3419/J XX.GP

 

Anfrage

Der Abgeordneten DI Hofmann, Lafer, Rosenstingl

und Kollegen

an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr

betreffend „Bett des Prokrustes“ bzw. Ungereimtheiten im BGBI. 1 Nr.120 in

Zusammenhang mit BGBI. II Nr.322 und Nr.321

Das neue Führerscheingesetz und vor allem die dazugehörigen Verordnungen beinhalten einige

Bestimmungen, die nicht schlüssig sind.

In § 4 BGBl. il Nr.322 Z 1 steht zu lesen:

Die Eignung einer Person zum Lenken von Kraftfahrzeugen setzt eine Körpergröße von

mindestens 155 cm, bei Kraftfahrzeugen der Klasse C, Cl und D von mindestens 160 cm

und bei Kraftfahrzeugen der Klasse A von höchstens 200 cm voraus.

BGBE. H Nr.322 § 4 Z 2 ist zu entnehmen, daß die unter § 4 Z 1 angeführten Personen die

genannten Kraftfahrzeuge lenken dürfen, „wenn dieser Mangel durch die Verwendung von

Behelfen, Fahrzeugen mit bestimmten Merkmalen oder Ausgleichsfahrzeugen ausgeglichen

werden kann.“

Unter BGBI. 1 Nr.120 § 8 (Gesundheitliche Eignung ) werden die weiteren Schritte erläutert,

die unter anderem von einem Antragsteller, auf den BGBl. II Nr.322 § 4 zutrifft, gesetzt

werden müssen, damit „ diese körperlichen Mängel ausgeglichen werden können“.

Da es sich bei BGBI. II Nr.322 um eine Verordnung handelt, sind dieser keine Erläuterung

beigefügt, so daß sich betreffend Sinn derselben doch einige Fragen stellen, insbesondere, da

der Erstanfragesteller selbst 200 cm mißt und den Führerschein für Fahrzeuge der Klasse A seit

1972 besitzt.

Sollte jemand die Körpergröße von 200 cm überschreiten, darf er zwar Motorrad fahren, aber

nur dann, wenn er den Bedingungen, die unter BGBl. 1 Nr.120 § 8 Z 3 und Z 2 genannt sind,

erfüllt.

Es muß auf jeden Fall zumindest ein amtsärztliches Gutachten erstellt und vom Antragsteller

beigebracht werden.

Wer z.B. größer ist als zwei Meter, muß also, um einen Führerschein der Klasse A zu

erwerben, eine zusätzliche bürokratische Hürde überspringen.

Geeignet, bedingt geeignet, beschränkt geeignet, nicht geeignet wird abschließend im

ärztlichen Gutachten festgestellt.

Je nach abschließender Beurteilung dürfen u.a. nur mit bestimmten Merkmalen versehene oder

mit speziellen Behelfen ausgerüstete Fahrzeuge von z.B. über zwei Meter großen Menschen

gelenkt werden. Weiters ist in diesem Absatz auch von Befristungen, Bedingungen oder

zeitlichen, örtlichen und sachlichen Beschränkungen der Lenkerberechtigung die Rede.

Probleme ergeben sich in der Folge für diejenigen Personen, die exakt zwei Meter messen und

der betreffenden Verordnung gestehen, daß die darin enthaltenen Bestimmungen der

Verkehrssicherheit dienen sollen?

Je nach Tageszeit schwankt auch bedingt durch die Elastizität der Bandscheiben die exakte

Größe. Was ist zu tun, wenn man morgens zwei Meter und drei Millimeter, mittags genau zwei

Meter, abends nur einen Meter und 99 Zentimeter mißt?

Eine getreu nach den Buchstaben des Gesetzes und dem Sinn der Verordnung, der

Verkehrssicherheit gestaltete Ausfahrt mit dem Motorrad könnte daher folgendermaßen

aussehen: Start am Morgen mit einem mit speziellen „Behelfen“ ausgerüsteten Motorrad.

Zwischenstopp mittags, kurze Messung mit dem seit 31. Oktober 1997 immer mit zuführenden

Maßband, gegebenenfalls Abmontieren der „Behelfe“ oder strategischer Motorradwechsel,

Austauschen des mit Behelfen ausgerüsteten Motorrades gegen das ab 31. Oktober 1997

ständig mitgeführten Ersatzmotorrades. Sollte der Fahrer noch nicht entsprechend

geschrumpft“ sein: neuerliche spätere Messung.

Ab dem 18. Lebensjahr besteht die realistische Chance, noch zu wachsen. Den unterfertigten

Abgeordneten drängt sich mangels näherer Erläuterungen seitens des Bundesministeriums für

Wissenschaft und Verkehr die Frage auf, ob und vor allem wie BGBl. II Nr. 120 § 4 Z auf

Personen, die mit 18 Jahren den Führerschein der Klasse A erwerben und zu diesem Zeitpunkt

bereits über die Größe von etwa 200 cm verfügen, Anwendung findet: Werden die

Betreffenden zu einem späteren Zeitpunkt nachgemessen?

Da man im Alter bekanntlich etwas an (körperlicher) Größe verliert, haben große Menschen

mit knapp mehr als zwei Meter Körpergröße erst ab einem gewissen Alter durch das —

niemandem zu wünschende - Nachlassen der Elastizität der Bandscheiben bzw. durch

Entkalkung der Knochen, Osteoporose, die Chance, den Führerschein der Klasse A ohne

Behördenhürdenlauf zu erwerben. Ärztlicher Auskunft zufolge beginnt dieser Prozeß etwa in

der zweiten Lebenshälfte.

Umgekehrt verhält es sich bei Menschen, die gerade noch die untere Grenze für die

erforderliche Körpergröße überschreiten.

Als Detail am Rande sei erwähnt, daß im neuen FSG unter „Erlöschen der Lenker-

berechtigung“ im § 27 Z 4 auch der älteren Verkehrsteilnehmer gedacht wird: Ihre

Lenkerberechtigung erlischt 100 Jahre nach ihrer Erteilung.

Ein weiters interessantes Detail zum Thema Verordnungen findet sich in BGBl. II Nr.321 § 6

Z 6: Demnach hat die Behörde auf Antrag die mündliche Ablegung der Fahrprüfung zu

bewilligen, „wenn der Antragsteller durch ein psychologisches Gutachten nachweist, daß er

nicht lesen oder gelesene Texte nicht verstehen kann.“

Abschließend sei gesagt, daß die von BGBI. II § 4 Z 1 betroffenen auf eine „bewährte“ und

zumindest in der griechischen Sagenwelt bekannte Methode zurückgreifen könnten. Prokrustes

hatte sehr große Wanderer an ein speziell kurzes Bett „angepaßt“ und umgekehrt.

Ein zugegebener Maßen brutale und wenig angenehme Methode. Allerdings ist der

vorprogrammierte Behördenhürdenlauf und die Anpassung an die neuen Bestimmungen

angesichts deren Sinnhaftigkeit nicht minder unangenehm.

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Herrn

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr nachstehende

Anfrage:

1.) Aus welchen Gründen werden die Grenzen für die „erlaubte“ Körpergröße bei 200 cm —

genau dem Doppelten des Pariser Urmeters - bzw. 155 cm und 160 cm angesetzt?

2.) Welche sicherheitstechnischen‘ medizinischen oder sonstigen Überlegungen sind

Grundlage für die jeweilige „Normierung“?

3.) Was genau ist in oben angeführtem Zusammenhang unter der Definition „körperliche

Mangel“ zu verstehen?

4.) Seit wann und aus welchen Gründen genau definieren Sie eine bestimmte Körpergröße als

„körperlichen Mangel“?

5.) Welche wissenschaftlichen Grundlagen gibt es für ihre Definition von „körperlichen

Mangeln“?

6.) Haben Sie sich betreffend der in BGBl. II Nr.322 § 4 Z 1 enthaltenen Bestimmungen auch

mit dem Kuratorium für Verkehrssicherheit ins Einvernehmen gesetzt?

Wenn ja, welche Meinung vertritt diesbezüglich das Kuratorium für Verkehrssicherheit?

Wenn nein, warum nicht?

7.) Welche „Körperersatzstücke“ werden Personen ab 200 cm Körpergröße zu Hilfe nehmen

müssen, um ein Kraftfahrzeug der Klasse A lenken zu dürfen?

8.) Haben Sie bezüglich der für die jeweiligen Körperersatzstücke anfallenden Kosten bereits

Kontakt mit dem Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales aufgenommen, da

es sich gemäß BGBl. II Nr.322 § 4 Z 2 bei Körpergröße um einen „Mangel“ handelt und

die anfallenden Kosten somit von der Krankenkasse übernommen werden könnten?

Wenn nein, warum nicht und wer wird die anfallenden Kosten zu tragen haben?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

9.) Welche „Körperersatzstücke“ werden Personen unter 155 bzw. 160 cm Körpergröße zu

Hilfe nehmen müssen, um ein Kraftfahrzeug lenken zu dürfen?

10.)Haben Sie bezüglich der für die jeweiligen Körperersatzstücke anfallenden Kosten bereits

Kontakt mit dem Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales aufgenommen, da

es sich gemäß BGBI. II Nr.322 § 4 Z 2 bei Körpergröße um einen „Mangel“ handelt und

die anfallenden Kosten somit von der Krankenkasse übernommen werden könnten?

Wenn nein, warum nicht und wer wird die anfallenden Kosten zu tragen haben?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

11.)Welche „Behelfe“ werden Personen ab 200 cm Körpergröße zu Hilfe nehmen müssen, um

ein Kraftfahrzeug der Klasse A lenken zu dürfen?

12.)Haben Sie bezüglich der für die jeweiligen Körperersatzstücke anfallenden Kosten bereits

Kontakt mit dem Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales aufgenommen, da

es sich gemäß BGBl. II Nr.322 § 4 Z 2 bei Körpergröße um einen „Mangel“ handelt und

die anfallenden Kosten somit von der Krankenkasse übernommen werden könnten?

Wenn nein, warum nicht und wer wird die anfallenden Kosten zu tragen haben?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

13. )Welche „Behelfe“ werden Personen unter 155 bzw. 160 cm Körpergröße zu Hilfe nehmen

müssen, um ein Kraftfahrzeug lenken zu dürfen?

14.)Haben Sie bezüglich der für die jeweiligen Körperersatzstücke anfallenden Kosten bereits

Kontakt mit dem Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales aufgenommen, da

es sich gemäß BGBI. II Nr.322 § 4 Z 2 bei Körpergröße um einen „Mangel“ handelt und

die anfallenden Kosten somit von der Krankenkasse übernommen werden könnten?

Wenn nein, warum nicht und wer wird die anfallenden Kosten zu tragen haben?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

1 5.)Werden sich die wegen ihrer Größe mit einem „Mangel“ behafteten Personen (BGBI. 1 Nr.

120 § 8 Z 3, BGBI. II Nr.332 § 4 Z 2) ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterziehen

müssen?

Wenn ja, welcher Art, wie oft und wer trägt die anfallenden Kosten?

16.)Welche Befristungen, Bedingungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen

haben Personen auf die BGBI. II Nr.332 § 4 zutrifft, zu erwarten?

17.)Gibt es Richtwerte, durch die Personen betreffend, auf die BGBl. II Nr.332 § 4 Z 1 und

Z 2 zutrifft, genau festgelegt ist, wer als geeignet, bedingt geeignet, beschränkt geeignet

oder nicht geeignet zu gelten hat?

Wenn ja, welche genau und von wem wurden diese erstellt?

Wenn nein, nach welchen Kriterien werden diese Abstufungen festgelegt?

18.) Ist seitens Ihres Ministeriums daran gedacht, einen Katalog von „Fahrzeugen mit

bestimmten Merkmalen“ (BGBI. 1 Nr.120 § 8 Z 3) für Personen, auf die BGBI. 11 Nr.332

§ 4 zutrifft, zu erstellen?

Wenn ja, nach welchen Kriterien wird dieser Katalog für die jeweilige Zielgruppe gemäß

BGBl. II Nr.332 § 4 erstellt und ist daran gedacht, diesen Katalog in weiterer Folge

ständig zu aktualisieren?

Wenn nein, warum nicht, wie genau erfolgt diesbezüglich die objektive Beurteilung?

19.) Gibt es Fälle, in denen sich Motorradfahrer, die über 200 cm groß sind, allein aufgrund

ihrer Größe als „nicht verkehrssicher“ erwiesen haben?

Wenn ja, wie viele und mit welchen Folgen?

20.) Sind Sie der Überzeugung, daß die Bestimmung in BGBI. II Nr.332 § 4 Z 1 der

Verkehrssicherheit dient?

Wenn ja, müssen in weiterer Folge konsequenterweise auch Personen, auf die BGBI II Nr.

332 § 4 zutrifft, bereits die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klasse A vor

Inkrafttreten der in BGBI. II Nr.322 § 4 Bestimmungen erworben haben, zum Wohle der

Verkehrssicherheit nachträglich überprüft werden?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wie genau wird die nachträgliche Überprüfung vonstatten gehen?

21 )Wie viele Personen gibt es in Österreich, die eine Lenkerberechtigung bereits 100 Jahre

oder länger besitzen?

20.) Welche Überlegungen haben Sie dazu veranlaßt, als Frist für das automatische Erlöschen

der Lenkerberechtigung 100 Jahre ab Ausstellung festzulegen?

22.)Halten Sie die in BGBI. II Nr.321 § 6 Z 6 enthaltene Bestimmung, die besagt, daß das

Lesen und/oder Verstehen eines Textes für die Ablegung der Fahrprüfung nicht

erforderlich ist, für bedenklich hinsichtlich der Verkehrssicherheit, gemessen daran, daß

laut BGBI. II Nr.332 § 4 Größe als nicht verkehrssicher eingestuft wird?

Wenn nein, warum nicht ?

23) Haben Sie sich bezüglich der in BGBI. II Nr.321 § Z 6 enthaltenen Bestimmung mit dem

Kuratorium für Verkehrssicherheit ins Einvernehmen gesetzt?

Wenn ja, welche Meinung vertritt diesbezüglich das Kuratorium für Verkehrssicherheit?

Wenn nein, warum nicht?

22.) Auf Basis welcher Überlegungen erachten Sie eine bestimmte Körpergröße für einen die

Verkehrssicherheit gefährdenden Faktor (BGBI. II Nr.332 § 4) und beurteilen gleichzeitig

die mangelnde Fähigkeit, Texte zu lesen und/oder gelesene Texte zu verstehen, die

unter anderem im Bereich der sogenannten Zusatztafeln wichtige Informationen für das

korrekte und sichere Verhalten im Straßenverkehr beinhalten, in die Verkehrssicherheit

als nicht relevant (BGBl. II Nr. 321§ 6 Z 6)?