2517/J XX.GP

 

ANFRAGE

der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat

und Kollegen

an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr

betreffend Ausschreibung für die Vergabe eines automatischen

Ökopunktesystems

Der Senat 4 des Bundesvergabeamtes stellt in seinem Bescheid vom

9. April 1997 fest, daß der Zuschlag im Verfahren für die Vergabe eines

"Automatischen Ökopunktesystems" nicht dem Bestbieter erteilt wurde.

Der Zuschlag wurde der Firma Kapsch AG erteilt.

Das Bundesvergabeamt geht in seinem Bescheid davon aus, daß die Vergabe an

die Firma Kapsch AG aus mehreren Gründen unrechtmäßig erfolgt ist.

Im Jahre 1995 hat die Firma Kapsch AG im Auftrag des Verkehrsministeriums

unter dem damaligen Bundesminister Klima gegen Entgelt ein Pilotprojekt auf

der Brennerstrecke zur Erforschung der technischen Machbarkeit und

Funktionsfähigkeit einer automatischen, berührungslosen Kontrolle Von

Ökopunkten durchgeführt. Es wurden Demonstrationsanlagen errichtet und auf

ihre Funktionsfähigkeit getestet. Die Evaluierung der Ergebnisse erfolgte durch

die Firma Kapsch AG, die eine Dokumentation der Ergebnisse dem

Verkehrsministerium zur Verfügung gestellt hat. Die Durchführung dieses

Pilotprojektes führte laut Bescheid des Bundesvergabeamtes zu einem

unrechtmäßigen Wettbewerbsvorteil aufgrund der besseren Kenntnislage von

Kapsch, weil genau diese Evaluierungsergebnisse dem Verkehrsministerium als

Grundlage für die technische Ausschreibung dienten. Kapsch wußte daher vor

allen anderen Mitbewerbern von der technischen Konzeption des

Ausschreibungsinhaltes.

Das Bundesvergabeamt hält im Bescheid fest, daß diese Ergebnisse den anderen

Bietern nicht zur Verfügung gestellt wurden.

Im Bescheid des Bundesvergabeamtes wird daher festgehalten, daß laut

§ 10 Abs. 4 BVergG Unternehmen, die an den Vorarbeiten für eine

Ausschreibung unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind, von der Teilnahme am

Wettbewerb um die Leistung auszuschließen sind. Das Anbot der Firma Kapsch

AG wäre daher als unzulässiges Anbot zwingend auszuscheiden gewesen.

Die Ausschreibung erfolgte am 13. Mai 1996. An der Ausschreibung beteiligten

sich sechs Bietergruppen. Neben der Firma Kapsch AG mit ca. 350 Mio. öS

legten unter anderem Siemens mit ca. 297 Mio. öS und Alcatel mit ca. 200 Mio.

öS Anbote.

Bei der Anbotseröffnung am 15. Juli 1996 wurden die einzelnen Anbote

verlesen. Erst danach hat Kapsch aufgrund einer nicht verlesenen Subvariante

mit einem Preisnachlaß von rund 50 Mio. öS, wodurch das Anbot mit 296 Mio.

öS knapp unterhalb dem Anbot von Siemens lag, vom damaligen

Verkehrsminister Scholten den Zuschlag erhalten.

Das Bundesvergabeamt drückt in seinem Bescheid über diesen Umstand

Verwunderung aus: "Der Senat verhehlt nicht, daß er insbesondere aufgrund

des unterschiedlichen Schriftbildes, der nicht übereinstimmenden Lochung und

der Tatsache, daß im Begleitschreiben vom 15. Juli 1996 noch davon

ausgegangen wurde, daß eine genaue Bezifferung der Preisreduktion durch die

Alternativangebote erst nach weiterführenden Gesprächen mit dem

Auftraggeber vorgenommen werden können, während die Beilage XII. 8 vom

14. Juli 1996 eine außerordentlich exakte Preisaufgliederung enthält, ernste

Zweifel daran hegt, ob die Seite 1 5 des Anhanges XII. 8 des Angebotes der

Firma Kapsch AG. tatsächlich zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorlag."

Die Staatsanwaltschaft Wird Ermittlungen aufnehmen, ob eine nachträgliche

Manipulation des Anbotsverfahrens und damit ein strafrechtlich relevanter

Sachverhalt vorliegt.

Wegen der wettbewerbswidrigen Umstände wurde von den Mitbewerbern die

EU-Kommission eingeschaltet, die in einem Brief an die Bundesregierung

Aufklärung verlangt.

Wir gehen davon aus, daß durch die Vergabe des Auftrages an die Firma

Kapsch AG durch den damaligen Bundesminister Scholten dem Steuerzahler

ein Schaden von ca. 100 Mio. öS entstanden ist, da das Kapsch-Angebot

gegenüber dem Bestbieter Alcatel den Zuschlag bekommen hat. Das Anbot von

Alcatel war um 100 Mio. öS günstiger. Wir erwarten einen zusätzlichen

Schaden für den Steuerzahler, weil zumindest zwei der Mitbieter

Schadenersatzklagen gegenüber der Republik Österreich erheben werden, was

mehrere Millionen Schilling kosten könnte.

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für

Wissenschaft und Verkehr folgende

ANFRAGE :

1. Angesichts des Umstandes, daß die Kapsch AG mit ihrem Angebot ca.

100 Mio. öS über dem günstigsten Angebot (Bieterkonsortium Alcatel-

Forschungszentrum Seibersdorf-STUAG) lag, drängt sich die Frage auf,

Warum nicht jener Bieter den Zuschlag erhalten hat, der nach den

Ausschreibungskriterien (primär Preis!) das beste Angebot abgegeben hat?

Warum wurden keine renommierten Gutachter involviert um festzustellen, ob

dieses Angebot technisch ausreichend ist oder nicht?

2. Aufgrund des Bescheides des Bundesvergabeamtes müssen wir an Sie die

Frage richten, Warum auf der Grundlage dieses bei der Angebotseröffnung

am 15. Juli 1996 nicht verlesenen Angebotes der Firma Kapsch AG Ihr

Vorgänger BM Dr. Rudolf Scholten der Firma Kapsch AG den Zuschlag für

das automatische Ökopunktesystem erteilt hat?

3. Die Entscheidung des Bundesvergabeamtes berechtigt den übergangenen

Bieter Schadenersatz zu verlangen. Können Sie abschätzen, in welcher Höhe

der Bund Schadenersatzforderungen ausgesetzt sein wird?

4. Wie können Sie sich, angesichts der so massiven Hinweise darauf, daß das

Angebot der Kapsch AG nachträglich verbessert wurde, erklären, daß seitens

des Verkehrsministeriums diesen so offensichtlichen Verdachtsgründen nicht

nachgegangen wurde? Welche Art von Kontrolle hat über die beratende

Ingenieursgemeinschaft Lässer-Feizlmayer (ILF) stattgefunden?

5. Warum wurde seitens des Verkehrsministeriums nicht sichergestellt (z.B.

durch Verschließen einer Kopie der Angebote), daß eine nachträgliche

Manipulation (Verbesserung) eines Angebots ausgeschlossen werden kann?

6. Wie begründet sich für das damalige Bundesministerium für Verkehr die

Qualifikation der Ingenieursgemeinschaft Lässer-Feizlmayer (ILF), wenn

doch bekannt sein mußte, daß ILF primär auf dem Gebiet von

Tiefbauverfahren und weniger im Bereich der Telematik bzw. Elektronik

über entsprechender Expertisen verfügt?

7. Sind dem Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr

Geschäftsbeziehungen zwischen ILF und der Kapsch AG bekannt?

8. Ist es richtig, daß Vertreter des Verkehrsministeriums in Brüssel bei der EU-

Kommission (GD VII) gegen Ende 1995 - also lang vor der Ausschreibung

des gesamten automatischen Ökopunktesystems - nur Vertreter der Firma

Kapsch AG zur Präsentation der österreichischen Vorschläge zum

Ökopunktesystem eingeladen und mitgenommen haben?

Ist es weiters richtig, daß bereits zu diesem Zeitpunkt gegenüber der

EU-Kommission von einem "Kapsch-System" gesprochen wurde, obwohl

noch nicht einmal die Ausschreibung dafür erfolgte?

Glauben Sie, daß durch eine derartige Vorgangsweise die ohnehin

angeschlagene Reputation Österreichs im Bereich des öffentlichen

Vergabewesens verbessert wurde?

9. Warum hat der damalige Bundesminister für Verkehr Mag. Viktor Klima im

Herbst 1995 das Pilotprojekt für ein automatisches Punktesystem freihändig,

also ohne Ausschreibung und branchengeheim an die Firma Kapsch AG

vergeben?

Was hat die Republik Österreich der Firma Kapsch AG für dieses

Pilotprojekt bezahlt?

Warum hat der damalige Sektionschef auf Anfrage mitgeteilt, daß dieses

Ökopunktepilotprojekt lediglich ein kleiner Forschungsauftrag sei?

Wenn das ein Forschungsauftrag aus öffentlichen Geldern war, warum

wurden die wissenschaftlichen Ergebnisse nicht öffentlich zugänglich

gemacht bzw. in welcher Art und Weise wurden die Forschungsergebnisse

veröffentlicht?

10.Angesichts der nunmehr festgestellten Rechtswidrigkeit des

Vergabevorganges ist zu fragen, ob die Berater des Verkehrsministeriums ihr

Honorar bereits erhalten haben bzw. erhalten werden. Wird ein Regreß gegen

diese Berater wegen der Schadenersatzforderungen stattfinden, denen der

Bund nun ausgesetzt ist?

11.Wie können Sie angesichts der offensichtlichen Bevorzugung, die die

Kapsch AG seitens des Verkehrsministeriums festgestelltermaßen erhalten

hat, ausschließen, daß es bei der Ausschreibung für die technische

Umsetzung des Road-Pricing nicht zu ähnlichen Mißständen bzw. einer

ähnlichen Bevorzugung kommen wird, welche wiederum enorme zusätzliche

Kosten für den Bund und damit den Steuerzahler nach sich ziehen wild?