsbewilligung in Österreich die Notstandshilfe gewährt,

soferne sie die Bedingungen erfüllen, die auch österreichische Staatsbürger

erfüllen müssen? Wenn nein, warum nicht?

5. Werden Sie dem Nationalrat eine Novelle zum Arbeitslosenversicherungsgesetz

betreffend § 33 Abs 2 vorlegen, in dem die Voraussetzung der österreichischen

Staatsbürgerschaft für die Gewährung der Notstandshilfe festgeschrieben ist, um

die Auszahlung der Notstandshilfe an Ausländer zu ermöglichen? Wenn ja,

erläutern Sie bitte die vorgeschlagene Novellierung! Wenn nein, warum nicht?

6. Halten Sie eine Diskriminierung von Ausländern betreffend die Auszahlung von

Notstandshilfe, wie sie bisher bestanden hatte, für gerechtfertigt und

menschenrechtskonform? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Wenn nein,

welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

7. Ab welchem Zeitpunkt bzw. nach wieviel Jahren ist für Sie ein Ausländer mit

legaler Aufenthaltsberechtigung, der in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder

stand, soweit in Österreich "integriert", daß er im Anschluß an die Arbeits-

losenunterstützung Anspruch auf die Notstandshilfe erwirbt?