4004/J XX.GP

 

der Abgeordneten Mag. Stadler, Dr. Pumberger, Mag. Haupt

an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales

betreffend Aushöhlung der freien Arztwahl durch die Krankenversicherung

Durch das Sozialrechtsänderungsgesetz 1996 wurde die Kostenerstattung bei Inanspruchnahme

von Wahlärzten auf 80 % der Kosten der Inanspruchnahme eines Vertragsarztes reduziert. Diese

Maßnahme erfolgte mit der Begründung, daß die Wahlarzthilfe immer stärker in Anspruch

genommen werde und durch die kompliziertere Abrechnung dieser Leistungen der Abzug

gerechtfertigt sei. Völlig unberücksichtigt blieben bei dieser Änderung leider die Gründe,

warum die Versicherten zunehmend mehr Wahlärzte in Anspruch nehmen, obwohl durch die

mühsame und langwierige Kostenerstattung meist nur eines Teils des bezahlten Honorars

immer schon deutlich erschwert wurde: Bei vielen Vertragsärzten müssen die Patienten leider

ein Massen - und Schnellabfertigung, keine funktionierende Terminvereinbarung, wenig Einge -

hen auf den Einzelnen und mangelnde Gesprächsbereitschaft in Kauf nehmen, was vom

Abrechnungssystem der Krankenversicherungsträger finanziell zumindest begünstigt, wenn

nicht sogar erzwungen wird.

Mit der Verringerung der Kostenerstattung an den Versicherten wird die freie Arztwahl faktisch

deutlich eingeengt, weil es vor allem sozial Schwächeren praktisch unmöglich gemacht wird,

einen Wahlarzt in Anspruch zu nehmen. Damit besteht die freie Arztwahl im Bereich der

Pflichtversicherung nur noch theoretisch.

Neben diesen grundsätzlichen Zweifeln an der Zumutbarkeit der Leistungskürzung haben die

Anfragesteller aber auch erhebliche Bedenken gegen die konkrete Vorgangsweise der Kranken -

versicherungsträger bei der Abrechnung für Wahlarztkosten, weil sie zu einer zusätzlichen Be -

lastung der Versicherten führt: So werden für die Abrechnung von Wahlarztkosten Leistungs -

limitierungen für den Einzelfall herangezogen, obwohl bei Vertragsärzten nur der Durchschnitt

der Leistungen für alle Patienten begrenzt wird. Dies hat zur Folge, daß ein Wahlarzt für seinen

Patienten nur noch eine sehr eingeschränkte Zahl an Leistungen erbringen kann, die von der

Krankenversicherung auch entsprechend rückvergütet werden; die Feststellung von Diabetes

mellitus Typ II, eine Untersuchung auf Fettstoffwechselstörungen oder ein Blutbild über -

schreiten bereits die Höchstgrenze der verrechenbaren Leistungen pro Quartal. Die Behandlung

der Patienten durch Wahlärzte wird auf diese Weise verhindert, jedenfalls führt diese Art der

Abrechnung aber zu einer beachtlichen finanziellen Belastung der Patienten, die weit über die

Einschränkung der Rückvergütung auf 80 % hinausgeht.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten in diesem Zusammenhang an die Frau Bundes -

ministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales die nachstehende

Anfrage:

1. Um wieviel Prozent ist die (mit den Krankenversicherungsträgern abgerechnete)

Inanspruchnahme von Wahlärzten seit der Absenkung der Kostenerstattung auf 80 %

gesunken?

2. Wie verhalten sich die als Kostenerstattung ausbezahlten Beträge zu den durchschnitt -

lichen Kosten pro Patient bei einem Vertragsarzt im Jahr 1997? Welcher Prozentsatz der

durchschnittlichen Kosten pro Patient bei einem Vertragsarzt wird daher den

Versicherten, die einen Wahlarzt bevorzugen, tatsächlich im Durchschnitt refundiert?

3. Welcher Prozentsatz der vom Versicherten dem Wahlarzt bezahlten Beträge wird an die

Patienten im Durchschnitt refundiert?

4. Werden Sie sich dafür einsetzen, daß die Krankenversicherungsträger bei der Kosten-

erstattung für Wahlarztkosten so wie bei Vertragsarztleistungen nicht eine Limitierung

pro Patient sondern nur eine Limitierung für alle Patienten des Wahlarztes rechnerisch

zugrundelegen? Wenn nein, was steht einer solchen Gleichstellung im Wege?

5. Halten Sie es für vertretbar, wenn bei einem Wahlarzt nicht einmal ein bei Infektions -

krankheiten häufig erforderliches Blutbild in einem Vierteljahr in Anspruch genommen

werden kann, ohne erhebliche private Mehrausgaben zu verursachen?

6. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus, daß die Versicherten trotz bürokratischer Hürden

und deutlicher finanzieller Mehrbelastungen lieber Wahl - als Vertragsärzte in Anspruch

nehmen?

7. Welche Änderungen der ärztlichen Honorierung halten Sie für erforderlich, um die

Vertragsärzte nicht mehr entweder zu “Fließbandarbeit” oder zum Negieren wirtschaft -

licher Grundsätze und Erfordernisse zu zwingen?