3264/J XX.GP
(1er Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn,Böhacker,Blünegger
und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen
betreffend
Äußerbudgetäre Finanzierung und verdeckte Staatsverschuldung
Die verdeckte Staatsverschuldung stellt eine Kreditaufnahme dar, die von einem öffentlichen
Haushalt veranlaßt, diesem wirtschaftlich zurechenbar, aber in dessen Haushalt nicht
veranschlagt ist. Sie erfolgt in der Regel durch eigens geschaffene Rechtsträger, sogenannte
außerbudgetäre Sonderhaushalte, und führt dazu, daß die offene Staatsverschuldung geringer
ausgewiesen wird, als es dem tatsächlichen Verschuldungsstand entsprechen würde.
Die Zurechenbarkeit zum jeweiligen Haushalt ist dadurch gegeben, daß der veranlassende
Haushalt wirtschaftlich gesehen der Schuldner bleibt und der Schuldendienst ganz oder
teilweise direkt aus dem Budget zu tragen oder indirekt durch Haftungstübernahmen
abzusichern ist.
Eine besondere Form der Budgetausgliederungen sind die außerbudgetären Finanzierungen,
unter welchen jene Finanzierungsvorgänge außerhalb der öffentlichen Haushalte zusammen-
gefaßt werden, die zur Erfüllung von öffentlichen Aufgaben beitragen. Somit handelt es sich
bei außerbudgetären Finanzierungen um Ausgliederungen, bei denen die Finanzierung
öffentlicher Ausgaben aus den Haushalten der Gebietskörperschaften herausgelöst wird.
Das Volumen der außerbudgetären Finanzierung erreichte Ende 1995 einen Umfang von rund
119 Mrd. öS. wobei die ASFINAG mit rund 102 Mrd. öS zu Buche stand.
Andererseits läßt sich aus Artikel 51 Abs. 3 B-VG folgern, daß prinzipiell in einem
Budgetvoransehlag (Grundsatz der Budgeteinheit) alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes
(Grundsatz der Vollständigkeit) zu veranschlagen sind. In diesem Zusammenhang stellt die
Führung von Verwaltungsagenden durch ausgegliederte Rechtsträger, deren Gebarung nicht
im Budgetgesetz aufscheint und damit der parlamentarischen Kontrolle entzogen wird, ein
großes Problem dar.
Das Budget sollte dem Parlament die Planung und Kontrolle allokations,- verteilungs- und
stabilitätspolitischer Entscheidungen gestatten. Eine verdeckte Staatsverschuldung führt
hingegen zu einer Aushöhlung des parlamentarischen Bewilligungsrechts. Sie begründet in
der Regel einen Sonderhaushalt und verstößt gegen den Einheitsgrundsatz des Budgets. Der
Vollständigkeitsgrundsatz wird dadurch verletzt, daß die außerbudgetäre Kreditaufnahme im
Budget meist nur noch mit Zuweisungen zum Schuldendienst aufscheint.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage
1. Die Ausgliederung der staatlichen Kreditaufnahme aus dem Budget bewirkt, daß ein
Haushaltsausgleich nur vorgetäuscht bzw. ein verbleibendes Haushaltsdefizit zu nieder
ausgewiesen wird. Dadurch wird im Regelfall die Zukunftsbelastung aus dem Titel
Schuldendienst erhöht und der Spielraum für künftige Aufgabenerfüllungen eingeengt.
Wie wird der Gefahr, daß die künftigen Belastungen aus der wachsenden
Staatsverschuldung unterschätzt und Maßnahmen zu ihrer Eindämmung unterlassen
werden, entgegengewirkt?
Existieren seitens Ihres Ministeriums exakte Berechnungen über die Erhöhung des
künftigen Schuldendienstes aufgrund von Budgetausgliederungen? Wenn ja, auf welche
Höhe wird sich der zukünftige Schuldendienst belaufen?
Werden durch die derzeit gängige Praxis der außerbudgetären Finanzierungen budgetäre
Handlungsspielräume für künftige Aufgabenerfüllungen eingeengt? Wenn ja, in welcher
Form? Wenn nein, warum nicht?
2. Außerbudgetäre Finanzgebarungen in Form von Bundesbetrieben, von öffentlich-
rechtlichen oder privat-rechtlichen Organisationsformen legen jeweils eigene
Jahresrechnungen. Politischen Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit wird dadurch
der Überblick über die gesamtwirtschaftliche staatliche Tätigkeit außerhalb der
öffentlichen Haushalte sehr erschwert. Für die Zusammenführung aller
Wirtschaftsrechnungen zu einer Gesamtschau in einem einheitlichen Schema und deren
Gesamtbeurteilung fehlen die systematischen Voraussetzungen. Wird derzeit an der
Erstellung eines derartigen Schemas gearbeitet? Wenn ja, wann wird es fertig und welche
Form wird es erhalten?
Wenn nein, ist ein derartiges Schema geplant bzw. wie wird derzeit die
Nettokreditaufnahme des gesamten öffentlichen Sektors beurteilt?
3. Zur Ermittlung der Gesamtverschuldung und der Nettokreditaufnahme des öffentlichen
Sektors im Rahmen der fiskalischen Konvergenzkriterien des Vertrages von Maastricht
schreibt die EU das Europäische System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
(ESVG) vor. Da das ESVG die meisten außerbudgetären Finanzierungen dem
Unternehmenssektor zuweist, sammelt sich im Falle einer Haftungsübernahme durch den
ausgliedernden Rechtsträger eine verdeckte Verschuldung an.
Bei welchen ausgegliederten Rechtsträgern übernimmt der öffentliche Sektor in welcher
Höhe die Haftung?
4. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sieht für zukünftige Euro-Mitgliedstaaten bei einem
übermäßigen Defizit Sanktionen in Form einer Geldbuße vor. Wie beurteilen Sie die
Gefahr, daß aufgrund zahlreicher Haftungsübernahmen, die mittelfristig das Budgetdefizit
erhöhen können. im Fall einer Euroeinführung Sanktionen gegenüber Österreich verhängt
werden?
5. In welcher Form erfolgt die Wirtschaftlichkeitsüberprüfung von außerbudgetären
Finanzierungen‘? Werden zur Wirtschaftlichkeitsüberprüfung betriebswirtschaftliche
Kennzahlen herangezogen? Wenn ja, welche? Wenn
nein, warum nicht?
6. Wie beurteilen Sie die von Seiten der Wissenschaft vorgeschlagene Möglichkeit
außerbudgetäre Finanzierungen mit einer ausreichenden Eigenkapitalausstattung zu
versehen, um ein längerfristiges selbständiges Wirtschaften zu garantieren? Gibt es
Untersuchungen die die Vor- und Nachteile einer entsprechenden Eigenkapitalaustattung
im Zuge von Budgetausgliederungen evaluieren?
7. Verletzt die derzeitige Handhabung der verdeckten Staatsverschuldung die
verfassungsrechtlichen Bestimmungen?
Wenn nein warum nicht?
Kann derzeit das Parlament in einer ausreichenden Form die Kontrolle über den
Staatshaushalt ausüben? Wenn ja in welcher Form können außerbudgetäre
Finanzierungen kontrolliert werden?
Welche Maßnahmen sind geplant, um dem Parlament die vom B-VG vorgesehenen
Kontrollrechte wieder einzuräumen?