2303/J XX.GP
DRINGLICHE ANFRAGE
der Abgeordneten Gaugg
und Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend Verrat von Arbeitnehmerinteressen
Seit dem Wechsel an der Regierungsspitze haben sich die Anzeichen massiv verstärkt, daß die
Bundesregierung angesichts der schwierigen Lage Österreichs ihre schon bisher hilflose
Wirtschafts- und Sozialpolitik nunmehr gänzlich eingestellt hat und in tiefe Resignation
verfallen ist.
Maßnahmen zur Sicherung der Beschäftigung werden nur noch alibihaft angekündigt, ohne
daß wirklich konkrete Maßnahmen folgen. Im Bereich der Bauwirtschaft stellt sich heraus, daß
Bauvolumina in Milliardenhöhe immer wieder unter verschiedenen Namen angekündigt
werden, ohne daß wirklich Nennenswertes bewegt wird.
Die resignative Haltung der Bundesregierung zeigt sich daran, daß auch die Debatte zur
Arbeitszeitflexibilisierung offenbar nur noch unter dem Motto "noch Ärgeres verhindern"
geführt wird und bei der Durchführung der Maßnahmen auch massive Einkommenseinbußen
der Arbeitnehmer und der Anbau sozialer Standards in Kauf genommen werden.
Die jüngsten Äußerungen von Bundeskanzler Mag. Klima unterstreichen diesen Weg: er
fordert Arbeitszeitverkürzungen ohne vollen Lohnausgleich, dies sei gelebte Solidarität.
Im Mittelpunkt steht demnach nicht mehr die Schaffung von Beschäftigung sondern die
mechanische Vorstellung, daß eine bloße Umverteilung der Arbeitszeit auf eine größere
Zahl von Beschäftigten alle Arbeitsmarktproleme zu lösen vermag. Es liegt auf der Hand, daß
ein derartiges defensives Konzept nicht
geeignet ist, das erreichte Einkommensniveau der
ÖsterreicherInnen und Österreicher zu sichern sondern sich als Einbahnstraße in ein
Niedriglohnland Österreich erweisen wird.
Der von Klima ins Spiel gebrachte Vorschlag einer "Arbeitszeitverkürzung ohne
Lohnausgleich" stößt bei einzelnen Gewerkschaftsfunktionären auf Widerstand. So heißt es,
"Klimas Lohntütengriff" sei "inakzeptabel und kurzsichtig". Die SPÖ sei "für die Sicherung
von Arbeitnehmerinteressen zuständig und nicht für deren Demontage".
Darüber hinaus gehende Äußerungen oder Handlungen der Gewerkschaftsspitze sind jedoch
bisher unterblieben. Offenbar wird die Politik des erzwungenen Lohnverzichtes der
Arbeitnehmer vom ÖGB mitgetragen. Auffallend ist auch das absolute Schweigen der ÖVP,
das für sich spricht.
Die unterfertigten Abgeordneten richten angesichts dieses gefährlichen Weges an den
Bundeskanzler nachstehende
DRINGLICHE ANFRAGE
1. Trifft es zu, daß Sie der Auffassung sind, daß Arbeitszeitverkürzung ohne vollen
Lohnausgleich die gelebte Solidarität der neunziger Jahre ist?
Wenn ja, weshalb?
Wenn nein, wie erklären Sie sich dieses Mißverständnis?
2. Auf welche Studien bzw. auf welche Erwägungen gründen Sie die Auffassung, daß
Arbeitszeitverkürzungen als vorrangiges Mittel zur Bekämpfung der steigenden
Arbeitslosigkeit geeignet sind?
3. Beabsichtigen Sie in diesem Zusammenhang eine Änderung der gesetzlichen Regelungen?
Wenn ja, welche Maßnahmen sind konkret geplant?
4. Wie begründen Sie Ihre Forderung, die Arbeitnehmereinkommen im Zusammenhang mit
Arbeitszeitverkürzungen zu senken?
5. Sind Sie der Auffassung, daß die Arbeitnehmereinkommen in Österreich zu hoch sind?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, wie können Sie damit Ihre Forderung nach einer Senkung der Arbeitnehmer-
einkommen vereinbaren?
6. Sind Ihnen die einschlägigen Studien über die Armut in Österreich bekannt?
Wenn ja, wie können Sie es verantworten, trotz Kenntnis dieser Zahlen einen Lohnverzicht
als gelebte Solidarität zu bezeichnen?
7. Welche konkreten Maßnahmen zur Senkung der Arbeitnehmereinkommen plant die
Bundesregierung?
Wenn keine, wie sind dann Ihre Äußerungen zur Arbeitszeitverkürzung ohne Lohn-
ausgleich zu verstehen?
8. Sind Sie der Auffassung, daß sich die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung für das
Investitionsklima in Österreich günstig auswirken wird?
Wenn ja, auf Grund welcher Erwägungen?
9. Trifft es zu, daß Sie bezüglich einer Arbeitszeitverkürzung (ohne Lohnausgleich bereits
Gespräche mit den Interessensvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer geführt
haben?
Wenn ja, mit wem und mit welchem Ergebnis?
10. Ist es richtig, da Sie diesbezüglich auch mit dem Koalitionspartner ÖVP bereits
Verhandlungen geführt haben?
Wenn ja, mit wem und mit welchem Ergebnis?
11. Welche Auswirkungen auf die Arbeitnehmereinkommen werden die bereits beschlossenen
Maßnahmen im Bereich der
Arbeitszeitflexibilisierung voraussichtlich aufweisen?
12. Entspricht das Vorhaben, für Nachtarbeit künftig nur noch Zeitzuschläge zu gewähren, dem
von Ihnen skizzierten Ziel einer Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich?
13. Sie haben gefordert, daß man sich auch in der Politik an die Kategorie des Abschaffens
gewöhnen müsse.
a) Wie ist diese gefährliche Drohung im Bereich der Arbeitnehmereinkommen zu
verstehen?
b) An welche weiteren konkreten sozialen Standards denken Sie in diesem
Zusammenhang und wann soll mit dem Abschaffen begonnen werden?
11. Können Sie ausschließen, daß neben der von Ihnen in Aussicht genommenen Senkung der
Arbeitnehmereinkommen auch weitere Einkommensverminderungen durch Änderungen im
Steuerrecht eintreten werden?
Wenn nein, welche konkreten Maßnahmen zur weiteren Senkung der Arbeitnehmerein-
kommen sind im Steuerrecht geplant?
15. Planen Sie insbesondere Änderungen bei der Besteuerung des 13. und 14. Bezuges?
Wenn ja, welche?
16. Ihr Amtsvorgänger Dr. Vranitzky hat angekündigt, daß der Verkaufserlös aus dem OeNB-
Anteil des Vorwärts-Verlages in eine Stiftung zur Förderung von Jungarbeitern eingebracht
wird.
Wurde der gesamte bisher erzielte Verkaufserlös in diese Stiftung eingebracht und wird
auch der gesamte Erlös des Verkaufes an eine Bank-Austria-Tochtergesellschaft noch
eingebracht werden?
Wenn ja, welcher Betrag wurde bzw. wird noch in die Stiftung eingebracht?
Wenn nein, welcher Betrag wurde bzw. wird noch in diese Stiftung eingebracht, weshalb
wird bzw. wurde nicht der gesamte Verkaufserlös in die Stiftung eingebracht und für
welche anderen Zwecke wird der
Verkaufserlös ganz oder teilweise verwendet?
17. Wann wurde diese Stiftung gegründet?
18. Wie können Sie es mit Ihrer Forderung nach Lohnverzicht der Arbeitnehmer vereinbaren,
daß die bevorstehende Neuregelung der Politikerbezüge eine erhebliche Erhöhung der
Einkommen zahlreicher Mandatare vorsieht?
19. Planen Sie für jene geschützten Bereiche, wie z.B. die OeNB, die weit überdurchschnittliche
Einkommensverhältnisse aufweisen, vor dem Hintergrund Ihrer Forderung nach
Lohnverzicht ähnliche Maßnahmen?
Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen sind geplant und wann sollen sie umgesetzt
werden?
Wenn nein, warum nicht?
In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 der GOG-NR
vor Eingang in die Tagesordnung zum frühest möglichen Zeitpunkt zu behandeln.