2471/J XX.GP
der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten
betreffend fehlende gesetzliche Grundlage der Rechtschreibreform
Am 1 . Juli 1 996 ist in Wien zwischen VertreterInnen deutschsprachiger Länder und Ländern
mit deutschsprachigen Minderheiten mittels einer ``Gemeinsamen Absichtserklärung`` die
Durchführung einer Rechtschreibreform und deren Inkrafttreten mit 1 .8. 1998 vereinbart
worden.
Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer hat in einer Anfragebeantwortung an die Grünen
(2057/AB) darauf hingewiesen, daß es sich bei der ``Gemeinsamen Absichtserklärung`` zur
Neuregelung der deutschen Rechtschreibung zwischen den deutschsprachigen Ländern um
``eine politische Absichtserklärung maßgeblicher Stellen`, handle. Weiters schreibt die
Unterrichtsministerin: ``Da es sich um keinen gesetzesändernden und gesetzesvertretenden
Staatsvertrag handelt, bedarf es deshalb auch keiner gesetzlichen Grundlagen. Diese
Absichtserklärung wurde im Rahmen der nichthoheitlichen Verwaltung als gegenseitige
Absichtserklärung (memorandum of understanding) ohne stringente Rechtswirkung
abgeschlossen. Aus Sicht des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes handelt es sich bei
der gesprochenen wie bei der geschriebenen Sprache um einen gesellschaftlichen
Konventionsbereich, auf den zwar das Recht verweist, der aber nicht im Detail vom Recht zu
regeln ist.`` Und weiter schreibt sie: ``Wie das Regelwerk von 1901/1902 wird auch die neue
amtliche Rechtschreibung lediglich für diejenigen Institutionen, für die der Staat in dieser
Hinsicht Regelungskompetenz besitzt, verbindlich sein. Das sind einerseits die Schulen und
andererseits die Behörden.``
Laut Vortrag von Unterrichtsministerin Gehrer an den Ministerrat vom 22. Juni 1995, GZ
30.001/20-V/E/95 und vom 4. Juni 1996, GZ 30.001/25-V/E/96 soll die rechtliche
Verbindlicherklärung nicht durch Gesetz, sondern im wesentlichen durch Erlässe bzw. im
Schulbereich zusätzlich auch durch Änderungen von Verordnungen erfolgen. Gedacht ist also
nur an Rechtsakte der Verwaltung. Nach Art 1 8 Abs 1 B-VG darf aber die ``gesamte staatliche
Verwaltung . . . nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden``, und eine gesetzliche Grundlage
für die Einführung der neuen Rechtschreibregeln ist bisher nicht ergangen.
Im ``Journal für Rechtspolitik``, Jahrgang 5, Heft 1 , 1997 folgert daher Dr. Dieter Kolonovits
vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien: ``Zusammenfassend kann
gesagt werden, daß Art 1 8 Abs 1 B-VG gebietet, die Rechtsform des Gesetzes zu wählen,
sollen die neuen Rechtschreibregeln für den Bereich der Amtssprache in der hoheitlichen
Verwaltung verbindlich gemacht werden.`` (Dieter Kolonovits: Staatssprache und
Rechtschreibreform, a.a.O. S 10)
Und Dieter Kolonovits kommt weiter unten zum Ergebnis:
``Wenn die politische Absicht besteht, die neuen Regeln für die Staatssprache für rechtlich
verbindlich zu erklären, müßten folgende Punkte beachtet werden: Art 8 B-VG hebt die
`deutsche Sprache` in Verfassungsrang und läßt eine Weiterentwicklung durch den
Sprachgebrauch jedenfalls zu. Soll aber die deutsche Staatssprache in eine bestimmte
Richtung rechtlich verbindlich festgelegt werden, so kann dies nur durch Rechtsakte der
zuständigen Organe erfolgen.`` - Unerheblich ist dabei, ob es sich dabei ``bloß`` um eine
Änderung von etwas mehr als 400 Wörtern, wie es die geplante Rechtschreibreform vorsieht,
oder ob es sich dabei um eine umfassendere Änderung etwa in Richtung der gemäßigten
Kleinschreibung handelt.
Kolonovits schlägt daher eine Regelung durch den Bundesverfassungsgesetzgeber vor und
zwar durch eine `,Ergänzung des Art 8 B-VG in dem Sinn, daß zu einer Ausführung des
Begriffes `deutsche Sprache` durch Bundesgesetz ermächtigt wird. Die Rechtschreibreform
könnte dann durch Bundesgesetz (bzw einem diesem gleichzuhaltenden Staatsvertrag in
Gesetzesrang) beschlossen werden. Rechtsakte der Verwaltung könnten auf eine gesetzliche
Grundlage gestellt werden und es wäre den Anforderungen des Art 1 8 Abs 1 B-VG Genüge
getan.`` (Kolonovits: Staatssprache und Rechtschreibreform, a.a.O. S 14)
``Damit wäre - über den konkreten Anlaß hinaus - der Rechtssicherheit gedient und auch für
die Zukunft Vorsorge getroffen; insb wäre jedenfalls sichergestellt, daß die Änderungen
einheitlich auch für die Staatssprache als `Landessprache` in den einzelnen Ländern gelten
würden``, schließt Kolonovits. (Kolonovits: Staatssprache und Rechtschreibreform, a.a.O. S
14).
Folgt man dieser Argumentation, so scheint zumindest eines klar: Mittels Erlaß, selbst wenn
diese Vorgangsweise verfassungskonform wäre, sind die obersten Bundesorgane nicht
bindbar, da sie nicht weisungsgebunden sind. Der Bundespräsident, der Bundeskanzler, die
Unterrichtsministerin etc. können sich weiterhin der alten Rechtschreibung bedienen.
Dasselbe gilt für die Gerichte, die in der Ausübung ihres Amtes ja unabhängig sind. Und
schließlich sind auch nur weisungsgebundene Bundesorgane auf die neue Rechtschreibung
verpflichtbar, die Länderorgane können weiterhin die alte Rechtschreibung verwenden. Für
ein Rechtschreib-Tohuwabohu wäre also gesorgt. Und die Schülerinnen und Schüler wären
gezwungen, sich in diesem Tohuwabohu zurechtzufinden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1) Ist Ihnen der Artikel ``Staatssprache und Rechtschreibreform`` bekannt?
2) Teilen Sie die Rechtsauffassung, wie er in diesem Artikel zum Ausdruck gebracht wird?
Teilen Sie insbesondere die Rechtsauffassung, daß die Einführung einer neuen
Rechtschreibung nicht auf dem Erlaßwege, sondern nur über die Befassung des
Gesetzgebers, also des Parlamentes erfolgen
kann?
3) Wenn ja: Bis wann ist mit einer Befassung des Parlamentes zu rechnen? Wenn er die neue
verwendet: Wird er diese nur bei offziellen Anläßen verwenden, privat aber weiterhin
die alte pflegen?
5) Wird Unterrichtsministerin die alte oder die neue Rechtschreibung verwenden? Wenn sie
die neue verwendet: Wird sie die neue nur bei offiziellen Anläßen verwenden, privat
aber weiterhin die alte pflegen?
6) Wir die Ministerin die Schulen anweisen, in Zukunft etwas weniger Wert auf die
Rechtschreibung zu legen? Wird sie die LehrerInnen insbesondere zu einer
Rücksichtnahme in jenen Bereiche aufrufen, in denen die Rechtschreibung geändert
wurde, denn immerhin sind die SchülerInnen täglich außerhalb der Schule in allen
Publikationen etc. mit der alten Rechtschreibung konfrontiert und daher zum Teil wohl
zu Recht verwirrt und verunsichert?