3611/J XX.GP
der Abgeordneten Mag. Kukacka
und Kollegen
an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr
betreffend Aussagen zur geplanten Harmonisierung des Wochenend - , Feiertags -
und Nachtfahrverbots in der Europäischen Union
Innerhalb der Europäischen Union gelten zur Zeit höchst unterschiedliche
Regelungen bezüglich des Wochenend -, Feiertags - und Nachtfahrverbots für
LKW. Zwei Drittel der EU - Staaten haben kein Wochenendfahrverbot.
Frankreich und Österreich haben hingegen sehr strenge Regelungen. In
Österreich gilt an Wochenenden von Samstag 15 Uhr bis Sonntag 22 Uhr,
während der Nacht sowie an 13 Feiertagen ein Fahrverbot für LKW über 7, 5
Tonnen.
Da die unterschiedlichen Regelungen sehr verwirrend sind, hat der Vertreter der
Niederlande im EU - Verkehrsministerrat auf die Notwendigkeit einer
Harmonisierung hingewiesen. Dieser Position haben sich laut EU - Kommission
mehrere Staaten angeschlossen, die EU - Verkehrskommissar Neil Kinnock
aufgefordert haben, einen Vorschlag für eine gesetzliche Regelung
auszuarbeiten.
Über diesen Plan berichtete Verkehrskommissar Kinnock im Verkehrsausschuß
des EU - Parlaments. Über den genauen Inhalt und die Art der Regelung wurde
keine Aussage getätigt, sodaß noch nicht sicher ist, welche Lösung für eine
Harmonisierung getroffen wird und ob die Regelung in Form einer
verbindlichen Verordnung oder Richtlinie oder auf Basis eines Gentleman‘s -
Agreement erfolgen wird.
Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Einem reagierte auf die
Ankündigung Kinnocks im Verkehrsausschuß des EU - Parlaments mit der
Aufforderung an den für Landwirtschaft zuständigen Kommissar Dr. Franz
Fischler, in der Kommission die Interessen Österreichs zu vertreten und sich
gegen eine Lockerung des Wochenend - , Feiertags - und Nachtfahrverbots
auszusprechen.
Kommissar Dr. Fischler mußte daraufhin in einem Interview des ORF - Radio
Tirol am Montag, den 19. Jänner 1998, Bundesminister Dr. Einem dahingehend
aufklären, daß er einen Eid abgelegt habe, im Interesse Europas zu handeln und
keine Anweisungen oder dergleichen von österreichischen Politikern
anzunehmen. „Durch Aufforderungen über Medien werde sein
Handlungsspielraum enorm eingeengt“, kritisierte Fischler das Verhalten von
BM Dr. Einem. Nach Angaben seines Kabinetts versucht Kommissar
Dr. Fischler jedoch stets seine Kommissionskollegen für eine für Österreich und
vor allem für Tirol verträgliche Lösung des Transitproblems zu sensibilisieren.
Er hat jedoch keine Macht, Entscheidungen gegen Österreich mit einem Veto zu
blockieren, da Entscheidungen in der Kommission mit einfacher Mehrheit
getroffen werden.
In einer Presseaussendung des Bundesministeriums für Wissenschaft und
Verkehr vom 21. Jänner 1998 (OTS 035) kritisierte BM Dr. Einem in diesem
Zusammenhang den Willensbildungsprozeß in der Europäischen Union im
allgemeinen und fordert eine durchgreifende Reform der Institutionen der EU,
die Einsetzung eines unmittelbar demokratisch legitimierten
Entscheidungsorgans und die Möglichkeit der Bürger, eine ‚,EU - Regierung“
mittels Wahl abwählen zu können. Laut Einem sollen bis dahin Fragen, die nur
die Interessen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe betreffen, auf nationaler
Ebene verbleiben.
EU - Verkehrskommissar Neil Kinnock reagierte am Mittwoch, den 21. Jänner
1998, verärgert auf die Kritik Einems, indem er ihn an den
Gesetzgebungsprozeß in der Europäischen Union erinnerte: Die EU -
Kommission macht zu den verschiedenen Fahrverboten für LKW nur einen
Vorschlag, um die sehr unterschiedlichen Regelungen zu vereinheitlichen und
die daraus resultierenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme zu beheben.
Darüber zu entscheiden und abzustimmen, ist Sache der Verkehrsminister im
EU - Ministerrat, wo jeder Verkehrsminister der Mitgliedstaaten und somit auch
Bundesminister Dr. Einem vertreten ist. Da die Regierungen, denen die
Bundesminister der einzelnen Länder angehören, demokratisch gewählt wurden,
kann man wohl nicht von einer Institution sprechen, die nicht demokratisch
legitimiert sei.
Da Verkehrskommissar Kinnock nach seiner Kritik nach dem
Verkehrsministerrat vom 10. und 11. Dezember 1997 (siehe Anfrage 3599/J)
bereits zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit das Verhalten von
Bundesminister Dr. Einem kritisiert, richten die unterfertigten Abgeordneten an
den Bundesminister für Wissenschaft und
Verkehr folgende
Anfrage:
1. Ist es richtig, daß Sie über die Medien den für Landwirtschaft zuständigen
Kommissar Dr. Fischler aufgefordert haben, in der Kommission für die
österreichischen Interessen einzutreten?
2. Wenn ja, halten Sie diese Vorgangsweise für richtig? Ware es nicht
sinnvoller gewesen, Dr. Fischler direkt und nicht über die Medien zu bitten,
sich in der Kommission bei seinen Kollegen für einen den österreichischen
Interessen entsprechenden Kompromiß einzusetzen?
3. Ist Innen bekannt, daß Kommissionsmitglieder einen Eid darauf ablegen, sich
für die Interessen Europas und nicht für die Einzelinteressen der Staaten, von
denen sie nominiert werden, einzusetzen?
4. Nach den Aussagen Ihres Ministeriums in der Presseaussendung vom 21.
Jänner 1998 (OTS 035) muß bezweifelt werden, daß Ihnen der
Gesetzgebungsprozeß in der Europäischen Union bekannt ist. Ist Ihnen
bekannt, daß die Kommission Gesetzesvorschläge erarbeitet, die nach einer
Behandlung im Europäischen Parlament vom Ministerrat, dem auch Sie
angehören, entschieden werden?
5. Ist Ihnen bekannt, daß Entscheidungen der Kommission immer mit einfacher
Mehrheit gefällt werden und daher ein Veto eines Kommissars nicht möglich
ist?
6. Halten Sie den EU - Ministerrat, der aus den Fachministern der einzelnen
Mitgliedstaaten besteht, für eine demokratisch legitimierte Institution?
7. Glauben Sie nicht, daß es im Interesse der österreichischen Verkehrspolitik
zweckdienlicher wäre, mit Ihren Kollegen im Ministerrat und dem
zuständigen Vertreter der Europäischen Kommission eine gute
Gesprächsbasis aufrechtzuerhalten, um auf diesem Wege bei Verhandlungen
das beste Ergebnis für Österreich zu erzielen?