3347/J XX.GP
der Abgeordneten Mag. Schreiner
und Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend Euro und Arbeitslosigkeit
Am 1. Jänner 1999 soll, geht es nach dem Willen der meisten Regierungen der EU
Mitgliedstaaten und der EU - Institutionen, die Europäische Währungsunion Wirklichkeit
werden. Ein derartiges Projekt könnte wenn gut und sorgfältig vorbereitet, vom nachhaltigen
Vertrauen der Bürger und der Märkte getragen und wenn es den Abschluß einer
wirtschaftlichen Integration darstellt. die wirtschaftliche Wohlfahrt und damit auch die
Beschäftigungslage Gegenüber einem Zustand ohne gemeinsame Währung verbessern. Doch
diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Es kann weder von einer Vollendung des
Binnenmarktes, noch vom Vertrauen der Bürger in eine stabile gemeinsame Währung die
Rede sein. Insbesondere in den sog. Hartwährungsländern lehnt die Mehrheit der Bevölkerung
eine verfrühte Einführung des Euro ab bzw. steht einer solchen äußerst skeptisch gegenüber
und sieht in diesem Zusammenhang weitere Nachteile auf sich zukommen. Das mit massiven
Unsicherheiten behaftete Projekt Währungsunion ist in der derzeitigen Konzeption und zum
geplanten Zeitpunkt offensichtlich auch nach gesundem Volksempfinden "ein Abenteuer"
wie es beispielsweise GPA - Chef Hans Sallmutter formulierte. Denn "hier wird versucht, eine
Gleichung mit zahlreichen unbekannten Variablen zu lösen und niemand - auch die
Prognostiker der Wirtschaftsforschungsinstitute nicht - können sagen ob die Gleichung jemals
aufgehen wird. Die Unwägbarkeiten an sich wären noch nicht das Problem, das Problem ist,
daß die Chancen und Risiken höchst ungleich verteilt sind". Diese Risiken einer überhasteten
Einführung der gemeinsamen Währung haben jedoch die Bevölkerung, die Sparer und
besonders die Arbeitnehmer zu tragen .
In Negierung und Verschleierung dieser Tatsachen versucht die österreichische
Bundesregierung neuerlich durch unhaltbare Versprechungen, wie bereits vor dem EU - Beitritt
„erfolgreich‘ praktiziert (z.B.
„Ederer - Tausender“), in der Bevölkerung abermals
überzogene Erwartungen (LH Dr. Stix) zu wecken, indem sie zum Beispiel verspricht, daß
eine gemeinsame Währung Arbeitsplätze sichern and auf Sicht neue schaffen werde“
(Vizekanzler Schüssel anläßlich der Beratungen über das Budgetkapitel Äußeres am 30. 10.
19979. Dem gegenüber stehen die realistischen Einschätzungen renommierter Experten, die
ein anderes Bild zeichnen: EU-Kommissionspräsident Jacques Santer ,, erwartet sich vom
Euro keine neuen Jobs“ (Kurier, 17.11.1997). Ebenso konstatieren und prognostizieren
anerkannte Fachleute, daß ,, ein Rückgang der Arbeitslosigkeit durch die WWU eine Illusion
ist“ (Otmar Issing), daß „als Folge des Euro die Arbeitslosigkeit weiter zunehmen wird
(Horst Siebert), daß es ‚,unwahrscheinlich ist, daß von der Europäischen Währungsunion, so
wie sie im Maastricht - Vertrag konzipiert ist, positive Beschäftigungseffekte ausgehen“ (Van
der Bellen) und daß ,.für die Periode 2000 - 2003 mit verstärkter Arbeitslosigkeit und mit einer
relativ starken und langen Rezession in Europa zu rechnen ist“ (Erich Streissler), um nur
einige zu nennen.
Tatsache ist jedoch, daß es derzeit EU - weit rd. 18 Millionen Arbeitslose und weitere 8 bis 9
Millionen Menschen gibt, die gerne arbeiten würden, wenn sie Aussicht auf einen
Arbeitsplatz hätten (EU-Kommission. 33529/EU XX.GP), und daß die Verwirklichung des
Maastricht - Defizits etwa 500.000 Arbeitsplätze und die Erfüllung des
Verschuldungskriteriums etwa 1 Million Jobs in Europa kosten wird (Barrel/Morgan/Pain
1995). In Österreich wird die Einführung des Euro gerade im Bankensektor und im
Versicherungsbereich zu massiven Arbeitsplatzverlusten führen. Faktum bleibt weiters, daß
die simultanen Konsolidierungsmaßnahmen (in Form der Belastungspakete) zur Dämpfung
des wirtschaftlichen Wachstums und zur geringen Investitionsbereitschaft führten, und damit,
als logische Folge, die Arbeitslosigkeit anstieg, es aber auch zu massiven Einschnitten im
Sozialbereich kam. Die traurige und für eine verantwortungsvolle Politik nicht hinnehmbare
Folge davon ist, daß in Österreich mehr als eine Million Menschen unter der Armutsgrenze
lebt (Kurier, 11.11.1997) und rd. :19.000 arbeitslos sind. Tatsache ist ferner, daß „der Euro
die Reallöhne sinken läßt ‚ und daß "reale Negativrunden bei Pensionen nicht ausgeschlossen
sind“ (Bert Rürup). Denn zum einen bedeutet die (begrenzte) Beseitigung des
Wechselkursrisikos nicht, daß die ,.Summe der Risiken“ in einer Volkswirtschaft sinkt, und
zum anderen jedoch bedeutet diese Beseitigung, daß die bisherigen Auf - und Abwertungen
durch höhere Mobilität von Arbeitskräften und/oder höhere Flexibilität der Reallöhne ersetzt
werden müssen, zumindest solange kein nennenswerter Inner - EU - Finanzausgleich existiert.
Tatsache bleibt schließlich, daß in der geplanten WWU die rein monetären Ziele im
Vordergrund stehen. Ebenso basieren die
Konvergenzkriterien auf monetären
Zielvorstellungen. Andere Kriterien, wie die Berücksichtigung der Beschäftigungslage.
obwohl vielfach, insbesondere von den Gewerkschaften, gefordert bleiben außer Betracht.
Mit anderen Worten, die für die Bevölkerung und Arbeitnehmer wirklich drängenden
Anliegen, nämlich die Lösung der virulenten und drastischen Probleme am Arbeitsmarkt.
wurde und wird im Gegensatz zu den, auch mit Budgettricks und kreativer Buchführung
gespickten, Anstrengungen zur Erreichung der Konvergenzkriterien realpolitisch eine
untergeordnete Rolle eingeräumt. Die Aktivitäten der Europäischen Union in Zusammenhang
mit der Rekordarbeitslosigkeit gingen bisher über die symbolische Ebene nicht hinaus. Auf
der praktisch - konkreten Ebene wurde nichts erreicht. Eine Vielzahl von Konferenzen. Studien
und Weißbüchern zeugen davon. Umfangreiche Erklärungen bei jedem Europäischen Rat, ein
eigenes Beschäftigungskapitel im Amsterdamer - Vertrag, eine Entschließung des
Europäischen Rates über Wachstum und Beschäftigung wurden diesem Thema bereits
gewidmet. Am 20/21.11.1997 findet ein eigener Beschäftigungsgipfel in Luxemburg statt.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird, verfolgt man die diesbezüglich laufende Diskussion
zwischen den Mitgliedstaaten und das Ergebnis des sog. "Jumbo - Gipfels vom 17.11.1997.
das Resultat wiederum weit hinter den in der Bevölkerung geweckten Erwartungen bleiben.
Einmal mehr werden den Bürgern falsche Hoffnungen vorgegaukelt, wie es ein Kommentar in
der Kleinen Zeitung treffend auf den Punkt bringt. Selbst AK - Präsident Tumpel erklärte
jüngst in Brüssel, daß ,, er sich nicht viel vom Luxenburger Beschäftigungsgipfel erwarte‘‘
(Die Presse. 6.11.1997).
Aufgrund dieser und den anderen ungelösten Problemen und offenen Fragen im
Zusammenhang mit der Einführung des Euro, treten immer mehr namhafte Wissenschafter
und Experten (beispielsweise Wilhelm Hankel, Karl Socher, Hans Tietmeyer) sowie
renommierte Politiker (Z.B. Edmund Stoiber, Kurt Biedenkopf, Gerhard Schröder, Valerie
Giscard d‘Estaing, Lamberto Dini) für eine Verschiebung des rein politisch motivierten
Projekts Währungsunion ein. Dadurch könnten massive Nachteile für die Arbeitnehmer
hintangestellt und die mit einer überhasteten Einführung des Euro verbundenen Risiken
vermieden werden. Dieser Problematik vollends bewußt hat die schwedische
sozialdemokratische Regierung, unter Hinweis darauf, ,, daß die Einführung des Euro derzeit
als riskantes und unsicheres Projekt gelten müsse", beschlossen, erst zu einem späteren
Zeitpunkt der WWU beizutreten (FAZ, 3.11.1997). Ähnlich argumentieren auch
Großbritannien und Dänemark.
Die österreichische Bundesregierung hingegen beschwichtigt und verschweigt der
Bevölkerung all diese Probleme. Vielmehr versucht sie die offensichtlichen Defizite durch
eine Millionen - teure Werbekampagne zu kaschieren. Eine derart sensible Entscheidung, die
Ablösung des österreichischen Schilling durch den Euro, kann unter diesen
Rahmenbedingungen nur durch eine Volksabstimmung in Österreich legitimiert werden.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Herrn Bundeskanzler nachstehende
Dringliche Anfrage:
1. Welches Verfahren soll Ihrer Auffassung nach bei der Festlegung der bilateralen Wechselkurse
zur Anwendung gelangen (Tageskurs. Durchschnittswerte, Leitkurse etc.)?
2. Welche Auswirkungen wird das von der Bundesregierung präferierte Verfahren auf die
österreichische Vermögens - und Exportsituation haben?
‚. Wie wird sichergestellt, daß es im Zuge der Fixierung der bilateralen Wechselkurse zu keiner
Beeinträchtigung der Vermögenspositionen der Österreicher kommt?
4. Welche Position nimmt die Bundesregierung hinsichtlich des Wechselkursregimes, das am
1.1.1999 festgelegt werden soll, ein?
5. Ist es Ihrer Auffassung nach ausgeschlossen, daß es während der Übergangszeit bzw. in der
Folge zu spekulativen Attacken gegen die europäischen Währungen bzw. den Euro kommt?
• Wenn ja, inwiefern?
• Wenn nein, welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht notwendig, um derartige spekulative
Attacken abzuwehren?
6. Welche Haltung nimmt die Bundesregierung hinsichtlich des zwischen Deutschland und
Frankreich vereinbarten informellen Ecofin - Rates (sog. Euro - X - Rat) ein und welche
Kompetenzen soll dieser erhalten?
7. Sehen Sie die Gefahr. daß dieser informelle Ecofin - Rat (Euro - X - Rat) die Arbeit des Ecofin -
Rates unterminieren oder beeinträchtigen könnte?
• Wenn nein, aus welchen Gründen nicht?
8. Ist Ihrer Auffassung nach eine demokratische Kontrolle dieses informellen Euro - X - Rates
gegeben?
• Wenn ja, durch wen, inwiefern und inwieweit?
9. Welche Position nimmt die Bundesregierung in der heftig diskutierten Frage der Besetzung
bzw. Bestellung des EZB - Präsidenten ein?
10.Sehen Sie den französischen Vorstoß als potentiellen Konflikt über die künftige Politik der
Europäischen Zentralbank?
• Wenn nein, warum nicht?
11. Wird die Bundesregierung einen eigenen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der EZB
vorschlagen oder einen Kandidaten für das Direktorium nominieren?
• Wenn nein, warum nicht?
• Wenn ja, wen?
12. Sind Sie ebenso, wie Prof. Streissler, der Auffassung, daß sich die EZB das Vertrauen der
internationalen Finanzmärkte in Bezug auf eine konsequente Politik der Preisstabilität nur
durch eine bewußt herbeigeführte Rezession erarbeiten kann?
• Wenn nein, warum nicht bzw. durch welche anderen Maßnahmen wird sich die EZB das
Vertrauen der Finanzmärkte erwerben?
13. Lt. einen Artikel in der Financial Times vom 11.11.1997 zählt Österreich, aufgrund der
Notwendigkeit der Abtretung eines Teils des Wertpapiervermögens der Nationalbanken an die
EZB bzw. ESZB, zu den großen Verlierern
nach Einführung der gemeinsamen Währung. Für
Österreich wird demnach ein Vermögensverlust von 5 Milliarden ECU (rd. 65 Mrd. ÖS)
prognostiziert. Teilen Sie diese Auffassung?
Wenn nein, auf welche Höhe werden sich Umverteilungseffekte belaufen?
Wenn ja. welche Schritte wird die Bundesregierung unternehmen, daß dieser negative Effekt
nicht eintritt?
14. In der Währungsunion übernehmen die Löhne die Rolle des Wechselkurses. Daraus folgt,
daß in der Währungsunion die nationalen Arbeitsmärkte unter größeren Anpassungsdruck
geraten. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dieser Tatsache‘?
15. Wieviele zusätzliche Arbeitsplätze werden als Folge der Einführung des Euro in Österreich
geschaffen werden?
16. Wieviele Arbeitsplätze werden als Folge der Einführung des Euro im Bankensektor oder in
anderen Bereichen kurz - und mittelfristig verloren gehen‘?
17. Im Vorfeld des Beschäftigungsgipfels in Luxemburg wurden zahlreiche Positionspapiere,
Resolutionen und beschäftigungspolitische Maßnahmen präsentiert. Wie steht die
Bundesregierung zu konkreten Vorschlägen, die über die Überwachung und Evaluierung der
nationalen Aktionsprogramme hinausgehen?
18.Welche diesbezüglichen Vorschläge wird die österreichische Bundesregierung unterstützen
bzw. einbringen?
19.Sind Sie, wie beim Gipfel der EVP - Regierungs - und Parteichefs in Toulouse beschlossen, für
die Reduzierung der Arbeitskosten zur Entlastung der Unternehmer und für die Verlagerung der
Steuerlast von der Arbeit auf mobile Faktoren?
Wenn nein, warum nicht?
20.Unterstützen Sie den, u.a. auch vom EU - Ratsvorsitzenden Juncker ventilierten Vorschlag einer
Verpflichtung für die Mitgliedstaaten ,,jedem Arbeitslosen innerhalb von zwölf Monaten und
jedem jungen Arbeitslosen binnen sechs Monaten einen regidären Job oder eine staatlich
geförderte Beschäftigung zuzuzweisen“?
Wenn ja, welche finanziellen Konsequenzen
hätte dies für Österreich?
• Wenn nein, warum nicht?
21. Sind Sie ebenso wie EU - Ratsvorsitzender Juncker der Auffassung, daß ,,künftig das
Arbeitslosengeld an die Auflage gekoppelt werden soll, eine Tätigkeit aufzunehmen"?
• Wenn nein, warum nicht?
• Wenn ja, warum?
22. Welche konkreten Ergebnisse erwarten Sie sich von diesem Beschäftigungsgipfel die qualitativ
über den sog. „Essen - Prozeß“ hinausgehen?
23. Wie sehen Sie die Entscheidung der schwedischen sozialdemokratischen Regierung, die unter
Hinweis darauf, ,, daß die Einführung des Euro derzeit als riskantes und unsicheres Projekt
gelten müsse“ und vor dem Hintergrund der „europapolitischen Skepsis ihrer Bevölkerung“
beschlossen hat, erst zu einem späteren Zeitpunkt der WWU beizutreten?
24. Wie bewerten Sie die Tatsache, daß vor der endgültigen Entscheidung Schwedens der
Währungsunion beizutreten darüber eine Volksabstimmung in Schweden stattfinden soll?
25. In der Sitzung des Unterausschusses Währung im Europäischen Parlament (13.10.1997)
vertrat EWI-Präsident Wim Duisenberg bezüglich der Frage ,, wer die Wechselkosten
begleichen wird“, die Meinung, daß dies „der Benutzer des Euro sein wird". Sind Sie
derselben Auffassung?
Wenn nein, warum können Sie dies ausschließen?
In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des §93 Abs. 1 GOG - NR zum
frühest möglichen Zeitpunkt zu behandeln.